Schadensersatz wegen vertanem Urlaub bei Klinikaufenthalt

Schadensersatz wegen vertanem Urlaub bei Klinikaufenthalt

Die Klägerin, eine Klinikbetreiberin, verklagt den Beklagten, weil dieser aufgrund seiner Unzufriedenheit keine Zahlungen an die Klägerin leistete. Der Beklagte äußerte einige Mängel am Gebäude und an seinem Zimmer. Zudem war seine Ruhe von Baulärm gestört.

Der BGH entschied, dass die Klägerin dem Beklagten wegen vertaner Urlaubszeit 4.000 DM Entschädigung zahlen muss.

BGH VII ZR 172/80 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 21.05.1981
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 21.05.1981, Az: VII ZR 172/80
OLG Köln, Urt. v. 03.12.1980, Az: 16 U 98/79
LG Köln, Urt. v. 03.08.1979, Az: 6 O 405/78
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BGH-Gerichtsurteile
Bundesgerichtshof
1. Urteil vom 21.05.1981
Aktenzeichen VII ZR 172/80

Leitsatz:

2. Kein Schadensersatz wegen vertanem Urlaub bei Klinikaufenthalt.

Zusammenfassung

3. Die Klägerin, eine Klinikbetreiberin, verklagt den Beklagten, weil dieser aufgrund seiner Unzufriedenheit keine Zahlungen an die Klägerin leistete. Der Beklagte äußerte einige Mängel am Gebäude und an seinem Zimmer. Zudem war seine Ruhe von Baulärm gestört. Deshalb ist die beabsichtigte Erholung ausgeblieben.
Wegen des somit „vertanen“ Klinikaufenthalts verlangt der Beklagte von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 4.000 DM.
Die Klägerin hat die vereinbarten Mehrkosten für die Inanspruchnahme der ersten Pflegeklasse in Höhe von insgesamt 1.120 DM nebst Zinsen eingeklagt.

Der BGH entschied zu Gunsten des Beklagten. Die Klägerin muss dem Beklagten wegen vertaner Urlaubszeit 4.000 DM Entschädigung zahlen. Als Begründung führte der BGH an, dass eine ausgefallene Erholungszeit in einer Klinik einer vertanen Urlaubszeit gleichzusetzen ist und der Beklagte deshalb einen Anspruch auf Entschädigung hat.

Tatbestand

4. Die Klägerin betreibt eine Fachklinik für Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Herz-Kreislaufsystems in H. Der Beklagte hat sich dort vom 7. August bis 4. September 1977 wegen eines Leidens der Halswirbelsäule stationär behandeln lassen. Die Kosten für die ärztlichen Leistungen und die Unterbringung hat seine Krankenkasse (TKK) übernommen. Er selbst hat jedoch mit der Klägerin einen Zusatzvertrag geschlossen, wonach er gegen einen täglichen Aufpreis von 40 DM ein Einbettzimmer in der ersten Pflegeklasse erhielt.

5. Der Beklagte war mit der Unterbringung nicht zufrieden und leistete deshalb auch keine Zahlungen. Er beanstandete, daß der Innenausbau des Gebäudeteils, in dem sich sein Zimmer befand, noch nicht fertiggestellt gewesen sei. Die ständigen Bauarbeiten hätten zu einer empfindlichen Lärm-, Geruchs- und Rauchbelästigung geführt. Dadurch sei – bei an sich erfolgreicher Behandlung seiner Beschwerden an der Halswirbelsäule – die in erster Linie beabsichtigte Erholung ausgeblieben. Wegen des somit „vertanen“ Klinikaufenthalts verlangt der Beklagte von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 4.000 DM.

6. Die Klägerin hat die vereinbarten Mehrkosten für die Inanspruchnahme der ersten Pflegeklasse in Höhe von insgesamt 1.120 DM nebst Zinsen eingeklagt. Sie hat die Klage noch im ersten Rechtszug zurückgenommen. Vorher hatte der Beklagte Widerklage auf Zahlung von 4.000 DM nebst Zinsen erhoben. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Beklagte die Widerklage erweitert und Feststellung begehrt, daß der Klägerin aus dem Klinikaufenthalt gegen ihn keinerlei Zahlungsansprüche mehr zustünden. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der – zugelassenen – Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung auch der Feststellungswiderklage.

