Ansprüche bei 3-tägiger Flugverlegung

AG Düsseldorf: Ansprüche bei 3-tägiger Flugverlegung

Eine Reisende buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug. Weil dieser annulliert wurde, verlangt sie nun von der Airline eine Ausgleichszahlung. Die Beklagte weigert sich der Zahlung mit der Begründung, der Startflughafen liege nicht innerhalb der EU.
Das Amtsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Wie von der Airline dargelegt, seien die Regelungen zur Ausgleichszahlung in der Verordnung 261/2004 nur im europäischen Raum anwendbar.

AG Düsseldorf 23 C 14910/07(Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 04.04.2008
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 04.04.2008, Az: 23 C 14910/07
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 08. April 2008

Aktenzeichen: 23 C 14910/07

Leitsatz:

2. Die Fluggastrechte Verordnung ist nur anwendbar, wenn sich der Startflughafen in der Europäischen Union befindet.

Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einem privaten Luftunternehmen eine Flugreise. Der Rückflug wurde einen Tag vor dem geplanten Abflug annulliert. So war es der Klägerin erst möglich mit 3-tägiger Verspätung nach Deutschland zurückzukehren.
In der Folge begehrt sie eine Ausgleichszahlung wegen Nicht-Beförderung. Die Airline entgegnet, die anspruchsbegründenden Regelungen zur Ausgleichszahlung nach Art.5 der Verordnung 261/2004 seien vorliegend nicht anwendbar, da der betroffene Flughafen nicht auf dem Gebiet der Europäischen Union liege.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Grundsätzlich begründe der dargelegte Sachverhalt zweifellos eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 5 der Verodnung 261/2004. Die Beklagte habe kurzfristig und ohne Angabe eines haftungsausschließenden Umstandes eine Nicht-Beförderung verursacht.

Der Anspruch sei jedoch, wie von der Beklagten dargestellt, nicht entstanden. Die Fluggastrechte Verordnung sei ausschließlich auf dem Gebiet der Europäischen Union anwendbar. Entscheidend für die örtliche Einordnung sei hierbei der Startflughafen. Da dieser nicht auf EU-Gebiet lag, könnten die Grundsätze der Verordnung nicht herangezogen werden.
Eine einheitliche Betrachtung von Hin- und Rückflug sei überdies abzlehnen..

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand:

5. Die Klägerin buchte für sich und ihre Schwester (Zedentin) bei der Beklagten eine Flugpauschalreise von X nach Y in der Zeit vom 11. bis zum 26. August 2007. Ausführendes Luftfahrtunternehmen hinsichtlich des Hinflugs am 11. August 2007 von X und des für den 26. August 2007 vorgesehenen Rückflugs von Y nach X war die Beklagte zu 1. Der Rückflug wurde annulliert. Erst drei Tage später wurden die Klägerin und die Zedentin nach X geflogen.

6. Die Klägerin, die behauptet, die Zedentin habe ihr deren Ansprüche abgetreten, macht in erster Linie gegen beide Beklagten Ausgleichsansprüche nach Art. 5 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 lit. c EGVO Nr. 261/2004 geltend, sodann hilfsweise gegen die Beklagte zu 2 Ansprüche wegen Reisepreisminderung und Schadensersatz.

7. Die Klägerin beantragt die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2007 zu zahlen.

8. Die Beklagten beantragen die Klage abzuweisen.

9. Die Beklagte zu 1 macht geltend, der in Rede stehende Flug falle nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

10. Die Beklagte zu 2 macht geltend, sie sei kein Luftfahrtunternehmen, sondern Reiseveranstalter. Die hilfsweise erhobenen Ansprüche würden erstmals geltend gemacht.

11. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe:

12. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 hat keinen Erfolg, weil diese nicht in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 261/2004 vom 11. 2. 2004 fällt. Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b gilt die Verordnung für Flüge von dem Flughafen eines Drittstaates zu dem eines Mitgliedstaates nur dann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ein „Unternehmen der Gemeinschaft“ ist. Daran fehlt es hier, denn die Beklagte zu 1 hat ihren Sitz nicht in einem Land der Europäischen Union, sondern im X. Art. 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung ist nicht anwendbar. Danach gilt die Verordnung „für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaates … einen Flug antreten“.

13. Der Flug, der annulliert wurde, wäre von der Klägerin und der Zedentin nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates angetreten worden, da er von Y nach X führte und Y nicht in der Europäischen Union liegt. Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass Hin- und Rückflug als ein einheitlicher Flug angesehen werden, so dass „der Flug“ in X „angetreten“ wäre, ist nach Auffassung des Gerichts nicht möglich. Dagegen spricht zunächst und entscheidend der Sprachgebrauch. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist die Wortbedeutung. Ein eindeutiger Wortlaut, der allerdings durch Auslegung festgestellt werden muss, ist grundsätzlich bindend. von ihm darf nur abgewichen werden, wenn der Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahe legt, sondern gebietet (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, Einleitung, Rn. 40 m.w.N.).

