Ausschlussfrist für Ansprüche

AG Frankfurt: Ausschlussfrist für Ansprüche

Ein Fluggast wird von seiner Airline mit einer mehr als 3-stündigen Verspätung befördert. Im Folgenden lässt der Kläger zwei Jahre verstreichen und erhebt erst dann Klage gegen die Fluggesellschaft.

Das Amtsgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Der Anspruch, der der Klägerin zugestanden hätte, sei inzwischen verjährt und könne nicht länger geltend gemacht werden.

AG Frankfurt 29 C 2939/05 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 28.12.2005
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 28.12.2005, Az: 29 C 2939/05
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 28. Dezember 2005

Aktenzeichen: 29 C 2939/05

Leitsatz:

2. Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung verjähren nach 2 Jahren endgültig.

Zusammenfassung:

3. Ein Fluggast bucht bei einem Luftfahrtunternehmen eine Flugreise nach Indien. Wegen Verzögerungen während der Beförderung kommt der Kläger erst mit mehr als 3 Stunden Verspätung am Zielflughafen an.
Der Fluggast lässt zweu Jahre verstreichen, ehe er die Airline auffordert, ihm einen Ausgleich zu zahlen.

Die Beklagte weigert sich der Zahlung, da der fragliche Anspruch längst verjährt sei. In der Folge klagt der Geschädigte auf Erteilung seines Zahlungsanspruchs.

Das Amtsgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Nach Art. 7 der Fluggastrechte-Verordnung steht Fluggästen bei einer mehr als 3-stündigen Verspätung eine Ausgleichszahlung durch die befördernde Airline zu.
Vorliegend habe der Kläger allerdings zu lange gewartet, um seinen Anspruch geltend zu machen.

Nach Art. 35 des Montrealer Übereinkommens müssen Ausgleichsansprüche bei Flugausfällen oder Annullierungen in einer Frist von 2 Jahren gestellt werden. Mit Ablauf dieses Zeitraums verfallen sämtliche Ansprüche des Geschädigten.

Diese Regelung diene zum einen der Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens, zum anderen könne dem Luftfahrtunternehmen nicht zugemutet werden, für  Verspätungen haftbar gemacht zu werden, die mehrere Jahre zurückliegenden.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Klägerin klagt gegen eine Fluggesellschaft auf Schadensersatz wegen angeblich verspäteter Beförderung.

6. Die Klägerin traf mit einem Flug der Beklagten von F nach B dort am 17.05.2003 ein.

7. Die Klägerin behauptet,

8. planmäßige Ankunft sei der 16.05.203 gewesen; durch die Verzögerung sie ihr ein Schaden in Höhe von etwa 12.000,00 EUR entstanden.

9. Die Klägerin hat zunächst in Höhe eines Teilbetrag von 2.000,00 EUR durch ihren Prozessbevollmächtigten ein Mahnverfahren eingeleitet; ihr entsprechender Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ist am 12.01.2005 beim Mahngericht eingegangen, das am 21.02.2005 den Mahnbescheid antragsgemäß erlassen hat. Nach Zustellung des Mahnbescheids hat die Beklagte am 01.03.2005 Widerspruch eingelegt. Unter dem 02.03.2005 hat das Mahngericht den Prozessbevollmächtigten der Klägerin davon benachrichtigt und darauf hingewiesen, dass zur Abgabe des Verfahrens ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erforderlich ist und als Antrag auch die Zahlung der Kosten für das streitige Verfahren angesehen wird. Mit gleichem Datum hat es beim Klägervertreter die Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens in Höhe von 182,50 EUR angefordert.

10. Am 26.09.2005 ist der Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Durchführung des streitigen Verfahrens eingegangen. Nach Eingang des Kostenvorschuss in Höhe von 182,50 EUR am 06.10.2005 hat das Mahngericht die Sache am gleichen Tag an das AG Frankfurt am Main als Streitgericht abgegeben.

11. Die Klägerin hat dort beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.000,00 EUR (Teilbetrag aus 7.909,31 EUR) zzgl. Verzugszins seit dem 08.10.04 zu zahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

14. die Klage abzuweisen.

15. Die Beklagte beruft sich auf die Ausschlussfrist nach Art. 29 I Warschauer Abkommen (abgekürzt: WA).

16. Wegen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

17. Die Klage ist unbegründet.

18. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung. Etwaige Ansprüche der Klägerin sind auf jeden Fall verfristet und damit ausgeschlossen.

