Abfindungsvergleich zwischen Reisendem und Reiseveranstalter

LG Frankfurt: Abfindungsvergleich zwischen Reisendem und Reiseveranstalter

Die Kläger fordern von dem beklagten Reiseveranstalter Entschädigungszahlungen. Dieser erstatte bereits außergerichtlich 60 % des Reisepreises und zahlte an die Kläger für ausgefallene Ausflüge. Zudem übersandte er den Klägern einen Verrechnungsscheck mit einem Betrag i.H.v. 177,20 Euro. Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen aus dem Reisevertrag weitere Entschädigungszahlungen zustehen.

Das LG Frankfurt wies die Berufung der Kläger zurück. Es befand, dass mit dem Einlösen des Verrechnungsschecks alle möglichen Ansprüche gegen die Beklagte erloschen waren.

LG Frankfurt 2-24 S 149/07 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 08.11.2007
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 08.11.2007, Az: 2-24 S 149/07
AG Frankfurt, Urt. v. 14.06.2007, Az: 31 C 646/07 (83)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 08. November 2007

Aktenzeichen 2-24 S 149/07

Leitsatz:

2. Löst ein Reisender einen Scheck, den ihm der Reiseveranstalter zur Abgeltung seiner Mängelansprüche übersandt hatte, ein, dann kommt konkludent ein Abfindungsvergleich i.S.d. § 779 Abs. 1 BGB zustande.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger fordern von dem beklagten Reiseveranstalter Entschädigungszahlungen. Dieser erstatte bereits außergerichtlich 60 % des Reisepreises und zahlte an die Kläger für ausgefallene Ausflüge. Der Anwalt der Kläger forderte die Beklagte durch Schreiben auf, eine Entschädigung anzubieten. Darauf antwortete der Anwalt der Beklagten, dass den Klägern ein Verrechnungsscheck mit einem Betrag i.H.v. 177,20 Euro übersandt werde, welches bei Einlösung alle weiteren Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte abgelte. Die Kläger lösten den Scheck ein, forderten dann aber weitere Entschädigungszahlungen.

Das LG Frankfurt wies die Berufung der Kläger zurück. Es befand, dass mit dem Einlösen des Verrechnungsschecks alle möglichen Ansprüche gegen die Beklagte erloschen waren, da zwischen den Parteien konkludent ein Abfindungsvergleich i.S.d. § 779 Abs. 1 BGB zustande gekommen war.

Tenor:

4. Die Berufung der Kläger gegen das am 14.06.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 31 C 646/07 (83), wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I S. 1 ZPO abgesehen.

6. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

7. Die Kläger haben über den von der Beklagten bereits gezahlten Betrag keine weitergehenden reisevertraglichen oder sonstigen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrag.

8. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass zwischen den Parteien ein Abfindungsvergleich gem. § 779 I BGB zustande gekommen ist.

9. Es ist von folgendem Ablauf auszugehen:

10. Das Anspruchsschreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger stammt vom 10.11.2006 (Bl. 17/18 d. A.). Unter dem 08.01.2007 wandte sich die Prozessbevollmächtigte der Kläger erneut an die Beklagte u. a. mit der letztmaligen Aufforderung eine Entschädigung anzubieten (Bl. 66 d. A.).

11. Unter dem 16.01.2007 antwortete der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten. In diesem Schreiben (Bl. 19/20 d. A.) heißt es: „Unsere Mandantschaft hat im vorliegenden Fall die ausgefallenen Ausflüge sowie darüber hinaus 60% des Reisepreises erstattet. Lediglich im gegenseitigen Abschlussinteresse erklärt sich unsere Mandantin ohne Präjudiz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, ihrer Mandantschaft einen weiteren Betrag in Höhe von 177,20 Euro zu erstatten und wird ihnen in den nächsten Tagen einen entsprechenden Verrechnungsscheck übersenden. Wir weisen darauf hin, dass mit der Einlösung des Schecks sämtliche Ansprüche gegenüber unserer Mandantin aus dem obigen Reisevertrag, inklusive etwaiger Kosten der Rechtsverfolgung abgegolten sind.“

12. Mit Schreiben der Beklagten vom 23.01.2007 (Bl. 134 d. A.) übersandte die Beklagte an die Prozessbevollmächtigte der Kläger einen Verrechnungsscheck in Höhe von 177,20 Euro unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 16.01.2007.

13. Der Scheck nebst dem eben genannten Schreiben ging bei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29.01.2007 ein.

14. Am 06.02.2007 lösten die Kläger den von der Beklagten übersandten Scheck ein.

15. Mit Schreiben vom 07.03.2007 teilte die Prozessbevollmächtigte der Kläger dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit, dass der eingelöste Scheck in Höhe von 177,20 Euro nur als Teilzahlung angesehen werde (Bl. 103 d. A.).

16. Wie von Klägerseite gewünscht hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 16.01.2007 ein Entschädigungsangebot gemacht. In dem Schreiben wurde ausdrücklich und unmissverständlich dargelegt, dass eine weitere Zahlung von 177,20 Euro per Scheck angeboten wird, und dass wenn der Scheck eingelöst wird, damit alle klägerischen Ansprüche abgegolten sind. In dem Schreiben heißt es auch, dass der Scheck in den nächsten Tagen übersandt wird. Danach enthält dieses Schreiben das unmissverständliche Angebot zum Abschluss eines Abfindungsvergleichs.

