Ausfall zweier Flugmotoren

AG Rüsselsheim: Ausfall zweier Flugmotoren

Ein Fluggast nahm ein Luftfahrtunternehmen in Anspruch, die sich weigerten bei einer Flugverspätung von 29 Stunden einen Ausgleich zu zahlen, indem sie sich auf „außergewöhnlichen Umstände“ berufen.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat dem Fluggast den Ausgleich zugesprochen und entschied, dass eine Nichtbeförderung und Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen für die Fluggäste ein Ärgernis darstellt und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht und die hier vorliegenden technischen Probleme keine „außergewöhnlichen Umstände“ sind.

AG Rüsselsheim 3 C 146/10 (33) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 31.05.2010
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 31.05.2010, Az: 3 C 146/10 (33)
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Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 31. Mai 2010

Aktenzeichen: 3 C 146/10 (33)

Leitsatz:

2. Der Ausfall zweier unabhängig voneinander arbeitender Motoren, die die Funktion eines Ventils steuern, ist kein „außergewöhnlicher Umstand“, der das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreit, dem Fluggast eine Ausgleichzahlung wegen Flugverzögerung zu zahlen.

 Zusammenfassung:

3. Ein Fluggast buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug. Weil das betroffene Flugzeug an einem Motoren-Defekt litt, verspätete sich der geplante Flug um mehrere Stunden.
In der Folge verlangte der Fluggast von der Airline eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung.

Das Unternehmen weigert sich der Zahlung. In dem Motor-Defekt sei ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen, der die Airline von einer Haftung befreie.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat den Klägern Recht zugesprochen. Nach Art. 7 der Verordnung begründet eine Abflugverspätung von mehr als 3 Stunden einen Anspruch auf Ausgleichszahlung zugunsten des Fluggastes. Da der betroffene Flug sein Ziel erst mit einer Verspätung von 6 Stunden erreichte, stehe dem Kläger daher der geltend gemachte Anspruch zu.

Die Einrede der Beklagten, in dem Motorschaden sei ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 der Verordnung zu sehen, greife insoweit nicht, als das ein maschineller Defekt nicht außerhalb jeder Lebenserwartung sei und die Airlines entsprechende Vorkehrungen hätten treffen können

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.1.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Beträge abzuwenden, falls nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich und seine Schwester bei der Beklagten Flüge von F nach Las Vegas und zurück. Der Hinflug DE 7082 war für 4.1.2009, Abflug 9:30 Uhr vorgesehen. Nach pünktlichem Start kehrte die Maschine wegen technischer Probleme mit dem Druckausgleich in der Kabine um. Mit einem Ersatzflugzeug erreichten der Kläger und seine Schwester den Zielort mit circa sechs Stunden Verspätung. Der Kläger begehrt, teilweise aus abgetretenem Recht, Zahlung der Ausgleichspauschale nach Artikel 7 Verordnung (EG) 261/2004.

6. Der Kläger beantragt wie erkannt.

7. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

8. Die Beklagte behauptet, Auslöser der Verspätung sei ein defektes Outflow Valve gewesen. Beide mit Wechselstrom betriebenen Motoren, die über unabhängige Schaltkreise das Ventil steuerten, seien ausgefallen. Das Ventil selbst werden on condition betrieben und unterliege keinen vorgeschriebenen Wartungsintervallen (Beweis: Vernehmung des T M als Zeugen).

9. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

10. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat, teilweise aus abgetretenem Recht, Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale nach Artikel 7 Verordnung (EG) 261/2004. Diese beträgt pro Passagier 600 € gemäß Artikel 7 Abs. 1 lit. c. Es handelt sich vorliegend um einen Flug nach Amerika mit einer Distanz von mehr als 3.500 km. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.11.2009 (C- 402/07) steht dieser Anspruch dem Fluggast bei einer großen Verspätung zu. Diese liegt bei einer Verzögerung von sechs Stunden vor.

11. Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeuges auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien könnte, die Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß durchgeführt hat.

12. Der Ausfall zweier unabhängig voneinander arbeitender Motoren, die die Funktion eines Ventil steuern, ist kein außergewöhnlicher Umstand, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Unklar bleibt, warum die manuelle Regulierung, die über ein Gleichstromaggregat betrieben wird, nicht oder nicht ausreichend möglich war.

13. Die Zinsforderung ist als Verzugsschaden begründet.

14. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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