Entscheidungsgründe

7. Das Berufungsgericht hält den vom Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung für schlüssig dargetan. Nach den vom Beklagten behaupteten erheblichen Beeinträchtigungen seines Aufenthalts in der Klinik müßten die zum Schadensausgleich wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit entwickelten Grundsätze entsprechend angewendet werden. Der Beklagte habe neben der Heilbehandlung auch Erholung bei der Klägerin gesucht und deshalb eine Klinik in landschaftlich reizvoller und touristisch bevorzugter Gegend gewählt. Die Klägerin stelle in ihrem Prospekt auch heraus, daß „der Blick auf Seen, Wiesen und Wälder – im Hintergrund das großartige Panorama der Allgäuer Alpenkette – als wesentliche Heilfaktoren mitwirken“ könnten. Unter diesen Umständen habe zumindest eine Nebenpflicht der Klägerin bestanden, über das übliche Maß hinausgehende Lärm- und Geruchsbelästigungen von ihren Patienten fernzuhalten. Deshalb komme hier auch ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wie bei „vertanem“ Urlaub in Betracht.

8. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

9. 1. Allerdings steht einem Schadensersatzanspruch des Beklagten nicht entgegen, wie die Revision anscheinend meint, daß er mit der Klägerin in unmittelbare vertragliche Beziehungen nur insoweit getreten ist, als er mit ihr eine Abrede über die Unterbringung in einer höheren Pflegeklasse getroffen hat. Aus dem Krankenhausaufnahmevertrag, nach dem der Krankenhausträger ärztliche Behandlung, allgemeine Pflege, Beköstigung und Unterbringung des Patienten schuldet, erwirbt der Patient auch dann eigene vertragliche Ansprüche gegen den Krankenhausträger, wenn der Aufnahmevertrag zwischen diesem und der Krankenkasse des Patienten geschlossen worden ist. Es handelt sich um einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB (BGHZ 1, 383, 386; BGH NJW 1956, 1106; 1959, 816 Nr. 5; 1969, 553, 554).

10. 2. Zu Unrecht wendet jedoch das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung zum Schadensausgleich wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit entwickelten Grundsätze hier entsprechend an und kommt so zu einem möglichen Schadensersatzanspruch des Beklagten.

11. a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat – der herrschenden Verkehrsauffassung entsprechend – Urlaub als solcher Vermögenswert, jedenfalls wenn es sich um Erholungsurlaub handelt, welcher der Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitskraft dient, und der Urlaub durch Arbeitsleistung verdient oder durch besondere Aufwendungen für eine Ersatzkraft ermöglicht wird. Wird der mit dem Urlaub verfolgte Zweck vereitelt oder in erheblichem Umfang verfehlt, entsteht daher ein Vermögensschaden.

12. Das vom Senat gewonnene Ergebnis, einen Ersatzanspruch wegen vertaner Urlaubszeit zuzubilligen, ist mit § 651 f Abs. 2 BGB in die am 1. Oktober 1979 in Kraft getretene gesetzliche Neuregelung des Rechts des „Reisevertrags“ eingegangen, das unmittelbar allerdings nur anwendbar ist, wenn ein Reiseveranstalter „eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise)“ zu erbringen hat (§ 651 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Solange und soweit es nicht möglich ist, auf diese Regelung zumindest in entsprechender Anwendung zurückzugreifen, bleibt der Senat bei seiner bisherigen Rechtsprechung zum vertanen Urlaub.

13. b) Der zur Behandlung einer Erkrankung erforderliche stationäre Klinikaufenthalt ist einem Erholungsurlaub nicht gleichzusetzen, auch dann nicht, wenn – was keineswegs typisch ist – mit dem Aufenthalt in der Klinik als Nebenwirkung auch bis zu einem gewissen Grad Erholung erstrebt wird.

14. Bei der klinischen Heilbehandlung stehen medizinische Leistungen im Vordergrund. Das gilt auch dann, wenn sich – wie hier – das Krankenhaus in einer reizvollen, häufig zu Urlaubszwecken aufgesuchten Gegend befindet und die Krankenzimmer wesentlich wohnlicher als sonst üblich ausgestattet sind. Auch dann geht es vorrangig um die Genesung des Patienten und nicht um seine Erholung.

15. Die Klägerin bezeichnet denn auch in ihrem Prospekt die landschaftliche Lage ihrer Klinik lediglich als – wenn auch wesentlichen – „Heilfaktor“. Die Annehmlichkeiten, die sonst bei einem Urlaub zur Erholung beitragen können, werden nebenher in die gesamte Betreuung mit einbezogen. Sein Gepräge erhält der Krankenhausaufnahmevertrag aber durch die ärztliche Versorgung. Andernfalls hätte hier die Krankenkasse des Beklagten die Kosten des Krankenhausaufenthalts – mit Ausnahme der ersten Pflegeklasse – nicht getragen. Die Klägerin hat übrigens den Beklagten schon in ihrer Antwort auf seine erste Anfrage ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er in ihre Fachklinik nur aufgenommen werden könne, „wenn stationäre Behandlung erforderlich“ sei, und hat, falls das nicht zutreffe, auf Leistungen eines Schwesterunternehmens verwiesen.

