Benachteiligung eines Fahrgasts

BGH: Benachteiligung eines Fahrgasts

Die Klägerin, eine Verkehrsgesellschaft des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) bietet Unternehmen und anderen Einrichtungen, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern beschäftigen, den Abschluss eines Großkundenabonnementvertrags an, durch den Arbeitnehmer die Möglichkeit erlangen, eine als ProfiCard bezeichnete Zeitfahrkarte für den HVV zu erhalten, welche günstiger ist als der normale Tarif. In den AGB ist geregelt, dass die Arbeitnehmer nach Beendigung ihrer Tätigkeit, die Fahrkarte zurückgeben müssen und die Gültigkeit erlösche. Der beklagte Mitarbeiter eines Großkunden der Klägerin, tat dies allerdings nach Beendigung seiner Tätigkeit nicht. Die Klägerin verlangt nun die Zahlung des Entgelts für eine Zeitfahrkarte nach dem Tarif des Allgemeinen Abonnements.

Der Bundesgerichtshof spricht der Klägerin einen solchen Anspruch nicht zu, da die verwendete Klausel in den AGB der Klägerin mehrdeutig ist, sie den Kunden dadurch unangemessen benachteilige und sie folglich unwirksam sei.

BGH X ZR 18/15 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 22.03.2016
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 22.03.2016, Az: X ZR 18/15
LG Hamburg, Urt. v. 30.01.2015, Az: 317 S 94/14
AG Hamburg, Urt. v. 10.10.2014, Az: 31a C 57/14
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Bundessgerichtshof

1.Urteil vom 22. März 2016

Aktenzeichen X ZR 18/15

Leitsatz:

2. Ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftbedinungen mehrdeutig und benachteiligen den Kunden unangemessen, so ist sie unwirksam.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall verlangt die Klägerin, als Verkehrsgesellschaft des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV), von dem beklagten Mitarbeiter eines Großkunden der Klägerin, die Zahlung einer Zeitfahrkarte nach dem Tarif des Allgemeinen Abonnements. Die Klägerin bietet Unternehmen und anderen Einrichtungen, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern beschäftigen, den Abschluss eines Großkundenabonnementvertrags an, durch den Arbeitnehmer die Möglichkeit erlangen, eine als ProfiCard bezeichnete Zeitfahrkarte für den HVV zu erhalten, welche günstiger ist als der normale Tarif.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten u.a. die Regelung, dass die Karte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zurückzugeben sei und die Gültigkeit erlösche. Jedoch gab der Beklagte nach Beendigung seiner Tätigkeit, am 31. Juli 2013, die Fahrkarte nicht zurück. Auf der Karte war eine Gültigkeitsdauer bis 30. April 2014 vermerkt.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des Entgeltes für eine Zeitfahrkarte nach dem Tarif des Allgemeinen Abonnements zustehe. Die Klausel der wirksam einbezogenen AGB sei unwirksam, da sie den Kunden unangemessen benachteilige. Für den Fahrgast, der in eine solche Situation gerät, ergebe sich aus den Benutzungsbedingungen der Klägerin nicht deutlich genug, ob er weiterhin berechtigt sei, die Leistungen der HVV als Inhaber einer Zeitfahrkarte in Anspruch zu nehmen, und wie er diese Berechtigung gegebenenfalls gegenüber dem Kontrollpersonal nachweisen könne.

Tenor

4. Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 17 – vom 30. Januar 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

5. Die Klägerin ist eine Verkehrsgesellschaft des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV). Sie bietet Unternehmen und anderen Einrichtungen, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern beschäftigen, den Abschluss eines Großkundenabonnementvertrags an, durch den Arbeitnehmer die Möglichkeit erlangen, eine als ProfiCard bezeichnete Zeitfahrkarte für den HVV zu erhalten. Die Preise sind dabei günstiger als diejenigen für eine Zeitfahrkarte im sogenannten Allgemeinen Abonnement, das jedem Nutzer offensteht. Der Arbeitgeber gibt die ProfiCard aus und behält das Entgelt für diese durch Abzug beim Gehalt ein. Die ProfiCard gilt grundsätzlich jeweils für ein Jahr, die Dauer ihrer Gültigkeit ist auf ihr vermerkt. Die Klägerin verwendet „Benutzungsbedingungen für die ProfiCards im HVV-​Großkundenabonnement“, die Teil des HVV-​Gemeinschaftstarifs und von der zuständigen Behörde genehmigt sind. Bei Erhalt einer ProfiCard unterschreibt der Arbeitnehmer eine Empfangsbestätigung, die einen Hinweis auf die Geltung der Benutzungsbedingungen enthält.

