Anwendbarkeit des § 649 BGB auf Luftbeförderungsverträge

AG Köln: Anwendbarkeit des § 649 BGB auf Luftbeförderungsverträge

Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht und später storniert. Er verlangt Erstattung eines Teils des Ticketpreises und insbesondere des Kerosinzuschlags.

Das Gericht wies die Klage ab. Die Rückerstattung der geforderten Positionen sei wirksam vertraglich ausgeschlossen worden. Eine AGB-Kontrolle finde nicht statt, da die Klausel durch Wahl des Klägers als ausgehandelt gelte.

AG Köln 124 C 122/16 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 12.10.2016
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 12.10.2016, Az: 124 C 122/16
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 12. Oktober 2016

Aktenzeichen 124 C 122/16

Leitsatz:

2. Die Rückerstattung des Ticketpreises bei Stornierung kann wirksam vertraglich ausgeschlossen werden.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Tochter einen Flug gebucht und später storniert. Er verlangt Erstattung eines Teils des Ticketpreises und insbesondere des Kerosinzuschlags.

Das Gericht wies die Klage ab. Die Rückerstattung der geforderten Positionen sei wirksam vertraglich ausgeschlossen worden. Eine AGB-Kontrolle finde nicht statt, da die Klausel durch Wahl des Klägers dieser Buchungsoption als ausgehandelt gelte. Der Kerosinzuschlag werde auch pauschal erhoben, sodass er durch den Nichtantritt des Reisenden nicht eingespart bleibe.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gegen dieses Urteil ist die Berufung zulässig.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte am 20.11.2015 bei der Beklagten für sich und seine Tochter zwei Flugtickets (Buchungsbestätigungen als Anlagen K1 und K2 zur Klageschrift, Bl. 4 ff. d. A.). Je Ticket zahlte der Kläger 391,10 € (bestehend aus 3,00 € Grundpreis, 245,00 € YQ-Zuschlag, 33,24 € US International Arrival/Departure Tax und 109,86 € weiteren Steuern und Gebühren). Die Buchung erfolgte zu dem Tarif „Economy Basic“, nach dem gemäß den Bedingungen der Beklagten bei einer Stornierung nur nicht verbrauchte Steuern und Gebühren zurückerstattet werden. Möglich gewesen wäre auch eine Buchung zu einem Tarif, der zu einem höheren Preis andere Bedingungen der Stornierbarkeit ermöglicht.

6. Am 01.12.2015 stornierte der Kläger beide Flugtickets. Von der Beklagten wurden ihm je Ticket 109,86 € Steuern und Gebühren erstattet (Stornorechnungen als Anlagen K4 und K5 zur Klageschrift, Bl. 11 f. d. A.). Der Kläger reklamierte gegenüber der Beklagten die Erstattung eines höheren Betrages (E-Mail-Verkehr als Anlagen K9-14 zur Klageschrift, Bl. 16 ff. d. A.). Dem kam die Beklagte nicht nach.

7. Seine Tochter hat dem Kläger ihre Ansprüche aus der streitgegenständlichen Flugbuchung abgetreten (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25.05.2016, Bl. 79 d. A.).

8. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihm zusätzlich je Ticket 3,00 € Flugpreis, 245,00 € YQ-Zuschlag und 33,24 € US International Arrival/Departure Tax zurückzuzahlen.

9. Der Kläger ist der Ansicht, § 649 BGB sei auf den Flugbeförderungsvertrag anzuwenden. Von einer Abbedingung von § 649 BGB durch Individualvereinbarung sei nicht auszugehen. Einer AGB-Kontrolle würden die Vertragsbedingungen jedoch ohnehin nicht standhalten.

10. Der Kläger behauptet, die Beklagte müsse die US International Arrival/Departure Tax erst bei Antritt des Flugs zahlen. Der YQ-Zuschlag beziehe sich auf den Treibstoffverbrauch und dürfe nicht pauschal als Preisbestandteil verlangt werden. Die von dem Kläger gebuchten Tickets seien zudem nach der Stornierung wieder verkauft worden. Bei einer Recherche am 14.12.2015 seien die Tickets nicht mehr verfügbar gewesen (Anlage K16 zur Klageschrift, Bl. 33 f. d. A.). Die Beklagte hätte die Tickets jedenfalls weiterverkaufen können.

11. Der Kläger beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 562,48 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

14. die Klage abzuweisen.

15. Die Beklagte ist der Ansicht, dass auf den Luftbeförderungsvertrag die werkvertraglichen Vorschriften nur eingeschränkt anwendbar seien. Jedenfalls sei § 649 BGB wirksam durch Individualvereinbarung abbedungen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es sich bei den Vertragsbestimmungen um AGB handeln würde, würden diese einer AGB-Kontrolle standhalten.

16. Die Beklagte behauptet, die US International Arrival/Departure Tax unterliege dem US/CAN Tax Gesetz und sei an den Tarif gebunden. Bei Nichterstattbarkeit des Flugpreises würde diese von den USA erhobene Steuer nicht zurückerstattet.

