Schadensersatzklage gegen Reiseveranstalter wegen Unfalls im Vertragshotel

OLG Düsseldorf: Schadensersatzklage gegen Reiseveranstalter wegen Unfalls im Vertragshotel

Ein Urlauber brach sich beim Sturz auf der Hoteltreppe mehrere Gesichtsknochen. Dafür verlangte er vom Reiseveranstalter Schmerzensgeld. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil ein Sachverständiger feststellte, dass die Reiseveranstalterin ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hatte.

OLG Düsseldorf 21 U 69/14 (Aktenzeichen)
OLG Düsseldorf: OLG Düsseldorf, Urt. vom 16.12.2014
Rechtsweg: OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.2014, Az: 21 U 69/14
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Oberlandesgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 16. Dezember 2014

Aktenzeichen 21 U 69/14

Leitsatz:

2. Außer dem Hotelbetreiber trifft auch den Reiseveranstalter eine Verkehrssicherungspflicht bei der Auswahl und Überprüfung der Vertragshotels im Ausland.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Hotelaufenthalt im Ausland. Während der Reise verunfallte der Kläger auf der Treppe der Hotelanlage, die zum Strand führte. Aufgrund eines fehlenden Handlaufs konnte er sich nicht festhalten, sodass er das Gleichgewicht verlor und stürzte. Er brach sich das Jochbein, die Augenhöhle und den Kiefer. Es folgte eine langwierige medizinische Behandlungsphase mit mehrmonatigen Krankenhausaufenthalten. Für die dadurch entstandenen Kosten, Schmerzensgeld und Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude nahm er die Reiseveranstalterin in Anspruch.

In erster Instanz wurde die Klage nach der Anhörung eines Sachverständigen, der zu Ungunsten des Klägers aussagte, abgewiesen. Neben dem Hotelbetreiber trafen auch die Reiseveranstalterin Verkehrssicherungspfichten hinsichtlich ihrer Vertragshotels im Ausland. Diese waren nach Einschätzung des Experten aber nicht verletzt worden, da er den Unfallhergang anders bewertete als der Kläger. Jener hatte zwar einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen gestellt, dieser wurde aber im Endurteil abgelehnt.

Dies sah er als Verfahrensfehler an und begehrte in seiner Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt die Zurückverweisung an das Landgericht zur Neuverhandlung und wiederholte hilfsweise seiner Forderungen aus der Vorinstanz. Die Berufung wurde jedoch zurückgewiesen. Zwar stellte es einen Verfahrensfehler dar, dass der Befangenheitsantrag nicht in einem gesonderten Beschluss, sondern im Endurteil abgelehnt worden war, dieser wog jedoch nicht schwer genug, um zu einer Zurückverweisung zu führen. Die Ablehnung war nämlich rechtmäßig gewesen. Damit war das erstinstanzliche Urteil rechtmäßig, wonach die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten hinsichtlich des Vertragshotels nicht verletzt hatte. Ferner bestand kein Anspruch auf Schadensersatz für einen Reisemangel in Form des Unfalls, weil der Kläger die Frist für die Anspruchsmeldung nicht gewahrt hatte.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 25.03.2014, Az.: 1 O 261/12, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil und die angegriffene Entscheidung sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

5. Die Beklagte betreibt eine Reiseagentur.

6. Der Kläger nimmt sie auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines im Urlaub erlittenen Sturzes in Anspruch.

7. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und sein damals zweijähriges Kind eine Pauschalreise mit Aufenthalt im Strandhotel H … P … L … R … in S.., T … . für den Zeitraum 14. 10. bis 24.10.2008.

8. Von der dortigen Strandpromenade gelangte man über eine nach unten führende sechsstufige Steintreppe zu den sanitären Anlagen des Hotels. Die Treppe war 184,5 cm breit. In das vom Strand aus gesehen obere Podest war ein rund 175 cm breites Wasserbecken eingelassen, in dem man die Füße säubern konnte. Vom Strand aus gesehen rechts der Treppe befand sich ein an einer Mauer befestigter Handlauf. Linksseitig war kein Handlauf angebracht.