16. c) Wird in einem solchen Falle der mit der stationären Behandlung bezweckte medizinische Erfolg erreicht, dann ist der Klinikaufenthalt nicht nutzlos gewesen, die dafür aufgewendete Zeit also nicht „vertan“, selbst wenn die zugleich erhoffte und mit angestrebte Erholung ausgeblieben ist.

17. So ist es hier. Der Beklagte war in stationärer Behandlung wegen eines Leidens an der Halswirbelsäule. Die Behandlung dieses Leidens hatte den gewünschten Heilerfolg, wie der Beklagte einräumt. Die von der Klägerin erbrachten medizinischen Leistungen haben seinen Erwartungen entsprochen. Ein nochmaliger Klinikaufenthalt war nicht erforderlich. Auch sonst ist nicht ersichtlich, daß sich der Beklagte etwa erneut ins Krankenhaus begeben müßte. Damit ist der vorrangige Zweck des Aufenthalts des Beklagten in der Klinik der Klägerin, seine Beschwerden an der Halswirbelsäule zu beheben oder zu lindern, erreicht. Die dort verbrachte Zeit ist also nicht „vertan“. Ein darauf gegründeter Schadensersatzanspruch – in entsprechender Anwendung der von der Rechtsprechung im Reisevertragsrecht zum vertanen Urlaub entwickelten Grundsätze – scheidet daher aus.

18. d) Das bedeutet nicht, daß der Beklagte gegen die Klägerin überhaupt keinen Anspruch hätte, wenn sie – wie er behauptet – durch mangelhafte Leistungen der Unterbringung oder schuldhafte Verletzung anderweitiger vertraglicher Pflichten die neben der Heilbehandlung erstrebte Erholung vereitelt oder wesentlich beeinträchtigt haben sollte. Er kann nur nicht Schadensersatz wie bei „vertanem“ Urlaub fordern.

19. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung zum Reiserecht wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß in aller Regel Mängel der Reiseleistungen den Urlaub als solchen nicht – auch nicht teilweise – als „vertan“ erscheinen lassen. Die Mängel sind vielmehr meist durch Minderung der Vergütung oder durch Schadensersatzzahlungen auszugleichen, die dem Wertunterschied zwischen der versprochenen und der erbrachten Leistung entsprechen. Erst wenn der Zweck des Urlaubs gänzlich oder doch in sehr erheblichem Umfang verfehlt wird, ist eine Herabsetzung des Reisepreises als Schadensausgleich unzureichend.

20. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn – wie hier – der hauptsächliche Vertragszweck, die Heilung oder Linderung eines bestimmten Leidens, erreicht und nur Erholung in gewissem Umfang als erstrebte Nebenwirkung durch Störungen beim Klinikaufenthalt ausgeblieben ist. Dann genügt zum Ausgleich der geltend gemachten Leistungsmängel eine Herabsetzung der Vergütung, die die Klägerin hier durch den Verzicht auf die Klageforderung in angemessenem Umfang zugestanden hat.

21. Der Beklagte kann deshalb Schadensersatz nach den für „vertanen“ Urlaub entwickelten Grundsätzen nicht verlangen.

22. 1. Das Berufungsgericht hält den vom Beklagten erst im zweiten Rechtszug gestellten Widerklagantrag auf Feststellung, daß der Klägerin aus dem Klinikaufenthalt gegen den Beklagten keine Zahlungsansprüche mehr zuständen, für zulässig. Trotz Rücknahme der ursprünglich erhobenen Klage auf Zahlung der Mehrkosten für die erste Pflegeklasse fehle es nicht am Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO), zumal die Klägerin den eingeklagten Betrag hilfsweise zur Aufrechnung gestellt habe.

23. 2. Auch darin ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen.

24. Die Klägerin hat nach Erhebung der Feststellungswiderklage ausdrücklich erklärt, sie habe auf die Geltendmachung der 1.120 DM „außerhalb der erklärten Aufrechnung endgültig verzichtet“. Weiterer Forderungen hat sie sich gegenüber dem Beklagten nie berühmt. Damit ist das Feststellungsinteresse weggefallen; die Feststellungswiderklage muß als unzulässig abgewiesen werden. Der Beklagte hätte dieser Folge nur durch die Erklärung entgehen können, daß die Hauptsache in diesem Punkt erledigt sei.

25. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen und die im zweiten Rechtszug erhobene Feststellungswiderklage abzuweisen.

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