Defektes Ventil beim Flugzeug
AG Rüsselsheim: Defektes Ventil beim Flugzeug
Ein Flug den die Kläger im Rahmen einer Pauschalreise bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen gebucht hatten, wurde erst mit einer erheblichen Ankunftsverspätung ausgeführt worden. Die Kläger fordern deshalb nun eine Ausgleichzahlung wegen der eingetretenen Flugverspätung. Die Beklagte beruft sich auf einen außergewöhnlichen Umstand und ist der Ansicht, sie habe aus diesem Grund für die entstandene Verspätung nicht zu haften.
Das Amtsgericht Rüsselsheim hält die Klage für begründet. Die Kläger haben Anspruch auf die geforderten Ausgleichszahlungen wegen der entstandenen Flugverspätung. Bei dem vorliegenden behaupteten Defekt eines Ventils handele es sich demnach nicht um einen außergewöhnlichen Umstand, der die Beklagte von ihrer Haftung befreien könnte.
AG Rüsselsheim | 3 C 257/10 (35) (Aktenzeichen) |
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AG Rüsselsheim: | AG Rüsselsheim, Urt. vom 19.07.2010 |
Rechtsweg: | AG Rüsselsheim, Urt. v. 19.07.2010, Az: 3 C 257/10 (35) |
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Leitsatz:
2. Zeigt der Bord-Computer eines Flugzeugs (fälschlicherweise) einen Defekt an einem Ventil an, so liegt kein „außergewöhnlicher Umstand“ vor, der das Luftfahrtunternehmen von seiner Verpflichtung befreit, dem Fluggast eine Ausgleichzahlung wegen Flugverzögerung zu zahlen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass derartige Warnungen relativ selten auftreten und zumeist nach durchgeführtem Austausch des Ventils kein erheblicher Defekt festgestellt werden kann.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei einer Reiseveranstalterin eine Pauschalreise gebucht inklusive Hin- und Rückflug gebucht. Die Kläger fordern deshalb nun eine Ausgleichzahlung gem. Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) 261/2004 i.H.v. 400,– Euro wegen der eingetretenen Flugverspätung.
Die Beklagte fordert die Abweisung der Klage und beruft sich dabei auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der obengenannten Verordnung. Sie behauptet, dass ein Ventil defekt gewesen sei und der Flug deshalb erst mit Verspätung habe starten können.
Das Amtsgericht Rüsselsheim hält die Klage für überwiegend begründet und spricht den Klägern die geforderten Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) 261/2004 i.H.v. 400,– Euro gegen die Beklagte zu, weil diese den streitgegenständlichen Flug erst mit einer Verspätung von 5 Stunden und 35 Minuten durchgeführt habe, was einen Anspruch auf Ausgleichszahlung rechtfertige, obwohl keine Annullierung vorliege.
Bei dem vorliegenden behaupteten Defekt des Warnlichtes handele es sich demnach nicht um einen außergewöhnlichen Umstand. Technische Defekte, die im Luftfahrtbetrieb gelegentlich auftreten können seien für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände und das beklagte Luftfahrtunternehmen habe foglich für die entstandene Verspätung zu haften.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt an die Kläger jeweils 600,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.1.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Beträge abzuwenden, falls nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
5. Die Kläger buchten bei der Firma T GmbH eine Reise nach Kenia. Die Flugbeförderung erfolgte auf der Teilstrecke F – Mombasa durch die Beklagte. Der Hinflug DE 7264 war auf 11.10.2009, Abflug 20:05 Uhr festgesetzt. Die Beförderung erfolgte mit einer Verzögerung von 24 Stunden am Folgetag. Mit der Klage begehren die Kläger Zahlung der Ausgleichspauschale nach Artikel 7 Verordnung (EG) 261/2004 in Höhe von je 600 Euro.
6. Die Kläger beantragen die Beklagte zu verurteilen, an sie je 600,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.1.2010 sowie 155,30 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
7. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
8. Die Beklagte behauptet, beim beabsichtigten Flug habe der Computer einen Defekt des rechten High Pressure Shut Off Valve angezeigt. Nach Ausbau der Bauteile seien jedoch keine Fehler festgestellt worden. Sowohl bei ihr, als auch bei anderen Luftfahrtgesellschaften trete diese Fehlwarnung bei Fluggeräten des Typs Boeing 767 auf.
9. Das Gericht hat in Ausführung des Beweisbeschlusses vom 28.5.2010 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Flugzeuginspektors T M als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12.7.2010 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
10. Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale nach Artikel 7 Verordnung (EG) 261/2004 in Höhe von je 600 Euro. Es handelt sich vorliegend um einen die Grenzen der Gemeinschaft überschreitenden Flug von mehr als 3500 km Entfernung. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.11.2009 (C-402/07) steht dieser Anspruch dem Fluggast bei einer großen Verspätung zu. Eine Verzögerung in der Größenordnung von 24 Stunden erfüllt diese Voraussetzung. Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeuges auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien könnte, die Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß durchgeführt hat.
11. Den Entlastungsbeweis nach Artikel 5 Abs. 3 in Verbindung mit Erwägungsgrund Nummer 14 der Verordnung hat die Beklagte nicht geführt. Im vorliegenden Fall hatte die bordeigene Elektronik einen Defekt an einem Ventil, dem rechten sogenannten High Pressure Shut Off Valve, angezeigt. Zwar hat die Beweisaufnahme auch ergeben, dass ein Materialdefekt nicht vorlag, sondern einzig das Ventil nach einer zeitaufwändigen Ausbauaktion nur gereinigt wurde. Insoweit war das Ventil jedoch nicht in vollem Umfang funktionsfähig. Dies hat der Zeuge M in seiner Vernehmung glaubhaft bekundet. Ob in dieser Situation ein Flug ohne Gefährdung hätte durchgeführt werden können, bedarf keiner gerichtlichen Entscheidung. Auch die Tatsache, dass diese Warnungen relativ selten auftreten und zumeist nach durchgeführtem Austausch des Ventils kein erheblicher Defekt festgestellt werden konnte, entlastet die Beklagte nicht. Derartige Vorfälle rechtfertigen die Anwendbarkeit des Erwägungsgrundes 14 der Verordnung nicht, sondern liegen im Risikobereich des Luftfahrtunternehmens.
12. Die Zinsforderung ist als Verzugsschaden begründet. Im Übrigen war die Klage in der weiteren Nebenforderung abzuweisen. Die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren sind nicht erstattungsfähig. Voraussetzung hierfür wäre ein Verzug der Beklagten gewesen. Eine Inverzugsetzung vor Rechtshängigkeit haben die Kläger jedoch weder dargelegt, noch nachgewiesen. Die Anmeldung der Forderung hätte einzig die Fälligkeit, hingegen keinen Verzug begründet.
13. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
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