Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit und Ersatz frustrierter Parkplatzkosten

LG Frankfurt: Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit und Ersatz frustrierter Parkplatzkosten

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Reise gebucht. Der Hinflug wurde wegen eines wilden Streiks storniert und der Reisepreis in der Folge rückerstattet. Die Klägerin fordert zusätzlich eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgelehnt. Das Landgericht gab der Berufung der Klägerin grundsätzlich recht. Die Beklagte könne sich wegen des Streiks nicht auf höhere Gewalt berufen.

LG Frankfurt 2-24 S 262/17 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 16.08.2018
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 16.08.2018, Az: 2-24 S 262/17
AG Bad Homburg, Urt. v. 30.08.2017, Az: 2 C 981/17 (12)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 16. August 2018

Aktenzeichen 2-24 S 262/17

Leitsatz:

2. Der wilde Streik von Flugpersonal ist keine höhere Gewalt.

Zusammenfassung:

3.Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Reise für sich und ihren Lebensgefährten von Karlsruhe nach Kos gebucht. Der Hinflug wurde wegen eines wilden Streiks storniert und der Reisepreis in der Folge rückerstattet. Die Klägerin fordert zusätzlich eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit und Ersatz der nutzlosen Parkgebühren am Flughafen.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgelehnt. Das Landgericht gab der Berufung der Klägerin grundsätzlich recht. Die Beklagte könne sich wegen des Streiks nicht auf höhere Gewalt berufen. Da die Beklagte auch nichts zur Ersatzbeförderung vorgetragen hatte, müsse sie grundsätzlich die Klägerin entschädigen.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.08.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H – Az. 2 C 981/17 (12) – abgeändert und unter teilweiser Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 817,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 11.11.2016 sowie weitere € 147,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 48% und die Beklagte 52% zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention hat die Klägerin 48% und die Streithelferin 52% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien und die Streithelferin dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

5. Die Klägerin begehrt Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und frustrierter Parkplatzgebühren am Flughafen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

6. Die Klägerin buchte am 09.08.2016 bei der Beklagten eine Reise vom 08.10.2016 bis zum 15.10.2016 mit Aufenthalt in einem Hotel auf Kos/Griechenland mit Hin- und Rückflug von und nach Karlsruhe/Baden-Baden für sich und ihren Lebensgefährten für € 1.527,50. Die Beklagte bestätigte diese Reise mit Reisebestätigung vom 09.08.2016 (Bl. 5 d. A.). Der Lebensgefährte hat seine Ansprüche aus dieser Reise am 08.03.2017 an die Klägerin abgetreten.

7. Der Flug sollte am 08.10.2016 um 6:00 Uhr morgens von dem Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden starten. Er sollte durch die Streithelferin durchgeführt werden.

8. Ab dem 02.10.2016 meldete sich eine Vielzahl des Flugbesatzungspersonals bei der Streithelferin krank. Dies geschah aufgrund in der Öffentlichkeit bekannt gewordener Pläne der Streithelferin für Umstrukturierungsmaßnahmen über eine Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft …. Nach Verhandlungen der Geschäftsführung der Streithelferin mit den Arbeitnehmervertretern nahm die Zahl der Krankmeldungen ab dem 09.10.2016 wieder ab.

9. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte reisten am 08.10.2016 mit ihrem PKW an und parkten diesen auf dem bei der …für 7 Tage und 15 Stunden im Voraus reservierten und bezahlten Parkplatz am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden. Die Parkgebühren bestehen aus einem Parkentgelt von € 48,00 und einem Serviceentgelt von € 6,00, insgesamt € 54,00, die sich nach dem tatsächlichen Aufenthalt laut Tarifaushang des jeweiligen Parkplatzes berechnen.