14. Ein Flug ist nach dem Sprachgebrauch die Beförderung einer Person mit einem Flugzeug oder einem anderen Fluggerät vom Ort A. nach Ort B. Wären mit dem Begriff Flug beide Wege, also von A. über B. zurück nach A. gemeint, würde man nicht von Hin- und Rückflug sprechen. Die Begriffsbestimmung im Warschauer Abkommen, das hier herangezogen werden kann (vgl. Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 1. Aufl. [2005], Verordnung [EU] Nr. 261/2004, Rdnr. 26) lässt zwar den Schluss zu, dass Flüge mit Unterbrechungen zum Zwecke des Umsteigens oder auch Sukzessivflüge als einheitlicher Flug im Sinne der Verordnung angesehen werden können, nicht jedoch den Schluss, dass Hin- und Rückflug einen einzigen Rundflug darstellen. Ein Sukzessivflug oder bloßes Umsteigen liegt insbesondere nicht vor, wenn zwischen Hin- und Rückflug ein längerer Zeitraum liegt, unabhängig davon, ob beide in einem Vertrag zusammengefasst sind oder nicht. Hin- und Rückflug stehen regelmäßig auch nicht in einem solchen engen und unauflöslichen Verhältnis, dass es gerechtfertigt wäre, sie als einen einheitlichen Flug anzusehen. Beide können nämlich zum einen stets auch unabhängig voneinander gebucht werden, etwa bei verschiedenen Flugunternehmen und zum anderen, wie es hier geschehen ist, separat annulliert werden.

15. Dafür, dass der Verordnungsgeber eine Fallgestaltung wie die vorliegende in den Anwendungsbereich der Verordnung ziehen wollte und die Verordnung daher entgegen dem Sprachgebrauch nach Sinn und Zweck dahin auszulegen ist, dass diese Gestaltung Art. 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung unterfällt, spricht wenig. Es handelt sich um eine häufig vorkommende Gestaltung, die der Verordnungsgeber ohne weiteres ausdrücklich in dem ohnedies kasuistisch wirkenden Art. 3 hätte berücksichtigen können.

16. Die in Nr. 1 der Verordnung vorangestellten Erwägungen „Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten … den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung“ tragen, rechtfertigen keine andere Beurteilung (so jedoch OLG Frankfurt/M. NJW 2007, 2339). Diese Erwägungen haben ihren Ausdruck in den Detailregelungen der Verordnung gefunden und rechtfertigen keine gekünstelte, dem dargestellten Sprachgebrauch entgegen stehende Auslegung.

17. Auch in Bezug auf die Beklagte zu 2 hat die Klage keinen Erfolg.

18. Die Beklagte zu 2 ist kein Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2 lit. a der Verordnung und der Klägerin und der Zedentin daher nicht zum Ausgleich nach Art. 5 und 7 der Verordnung verpflichtet.

19. Auch die von der Klägerin und der Zedentin hilfsweise geltend gemachten auf den Reisevertrag gestützten Ansprüche aus §§ 651d, 638 BGB bzw. § 651f BGB gehen ins Leere.

20. Einem Anspruch aus §§ 651d, 638 BGB steht zunächst entgegen, dass die Klägerin die Mängelanzeige, welche prozessuale und materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung ist, nicht dargetan hat.

21. Überdies mag es sich im Streitfall bei der Annullierung des ursprünglich geplanten Rückflugs zwar für sich um einen Reisemangel nach § 651c BGB handeln. Ein Mangel führt indessen zu einer Reisepreisminderung nur, wenn der mit der Reise bezweckte Zweck, dieser liegt bei einer Pauschalreise in der Regel in der Erholung, eine nicht bloß geringfügige Beeinträchtigung erfährt. Bei einer Verzögerung des Hinflugs liegt eine solche Beeinträchtigung auf der Hand, denn die für Erholungszwecke zur Verfügung stehende Zeit verkürzt sich. Beim Rückflug verbietet sich indessen eine pauschale Betrachtung, denn eine Verspätung bewirkt hier keine Verkürzung der am Urlaubsort verbrachten Erholungszeit. Vielmehr kommt es im Einzelfall darauf an, ob und welche Unbequemlichkeiten sich aus der Verschiebung ergeben und in welchem Maße der Zweck der Reise noch nachträglich beeinträchtigt wird. So wird sich der Reisepreis infolge einer Verspätung des Rückflugs in der Regel mindern, wenn die zusätzliche Reisezeit in der Erholung nicht dienlichen Räumen wie Flughäfen oder Flugzeugen verbracht werden muss (MünchKomm/Tonner, 4. Auflage, § 651e BGB Anh. Rn. 65). Im Streitfall liegt es anders, denn die Reiseteilnehmerinnen blieben in Y und verlängerten ihren Urlaub (Bl. 3 GA). Eine Beeinträchtigung des bezweckten Erholungserfolgs lässt sich hieraus nicht ableiten; materielle Schäden, welche sich aus der Verlängerung ergaben, werden mit der Klage nicht geltend gemacht.

22. Ein Anspruch aus § 651f Abs. 2 BGB ist zudem in der Regel nur gegeben, wenn derart gravierende Mängel vorliegen, dass sich der Reisepreis um wenigstens 50% mindert.

23. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 11, 711, 108 ZPO.

24. Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

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