Verweisung eines Fluggastes von Bord eines Flugzeuges
AG Hannover: Verweisung eines Fluggastes von Bord eines Flugzeuges
Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Reise mit Flügen gebucht. Beim Rückflug kam es noch vor dem Start zu einer Auseinandersetzung des Klägers mit einem Flugbegleiter. Jedenfalls wurde der Kläger in der Folge des Flugzeugs verwiesen, wobei auch die Klägerin das Flugzeug verließ. Die entstandenen Mehrkosten für den selbst organisierten Rückflug und Schmerzensgeld für eine stressbedingte Gürtelrose verlangen sie von der Beklagten, der das Verhalten des Flugzeugführers nach Klägeransicht zuzurechnen sei.
Dem folgte das Gericht nicht und wies die Klage ab.
AG Hannover | 568 C 17807/05 (Aktenzeichen) |
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AG Hannover: | AG Hannover, Urt. vom 23.08.2006 |
Rechtsweg: | AG Hannover, Urt. v. 23.08.2006, Az: 568 C 17807/05 |
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Leitsätze:
2. Verweist ein Flugzeugführer einen Passagier des Flugzeugs, so handelt er als Beliehener, wenn dies aus Sicherheitsgründen geschieht, und im Rahmen seiner zivilrechtlichen Weisungsbefugnisse, wenn es der Vermeidung von Belästigungen dient.
Ein Passagier, der wegen seiner Weigerung, den Anweisungen des Bordpersonals Folge zu leisten, des Flugzeugs verwiesen wird, hat keine Regressansprüche gegen den Reiseveranstalter.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger, ein älteres Ehepaar, hatten bei der Beklagten für sich, ihre Enkelin und ihren Urenkel eine Flugpauschalreise nach Fuerteventura gebucht. Beim Rückflug kam es noch vor dem Start zu einer Auseinandersetzung des Klägers mit einem Flugbegleiter, dessen Inhalt und Ablauf zwischen den Parteien streitig ist. Jedenfalls wurde der Kläger in der Folge des Flugzeugs verwiesen, wobei auch die Klägerin das Flugzeug verließ. Diese Verweisung fußte darauf, dass der Kläger sich weigerte, den Anweisungen des Bordpersonals Folge zu leisten und sich während des Fluges ruhig zu verhalten. Die entstandenen Mehrkosten für den selbst organisierten Rückflug und Schmerzensgeld für eine stressbedingte Gürtelrose verlangen sie von der Beklagten, der das Verhalten des Flugzeugführers nach Klägeransicht zuzurechnen sei.
Dem folgte das Gericht nicht und wies die Klage ab. Der Flugzeugführer habe zur Abwendung einer Gefahr für den ungestörten Flugablauf und damit als Beliehener gehandelt, sodass sein Verhalten der Beklagten nicht zugerechnet werden könne. Beim Handeln aus Sicherheitsgründen sei eine flugpolizeiliche Maßnahme anzunehmen. Selbst wenn dies nicht so wäre, bestünde aber auch kein Anspruch, weil die Verweisung gerechtfertigt gewesen sei. Insofern treffe die Passagiere eines Flugzeugs eine Duldungspflicht, auch wenn sich das Bordpersonal unangemessen konfrontativ verhält, solange die Beschwerdemöglichkeit nach dem Flug ebenso effektiv ist.