9. Am 17.10.2008 stürzte der Kläger auf dem Weg vom Strand zu den sanitären Anlagen des Hotels auf dieser Treppe.

10. Dabei zog er sich unter anderem Frakturen des Jochbeins, der knöchernen Augenhöhle und der Kieferhöhlenwand zu. Es schlossen sich mehrmonatige Krankenhausaufenthalte zunächst in der Türkei, anschließend in Deutschland sowie weitere mehrmonatige ambulante ärztliche Behandlungen an.

11. Mit Schreiben vom 19.12.2008 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er sie auf die Folgen des Unfallereignisses in Anspruch nehmen wolle. Mit Schreiben ihrer Haftpflichtversicherung vom 20.01.2009 lehnte die Beklagte jegliche Haftung ab.

12. Der Kläger leitete daraufhin am 30.01.2009 ein selbständiges Beweisverfahren ein, das vor dem Landgericht Duisburg unter dem Az. 2 OH 43/9 geführt wurde. Dort erstattete der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. K … unter dem 20.10.2010 ein erstes Gutachten (Beiakte LG Duisburg 2 OH 43/9, hinten), das er durch Stellungnahme vom 11.04.2011 (Beiakte Bl. 178a ff.) ergänzte.

13. Mit Schriftsatz vom 02.08.2012 erhob der Kläger Klage im Hauptsacheverfahren.

14. Hinsichtlich des Sturzes hat der Kläger behauptet, er habe am Unfalltag gegen 16:10 Uhr erstmals den Weg über diese Treppe genommen. Als er aus dem vorgelagerten Wasserbecken hinaus getreten sei, habe er zwei Damen bemerkt, die ihm auf seiner rechten Seite der Treppe entgegengekommen seien, um sich an dem nur auf dieser Seite befindlichen Handlauf festzuhalten. Er sei diesen beiden Damen ausgewichen, indem er etwa in der Mitte der oberen Treppenstufe aus dem Wasserbecken herausgetreten sei. Dabei sei er wegen des dort befindlichen Wasser-​Sand-​Schmierfilmes mit dem Standfuß nach vorne weggerutscht und in die Treppe hineingefallen.

15. Der Kläger ist erstinstanzlich der Auffassung gewesen, die Beklagte hafte ihm für die Folgen des Unfalls. Sie habe ihre Leistungsträger vor Ort sorgfältig auszuwählen und zu überwachen. Damit sei sie für die Sicherheit des Hotels selbst verantwortlich. Die notwendigen Sorgfaltsanforderungen seien jedoch weder hinsichtlich der baulichen Gestaltung noch hinsichtlich des Reinigungszustandes der Treppe erfüllt gewesen.

16. Die Treppenanlage genüge weder den in Deutschland bestehenden noch den in der Türkei geltenden Sicherheitsanforderungen an diese bauliche Anlage.

17. Der Treppenbelag sei nicht ausreichend rutschfest gewesen. Das etwa 20-​30 cm tiefe Wasserbecken sei vollständig mit Wasser gefüllt gewesen und hätte über keinen Ablauf verfügt, weshalb das Wasser über die Treppe gelaufen sei.

18. Die Trittfläche zwischen dem Wasserbecken und der ersten Treppenstufe sei erheblich zu klein bemessen und mit einem schmierigen Film belegt gewesen.

19. Der dort befindliche Handlauf sei für den Nutzer der Treppe zu niedrig angebracht gewesen. Im Bereich des Wasserbeckens habe ein solcher gänzlich gefehlt. Darüber hinaus habe es an einem Hinweisschild gefehlt, das den Benutzer vor den auf der Treppe bestehenden Gefahren gewarnt hätte. Das Anbringen eines Wasserbeckens im Bereich einer Treppe stelle an sich schon eine Gefahrerhöhung dar.