10. Am Check-In wurde der Klägerin und ihrem Lebensgefährten der Zugang zum Flugsteig mit der Begründung verweigert, dass der heutige Flug der Streithelferin angesichts einer Vielzahl von Krankmeldungen von Piloten und Flugbegleitern storniert wurde. Daraufhin fuhren die Klägerin und ihr Lebensgefährte wieder nach Hause. In Folge erstattete die Beklagte der Klägerin den im vorausgezahlten Reisepreis von € 1.527,00 zurück.

11. Mit Schreiben ihres Rechtsanwaltes forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 1.527,00 sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren von € 255,85 bis zum 10.11.2016 auf. Der Rechtsanwalt der Klägerin hatte dieser am 08.03.2017 diese Gebühren in Rechnung gestellt. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin trat der Klägerin am 03.04.2017 die gemäß § 86 VVG auf sie übergegangenen Ansprüche auf Kostenerstattung ab.

12. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des vollen Reisepreises als Entschädigung wegen Reisevereitelung sowie die Erstattung der Parkplatzgebühren und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

13. Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

14. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.581,50 nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2016 sowie weitere € 255,85 an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15. Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

16. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main hat die Beklagte „die Anrechnung nach Art. 12 Abs. 2 EgVO“ erklärt.

17. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte an dem gerichtsbekannten „wilden Streik“ einer Vielzahl von Mitarbeitern der Fluggesellschaft keine Schuld treffe. Im Weiteren wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30.08.2017 (Bl. 123 ff. d. A.) Bezug genommen.

18. Gegen das dem Berufungsklägervertreter am 07.09.2017 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main hat dieser mit Schriftsatz vom 02.10.2017, eingegangen beim Landgericht Frankfurt am Main per Telefax am selben Tag, Berufung eingelegt.

19. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den in erster Instanz geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang weiter. Sie bemängelt insbesondere, dass das Amtsgericht bei Durchführung einer Beweiserhebung hätte erkennen können, dass die Beklagte bei der Stornierung des streitgegenständlichen Fluges schuldhaft gehandelt habe. Sie behauptet, dass die Beklagte ihr keine Ersatzangebote gemacht habe. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin und Berufungsklägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

20. Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:

21. Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. v. 30.08.2017 – Aktenzeichen 2 C 981/17 (12) – wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 1.581,50 nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2016 sowie weitere € 255,85 an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

22. Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

23. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Sie trägt vor, dass es sich vorliegend um einen zur Kündigung berechtigenden Fall der höheren Gewalt gehandelt habe. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt weiter vor, dass sie selbst habe vor dem Abflug keine Kenntnis gehabt habe, ob der Flug tatsächlich stattfindet. Sie habe der Klägerin und ihrem Lebensgefährten eine kostenfreie Umbuchung angeboten. Sie behauptet weiter, dass sich die jeweiligen Streikmaßnahmen immer erst kurz vor Abflug herausgestellt hätten. Zu alternativen Anreisemöglichkeiten könne sie nicht weiter vortragen, weil es auf dem Markt keine entsprechenden Kapazitäten gegeben habe. Diese seien bereits durch das ausführende Luftfahrtunternehmen ausgeschöpft gewesen.

24. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

25. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Berufung ist teilweise begründet.

26. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von € 763,75 als Schadensersatz wegen Reisevereitelung, die Erstattung frustrierter Aufwendungen für Parkplatzgebühren von € 54,00 sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.

1.

27. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin gemäß § 651 f Abs. 2 BGB eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit infolge der Vereitelung der Reise zu zahlen

28. Die Beklagte hat den mit den Klägern geschlossenen Reisevertrag mangelhaft i.S.d. § 651 c Abs. 1 BGB erfüllt, weil sie die Klägerin und deren Lebensgefährten nicht zum Reiseziel auf die Insel Kos befördert hat.

29. Der Beklagten hat kein Recht zur Kündigung des Reisevertrages wegen höherer Gewalt gemäß § 651 j Abs. 1 BGB zugestanden.

