Zusicherungen von Eigenschaften durch Reisebüro

BGH: Zusicherungen von Eigenschaften durch Reisebüro

Ein Reisender brach einen Sardinien-Urlaub ab, weil er nicht, wie ausdrücklich gewünscht, ein Zimmer im obersten Stock erhielt. In der Folge fordert er die Kosten für die gebuchte Ersatzreise von der Veranstalterin ersetzt.

Der Bundesgerichtshof hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die Reiseveranstalterin habe die Mehrkosten für die selbstgebuchte Ersatzreise zu übernehmen, weil es dem Kläger nicht zuzumuten sei, die Ersatzreise ebenfalls bei ihr zu buchen.

BGH VII ZR 238/80 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 19.11.1981
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 19.11.1981, Az: VII ZR 238/80
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Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 19. November 1981

Aktenzeichen VII ZR 238/80

Leitsatz:

2. Sichert ein Reisebüro bei der Vertragsvermittlung bestimmte Eigenschaften der Reise zu, so muss deren Veranstalter haften, wenn sie diese nicht tatsächlich hat.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger schloss über ein Reisebüro einen Reisevertrag über einen Sardinien-Urlaub mit der Bedingung ab, ein Eckzimmer im oberen Geschoss des Hotels zu erhalten. Tatsächlich wurde er im mittleren Stock untergebracht und rügte nach der ersten Nacht Lärmbelästigung. Da eine Abhilfe nicht möglich war, reiste er ab und unternahm zwei Wochen später einen selbst beschafften Ersatzurlaub. Die Reiseveranstalterin erstattete die nicht wahrgenommen Hotelübernachtungen, doch der Kläger forderte überdies Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit und für die Mehrkosten der Erstatzreise.

In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hin wurde einem geringen Zinsanspruch stattgegeben. Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof verfolgte die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Abweisung. Sie verwies auf den Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Reisendem und Reisebüro und versuchte, sich durch Hinweis auf die Mehrdeutigkeit des Sonderwunsches des Klägers von der Haftung für dessen Nichterfüllung zu befreien.

Die Revision blieb erfolglos. Zwar stand dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit zu, da er den Urlaub gleichwertig nachholen konnte. Jedoch musste die Beklagte die Mehrkosten hierfür übernehmen, da dem Kläger nicht zuzumuten war, diesen bei der Beklagten zu buchen. Sie musste für das Fehlen der Eigenschaften haften, da sie das Risiko einer fehlerhaften Weiterleitung von Informationen durch ihre Vermittler alleine trägt.

Tatbestand:

4. Die Beklagte veranstaltet Flugpauschalreisen. Der Kläger buchte bei ihr über das Amtliche Bayerische Reisebüro (ABR) im Hauptbahnhof M am 20. Dezember 1977 eine Flugreise für vier Personen vom 29. Juli bis zum 19. August 1978 in das Hotel C B in V (Sardinien) zum Gesamtpreis von 12.014 DM. Die Angestellte B des ABR trug in das vom Kläger unterschriebene Anmeldeformular der Beklagten als Sonderwunsch ein:

 

„unbedingt obere Etage, Eckzimmer
nebeneinander, Meerblick.“

5. Der Kläger traf mit seiner Begleitung am Abend des 29. Juli 1978 (einem Samstag) im Hotel ein. Ihm wurden zwei benachbarte Zimmer im mittleren Stockwerk des dreigeschossigen Hotelbaus zugewiesen, die sich über der im Kellergeschoß gelegenen Discothek befanden. Noch in dieser Nacht verlangte der Kläger wegen des die Nachtruhe störenden Musiklärms Zimmer in der obersten Etage, wie es seinem Sonderwunsch entspreche. Am nächsten Tag bot die Hotelleitung, da die gewünschten Zimmer belegt waren, Zimmer im mittleren Geschoß eines anderen Gebäudeflügels an und stellte Zimmer im obersten Geschoß mit Meerblick für die folgende oder übernächste Woche in Aussicht. Das lehnte der Kläger ab. Da sich auf Sardinien eine gleichwertige Ersatzunterkunft nicht beschaffen ließ, flog der Kläger samt Begleitung am 30. Juli 1978 nach M zurück. Er verbrachte mit seiner Begleitung den Urlaub zwei Wochen später in einem gleichwertigen Hotel in T (Sizilien) zum Gesamtpreis von 15.593 DM einschließlich Transferkosten. Die Beklagte zahlte Mitte August 1978 von dem voll entrichteten Reisepreis 8.400 DM zurück.

6. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Schadensersatz die Erstattung des restlichen Reisepreises, der Mehrkosten des Aufenthalts in Sizilien und einiger Nebenkosten sowie Ersatz für die beiden „vertanen“ Urlaubstage vom 29. und 30. Juli 1978, insgesamt 8.219,85 DM nebst Zinsen.

7. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr bis auf geringfügige Mehrzinsen stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

8. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, dem Kläger zwei benachbarte Zimmer mit Meeresblick in der obersten Etage des Hotels C B zur Verfügung zu stellen. Der Kläger habe nämlich der Zeugin B eindeutig erklärt, er werde die Reise nur buchen, wenn ihm Zimmer in der obersten Etage zugesagt würden. Dieser Wunsch sei allerdings in der im Antragsformular gewählten Bezeichnung „obere Etage“ nicht eindeutig zum Ausdruck gekommen. Entscheidend sei jedoch das mündliche, unmißverständliche Angebot des Klägers, zu dessen Entgegennahme das Reisebüro bevollmächtigt gewesen sei. Das Risiko einer Falschübermittlung oder Verstümmelung des Angebots treffe die Beklagte. Da sie nur Zimmer im mittleren Stockwerk des Hotels habe reservieren lassen und alle vertragsgerechten Zimmer zumindest in der ersten Woche besetzt gewesen seien, sei ihr die vertragliche Hauptleistung aus dem Reisevertrag unmöglich gewesen. Die ersatzweise angebotenen Zimmer seien dem Kläger nicht zuzumuten gewesen. Die Beklagte sei daher zum Schadensersatz verpflichtet.

9. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

10. Dabei kann dahinstehen, ob – wie das Berufungsgericht annimmt – dem Kläger ein Anspruch aus § 325 BGB zusteht. Jedenfalls folgt die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz aus § 635 BGB. Die erst am 1. Oktober 1979 in Kraft getretenen Vorschriften über den Reisevertrag (§§ 651 a ff BGB) sind hier noch nicht anwendbar.

11. Die Beklagte war als Veranstalter der Pauschalreise verpflichtet, dem Kläger und seiner Begleitung zwei Eckzimmer mit Meeresblick im obersten Stockwerk des Hotels zur Verfügung zu stellen.

1.

12. Die unmißverständliche Erklärung des Klägers, die im Katalog der Beklagten ausgewiesene Reise nur dann buchen zu wollen, wenn er die gewünschten Zimmer in der obersten Etage des Hotels erhalte, war sein Angebot zum Abschluß eines Reisevertrages mit der Beklagten. Auf eine Mehrdeutigkeit der Formulierung „unbedingt obere Etage“ kommt es nicht an.

a)

13. Reisebüros üben, wenn sie von einem Reiseveranstalter mit der Vermittlung von Vertragsabschlüssen ständig betraut sind, eine Handelsvertretertätigkeit im Sinne der §§ 84 ff HGB aus (BGHZ 62, 71, 73 m.w.N.; BGH NJW 1974, 1242). Davon ist auch hier auszugehen. Das ABR war im Besitz der von der Beklagten gestellten Anmeldeformulare und arbeitete offenbar mit der Beklagten aufgrund eines Agenturvertrages zusammen.

b)

14. Der Handelsvertreter, der eine Abschlußvollmacht nicht besitzt, sondern auf die Vermittlung von Geschäften beschränkt ist, ist im allgemeinen ermächtigt, Vertragsangebote Dritter entgegenzunehmen (vgl. Schlegelberger/ Schröder, HGB, 5. Aufl., § 84 Anm. 18 c). Sollte das ABR hier als Handelsmäkler im Sinne des § 93 HGB tätig geworden sein, so gilt dasselbe (vgl. Schlegelberger/Schröder aaO § 93 Anm. 6). Eine davon abweichende Regelung ist hier ersichtlich nicht getroffen worden.