20. Die Beklagte hat erstinstanzlich die Abweisung der Klage beantragt.

21. Sie hat behauptet, das Wasserbecken sei lediglich 15 cm tief und auch nur bis zu 7 cm mit Wasser gefüllt gewesen. Der Handlauf habe bereits im Bereich des Wasserbeckens begonnen und dort eine Höhe von ca. 0,85 m über dem Niveau der obersten Stufe gehabt. Dies sei ausreichend gewesen, um dem Kläger Halt zu geben. Die Ausgestaltung der Treppe habe türkischen Bauvorschriften entsprochen. Das Material der Treppe sei nicht rutschig gewesen, auch habe sich dort kein Sand und Wasser befunden. Die Treppe habe sich insgesamt nicht in einem Zustand befunden, den ein von der Beklagten zur Überprüfung der Anlagen des Hotels Beauftragter als problematisch hätte einordnen müssen.

22. Mit einem am 04.03.2014 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 254 GA) hat der Kläger den Sachverständigen Dr. K… wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Sachverständige sich im Termin vom 18.02.2014 ungefragt dahingehend geäußert habe, dass die vom Kläger vorgetragenen Verletzungen seiner Meinung nach nicht mit dem vom Kläger vorgetragenen Unfallhergang in Einklang zu bringen seien. Die Frage, wie sich der Sturz zugetragen habe, falle nicht in das Fachgebiet des Sachverständigen. Darüber hinaus sei unverständlich, mit welcher Motivation der gerichtliche Sachverständige die klägerische Darstellung zum Unfallhergang öffentlich infrage gestellt habe. Sein Verhalten sei daher geeignet, Zweifel an seiner Unparteilichkeit hervorzurufen.

23. Entsprechendes gelte auch für seine Äußerungen zur Montagehöhe des Handlaufs im Bereich der obersten Stufe. Vom Klägervertreter befragt, ob der Handlauf nicht zu niedrig angebracht sei, habe er lediglich ausgeführt, er sei jedenfalls aus dem Becken heraus gut greifbar gewesen.

24. Das Landgericht hat mit Urteil vom 20.03.2014 die Klage abgewiesen.

25. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte hafte dem Kläger weder gemäß §§ 280 Abs. 1, 651c, 651f BGB wegen Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Reisevertrag noch gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 229 StGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.

26. Das Gericht hat sich dabei auf die schriftlichen und mündlichen Sachverständigengutachten des Dr. K… gestützt. Das gegen den Sachverständigen gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers hat das Landgericht im Urteil zurückgewiesen. Es sei zum einen unzulässig, da es nicht rechtzeitig erfolgt sei. Die Parteivertreter hätten im Anschluss an die Anhörung des Sachverständigen die Sachanträge gestellt, ohne dass der Kläger Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erkennen gegeben oder Schriftsatznachlass beantragt habe. Der Antrag sei damit nicht unverzüglich gestellt worden, was jedoch nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO erforderlich gewesen sei. Die Ablehnung müsse ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, dabei würde in einfachen gelagerten Fällen, wie den hier vorgebrachten Ablehnungsgründen, eine Frist von fünf Tagen ausreichend sein.

27. Da der Kläger persönlich und sein Prozessbevollmächtigter bei der Anhörung des Sachverständigen anwesend gewesen seien, hätte eine Ablehnung unmittelbar im Anschluss an die Anhörung, spätestens vor Stellung der Sachanträge erfolgen können. Das Protokoll habe hierfür den Beteiligten nicht vorliegen müssen. Zum einen habe der Kläger die Ablehnung letztlich auch erklärt, ohne dass ihm das Protokoll vorgelegen habe. Darüber hinaus könne eine Partei grundsätzlich die Ablehnung allenfalls solange geltend machen, als eine zur Stellungnahme zum Gutachten gesetzte Frist liefe. Die Einräumung einer solchen Frist habe der Kläger nicht beantragt.

