Ausschlussfrist im Reisevertragsrecht

LG Frankfurt: Ausschlussfrist im Reisevertragsrecht

Ein Rumänienurlauber war mit dem Hotel unzufrieden und reiste früher ab. Eventuelle Ansprüche auf Reisepreisminderung ließ er jedoch verwirken, weil er die einmonatige Anspruchsmeldungsfrist nicht wahrte.

LG Frankfurt 2-24 S 320/83 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 09.04.1984
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 09.04.1984, Az: 2-24 S 320/83
AG Frankfurt, Urt. v. 08.08.1983, Az: 30 C 14 161/83
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Landgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 9. April 1984

Aktenzeichen 2-24 S 320/83

Leitsatz:

2. Die Frist für Anspruchsmeldungen bei Reisemängeln ist ein Monat nach Reiseende oder Vertragskündigung.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau und die kleine Tochter bei der beklagten Reiseveranstalterin eine dreiwöchige Rumänienreise für 1.769,- € gebucht. Nach der Anreise am 06.09.1982 stellte er diverse Mängel hinsichtlich Sauberkeit, Ausstattung und Verpflegung im Hotel fest und reiste mit seiner Familie am 10.09. vorzeitig ab, nachdem er Rücksprache mit der Reiseleitung gehalten hatte. Am 20.12.1982 meldete er anwaltlich Ansprüche bei der Beklagten an, welche diese wegen Versäumnis der Meldefrist abwies.

Vor das Amtsgericht Frankfurt getragen wurde der Fall zu Ungunsten des Klägers entschieden, weil die Meldefrist für Reisemängel nicht gewahrt wurde. Auch die Berufung hiergegen vor dem Landgericht half dem Kläger nicht und wurde mit Wiederholung der Begründung erster Instanz zurückgewiesen. Die einmonatige Meldefrist für Ansprüche aus mangelhaften Reiseleistungen dient einer schnellen Abwicklung und muss gewahrt werden, damit die Ansprüche nicht verwirken.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 8.8.1983 – 30 C 14 161/83 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und die 4 1/2-jährige Tochter eine dreiwöchige Reise nach Rumänien, Mamaia, Hotel … zum Preis von 1.769,- mit Reisebeginn am 6.9.1982. Die Familie des Klägers war mit den im Hotel … angebotenen Reiseleistungen nicht zufrieden. Nach Rücksprache mit der örtlichen Reiseleitung flog sie vorzeitig am 10.9.1982 wieder nach Hause. Mit Schreiben vom 20.12.1982 machten die Prozessbevollmächtigten des Klägers Zahlungsansprüche geltend, die die Beklagte mit Schreiben vom 4.1.1983 wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 651 g I BGB zurückwies.

6. Mit der am 7.3.1983 bei Gericht eingegangenen, am 21.4.1983 zugestellten Klage hat der Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.660,85 DM geltend gemacht, der sich aus dem anteiligen Reisepreis für 16 nicht in Anspruch genommene Tage und 40% Minderung für die ersten fünf Tage des Hotelaufenthalts zusammensetzt. Er hat behauptet, das Hotelzimmer und die Gemeinschaftstoiletten neben dem Speisesaal seien nicht sauber, die Zimmerreinigung ungenügend, die Verpflegung einschließlich Getränke eintönig und unzureichend gewesen. Diese Mängel habe er am 8.9.1982 gegenüber dem Reiseleiter gerügt und für den Fall der Nichtabhilfe auf vorzeitiger Rückreise bestanden.

7. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.660,85 nebst 4% Zinsen seit 11.1.1983 zu zahlen.

8. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9. Sie hat die geltend gemachten Mängel bestritten, sich vorab aber auf die Nichteinhaltung der einmonatigen Ausschlussfrist nach § 651 g I BGB berufen.

10. Das Amtsgericht hat durch das am 8.8.1983 verkündete, am 29.8.1983 zugestellte Urteil die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die einmonatige Anmeldefrist nach § 651 g I BGB nicht gewahrt.

11. Hiergegen hat der Kläger am 29.9.1983 Berufung eingelegt und diese am 28.11.1983 begründet. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, das Amtsgericht habe § 651 g I BGB zu Unrecht angewendet; die Vorschrift habe für den nach Kündigung des Reisevertrages gemäß § 651 e BGB bestehenden Anspruch auf Rückforderung des gezahlten Reisepreises, der seine Rechtsgrundlage in den §§ 812 ff BGB habe, keine Geltung.

12. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 8.8.1983 – 30 C 14161/83 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.660,85 nebst 4% Zinsen seit dem 11.1.1983 zu zahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

15. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, mithin zulässig. In der Sache muss ihr der Erfolg versagt bleiben.

16. Das Amtsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass Ansprüche des Klägers ausgeschlossen sind, weil der Kläger die in § 651 g I BGB normierte Frist von einem Monat ab vertraglichem Reiseende nicht gewahrt, vielmehr seine Ansprüche erst mit Schreiben seiner Anwälte vom 20.12.1982 angemeldet hat.

17. Nach § 651 g I BGB hat der Reisende die ihm nach den §§ 651 c bis 651 f zustehenden Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung (Löwe, MK, § 651 g, Rdnr. 4; Palandt-Thomas, 43. Auflage, 1984, § 651 g, Anm. 1) a; Tonner, Kommentar zum Reisevertragsgesetz, § 651 g, Rdnr. 4) gilt dies auch für den Anspruch auf Rückforderung des Reisepreises nach gemäß § 651 e BGB ausgesprochener Kündigung des Reisevertrages.

18. Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift, die auf die gesamten die Gewährleistungsrechte begründenden Vorschriften des Reisevertragsrechts verweist und dabei den § 651 e BGB nicht ausnimmt. Der Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises nach Kündigung gemäß § 651 e BGB beruht auf der vertraglichen Rückabwicklung und nicht auf ungerechtfertigter Bereicherung. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung des BGH an, wonach mit der Kündigung des Vertrages ein Abwicklungsschuldverhältnis entsteht (BGHZ 85, 51 = NJW 1983, 33; BGHZ 85, 301 = NJW 1983, 448; ebenso Larenz, VersR 1980, 692; Staudinger-Schwerdtner, 12. Auflage, 1983, § 651 e, Rdnr. 29; Palandt-Thomas, 43. Auflage, 1984, § 651 e, Anm. 3, a; Teichmann, JZ 1979, 741, Fußn. 54). Daraus folgt notwendig die Anwendbarkeit des § 651 g BGB, zumal es bei einer am Sinn und Zweck dieser Vorschrift orientierten Auslegung darauf ankommt, dass die Ansprüche durch die Kündigung gemäß § 651 e BGB, auf den § 651 g I ebenfalls Bezug nimmt, ausgelöst werden.

19. Zweck der in § 651 g getroffenen Regelung ist die möglichst schnelle Abwicklung der Gewährleistungsansprüche, um dem Reiseveranstalter alsbald einen Überblick über die auf ihn zukommenden Ansprüche zu geben, um Beweise zu sichern, Regressansprüche gegenüber den Leistungsträgern geltend zu machen und etwaige Rückstellungen vorzunehmen. All dies trifft auch für den Rückzahlungsanspruch aus § 651 e BGB zu, zumal er bei Geltendmachung des Gegenanspruchs des Reiseveranstalters auf Entschädigung (§ 651 e III S. 2 BGB) der Sache nach meist auf eine Minderung der Reisevergütung hinausläuft. Auch in diesen Fällen bedarf es einer baldigen Sicherung des Beweises, ob die vom Reisenden für die Berechtigung seiner Kündigung vorgetragenen erheblichen Mängel vorgelegen haben und die in § 651 e I S. 1 vorgesehenen Formalien (Fristsetzung) eingehalten worden sind. Es wäre sinnwidrig, für die Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz die in § 651 g normierten kürzeren Fristen einzuführen, für den Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises nach erfolgter Kündigung eine dreißigjährige Verjährungsfrist laufen zu lassen. Der BGH hat deshalb im Urteil vom 18.11.1982 (BGHZ 85, 301 = NJW 1983, 448) mit Recht die sechsmonatige Verjährungsfrist für diesen Fall gelten lassen und gleichzeitig auf die Versäumung der einmonatigen Ausschlussfrist hingewiesen (Ziffer 2, c der Entscheidungsgründe).

20. Soweit der Kläger meint, der Reiseveranstalter bedürfe im Fall der Kündigung nach § 651 e keines Schutzes durch die kürzeren Fristen des § 651 g, weil er durch die ausgesprochene Kündigung gewarnt sei, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Der Kläger verkennt hierbei, dass einmal die Gründe für die Kündigung nicht offenkundig sind und außerdem die Kündigungserklärung meist nur gegenüber der örtlichen Reiseleitung, nicht aber gegenüber der Zentrale in Deutschland ausgesprochen wird. § 651 g I BGB will aber mit der vorgeschriebenen Anmeldung sicherstellen, dass der Reiseveranstalter in Deutschland nach Reiseende erfährt, dass der Reisende Ansprüche geltend machen will. Bei einer Kündigung gegenüber der örtlichen Reiseleitung, die sogar mündlich erfolgen kann und teilweise auch konkludent ausgesprochen wird, ist aber eine derartige Unterrichtung der Zentrale nicht sichergestellt. Die Interessenlage ist demgemäß auch eine andere als in dem Fall, dass am Urlaubsort meist vor der Abfahrt eine Niederschrift gemeinsam vom Reisenden und Reiseleitung erstellt wird, die die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Reisenden offenkundig manifestiert und von der Reiseleitung an die Zentrale weitergeleitet wird (vgl. LG Frankfurt, NJW 1978, 1488). Die Kammer hätte deshalb auch keine Bedenken, im Anschluss an ihre ständige Rechtsprechung, wonach diese Niederschrift eine Anmeldung nach § 651 g I BGB ersetzt, auch für den Fall der Kündigung gelten zu lassen, wenn hierin die Erklärung des Reisenden nebst Gründen (Mängelliste) aufgeführt sind. Es kann im Rahmen dieser Entscheidung auch offenbleiben, ob bei einer vom Reisenden vom Urlaubsort vor dem vorzeitigen Abbruch an die Zentrale übersandten, schriftlichen, mit Gründen versehenen Kündigungserklärung (eventuell auch nach einer telefonischen Erklärung über die angetretene Rückreise) eine nochmalige Anmeldung der Ansprüche nach Rückkehr erforderlich ist. Bei einer bloß mündlichen Verständigung mit der örtlichen Reiseleitung, wie sie hier vom Kläger vorgetragen wird, ist jedenfalls eine Anmeldung nach § 651 g I BGB notwendig.

21. Die Berufung war demnach mit der Kostenfolge aus § 97 I ZPO zurückzuweisen.

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