15. Nach Ziffer 1.1 der Reisebedingungen der Beklagten kann die Reiseanmeldung schriftlich, mündlich oder fernmündlich geschehen. Dabei wird – etwa unter Ziffern 1.1, 2.1 und 6 der Reisebedingungen – die Einschaltung eines Reisebüros als selbstverständlich vorausgesetzt. Ein mündliches Angebot kann somit nicht nur der Beklagten selbst gegenüber abgegeben werden.

c)

16. Die eindeutige, im Reisebüro auch richtig verstandene Erklärung des Anmelders bleibt auch dann maßgeblich, wenn wie hier das Auftragsformular der Beklagten von einer Angestellten des Reisebüros ausgefüllt und vom Anmelder unterschrieben wird. Eine solche Verfahrensweise liegt überwiegend im Interesse des Reiseveranstalters, da sie eine zuverlässige Buchung in vereinheitlichter Form ermöglicht. Die Unterschrift des Kunden dient nach der Gestaltung des Formulars vor allem dazu, die Anerkennung der Reisebedingungen zu bestätigen, deren Einbeziehung in den Reisevertrag sonst schwierig wäre (vgl. Bartl NJW 1972, 505, 507). Aus dieser Unterschrift kann nicht der Schluß gezogen werden, die Angestellte des Reisebüros sei bloße Gehilfin des Klägers bei der Abfassung seiner Erklärung gewesen.

d)

17. Sind demnach auch mündliche Erläuterungen des Reisewilligen für den Inhalt seines Vertragsangebots an den Reiseveranstalter maßgeblich, so trägt – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – der Reiseveranstalter das Risiko einer fehlerhaften Weiterleitung des Angebots durch das vermittelnde Reisebüro. Diese Risikoverteilung ist sach- und interessengerecht.

18. Durch die Inanspruchnahme selbständiger Reisebüros für Werbung und Buchung erspart sich der Reiseveranstalter die Errichtung eines eigenen kostenträchtigen Filialnetzes (vgl. hierzu Klatt, Die Gesellschaftsreise, S. 37 ff). Die Reisebüros nehmen Aufgaben wahr, für deren Erledigung der Veranstalter sonst durch eine eigene Betriebsorganisation zu sorgen hätte; alsdann verstünde sich seine Haftung für Buchungsfehler von selbst.

19. Das Reisebüro ist üblicherweise die Stelle, an der der Kunde den Reisepreis zu entrichten hat. Die Reisebedingungen der Beklagten bestimmen dies ausdrücklich unter Ziffer 2.2.1. Diese Inkassobefugnis des Reisebüros bestätigt die enge wirtschaftliche und rechtliche Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter. Der Reisekatalog der Beklagten enthält auch keinen Anmeldevordruck, mit dem der Reisewillige sich unmittelbar an die Beklagte wenden könnte. Vielmehr befindet sich auf der letzten Seite des Katalogs der Hinweis

20. „Beratung und Buchung in Ihrem airtours Reisebüro.“

21. Deutlicher läßt sich die Stellung des Reisebüros als von der Beklagten ausgewählte Adresse für Reiseanmeldungen nicht beschreiben. Mit alledem ist die Auffassung der Beklagten, das ABR sei lediglich Erklärungsbüro und Bote des Klägers gewesen, unvereinbar.

22. Daß die Beklagte sich unter Ziffer 1.1 ihrer Reisebedingungen vorbehält, die Reisebestätigung anstatt dem Kunden dem Reisebüro zuzusenden und damit das Angebot des Kunden anzunehmen, ist ohne Belang. Mit einer solchen, ihre Arbeit erleichternden Regelung kann sie nicht entgegen der wahren Rechtslage das für sie handelnde Reisebüro zum „Empfangsvertreter“ des Kunden machen. Sie kann auf diese Weise lediglich das Reisebüro beauftragen, den Kunden alsbald von der Bestätigung der Anmeldung zu unterrichten.

e)