28. Das Ablehnungsgesuch sei darüber hinaus auch unbegründet. Die Äußerungen des Sachverständigen könnten einer verständigen Prozesspartei keinen Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Der Sachverständige habe zwar geäußert, dass sich der vom Kläger geschilderte Ablauf schwer mit den Verletzungen im Bereich des Gesichts vereinbaren ließe, die eher bei einem Sturz nach vorne zu erwarten gewesen wären. Er habe aber auch betont, dass sich das Sturzgeschehen anhand der zur Verfügung stehenden Informationen nicht rekonstruieren lassen. Die Äußerungen des Sachverständigen hätten im Zusammenhang mit der Erörterung der von der Treppenanlage ausgehenden Gefahren gestanden. Es habe zu seinen Aufgaben gehört, die Bewertung einzelner Merkmale der Treppenanlage als potenziell gefährlich anhand des konkreten Geschehens einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

29. Der Belag des Podestes und der Treppenstufen sei auch ausreichend rutschfest gewesen. Selbst wenn nasser Sand auf die Treppe getragen werde, biete dieser eine ausreichende Unterlage. Auch im Wasserbecken selbst sei eine ausreichende Rutschfestigkeit vorhanden gewesen. Ob das Becken über einen Wasserablauf verfüge, sei daher angesichts des Treppenbelages unerheblich. Schließlich stelle auch die Höhe des Handlaufs keine Gefahr für die Verkehrssicherheit dar. Der Sachverständige habe die Position des Handlaufs trotz der bereits teilweise beseitigten Anlage noch rekonstruieren können. Daraus habe sich ergeben, dass er dann ausreichend gewesen sei, wenn man ihn aus dem Durchschreitebecken heraus ergreife. Zwar sei er von dem anschließenden Podest aus zu niedrig bemessen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass er in den Bereich des Wasserbeckens hineinreiche, so dass die Anordnung der Bauelemente dem Nutzer nahe gelegt habe, den Handlauf bereits vom Wasserbecken aus zu ergreifen, was dann für ausreichenden Halt gesorgt hätte.

30. Eines Warnschildes hätte es im Hinblick auf die ausreichende Verkehrssicherheit der Treppe nicht bedurft.

31. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingereichte Berufung des Klägers, mit der er primär Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Duisburg beantragt und hilfsweise die erstinstanzlichen Anträge mit Ausnahme des auf Ausgleich des Erwerbsschadens gerichteten Antrages (in Höhe von 21.355,05 EUR) vor dem Berufungsgericht weiterverfolgt.

32. Der Kläger ist mit der Berufung der Auffassung, das Landgericht Duisburg habe den Befangenheitsantrag nicht im Urteil bescheiden dürfen. Hierdurch sei dem Kläger die Möglichkeit genommen worden, gegen den Zurückweisungsbeschluss des Landgerichts Rechtsmittel einzulegen. Die Abhandlung eines Befangenheitsantrages erst im Urteil anstatt in einem gesonderten Beschluss rechtfertige die Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht. Der Befangenheitsantrag sei auch zulässig und begründet. Hinsichtlich der Zulässigkeit gelte, dass er ohne schuldhaftes Zögern innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist erklärt werden müsse. Eine Fünftagefrist könne nicht schematisch angewendet werden. Der Sinn der Fristbindung nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO bestünde darin, die Beteiligten vor weiteren kostenintensiven Maßnahmen des Sachverständigen zu bewahren. Für solche habe aber vorliegend keinerlei Gefahr mehr bestanden, so dass kein Grund vorgelegen habe, die Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO kürzer zu bemessen, als die Grundfrist des § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO. Zudem sei der Kläger berechtigt gewesen, zunächst auf das Eintreffen des gerichtlichen Sitzungsprotokolls zu warten. Mit diesem habe er zeitnah rechnen können. Sodann sei es erforderlich gewesen, die Erfolgsaussichten anhand des Wortlauts des gerichtlichen Sitzungsprotokolls vorab sorgfältig zu prüfen und mit dem Kläger das Vorgehen abzusprechen. Da das Protokoll innerhalb der Zweiwochenfrist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht eingegangen sei, habe der Klägervertreter dann aus anwaltlicher Fürsorge den Antrag doch vor Zugang des Protokolls eingereicht.