Tenor
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
5. Die 74 und 75-jährigen Kläger buchten bei der Beklagten für sich, ihre Enkelin I B und ihren seinerzeit vierjährigen Urenkel eine Flugpauschalreise vom 19.09. – 03.10.2005 nach Fuerteventura. Der planmäßige Rückflug sollte am 03.10.2005 mit der Hapag-Lloyd von Fuerteventura nach B erfolgen. Nachdem die Passagiere das Flugzeug bestiegen und die vorgesehenen Plätze eingenommen hatten, rollte das Flugzeug zur Startbahn. Nachdem es zwischen dem Kläger und dem Flugbegleiter S zu einer Auseinandersetzung gekommen war, deren Anlass, Inhalt und Umfang zwischen den Parteien streitig ist, kehrte das Flugzeug zur Ausgangsposition zurück. Der Kläger wurde sodann vom Flugzeugführer des Flugzeugs verwiesen, woraufhin die Klägerin ebenfalls das Flugzeug verließ, während ihre Enkelin und ihr Urenkel dort verblieben. Das Gepäck der Kläger wurde aus dem Frachtraum des Flugzeugs entladen und ihnen gegen 19.00 Uhr übergeben. Da Hapag-Lloyd eine weitere Beförderung verweigerte, flogen die Kläger nach einer Übernachtung dann am nächsten Tag auf eigene Kosten mit einer anderen Fluggesellschaft nach F, wo sie am 05.10.2005 morgens gegen 2.00 Uhr landeten. Von dort ließen sie sich mit einem bereits zuvor auf Fuerteventura bestellten privaten Fahrdienst nach B bringen.
6. Die Kläger sind der Ansicht, dass der Kläger zu Unrecht des Flugzeugs verwiesen worden sei. Hierfür behaupten sie, dass er um einen anderen Sitzplatz gebeten habe, nachdem sein Vordermann mit dem Sitz gegen sein arthrose-geschädigtes Knie gestoßen sei und ihm damit Schmerzen zugefügt habe. Der Flugbegleiter habe dies jedoch verweigert. Der Kläger habe sodann darauf hingewiesen, dass so etwas bei anderen Fluggesellschaften möglich sei und dass er sich über den Flugbegleiter beschweren würde. Herr S habe hierauf aggressiv reagiert und erklärt, dass der Kläger aussteigen könne, wenn es ihm nicht passe. Des weiteren habe Herr S den Kläger aufgefordert, die Klappe zu halten. Im Folgenden habe der Flugbegleiter den Kläger mehrfach gefragt, ob er aussteigen wolle, worauf dieser nur gesagt habe, dass er sich beschweren würde. Dies habe der Kläger auch auf die Frage von Herrn S geantwortet, ob er sich vorstellen könne, während der nächsten vier Stunden ruhig zu bleiben. Im Anschluss hieran sei das Flugzeug zur Ausgangsposition zurückgerollt und der Kläger aufgefordert worden, das Flugzeug zu verlassen. Hierbei sei angedroht worden, für den Fall der Weigerung die Polizei zu holen.
7. Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagte für das Verhalten des Flugzeugführers verantwortlich sei, da dieser bei der Verweisung aus dem Flugzeug nicht in Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse gehandelt habe. Hierfür behaupten sie, dass der Kläger nicht die Sicherheit an Bord beeinträchtigt habe und alleiniger Grund für den Verweis seine Beschwerdeankündigung gewesen sei.
8. Die Kläger machen für die weitere Übernachtung, die Taxikosten auf Fuerteventura, den Ersatzflug nach F und die Fahrt von F nach B Kosten in Höhe von insgesamt 1.229,29 Euro geltend. Darüber hinaus verlangen der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 500,– Euro und die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,– Euro, da sie aufgrund der großen Aufregung eine Gürtelrose erlitten habe.
9. Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen,
10. 1) an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.229,29 Euro zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2005 zu zahlen,
11. 2) an die Klägerin weitere 1.500,– Euro zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2005 zu zahlen,
12. 3) an den Kläger ein Schmerzensgeld, dessen Höhe 500,– Euro nicht unterschreiten sollte, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15. Sie behauptet, dass der Kläger aus dem Flugzeug verwiesen worden sei, weil er sich geweigert habe, sich im Flugzeug sicherheitsgemäß zu verhalten. Der Kläger habe den Flugbegleiter angeschrien, dass die Armlehne am Vordersitz heruntergeklappt werde. Hierbei habe er fortwährend die Rückenlehne des Vordersitzes geschüttelt. Der Flugbegleiter habe den Kläger gebeten, das Schütteln einzustellen und sich ruhig zu verhalten. Im Folgenden habe er den Kläger zwei Mal gefragt, ob er sich vorstellen könne, während der Flugzeit von 4,5 Stunden ruhig zu bleiben und niemanden an Bord zu belästigen. Herr S habe hierbei darauf hingewiesen, dass dies erforderlich sei und der Kläger die Anweisungen des Kabinenpersonals befolgen müsse, da ansonsten eine sichere Flugdurchführung als gefährdet anzusehen sei und der Kläger dann nicht mitfliegen könne. Der Kläger habe dies zwei Mal explizit verneint und habe auch nicht auf die Beruhigungsversuche seiner Enkelin reagiert, sondern weiter am Vordersitz geschüttelt und herumgeschrien. Der Flugzeugführer habe daraufhin aus Sicherheitsgründen entschieden, den Kläger des Flugzeugs zu verweisen. Da der Kläger das Flugzeug zunächst nicht habe verlassen wollen, sei die Polizei gerufen worden, woraufhin der Kläger jedoch das Flugzeug in Begleitung der Klägerin verlassen habe.
16. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, dass ihre Inanspruchnahme schon daran scheitere, dass der Flugzeugführer im Rahmen seiner flugpolizeilichen Hoheitsbefugnisse gehandelt habe und sein Verhalten ihr deshalb nicht zugerechnet werden könne.
17. Die Streitverkündete ist dagegen der Auffassung, dass es sich um eine rein zivilrechtlich zu beurteilende Maßnahme gehandelt habe, und führt hierzu insbesondere aus, dass die öffentlich-rechtlichen Befugnisse des Flugzeugführers subsidiär gegenüber der zivilrechtlichen Bordgewalt seien und die vom Gesetzgeber in § 12 Luftsicherheitsgesetz für eine Beleihung vorausgesetzte Gefahrensituation nicht vorgelegen habe.
18. Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 21.06.2006 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen und Zeugen …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll, hinsichtlich des weiteren Parteivortrags auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19. Die Klage ist unbegründet.
I.
20. Die Kläger können gegen die Beklagte keine Ansprüche aus einer Verletzung reisevertraglicher Pflichten gem. § 651 f BGB geltend machen, da das Verhalten des Flugzeugführers der Beklagten nicht gem. § 278 BGB zugerechnet werden kann. Eine entsprechende Zurechnung scheitert daran, dass die Verweisung des Klägers aus dem Flugzeug nicht als Maßnahme der zivilrechtlichen Bordgewalt, sondern als Ausübung hoheitlicher Befugnisse gem. § 12 Luftsicherheitsgesetz anzusehen ist.
21. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Anwendungsbereich dieser öffentlich-rechtlichen Norm eröffnet ist und der Verweis des Klägers aus dem Flugzeug der Aufrechterhaltung der Sicherheit an Bord diente.
22. Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG hat der verantwortliche Luftfahrzeugführer als Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeugs zu sorgen.
23. Die Anwendbarkeit dieser Norm scheitert entgegen der klägerischen Auffassung nicht daran, dass das Flugzeug nur zur Startposition gerollt war und sich noch nicht in die Luft erhoben hatte. Im Flug befindlich ist ein Flugzeug im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG nämlich nicht erst mit Abheben von der Startbahn, sondern bereits mit dem Schließen aller Außentüren nach dem Einsteigen. Dies folgt aus der Definition in Artikel 5 Abs. 2 des so genannten Tokioter Abkommens, welches mit Gesetz vom 04.02.1969 (BGBl. II, 121) in deutsches Recht inkorporiert wurde und gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 LuftSiG Anwendung findet. Das Tokioter Abkommen ist dabei entgegen der klägerischen Ansicht auch nicht auf die Abwehr von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten beschränkt, da das Abkommen gem. Artikel 1 Abs. 1 lit b) auf alle Handlungen Anwendung findet, die unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord gefährden oder gefährden können oder welche die Ordnung und Disziplin an Bord gefährden.