23. Unerheblich ist der Einwand der Revision, bei der Buchung komme zwischen dem Reisewilligen und dem Reisebüro ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) zustande (vgl. dazu Bartl, Reiserecht, Anm. 10-​15 m.N.; Löwe in MünchKomm. BGB, vor § 651 a Anm. 17; a.A. Rother in Festschrift für Larenz I, S. 435, 451). Daraus mag sich eine eigene Haftung des Reisebüros gegenüber dem Kunden wegen fehlerhafter Beratung oder Vermittlung ergeben können. Der Haftung des Reiseveranstalters für Fehler des Reisebüros steht das nicht entgegen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß der Erfüllungsgehilfe neben dem Geschäftsherrn selbständig haftet (vgl. BGHZ 63, 382, 388; BGH NJW 1980, 2184, 2185 unter II 1).

2.

24. Somit ist das eindeutige Vertragsangebot des Klägers, Zimmer im obersten Geschoß des Hotels C B zu buchen, von der Beklagten vorbehaltlos angenommen worden. Mit der Annahme des ausdrücklichen Sonderwunsches, ohne dessen Berücksichtigung der Vertrag nicht zustande gekommen wäre, hat die Beklagte eine Eigenschaft der von ihr zu erbringenden Werkleistung im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB zugesichert. Die Kenntnis der Zeugin B, daß der Kläger bei all seinen Reisebuchungen im ABR darauf bestand, im obersten Stockwerk eines jeden Hotels zu wohnen, ist der Beklagten zuzurechnen. Die bei Reiseveranstaltern übliche schlichte Entgegennahme und Bestätigung der Kundenwünsche, deren Erfüllung der Veranstalter zwar anstreben, aber nicht verbindlich zusagen will (vgl. dazu die Reisebedingungen der Beklagten unter Ziffern 3.5, 4.2.2 und 9.41), genügte dem Kläger erkennbar nicht. Er erwartete vielmehr unmißverständlich die Zusicherung des Veranstalters, für die gewünschte Zimmerlage „unbedingt“ einstehen zu wollen. Die Beklagte hat seine Sonderwünsche als vom Hotel bestätigt durch Schreiben an das ABR vom 1. Juni 1978 auch ihrerseits akzeptiert und damit die vom Kläger geforderte Zusicherung abgegeben. Zwar ist in dieser Bestätigung auch wieder nur von der „oberen Etage“ die Rede, jedoch hat die Angestellte B dies als Bestätigung ihres Sonderwunschvermerkes in der Anmeldung, nämlich als Zusage von Zimmern in der obersten Etage, aufgefaßt und den Kläger entsprechend verständigt. Daran ist die Beklagte gebunden.

3.

25. Die Beklagte hat diese Zusage nicht erfüllt. Der von ihr angebotenen Leistung im Hotel C B fehlte die zugesicherte Eigenschaft. Die Beklagte hat das auch zu vertreten, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt. Der Kläger ist daher gemäß § 635 BGB berechtigt, Schadensersatz zu fordern.

a)

26. Einer Fristsetzung vor Abreise aus Sardinien bedurfte es nicht (§ 634 Abs. 2 BGB). Dem Hotel C B war die mangelfreie Erfüllung des Vertrages für zumindest eine Woche nicht möglich. Dem Kläger war nicht zuzumuten, sich mit seiner Begleitung so lange oder auch länger mit Zimmern zufrieden zu geben, die der vertraglichen Zusicherung nicht entsprachen. Ob die angebotenen Ersatzzimmer sich in einwandfreiem Zustand befanden und nicht in dem Hotelflügel über der Discothek lagen, ist unerheblich. Damit, daß sie unmittelbar über Wirtschaftsräumen und nicht – wie zugesichert – im obersten Stockwerk, auch nicht ganz am Ende eines Gebäudeflügels lagen, waren sie selbst nach objektiven Maßstäben für den Kläger nicht gleichwertig. Der Kläger war deshalb nicht gehindert, auf der Erfüllung der Zusicherung zu bestehen, ohne die er – wie er der Beklagten bei seiner Anmeldung erklärt hatte – die Buchung nicht vorgenommen hätte.

b)