33. Der Befangenheitsantrag sei auch begründet. Der Sachverständige habe ungefragt ausgeführt, dass sich die vom Kläger vorgetragenen Verletzungen mit dem von ihm beschriebenen Sturz nur schwer vereinbaren ließen. Dies sei weder das Beweisthema gewesen, zu dem er berufen worden sei, noch sei er als Diplom Geologe darin ausgebildet, hierzu Angaben zu machen. Dass er sich dennoch entsprechend geäußert habe, wecke verständlicherweise beim Kläger subjektives Misstrauen gegen die ausreichende Neutralität des Sachverständigen.

34. Obwohl damit das Gericht erkannt habe, dass die oberste Treppenstufe (Podest) zu schmal und der Handlauf dort nicht ausreichend hoch gewesen seien, habe es die damit einhergehenden Gefahren falsch bewertet. Das vom Landgericht als problemlos bewertete Übersteigen des Podestes sei bei weitem nicht so gefahrlos, wie vom Gericht dargestellt. Insbesondere bestünde die Gefahr, dass man mit dem Nachzugfuß am Beckenrand hängen bliebe. Zudem habe das Gericht eine Auseinandersetzung mit der Gefahr eines unter dem Fuß befindlichen Wasserfilms beim Auftreten (Aquaplaning) vermissen lassen.

35. Mit der Berufung beantragt der Kläger,

36. das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 25.03.2014 – 1 O 261/12 – aufzuheben und den Rechtsstreit zur vollumfänglichen Weiterverfolgung der erstinstanzlich gestellten Anträge an das Landgericht Duisburg zurückzuverweisen.

37. Hilfsweise, für den Fall, dass das Berufungsgericht dem Zurückverweisungsantrag nicht entsprechen wird, beantragt er,

1.

38. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.982,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2009 zu zahlen;

2.

39. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte angemessene Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu zahlen, welche jedoch mindestens 2.000 EUR betragen sollte;

3.

40. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches jedoch mindestens 40.000 EUR betragen sollte;

4.

41. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.999,32 EUR Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2012 für diesem für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung seiner Schadensersatzansprüche aus dem Unfallereignis vom 17.10.2008 entstandene Rechtsanwaltskosten zu zahlen;

5.

42. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher dem Kläger aus dem Unfallereignis vom 17.10.2008 in der Strandanlage des Hotels H..P.. L … . R … S … – T … . noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

43. Die Beklagte beantragt,

44. die Berufung zurückzuweisen.

45. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

46. Sie ist der Auffassung, nicht jede Abhandlung eines Befangenheitsantrages in den Urteilsgründen rechtfertige eine Zurückverweisung. Vielmehr sei weiter erforderlich, dass die Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss Aussicht auf Erfolg habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Das Ablehnungsgesuch sei verspätet gestellt worden.

47. Darüber hinaus seien die Äußerungen des Sachverständigen nicht zu beanstanden.

48. Das Landgericht habe auch die Klage zutreffend abgewiesen. Es habe weder eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte noch durch ihren Leistungsträger vorgelegen. Jedenfalls trete eine solche hinter dem eigenen für den Unfall wesentlichen Verhalten des Klägers zurück. Nach seinen eigenen Schilderungen habe ihm ein Handlauf an der rechten Seite zur Verfügung gestanden. Dieser sei auch vom Grund des Wasserbeckens aus gesehen in einer ausreichenden Höhe angebracht gewesen. Der Kläger habe auch auf die Nutzung des Handlaufs nicht verzichtet, weil er vermeintlich zu niedrig angebracht gewesen sei, sondern weil ihm Personen entgegengekommen seien.

49. Dass das Podest vor dem Wasserbecken zu schmal ausgeführt gewesen sei, habe sich der Beklagten nicht aufdrängen müssen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass bei Verwendung eines rutschhemmenden Belages und der Anbringung eines Handlaufes keine Unfallgefahren bestanden hätten.

II.

50. Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen. Das Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

51. Der Kläger hat mit der Berufung keine Rechtsfehler gemäß § 546 ZPO zu seinen Lasten aufgezeigt. Auch rechtfertigen die vom Senat seiner Entscheidung zugrundezulegenden Tatsachen keine vom Landgericht abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage.