6. Die Benutzungsbedingungen enthalten unter anderem folgende Klauseln:

7. Abschnitt 3:

8. Die Geltungsdauer einer ProfiCard beginnt um 0.00 Uhr des Monatsersten ab dem der nutzungsberechtigte Fahrgast an einem GKA teilnimmt. ProfiCards gelten bis zum Betriebsschluss des letzten Geltungstags. Soweit ProfiCards nach Abschnitt 7.2 zurückzugeben sind, endet ihre Geltungsdauer um 24.00 Uhr des Tages, an dem die Rückgabe fällig wird.

9. Abschnitt 7.1 Nr. 3:

10. Die Berechtigung zur Teilnahme am GKA erlischt mit dem Ende des Kalendermonats, in dem bzw. mit dem der Fahrgast aus den Diensten seines Arbeitgebers ausscheidet oder mit Beginn des Monats, in dem das Fahrgeld nicht mehr vom Lohn oder Gehalt einbehalten werden kann.

11. Abschnitt 7.2:

12. Bei Beendigung der Teilnahmeberechtigung am GKA hat der Fahrgast seine ProfiCard in den in Abschnitt 7.1 Absatz 1 bis 4 genannten Fällen an seinen Arbeitgeber bzw. die Ausgabestelle zurückzugeben oder sie zur Verkürzung der Geltungsdauer auf den Zeitpunkt der Beendigung der Teilnahme am Großkundenabonnement vorzulegen.

13. Kommt der Fahrgast seiner Rückgabe- bzw. Vorlageverpflichtung nicht rechtzeitig nach, wird er – außer für den Fall, dass er an der rechtzeitigen Rückgabe bzw. Vorlage der ProfiCard ohne eigenes Verschulden verhindert war – bis zum Ende des Monats, in dem die Rückgabe der ProfiCard erfolgt, längstens bis zum Ende der Geltungsdauer, als Fahrgast nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements behandelt und zur Zahlung des jeweils danach geltenden monatlichen Fahrpreises einer Allgemeinen Abonnementskarte (…) an die S-​Bahn verpflichtet.

14. Abschnitt 11:

15. Es gelten die Bestimmungen des HVV-​Tarifs.

16. Der Beklagte war bis zum 31. Juli 2013 Mitarbeiter eines Großkunden der Klägerin und hatte über diese eine ProfiCard erhalten, auf der eine Gültigkeitsdauer bis 30. April 2014 vermerkt war. Nach Beendigung seiner Tätigkeit gab er die Fahrkarte nicht zurück. Unter Berufung auf die Nutzungsbedingungen fordert die Klägerin für die Monate Dezember 2013 bis April 2014 das Entgelt für eine Zeitfahrkarte nach dem Tarif des Allgemeinen Abonnements in Höhe von 616,40 Euro nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

17. Die Revision ist nicht begründet.

18. Das Berufungsgericht hat einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den säumigen Beklagten verneint und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

19. Die Regelung in Abschnitt 7.2 Absatz 2 der Benutzungsbedingungen sei im Zusammenspiel mit der Regelung in Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Bei den Benutzungsbedingungen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 305a Nr. 1 BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien.

20. Die Regelung in Abschnitt 7.2 Absatz 2 der Benutzungsbedingungen sei zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden, weil mit ihr dem berechtigten Interesse der Klägerin Rechnung getragen werde, Missbräuchen vorzubeugen und zu vermeiden, dass die ProfiCard bis zum Ablauf der auf ihr vermerkten Gültigkeitsdauer weiter benutzt werde, obwohl die Teilnahmeberechtigung nicht mehr bestehe. Zu einer unangemessenen Benachteiligung komme es jedoch durch das Zusammenwirken mit Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 der Benutzungsbedingungen. Nach dem Wortlaut dieser Klausel ende die Geltungsdauer der ProfiCard mit der Fälligkeit der Verpflichtung zur Rückgabe. Die Klausel könne mithin dahin verstanden werden, dass die ProfiCard zu diesem Zeitpunkt ungültig werde. Die Anwendung von Abschnitt 7.2 Absatz 2 habe bei diesem Verständnis der Benutzungsbedingungen jedoch zur Folge, dass eine Verpflichtung des Kunden zur Zahlung des Entgelts nach dem allgemeinen Tarif bestehe, ohne dass er im Besitz eines gültigen Fahrausweises sei.