27. Vergeblich beruft sich die Beklagte auf Bestimmungen (unter Ziffern 3.5 und 4.2.2) ihrer Reisebedingungen.

aa)

28. Ziffer 3.5 der Reisebedingungen lautet:

„Sonderwünsche: Dem Wunsch nach Sonderleistungen, die
nicht im Prospekt ausgeschrieben sind, wie z.B. Zimmer
mit Meerblick, Balkon usw. wird je nach Verfügbarkeit
entsprochen. Kann entgegen der ausdrücklichen Bestätigung
Ihr Wunsch durch den Leistungsträger nicht erfüllt
werden, so erstatten wir Ihnen einen evtl. bezahlten
Zuschlag zurück. Weitergehende Ansprüche bestehen
nicht.“

29. Wenn – wie hier – die ausdrückliche Bestätigung des Sonderwunsches die Zusicherung einer Eigenschaft der gebuchten Unterkunft darstellt, verstoßen Ausschluß oder Einschränkung des Schadensersatzanspruchs nach § 635 BGB gegen § 11 Nr. 11 AGBG. Insoweit ist die Bestimmung unwirksam.

bb)

30. Ziffer 4.2.2 der Reisebedingungen lautet:

„Abweichungen einzelner Reiseleistungen von dem vertraglich
vereinbarten Inhalt des Reisevertrages, die
nach Vertragsschluß notwendig werden und die nicht
vom Reiseveranstalter wider Treu und Glauben herbeigeführt
wurden, sind gestattet, soweit die Abweichungen
nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der
gebuchten Reise nicht beeinträchtigen.
…………“

31. Auf diese Bestimmung kann sich die Beklagte nicht berufen, weil hier die individuell ausgehandelte Zusicherung den Reisebedingungen vorgeht (§ 4 AGBG).

32. Nach alledem war der Kläger am 30. Juli 1978 berechtigt, die Annahme des mangelhaften Werkes abzulehnen, heimzureisen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

II.

33. Den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Schadenshöhe tritt die Revision nur in zwei Punkten entgegen: der Abfindung von 400 DM für 2 Tage „vertanen Urlaub“ und den Mehrkosten, die dem Kläger dadurch erwachsen sind, daß er die Ersatzreise nach Sizilien nicht – wie möglich – wiederum bei der Beklagten gebucht, sondern als vom ABR vermittelte Privatreise unternommen hat (2.994 DM).

34. Unbeanstandet bleiben demnach folgende Schadensposten:

Restliche Rückerstattung des
Reisepreises: 3.614,– DM,
Nebenkosten auf Sardinien und
in M: 126,– DM,
Mehrkosten der Sizilienreise
gemäß Katalog: 585,– DM,
Vorprozessuale Anwaltskosten: 500,85 DM
————
4.825,85 DM.

 

1.

35. Zu Recht wendet sich die Revision dagegen, daß dem Kläger 400 DM Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs zuerkannt worden sind.

a)

36. Nach der (vor Inkrafttreten des § 651 f Abs. 2 BGB entwickelten) Rechtsprechung des Senats hat – der herrschenden Verkehrsauffassung entsprechend – Urlaub als solcher jedenfalls dann Vermögenswert, wenn es sich um Erholungsurlaub handelt, welcher der Erhaltung der Arbeitskraft dient und durch Arbeitsleistung verdient oder durch besondere Aufwendungen für eine Ersatzkraft ermöglicht wird. Wird der mit dem Urlaub verfolgte Zweck vereitelt oder in erheblichem Umfang verfehlt, entsteht daher ein Vermögensschaden (BGHZ 63, 98; 77, 116, 120; 80, 366, 368).

b)

37. Auf diese Grundsätze kann der Kläger aber seinen Ersatzanspruch nicht stützen. Er war in der Lage, seinen Urlaub zu verschieben. Zwei Wochen später verbrachte er ihn im selben Umfang und unter etwa gleichen Umständen. Sein Urlaub war nicht „vertan“.