19. Dabei kann offen bleiben, ob sich der Ausschluss noch nach Art. 29 des Warschauer Abkommens (im folgenden: WA) oder bereits nach Art. 35 I des Nachfolgeabkommens, des Montrealer Übereinkommens (im folgenden: MÜ), richtet. Denn beide Vorschriften sind in ihrem Regelungsgehalt identisch, indem sie Ansprüche des Fluggastes auf Schadensersatz wegen eines Lufttransportes ausschließen, wenn er diese nicht innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag, an dem das Flugzeug am Bestimmungsort angekommen ist, geltend macht. Beide Vorschriften verdrängen in ihrem Anwendungsbereich nationales Recht, insbesondere die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Klägerin, die am 17.05.2003 am Bestimmungsort in Indien eintraf, hätte ihre Ansprüche spätestens am 17.05.2005 24.00 Uhr gerichtlich geltend machen müssen. Dies hat sie nicht getan.

20. Klage hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhoben. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie am 17.05.2005 bereits das Mahnverfahren eingeleitet hatte. Ob auch die rechtzeitige Einleitung des Mahnverfahrens nach den §§ 696 ff. ZPO überhaupt ausreicht, um die Ausschlussfrist von Art. 35 I MÜ zu wahren, kann dabei ausdrücklich dahinstehen. Denn selbst diejenigen, die hier die Einleitung des Mahnverfahrens der Klageerhebung gleichstellen, betonen, dass die Einleitung des Mahnverfahrens die Ausschlussfrist nur dann wahrt, wenn die Sache alsbald nach Erhebung des Widerspruchs an das zuständige Streitgericht abgegeben wird (LG Frankfurt am Main, ebd.).

21. Denn nur in diesem Fall tritt die Fiktion der Rechtshängigkeit mit Zustellung des Mahnbescheids gem. § 696 III ZPO ein, die es alleine rechtfertigt, die Einleitung des Mahnverfahrens der Klageerhebung überhaupt gleichzustellen. Dies war hier aber nicht der Fall. Widerspruch gegen den Mahnbescheid hatte die Beklagte bereits am 01.03.2005 erhoben, während die Sache an das Streitgericht erst am 06.10.2005 und damit mehr als sieben Monate später abgegeben wurde. Diese Abgabe war nicht mehr „alsbald“ im Sinne des § 696 III ZPO. Die Verzögerung der Abgabe war auch alleine und ausschließlich auf die Klägerin bzw. ihren Prozessbevollmächtigten, dessen etwaiges Verschulden sie sich nach § 85 II ZPO zurechnen lassen muss, zurückzuführen. Die Klägerin hat nämlich den Kostenvorschuss, den das Mahngericht bereits unter dem 02.03.2005, einen Tag nach Einlegung des Widerspruchs, angefordert hatte, erst am 06.10.2005 eingezahlt.

22. Dabei enthielt die Kostenanforderung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 02.03.2005 den ausdrücklichen Hinweis, dass zur Abgabe des Verfahrens ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erforderlich ist und als Antrag auch die Zahlung der Kosten für das streitige Verfahren angesehen wird (Bl. 6 d. A.). Ein Antrag der Klägerin auf Durchführung des streitigen Verfahrens ging jedoch erst am 26.09.2005 ein, woraufhin nach Eingang des erforderlichen Vorschusses am 06.10.2005 unter dem gleichen Tag die Abgabe an das Streitgericht verfügt wurde. Wenn aber – wie hier – die Abgabe an das Streitgericht aus vom Kläger zu vertretenden Umständen um mehr als sieben Monate (gerechnet ab Einlegung des Widerspruchs) verzögert wird, ist die Abgabe nicht mehr alsbald im Sinne des § 696 III ZPO mit der Folge, dass die Einleitung des Mahnverfahrens nicht mehr innerhalb der Ausschlussfrist von Art. 35 I MÜ erfolgt (so bereits für eine dreimonatige Verzögerung zwischen Benachrichtigung des Klägers vom Eingang des Widerspruchs sowie Kostenanforderung einerseits und Überweisung des Kostenvorschusses andererseits: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.07.1993, 3/13 O 2/93, NJW-RR 1995, 865 (866)).

23. Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 91 I 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

24. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 48 I 1 GKG n. F., 3 ZPO.

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