24. Gegen die Annahme einer hoheitlichen Maßnahme spricht auch nicht, dass § 12 Abs. 2 LuftSiG das Bestehen einer Gefahr für Personen an Bord des Luftfahrzeuges oder für das Luftfahrzeug selbst voraussetzt. Die Gefährdung derartiger Rechtsgüter durch den Kläger ist zwar nicht vorgetragen worden. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich, da der Flugzeugführer gem. Artikel 6 Abs. 1 des Tokioter Abkommens, welches gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 LuftSiG ergänzende Anwendung findet, auch Maßnahmen zum Schutz der Ordnung an Bord treffen kann.
25. Der Anwendungsbereich des § 12 LuftSiG ist damit eröffnet, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Flugzeugführer die Verweisung aus dem Flugzeug aussprach, um eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung an Bord abzuwehren. Der Zeuge F hat hierzu erklärt, dass er vom Flugbegleiter S die Meldung „Cabin not clear“ erhalten habe. Der Flugbegleiter habe dies damit erklärt, dass ein Passagier sich ungebührlich verhalten und angekündigt habe, dass er während des Fluges nicht ruhig bleiben und den Anweisungen des Personals nicht folgen werde. Herr F sei daher davon ausgegangen, dass dieser Passagier aggressiv sei. Aus Sicherheitsgründen habe er sich dann dafür entschieden, den Passagier aus dem Flugzeug zu weisen, da es gewährleistet sein müsse, dass die Passagiere den Anweisungen des Bordpersonals folgten und sich zudem ein aggressives Verhalten mit wachsender Flughöhe steigern könne. Hierbei habe er auch berücksichtigt, dass bei einer Verschlechterung der Lage wegen des langen Fluges über den Atlantik eine eventuell notwendig werdende Zwischenlandung schwierig werden könne. Maßgeblich sei jedoch die Sicherheit an Bord gewesen, die er habe gewährleisten wollen und müssen.
26. Die Aussage ist glaubhaft, denn der Zeuge hat detailliert ausgesagt, Wissenslücken offen eingestanden und seine damaligen Erwägungen nicht einseitig, sondern in nachvollziehbarer Weise als Motivationsbündel dargestellt.
27. Der Zeuge ging demnach davon aus, dass die Sicherheit an Bord bei einer Mitnahme des Klägers nicht gewährleistet wäre. Seine Maßnahme diente daher der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord im Sinne von § 12 LuftSiG.
28. Ob das Verhalten des Klägers dabei tatsächlich eine Gefahr darstellte, ist hierfür unerheblich, denn eine Gefahr im Sinne des Polizeirechts liegt auch bei einer so genannten Anscheinsgefahr vor, das heißt bei einer Sachlage, die als gefährlich angesehen wird und bei verständiger Würdigung und hinreichender Sachverhaltsaufklärung als gefährlich angesehen werden durfte, auch wenn sich die Annahme im Nachhinein nicht als zutreffend erweist (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl., Rz. 80). Zumindest eine derartige Anscheinsgefahr ist zu bejahen, denn der Flugzeugführer hatte die Information erhalten, dass der Kläger aggressiv sei und sich geweigert habe, während des Fluges ruhig zu bleiben und den Anweisungen des Bordpersonals zu folgen. Da es ihm nach seinen Angaben in einer solchen Situation wegen der Vermeidung von terroristischen Attacken untersagt ist, das Cockpit zu verlassen, konnte er hierzu keine eigenen Nachforschungen anstellen und musste daher allein aufgrund der gegebenen Informationen entscheiden. Unter diesen Umständen durfte er davon ausgehen, dass der Kläger eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung an Bord darstellt.