1.

52. Ohne Erfolg bleibt zunächst der von dem Kläger vorrangig gestellte Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Duisburg.

53. Soweit die Berufung hierzu rügt, dass das Landgericht über den Befangenheitsantrag nicht durch gesonderten Beschluss, wie in § 406 Abs. 4 ZPO vorgesehen, sondern im Rahmen des die Instanz abschließenden Urteils entschieden hat, stellte dies zwar einen Verfahrensfehler dar, der jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt.

54. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund des abgeschnittenen Beschwerderechtszugs unklar bleibe, ob das beanstandete Gutachten verwertet werden dürfe oder nicht. Damit bestünde die Gefahr, dass das Endurteil auf einer prozessual nicht ordnungsgemäß gewonnenen Entscheidungsgrundlage beruhe. Es sei dem Senat auch verwehrt, inzidenter darüber mitzuentscheiden, ob das Ablehnungsgesuch begründet sei oder nicht. Eine solche Entscheidung dürfe nur in dem dafür vorgesehenen Instanzenzug getroffen werden. Die Vorschrift des § 512 ZPO schließe eine solche inzidente Entscheidung nicht ein. Soweit der Bundesgerichtshof für das Revisionsverfahren eine Zurückverweisung nicht für geboten gehalten habe, beruhe dies auf der von den Regelungen des Berufungsverfahrens abweichenden früheren Vorschrift des § 567 Abs. 3 ZPO.

55. Die Aufhebung und Zurückverweisung führt im Falle von nicht erfolgreichen Angriffen gegen das Ablehnungsgesuch zu einer unnötigen Verzögerung des Rechtsstreites. Demgegenüber sind relevante Rechtsverletzungen des Klägers durch eine inzidente Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu befürchten, da das Berufungsgericht auf diese Weise jedenfalls verpflichtet ist die Rechtmäßigkeit der Angriffe zu prüfen und gegebenenfalls ein neues Gutachten einzuholen.

56. Die Voraussetzungen für eine eigene Entscheidung des Senates sind vorliegend auch gegeben, denn die Angriffe des Klägers gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches bleiben ohne Erfolg.

57. Das Befangenheitsgesuch des Klägers ist bereits unzulässig (a)) und würde darüber hinaus auch in der Sache nicht zum Erfolg führen (b)).

a)

58. Zutreffend hat das Landgericht den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit als unzulässig angesehen.

59. Dem Kläger ist es vorliegend schon deshalb verwehrt, den Sachverständigen als befangen abzulehnen, weil er nach Abschluss der in der abschließenden mündlichen Verhandlung durchgeführten mündlichen Anhörung des Sachverständigen die Sachanträge gestellt hat, ohne eine entsprechende Befangenheit des Sachverständigen zu rügen oder sich entsprechendes Vorbringen ausdrücklich vorzubehalten.

60. Auch im Rahmen des § 406 ZPO gilt der Rechtsgedanke des § 43 ZPO entsprechend (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.12.2010, 12 W 55/10 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.09.2012, 3 W 44/12)

61. Danach ist es dem Klägervertreter verwehrt, sich auf eine Ablehnung des Sachverständigen zu berufen, nachdem er zum Ergebnis der Beweisaufnahme streitig verhandelt hat.

62. Somit kommt es auf die Frage, ob die Stellung des Antrages nach Ablauf von zwei Wochen noch unverzüglich erfolgt ist, vorliegend nicht mehr an.

b)

63. Selbst wenn man den Befangenheitsantrag für zulässig halten würde, wäre er nach der Auffassung des Senats jedenfalls unbegründet.

64. Die Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, rechtfertigen ein subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht.

65. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat keinesfalls unmotiviert, dass sich der Sachverständige im Rahmen seiner daran anschließenden Anhörung mit dem möglichen Unfallhergang auseinandergesetzt hat und dabei letztlich auch in Betracht gezogen hat, dass unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen Verletzungen möglicherweise nicht – wie vom Kläger vermutet – ein Abrutschen sondern ein Stolpern ursächlich gewesen sein könnte. Die vom Kläger angegriffene Äußerung des Sachverständigen erfolgte damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausführung des Gutachterauftrages durch den Sachverständigen. Anhaltspunkte für eine mangelnde Neutralität kann der Senat dieser nicht entnehmen.