30. Unter höherer Gewalt im auch im für § 651 j BGB maßgeblichen haftpflichtrechtlichen Sinne wird ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis verstanden (BGH, Urteil vom 12. März 1987, VII ZR 172/86; BGHZ 100, 185, 188 ; Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 15 Rn. 10). Das Merkmal des fehlenden betrieblichen Zusammenhangs bringt dabei für den typischen Fall, dass das nicht abwendbare Ereignis die Betriebstätigkeit des Unternehmers und damit die Leistungserbringung stört oder verhindert, zum Ausdruck, dass die Ursache nicht selbst in der (Risiko-)Sphäre des Unternehmers liegen darf. Entsprechendes gilt jedoch auch für die andere Vertragspartei; höhere Gewalt liegt auch insoweit nicht vor, wenn das Ereignis ihrer Risikosphäre, im Reiserecht mithin der persönlichen Sphäre des Reisenden zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017, X ZR 142/15).

31. Ein „wilder“ Streik des eigenen Personals oder des Personals des Leistungsträgers ist aber keine höhere Gewalt (LG Frankfurt am Main, Az: 2-24 S 229/17, 2-24 S 297/17; Palandt/Sprau, 77. Auflage 2018, § 651 j Rn. 3; siehe auch Führich, a.a.O., § 15 Rn. 16).

32. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der für den Begriff der außergewöhnlichen Umstände i.S.d. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 entschieden hat, dass ein „wilder Streik“, wie er bei der Streithelferin vorgelegen hat, kein von außen kommendes Ereignis darstellt, sondern als dem Betrieb des Luftfahrtunternehmen zugehörig anzunehmen ist und der auch von diesem hätte vermieden werden können (vgl. EuGH, Urt. v. 17.4.2018, Az. C-195/17 u.a.).

33. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt es auch nicht an einem Verschulden der Beklagten. Hierbei kann es dahin gestellt bleiben, ob der „wilde Streik“ für die Streithelferin schuldlos war. Die Beklagte muss sich ein eigenes Verschulden zurechnen lassen. Ihr ist ein sog. Abwendungsverschulden anzulasten (LG Frankfurt am Main, Az: 2-24 S 229/17, 2-24 S 297/17; vgl. auch Staudinger in Staudinger, Neubearbeitung 2016, § 651 f Rn. 33). Auch wenn die Mitarbeiter ihres Leistungsträgers in einen Streik treten mit der Folge, dass der Leistungsträger seine geschuldete Leistung, hier die Beförderung zum Urlaubsort, nicht mehr erbringen kann, dann muss der Reiseveranstalter dafür sorgen, dass die Leistung anderweitig erbracht werden kann. Dies bedarf für andere Reiseleistungen an sich keiner weiteren Begründung. Wenn beispielsweise das örtliche Busunternehmen streikt, muss der Reiseveranstalter eine andere Beförderung organisieren, z.B. ein Taxi bestellen. Wenn das Personal eines Hotels streikt, muss der Reiseveranstalter die Unterbringung in einem anderen Hotel organisieren.

34. Dementsprechend hätte die Beklagte, wenn ihr Leistungsträger die Beförderung zum Urlaubsort aus Gründen, die in ihrer Sphäre liegen, nicht erbringen kann, versuchen müssen, die Klägerin und ihren Lebensgefährten anderweitig nach Kos zu befördern, z.B. durch Umbuchung auf einen anderen Flug einer anderen Luftfahrtgesellschaft. Kos wird von vielen Luftfahrtunternehmen angeflogen, nicht nur von der Streithelferin.

35. Die Beklagte hatte auch Anlass, sich darum zu kümmern. Denn der „wilde Streik“ bei der Streithelferin begann – gerichtsbekannt (§ 291 ZPO) – am 02.10.2016, jedenfalls am 03.10.2016. Bis zum 08.10.2016 hätte Gelegenheit bestanden, andere Beförderungsmöglichkeiten zu eruieren und diese ggf. zu organisieren.