Entscheidungsgründe:

17. Die zulässige Klage ist unbegründet.

18. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Flugpreises, je Ticket bestehend aus 3,00 € zuzüglich 245,00 € YQ-Zuschlag, gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 631, 649, 398 BGB.

19. Ob auf den Luftbeförderungsvertrag sämtliche Regelungen des Werkvertragsrechts anwendbar sind, kann dahinstehen, da die Parteien jedenfalls das Recht des Klägers als Besteller der Flugbeförderungsleistung durch die Beklagte zur freien Kündigung nach § 649 BGB wirksam vertraglich abbedungen haben. Entsprechend der zwischen den Parteien getroffenen Regelung ist der Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Flugpreises einschließlich des YQ-Zuschlags durch die Beklagte nicht entfallen.

20. Die Vorschrift des § 649 BGB ist dispositiv. Die Parteien können durch Individualabrede abweichende Vereinbarungen treffen (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 75. A. 2016, § 649 Rn. 16 f.). Vorliegend ist eine solche Aushandlung der Vertragsbedingungen zur Stornierbarkeit des Flugs gegeben, die mithin nicht dem Kontrollregime der §§ 305 ff. BGB unterliegen.

21. Auch vorformulierte Vertragsbedingungen können ausgehandelt sein und Individualvereinbarungen darstellen, wenn der Verwender sie als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Erforderlich ist, dass die Ergänzungen nicht lediglich unselbstständiger Art sind (zum Beispiel Anfügen von Namen und Vertragsobjekt), sondern den Gehalt der Regelung mit beeinflussen und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders überlagert wird (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.2002, V ZR 220/02).

22. Diese Voraussetzungen sind erfüllt (vgl. LG Köln, Urt. v. 23.08.2016, 11 S 405/15; AG Köln, Urt. v. 07.10.2015, 119 C 349/15; AG Köln, Urt. v. 10.02.2016, 126 C 431/15).

23. Dem Kläger war bei der Buchung seitens der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, den Flug stornierbar oder nicht stornierbar zu buchen, sodass er selbst über den Ausschluss des Kündigungsrechts entscheiden und so maßgeblich auf die Gestaltung des Vertrags Einfluss nehmen konnte. Dass ein stornierbarer Flug teurer gewesen wäre, stand einem Aushandeln der Bestimmung nicht entgegen. Hauptpreisabreden unterliegen nicht der AGB-Inhaltskontrolle.

24. Die Wahlfreiheit des Klägers war auch nicht durch Einflussnahme der Beklagten, vor allem durch die Gestaltung der Buchungsseite, überlagert. Die Beklagte hat dargelegt, dass auf der Buchungsseite die verschiedenen Tarife angeboten und während der einzelnen Buchungsschritte die unterschiedlichen Konditionen aufgezeigt wurden.

25. Auch die Nichterstattbarkeit des YQ-Zuschlags unterliegt nicht deshalb Bedenken, weil für nicht verbrauchte Steuern und Gebühren eine Erstattung vorgesehen ist (vgl. LG Köln, Urt. v. 23.08.2016, 11 S 405/15).

26. Den substantiierten Darlegungen der Beklagten zufolge wird dieser Zuschlag ohne Rücksicht auf die konkrete Anzahl der Fluggäste pauschaliert vom Buchenden erhoben. Dies geschieht unabhängig davon, ob der Fluggast tatsächlich befördert wird, wie viele Gepäckstücke mit welchem Gewicht er aufgibt und welches Gewicht er selbst hat, sodass der Zuschlag auch dann anfällt, wenn der Flug vom Buchenden nicht angetreten wird. Als Bestandteil des Ticketpreises kann der YQ-Zuschlag auch pauschaliert werden.

27. Der Kläger ist den Darlegungen der Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten.

28. Zweitens hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung von 33,24 € je Ticket an US International Arrival/Departure Tax aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.

29. Gemäß den substantiierten Darlegungen der Beklagten ist die US International Arrival/Departure Tax keine nicht verbrauchte Steuer, da diese von den USA erhobene Steuer bei Ticketausstellung anfällt und bei einem wie vorliegend nicht erstattungsfähigen Flugpreis nicht zurückgezahlt wird.

30. Der Kläger ist den Darlegungen der Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten.

31. Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die vom Kläger gebuchten und stornierten Tickets weiterverkauft hat oder hätte weiterverkaufen können.

32. Mangels Begründetheit der Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Zinsen.

33. Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

34. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

35. Die Berufung war auf Antrag des Klägers zuzulassen, § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Frage der Erstattungsfähigkeit der Entgelte betrifft eine Vielzahl von Streitigkeiten, sodass eine einheitliche Rechtsprechung hierzu besonders erstrebenswert ist.

36. Der Streitwert wird auf 562,48 EUR festgesetzt.

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