38. Der als Dolmetscher teilweise selbständig tätige Kläger wird damit nicht schlechter gestellt als nichtselbständige Arbeitnehmer. Denn er reiste an einem Samstag nach Sardinien und am Sonntag zurück. In einem solchen Fall könnte auch ein voll abhängiger Arbeitnehmer keinen Ersatz fordern, falls es ihm gelänge, den Urlaub um zwei Wochen zu verschieben. Der Umstand allein, daß wegen der mißglückten Reise ein arbeitsfreies Wochenende anders als gewohnt verlief, berechtigt nicht, Schadensersatz zu fordern (BGH NJW 1980, 1947, 1949 – in BGHZ 77, 116 insoweit nicht abgedruckt).

c)

39. Der Vortrag des Klägers, er sei auch samstags und sonntags als selbständiger Dolmetscher tätig, ist zu allgemein, als daß sich ihm nachprüfbar entnehmen ließe, ihm sei an eben diesem Wochenende durch seine Reise nach Sardinien Verdienst entgangen. Nachdem die Beklagte in ihrer Klageerwiderung diesem Schadensposten ausführlich entgegengetreten war, wäre es auch ohne Hinweis des Gerichts Sache des Klägers gewesen, einen konkreten Verdienstausfall darzulegen und unter Beweis zu stellen. Über diesen Mangel des Klagevortrags konnte das Berufungsgericht hinweggehen, weil es einen Anspruch wegen „vertanen Urlaubs“ ohnehin für gegeben ansah.

2.

40. Soweit die Beklagte dem Kläger Verletzung seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) vorwirft, hat die Revision keinen Erfolg. Dem Kläger war nicht zuzumuten, auch die Ersatzreise bei der Beklagten zu buchen.

41. Der Kläger ließ nach seiner Rückkehr aus Sardinien vom ABR in München die Möglichkeiten eines gleichwertigen Ersatzurlaubs im Hotel M S Palace in T (Sizilien) klären, welches auch Vertragshotel der Beklagten und in deren Reisekatalog aufgeführt ist. In dem Schreiben an die Beklagte vom 3. August 1978, mit dem er erstmals Schadensersatzansprüche anmeldete, schlug er vor, die Beklagte solle für die Reservierung der schon vorgemerkten Zimmer unter Übernahme der gesamten Aufenthalts- und Flugkosten sorgen. Die Reise hätte dann gemäß Katalog nur 12.599 DM gekostet, so daß im Verhältnis zur Privatbuchung 2.944 DM erspart worden wären. Die Beklagte lehnte es mit Antwortschreiben vom 4. August 1978 ab, „die von Ihnen geltend gemachten finanziellen Forderungen zu akzeptieren.“ Sie stellte lediglich eine Erstattung der in Sardinien nicht genutzten Hotelkosten nach Eingang weiterer Auskünfte des Hotels C B in Aussicht.

42. Daraufhin war dem Kläger nicht mehr zuzumuten, die Ersatzreise nach Sizilien wiederum mit der Beklagten durchzuführen, die dazu nur bereit war, wenn der Kläger zuvor den katalogmäßigen Reisepreis zahlte. Dies war angesichts der Eilbedürftigkeit der Entscheidung und der berechtigten Enttäuschung des Klägers über die mißlungene Reise nach Sardinien unangemessen. Das Verhalten der Beklagten mußte den Kläger in dem Eindruck bestärken, sie sei nicht bereit, sich an vertragliche Zusicherungen zu halten. Seine Befürchtung, es könnte auch in T wieder Schwierigkeiten mit der Beklagten geben, war nicht von der Hand zu weisen. Daher kann die Entscheidung des Klägers, nunmehr den Flug und Aufenthalt im Wege eines teureren Individualarrangements zu buchen, nicht als mutwillig angesehen werden. Das uneinsichtige Verhalten der Beklagten, die nicht einmal die spätere Rückzahlung von 8.400 DM verbindlich zugesagt hatte, durfte den Kläger veranlassen, die Beklagte nicht mehr als Reiseveranstalterin in Anspruch zu nehmen.

43. Somit muß die Beklagte dem Kläger die gesamten Mehrkosten für die Ersatzreise nach T erstatten.

III.

44. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 7.819,85 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.

45. In Höhe von 400 DM ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

46. Im übrigen ist die Revision zurückzuweisen.

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