21. Die Formulierung, dass er bei Unterbleiben der Rückgabe als Fahrgast nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements behandelt werde und den danach geltenden Fahrpreis zu zahlen habe, verschaffe ihm nicht hinreichend Klarheit darüber, ob er sich nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses noch im Besitz einer gültigen Fahrkarte befinde. Bei mehrdeutigen Klauseln sei der Prüfung die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen. Danach sei hier die Auslegung maßgeblich, dass sich der Fahrgast nicht mehr im Besitz eines gültigen Fahrausweises befinde und gleichwohl zur Entgeltzahlung verpflichtet sein solle. In diesem Zusammenhang sei auch zur berücksichtigen, dass im Tarif des HVV vielfach auf die Bedeutung eines gültigen Fahrausweises hingewiesen werde.

22. Gemäß § 306 BGB führe dies zur Unwirksamkeit von Abschnitt 7.2 Absatz 2 der Benutzungsbedingungen, die damit auch nicht Grundlage eines Zahlungsanspruchs der Klägerin sein könnten.

23. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen ist.

24. Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Fahrpreises nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements mit der Begründung verneint, dass Abschnitt 7.2 Absatz 2 der Benutzungsbedingungen nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

25. Die Klausel ist Teil der von der Klägerin verwendeten „Benutzungsbedingungen für die ProfiCards im Großkundenabonnement“, bei denen es sich um von der Klägerin verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Da die Benutzungsbedingungen von der zuständigen Verkehrsbehörde genehmigt worden sind, genügte es nach § 305a Nr. 1 BGB für ihre Einbeziehung in den Vertrag, dass sich der Beklagte mit ihrer Geltung einverstanden erklärt hat.

26. Der Senat kann die Auslegung der Benutzungsbedingungen durch das Berufungsgericht in vollem Umfang nachprüfen, unabhängig davon, ob sie nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet werden (BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 – X ZR 60/04, BGHZ 163, 321, 323 f.). Die Benutzungsbedingungen sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Danach ist die scheinbar kundenfeindlichste Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste, da sie zu der Annahme führt, dass die betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Außer Betracht zu bleiben haben lediglich Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar sind, praktisch aber fern liegen und von den an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernstlich in Erwägung gezogen werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 152/15; Urteil vom 20. Oktober 2015 – XI ZR 166/14, WM 2016, 35 Rn. 19 mit zahlreichen Nachweisen).

27. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Benutzungsbedingungen der Klägerin könnten auch in dem Sinne verstanden werden, dass der Kunde, der als Mitarbeiter eines teilnehmenden Unternehmens ausscheide und deswegen nicht mehr zur Teilnahme am Großkundenabonnement berechtigt sei, die ihm überlassene ProfiCard aber nicht zurückgebe, bis zum Ablauf der auf der Fahrkarte vermerkten Geltungsdauer den höheren Fahrpreis nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements zu zahlen habe, ohne jedoch im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.

28. Die Revision zieht – zu Recht – nicht in Zweifel, dass die betreffende Klausel bei einem solchen Verständnis den Kunden unangemessen benachteiligt und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Sie meint jedoch, dieses Verständnis der Benutzungsbedingungen sei gänzlich fernliegend und daher nicht zu berücksichtigen. Kein Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise verstehe die Bedingungen dahin, dass er zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet sei, jedoch die korrespondierenden Leistungen nicht in Anspruch nehmen dürfe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

29. Nach Abschnitt 7.1 Nr. 3 der Benutzungsbedingungen erlischt die Berechtigung zur Teilnahme am Großkundenabonnement mit dem Ende des Kalendermonats, in dem der Fahrgast aus den Diensten seines Arbeitgebers ausscheidet. Für diesen Fall ist in Abschnitt 7.2 Absatz 1 der Benutzungsbedingungen die Verpflichtung des Fahrgasts vorgesehen, die ihm überlassene Profi-​Card zurückzugeben oder sie vorzulegen, damit die auf ihr vermerkte Geltungsdauer auf den Zeitpunkt der Beendigung der Teilnahme am Großkundenabonnement verkürzt werden kann. Für den Fall, dass der Fahrgast der Verpflichtung, die Fahrkarte zurückzugeben oder zur Verkürzung der Geltungsdauer vorzulegen, schuldhaft nicht nachkommt, ist in Abschnitt 7.2 Absatz 2 bestimmt, dass er bis zum Ende des Monats, in dem er die Fahrkarte zurückgibt, längstens bis zum Ende der auf ihr vermerkten Geltungsdauer, so behandelt wird, als sei er Fahrgast nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements, und zur Zahlung des danach geltenden monatlichen Fahrpreises verpflichtet ist.