36. Zu ihren Bemühungen, die Klägerin und ihren Lebensgefährten auf andere Weise nach Kos zu befördern, hat die Beklagte aber nichts Substanzielles vorgetragen, obwohl ihr im Termin am 29.05.2018 auf den Hinweis des Gerichts Schriftsatznachlass zur Ergänzung ihres Vortrages eingeräumt wurde. Allein dass die Streithelferin evtl. nicht in der Lage war, die Beförderungsleistung zu erbringen, reicht zur Darlegung eines fehlenden eigenen Verschuldens nicht aus. Pauschal und ohne Substanz behauptet die Beklagte lediglich, dass sie nicht weiter zu alternativen Anreisemöglichkeiten vortragen könne, da es auf dem Markt keine entsprechenden Kapazitäten gab und diese bereits durch das ausführende Luftfahrtunternehmen ausgeschöpft wurden. Diese Behauptung reicht in dieser Weise nicht, weil es sich bei der Insel Kos um eine griechische Insel handelt, die ein beliebtes Reiseziel deutscher Urlauber und Urlauber anderer Länder ist. Insofern ist anzunehmen, dass die Insel Kos am 08.10.2016 auch von anderen Fluggesellschaften angeflogen wurde. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte die Beklagte dafür sorgen können, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte an einem anderen Tag zu dem Urlaubsort befördert werden. Aus dem Vortrag der Beklagten folgt nicht, dass sie sich überhaupt bemüht hat, eine anderweitige Beförderung der Klägerin und ihres Lebensgefährten zu organisieren. Ein solches Bemühen wäre aber erforderlich gewesen, um die vertraglich geschuldete Beförderungsleistung zu erbringen. Dieser Vortrag kann nicht durch das im Schriftsatz vom 26.06.2018 zum Beweis angebotene Sachverständigengutachten bzw. den Zeugenbeweis ersetzt werden.

37. Soweit sich die Beklagte in dem Schriftsatz vom 26.06.2018 ferner darauf berufen hat, dass sie sich vor Reiseantritt an die Vertriebsstelle der Reise mit der Möglichkeit gewendet hat, die Reise umzubuchen und die Gegenseite mit ihrem Reisebüro in Kontakt gestanden hätte, stellt diese Behauptung zunächst neuen Vortrag dar, der nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre. In erster Instanz hatte die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass sie erst beim Check-In von der Stornierung der Reise erfahren hat. Diesem Vortrag ist die Beklagte in der ersten Instanz nicht entgegen getreten. Der Vortrag der Beklagten ist insoweit auch in sich widersprüchlich. Nach der mündlichen Verhandlung wurden zwei Schriftsätze unter dem Datum 26.06.2018 eingereicht. In einem dieser beiden Schriftsätze wird der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin bestätigt, in dem weiteren dagegen behauptet, dass die Reise bereits einen Tag vor der Abreise gekündigt wurde. Der Vortrag ist soweit nicht beachtlich.

38. Wegen der schuldhaften Nichterfüllung der Reiseleistungen steht der Kläger aus eigenem und abgetretenen Recht ein Anspruch auf Entschädigung wegen einer Reisevereitelung zu. Die Höhe der Entschädigung ist mit der Hälfte des auf die Klägerin und ihres Lebensgefährten entfallenden Reisepreises zu bemessen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urbach RRa 2009, 2, 6) und entspricht der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 11.1.2005, Az. X ZR 118/03). Es ist vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen, warum in diesem Fall von diesem Grundsatz abgewichen werden sollte.