29. Da der Zeuge sich hierbei keine Gedanken über die Rechtsgrundlage seiner Anweisung gemacht hat, ist die Abgrenzung, ob es sich um die Ausübung privatrechtlicher oder hoheitsrechtlicher Befugnisse handelte, allein an Hand objektiver Kriterien vorzunehmen.
30. Hierfür schließt sich das Gericht den Erwägungen des LG Bonn an (RRa 2000, S. 157), wonach ein Handeln aus Sicherheitsgründen als öffentlich-rechtlich einzuordnen ist (so auch AG Bad Homburg, RRa 1997, S. 19) und die privatrechtlichen Weisungsbefugnisse die Abwehr von Belästigungen anderer Passagiere betreffen (im Ergebnis wohl ebenso Giemulla/Schmid, aaO, Rz. 75). Für eine derartige Unterscheidung spricht der Umstand, dass nur hierdurch eine weitgehende und im Interesse aller Beteiligten stehende Rechtsklarheit erzielt werden kann. Zudem statuiert § 12 Abs. 1 LuftSiG eine Pflicht des Flugzeugführers, für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Flugzeugs zu sorgen. Es erscheint daher nahe liegend, ein Handeln aus Sicherheitsgründen als Erfüllung dieser Pflicht anzusehen.
31. Die Auffassung der Kläger und der Streitverkündeten, dass das Handeln des Flugzeugführers im Zweifel zivilrechtlich einzuordnen sei, führt dagegen zu keiner vergleichbaren Rechtsklarheit, weil nicht ersichtlich ist, woran der Flugzeugführer erkennen könnte, wann die Grenze zum öffentlich-rechtlichen Handeln überschritten ist. Darüber hinaus kennt die einschlägige Kommentierung keine derartige Regel (vgl. Gimulla/Schmid, LuftVG, Stand 10/03, § 29 Rz. 74: „Neben die öffentlich-rechtliche Befugnis aus § 29 Abs. 3 LuftVG treten privatrechtliche Weisungsbefugnisse …“) und für das Gericht ist auch keine Begründung für eine derartige Regel erkennbar.
32. Gegen die öffentlich-rechtliche Einordnung der Anweisung lässt sich schließlich auch nicht vorbringen, dass der Luftfahrzeugführer keine hoheitlichen Befugnisse gehabt habe, weil die allgemein zuständigen spanischen Polizeibehörden erreichbar gewesen seien. Zwar ist insoweit zutreffend, dass die Hoheitsbefugnisse des beliehenen Flugzeugführers subsidiär sind gegenüber den Befugnissen der originären Gefahrenabwehrbehörden. Dies führt jedoch im vorliegenden Fall nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 12 LuftSiG, da die hoheitliche Maßnahme des Flugzeugführers in der Verweisung von Bord bestand (vgl. allgm. Giemulla/Schmid, aaO, Rz. 53f) und diese Maßnahme überhaupt erst die Voraussetzung für ein mögliches Einschreiten der spanischen Ordnungsbehörden schaffen konnte.
II.
33. Darüber hinaus wäre die Klage jedoch auch dann abzuweisen, wenn die Verweigerung des Rücktransports als zivilrechtliche Maßnahme anzusehen wäre. Aufgrund der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung der Kläger geht das Gericht davon aus, dass das Verhalten des Klägers eine Verweisung von Bord rechtfertigen konnte.
34. Auch wenn die Aussagen teilweise erheblich voneinander abweichen, haben die Kläger und die Zeugen jedenfalls im Kern übereinstimmend geschildert, dass der Kläger sich lautstark beschwerte, weil der Sitz des Vordermannes gegen sein Knie stieß und ihm der Platz zu eng war. Im Folgenden kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Flugbegleiter S, in der Herr S den Wunsch nach einem anderen Sitzplatz ablehnte und der Kläger erklärte, dass andere Airlines besser seien und dass er sich über den Flugbegleiter beschweren werde. Im weiteren Verlauf fragte der Flugbegleiter, ob sich der Kläger vorstellen könne, die nächsten vier Stunden ruhig zu bleiben. Diese Frage bejahte der Kläger nicht, sondern kündigte weitere Beschwerden an.