30. Für den Fahrgast, der in eine solche Situation gerät, ergibt sich aus den Benutzungsbedingungen der Klägerin jedoch nicht hinreichend deutlich, ob er weiterhin berechtigt ist, die Leistungen der HVV als Inhaber einer Zeitfahrkarte in Anspruch zu nehmen, und wie er diese Berechtigung gegebenenfalls gegenüber dem Kontrollpersonal nachweisen kann. Der Umstand, dass er verpflichtet ist, den Fahrpreis für eine Zeitfahrkarte nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements zu zahlen, kann ihn zu der Annahme führen, dass er weiterhin berechtigt ist, das Angebot der HVV zu nutzen, dass er die ProfiCard behalten darf und als Nachweis seiner Nutzungsberechtigung nutzen kann, mithin lediglich ein höheres Entgelt als bislang zu entrichten hat. Zweifel hieran können sich jedoch daraus ergeben, dass den Benutzungsbedingungen nicht zu entnehmen ist, dass die in Abschnitt 7.2 Absatz 1 normierte Pflicht, bei Beendigung der Teilnahmeberechtigung am Großkundenabonnement die ProfiCard zurückzugeben, entfällt, wenn und solange der Fahrgast den höheren monatlichen Fahrpreis nach den Tarifbestimmungen des Allgemeinen Abonnements zu zahlen hat. Dies lässt auch ein Verständnis der Benutzungsbedingungen zu, wonach die ProfiCard weiterhin zurückgegeben werden muss, somit die Pflicht zur Zahlung eines erhöhten Fahrpreises allein der Durchsetzung dieser Rückgabepflicht dient, jedoch nicht mit der Berechtigung verbunden ist, die Leistungen der HVV als Inhaber einer Zeitfahrkarte zu nutzen.

31. Ein solches Verständnis wird vor allem durch Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 der Benutzungsbedingungen nahegelegt, wonach die Geltungsdauer einer ProfiCard, die nach Abschnitt 7.2 zurückzugeben ist, mit Ablauf des Tages endet, an dem die Rückgabe fällig wird. Diese Regelung lässt die Deutung zu – und legt sie sogar nahe – dass die ProfiCard mit Ablauf des Monats, in welchem das bisherige, zur Teilnahme am Großkundenabonnement berechtigende Arbeitsverhältnis endet, ungültig wird und nicht mehr als Fahrausweis genutzt werden darf. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht bemerkt, dass in den Bestimmungen des HVV-​Tarifs, auf die Abschnitt 11 der Benutzungsbedingungen Bezug nimmt, mit Nachdruck darauf hingewiesen wird, dass die Fahrzeuge des HVV nur mit einem gültigen Fahrausweis betreten werden dürfen, anderenfalls ein solcher unaufgefordert und unverzüglich zu lösen ist, und daraus abgeleitet, dass der Fahrgast daher dem Besitz einer gültigen Fahrkarte erhebliche Bedeutung beilegt.

32. Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 sei dahin zu verstehen, dass die Geltungsdauer der ProfiCard lediglich insofern vorzeitig ende, als sie dem Nachweis der Fahrtberechtigung zu den Sonderkonditionen des Großkundenabonnements diene, findet dies im Wortlaut der Klausel keine Stütze. Gegen die Annahme, dass der Nutzer sie – eindeutig – in diesem Sinne verstehe, spricht zudem, dass die Klausel bei einem solchen Verständnis gegenüber Abschnitt 7.1 Nr. 3 keinen eigenständigen Gehalt aufwiese.

33. Die Benutzungsbedingungen der Klägerin können danach jedenfalls auch dahin verstanden werden, dass eine ProfiCard, die wegen Beendigung der Teilnahmeberechtigung am Großkundenabonnement zurückzugeben ist, mit Ablauf des Monats, in dem der Fahrgast bei seinem bisherigen Arbeitgeber ausscheidet, ihre Geltung verliert und damit nicht mehr zum Nachweis der Berechtigung zur Nutzung der Fahrzeuge des HVV dienen kann, obwohl der Fahrgast zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist, das er für eine Zeitfahrkarte des Allgemeinen Abonnements zu zahlen hätte. Legt man dieses Verständnis zugrunde, ist Abschnitt 7.2 Absatz 2 der Benutzungsbedingungen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam und kann den mit der Klage geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht begründen.

34. Die Regelung kann – entgegen der Ansicht der Revision – nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass lediglich Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 der Benutzungsbedingungen als unwirksam angesehen wird. Kann eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt werden, kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge auf den inhaltlich unzulässigen Teil in Betracht (BGH, Urteil vom 18. November 1988 – V ZR 75/87, BGHZ 106, 19, 25 f.). Eine Anwendung dieser Grundsätze scheidet hier jedoch schon deshalb aus, weil die Regelung in Abschnitt 3 Absatz 1 Satz 3 für sich genommen inhaltlich nicht bedenklich ist, sondern gerade in ihrem Zusammenwirken mit Abschnitt 7.2 der Benutzungsbedingungen.

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