66. In gleicher Weise sind auch seine ebenfalls gerügten Äußerungen zur Höhe des Handlaufs zu bewerten.

67. Zunächst kann der Senat die vom Kläger angegriffene Äußerung des Sachverständigen, der Handlauf sei vom Podest aus gut erreichbar gewesen, dem Protokoll nicht entnehmen. Dort ist der Sachverständige vielmehr wie folgt zitiert: „Der Handlauf war von dieser Position aus erreichbar“. Dabei hatte der Sachverständige jedoch vorher unterstellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt seines Sturzes bereits dabei gewesen sei, das Podest zu verlassen, so dass er sich schon unterhalb des Podestes befunden haben dürfte. Bezogen auf diese Position, also mit Betreten der Treppe, hat der Sachverständige den Handlauf als erreichbar angesehen. Diese Äußerung ist aber nicht zu beanstanden und deckt sich mit den von ihm bereits an früherer Stelle getroffenen Feststellungen.

68. Auch insoweit bleibt damit das Befangenheitsgesuch ohne Erfolg.

2.

69. Auch hinsichtlich der hilfsweise gestellten Sachanträge des Klägers hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

70. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten für die Folgen des Sturzes des Klägers abgelehnt.

71. Die Beklagte haftet dem Kläger für die von ihm bei seinem Sturz erlittenen Schäden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

72. Eine Haftung des Reiseveranstalters für bei der Pauschalreise erlittene Schäden kann sich sowohl aus § 651f BGB als auch aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben.

73. Da der Kläger seine Ansprüche erstmals rund zwei Monate nach dem Unfall gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, ist die Frist des § 651g BGB nicht eingehalten. Das Landgericht hat zutreffend aber auch Ansprüche aus § 823 BGB abgelehnt.

74. Die Beklagte war als Reiseveranstalterin aufgrund einer ihr gemäß § 823 BGB obliegenden eigenen Verkehrssicherungspflicht gehalten, eine Schädigung der Reisenden möglichst abzuwenden. Dabei trifft zwar die Verkehrssicherungspflicht in der Hotelanlage in erster Linie den Betreiber des Hotels, der nicht als Verrichtungsgehilfe des Reiseveranstalters im Sinne des § 831 BGB anzusehen ist. Daneben trifft aber auch den Reiseveranstalter selbst eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Diese erstreckt sich nicht nur auf Auswahl und Kontrolle des eigenen Personals und eigener Transportmittel, sondern auch auf Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger, zu denen das Vertragshotel gehört. Nimmt ein Reiseveranstalter ein Hotel als Leistungsträger unter Vertrag, so muss er sich zuvor vergewissern, dass es nicht nur den gewünschten oder angebotenen Komfort, sondern auch ausreichende Sicherheitsstandards bietet. Kann er dabei im Inland weitgehend auf baurechtliche Genehmigungen vertrauen, so ist dies aufgrund der dort geltenden anderen behördlichen Maßstäbe im Ausland keinesfalls entsprechend der Fall. Hier muss sich der Reiseveranstalter selbst überzeugen, dass von Treppen und Aufzügen, elektrischen Anlagen und sonstigen Einrichtungen keine Gefahren für die von ihm unterzubringenden Hotelgäste ausgehen (vergleiche dazu insgesamt BGH, Urteil vom 25.2.1988, VII ZR 348/86). Auch wenn ein Vertragshotel einmal als ordnungsgemäß befunden wurde, befreit dies den Reiseveranstalter nicht, sich regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten vor Ort zu vergewissern, dass der ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist.

III.

75. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

76. Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO, die es gebieten, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

77. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.982,54 EUR (Anträge Ziffer1-​3: 47.982,54 EUR; Ziffer 4.: 8.000 EUR) festgesetzt.

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