39. Relevanter Maßstab für die Bezifferung der Entschädigung ist dabei grundsätzlich der aufgewendete Reisepreis. Bei der Bemessung der Entschädigung ist zwar zu berücksichtigen, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte die Urlaubszeit nicht so verbringen konnten, wie vom Vertragspartner geschuldet. Allerdings stellt sich der Ausfall dieser Urlaubsreise für sie nicht als in einer Weise gravierend heraus, dass eine höhere Entschädigung angemessen und notwendig gewesen wäre. Die Orientierung der Entschädigung an dem Reisepreis berücksichtigt die Wertigkeit, die der Reisende seiner Urlaubszeit bemisst. Ist ein Reisender bereit, für seine Urlaubszeit einen hohen Geldbetrag aufzuwenden, kann sich die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit für ihn gravierender darstellen, als bei einem geringeren Entgelt für die Urlaubreise. Wenn ein Reisender bereit ist, nur einem geringen Geldbetrag in die Urlaubsreise zu investieren, kommt darin auch die Wertigkeit zum Ausdruck, die der Reisende seiner Urlaubszeit beimisst. Dass der Urlaub auch zur Erholung dient, steht dieser Bemessungsweise nicht entgegen. Die arbeitsfreie Zeit steht dem Reisenden unabhängig von der Urlaubsreise zu. Eine Erholung von den Belastungen eines Arbeitsverhältnisses kann auch unabhängig von der Buchung einer Urlaubsreise erzielt werden. Der Umstand, dass der Reisende beabsichtigt hat, seine Urlaubszeit mit einer Reise zu verbringen und die so geplante Urlaubszeit durch den Reiseveranstalter vereitelt wurde, wird mit der Bemessung der Entschädigung nach der Hälfte des Reisepreises angemessen berücksichtigt. Weil der Reisepreis für beide Reisenden € 1.581,50 € betrug, kann die Klägerin nach diesen Grundsätzen von der Beklagten € 763,75 verlangen.

2.

40. Die Beklagte ist weiter verpflichtet, der Klägerin gemäß § 651 f Abs. 1 BGB der Klägerin Schadensersatz für die nutzlos aufgewendeten Parkgebühren zu zahlen.

41. Der nach § 651 f abs. 1 BGB zu leistende Nichterfüllungsschaden umfasst auch die Begleitschäden wie nutzlose Aufwendung für die Anreise (LG Frankfurt, RRa 2000, 52 [OLG Frankfurt am Main 25.06.1999 – 16 U 206/98] ). Dieser beträgt vorliegend € 54,00.

42. Hinsichtlich der frustrierten Parkplatzgebühren dringt die Beklagte mit ihrem Einwand nicht durch, die Klägerin sei ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen. Die Klägerin hat hierauf erwidert, dass sie diese Kosten tatsächlich hatte und die Gebühren nicht zurückgezahlt worden sind. Es wäre an der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, eine Teilrückerstattung zu bekommen. Zwar muss der Geschädigte grundsätzlich an der Beweisführung mitwirken, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt (BeckOK, § 254 BGB Rn. 68). Dies ist bei öffentlich zugänglichen AGBs von Betreibern von Flughafenparkplätzen aber nicht anzunehmen.

3.

43. Die nach „Art. 12 EgVO“ erklärte Anrechnung greift nicht durch. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, welche Beträge in welcher Höhe auf welche Zahlungen angerechnet werden sollen.

4.

44. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich mit Ablauf der im Schriftsatz vom 27.10.2016 bis zum 10.11.2016 gesetzten Frist in Verzug.

5.

45. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt ebenfalls aus § 651 f Abs. 1. Die Klägerin durfte sich zur Durchsetzung ihrer reisevertraglichen Ansprüche anwaltlicher Hilfe bedienen. Ihr sind die gemäß § 86 VVG auf die Rechtsschutzversicherung übergangenen Ansprüche mit Erklärung der Versicherung vom 03.04.2017 (Bl. 37 d. A.) wirksam abgetreten worden. Allerdings ist die Basis für die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten die Höhe des zugesprochenen Betrages. Diese ist daher aus einem Gegenstandswert von € 871,75 zu errechnen. Der Anspruch umfasst die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (€ 104,00), die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG (€ 20) sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (€ 23,56). Der Zinsanspruch ist wie beantragt seit Rechtshängigkeit, d.h. seit 01.06.2017 zu zahlen.

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