35. Das Gericht geht dabei davon aus, dass diese Auseinandersetzung von beiden Seiten laut und heftig erfolgte. Dies folgt hinsichtlich des klägerischen Verhaltens nicht nur aus den Angaben der Zeugen …, denn auch die Zeugin … hat erklärt, dass ihr Großvater ein wenig laut geworden sei, sich mit dem Zeugen … gegenseitig aufgespitzt habe und sich habe provozieren lassen. Darüber hinaus hat sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen eigenen Eindruck vom klägerischen Verhalten machen können. Der Kläger zeigte sich dort sehr leicht erregbar, wurde schnell laut und ließ sich mehrfach nur mit Mühe von seiner Ehefrau bzw. seinem Anwalt beruhigen. Hierbei schien er teilweise erhebliche Verständnisschwierigkeiten zu haben, deren Auftreten in einer Stresssituation wie der damaligen Lage nach dem Dafürhalten des Gerichts noch zu weiteren Konfrontationen führen können.
36. Die Zuspitzung der Situation erfolgte jedoch nicht allein aufgrund des klägerischen Verhaltens, vielmehr hat sich auch der Flugbegleiter unangemessen benommen und insbesondere den Kläger aufgefordert, die Klappe zu halten. Dies folgt aus der glaubhaften Aussage der Zeugin … die eine individuelle und detaillierte Schilderung abgab, die auch für den Kläger ungünstige Elemente enthielt und hinsichtlich des Flugbegleiters keine Belastungstendenzen zeigte. Der Zeuge … hat eine derartige Äußerung zwar bestritten und auch die Zeugin … hat eine solche verneint. Diese Aussagen sind jedoch nicht geeignet, die Angaben der Zeugin … in Zweifel zu ziehen, denn beim Zeugen S ist zu berücksichtigen, dass er ein Eigeninteresse an der positiven Darstellung seines eigenen Verhaltens hat. Gegen die Aussage der Zeugin … bestehen ebenfalls Bedenken, da sie zunächst erklärte, das Gespräch nicht richtig mitbekommen zu haben, um anschließend ohne erkennbaren Anlass und ohne vorherige Nachfrage von sich aus als wichtig herauszustellen, dass Herr … den Kläger nicht beleidigt habe.
37. Das unangemessene Verhalten eines Flugbegleiters ändert jedoch nichts daran, dass ein Passagier aus Sicherheitsgründen verpflichtet ist, während des Fluges den Anweisungen des Bordpersonals zu folgen. Nach Ansicht des Gerichts haben Passagiere insoweit während des Fluges eine Duldungspflicht, die sie im Interesse des ungestörten Flugbetriebs hinnehmen müssen. Der Kläger wäre daher verpflichtet gewesen, die Frage des Flugbegleiters, ob er während des Fluges ruhig zu bleiben, zu bejahen und sich auch dementsprechend zu verhalten. Eine unangemessene Benachteiligung ist hierin nicht zu sehen, da der Kläger seine Rügen hinsichtlich des Verhaltens des Flugbegleiters ohne erkennbare Einbußen auch im Nachhinein hätte geltend machen können.
38. Da die Verweisung eines Passagiers von Bord auch mit erheblichen Nachteilen für alle anderen Beteiligten verbunden ist, hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass das Bordpersonal vorschnell handelte. Angesichts dessen sowie auf Grund des klägerischen Verhaltens in der mündlichen Verhandlung geht das Gericht davon aus, dass die Antwort des Klägers auf die Frage des Flugbegleiters so ausfiel, dass im Verlauf des Fluges weitere Störungen zu befürchten waren. Deshalb ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass der Kläger nach seiner Reaktion auf die entsprechende Frage des Flugbegleiters des Flugzeugs verwiesen wurde.
III.
39. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 101, 708 Nr.11, 711 ZPO.
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