17. Entgegen der Auffassung der Berufung ist es auch unschädlich, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 23.01.2007 nicht noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass durch die Einlösung des Schecks in Höhe von 177,20 Euro ein Vergleich zustande kommt. In diesem Schreiben vom 23.01.2007 nimmt die Beklagte ausdrücklich Bezug auf Ihr Schreiben vom 16.01.2007, in dem bereits die Übersendung des Schecks angekündigt worden ist.

18. Daraus war für die Kläger eindeutig ersichtlich, dass die Übersendung des Schecks in Höhe von 177,20 Euro zum Zwecke des Abschlusses eines Abfindungsvergleiches wie er im Schreiben der Beklagten vom 16.01.2007 dargelegt worden ist, erfolgt ist.

19. Durch die vorbehaltslose Einlösung dieses Schecks in Höhe von 177,20 Euro ist ein Abfindungsvergleich zwischen den Parteien zustande gekommen.

20. Zwar ist zutreffend, dass die Kläger das Angebot nicht gegenüber der Beklagten angenommen haben.

21. Ausdrücklich ist eine solche Annahme unstreitig nicht erfolgt. Sie kann auch nicht als stillschweigende (konkludente) in der Scheckeinreichung erblickt werden. Der Scheckeinreichung kommt nämlich nicht die Bedeutung einer stillschweigenden Annahmeerklärung zu. Die Annahme ist – von den Sonderfällen der §§ 151, 152 BGB abgesehen – eine empfangsbedürftige Willenserklärung i.S.d. § 130 BGB. Daraus folgt, dass sie an den Antragenden als Erklärungsempfänger gerichtet sein muss. Soll sie durch eine schlüssige Handlung zum Ausdruck gebracht werden, so ist dem nur genügt, die Erklärung also in Richtung auf den Antragenden abgegeben, wenn die Handlung diesem gegenüber vorgenommen wird. Daran fehlt es hier indessen bei der Einreichung des Verrechnungsschecks, die der Bank der Kläger gegenüber erfolgte und als solche – objektiv – zur Kenntnisnahme durch die Beklagte weder geeignet noch bestimmt war (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 1990, 1655, 1656 m. w. N.).

22. Jedoch liegt eine Annahme des Abfindungsangebotes der Beklagten durch die Kläger gem. § 151 BGB vor.

23. Nach § 151 BGB kommt der Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat.

24. Die Beklagte hat konkludent auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet, indem sie bereits im Schreiben vom 16.01.2007 mitgeteilt hat, dass sie die Einlösung des Schecks als Annahme ansieht.

25. Im Falle eines derartigen Verzichts bedarf es lediglich der Annahme als solcher, d. h. eines als Willensbetätigung zu wertenden, nach außen hervortretenden Verhaltens des Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt. In welchen Handlungen eine ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, kann nur in Würdigung des konkreten Einzelfalles entschieden werden. Dabei ist mangels Erklärungsbedürftigkeit der Willensbetätigung nicht auf den Empfängerhorizont (§ 157 BGB) abzustellen. Vielmehr kommt es darauf an, ob vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus das Verhalten des Angebotsadressaten aufgrund aller äußeren Indizien auf einen „wirklichen Annahmewillen“ (§ 133 BGB) schließen lässt. Ein solcher Schluss ist regelmäßig gerechtfertigt, wenn der Anbietende dem Angebotsempfänger eine mit der Erfüllung des angestrebten Vertrages zusammenhängende, den Anbietenden beeinträchtigende Handlung nur für den Fall der Annahme des Angebotes, also des Vertragsschlusses, gestattet und der andere Teil diese Handlung vornimmt, ohne das Angebot durch einen nach außen erkennbare Willensäußerung abzulehnen. Demgemäß hat der BGH (NJW-​RR 1986, 415 = LM § 151 BGB Nr. 12 = WM 1986, 322 (323)) entschieden, dass dann, wenn eine den Abschluss eines Abfindungsvertrages anbietende Partei zum Zwecke der Vertragserfüllung einen Scheck mit der Bestimmung übergeben hat, er dürfe nur bei Annahme des Vertragsangebotes eingelöst werden, und wenn sie gleichzeitig auf eine Annahmeerklärung der Gegenseite verzichtet hat, in der widerspruchslos erfolgenden Einreichung des Schecks zur Einziehung regelmäßig die Annahme des Vertragsantrages zu erblicken ist (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 1990, 1655, 1656/1657 m. w. N.).

26. Es kommt für die aus der maßgeblichen Sicht eines unbeteiligten objektiven Dritten vorzunehmende Wertung auf alle äußeren Indizien, also auf das nach außen erkennbare Gesamtverhalten des Angebotsempfängers an, soweit es Rückschlüsse auf seinen „wirklichen Willen“ erlaubt. Lässt sich hieraus gesamtschauend das Fehlen eines wirklichen Annahmewillens erschließen, so kann das Gegenteil nicht dennoch einem einzelnen Vorgang entnommen werden, der – wie hier die Scheckeinreichung – für sich allein als Betätigung eines Annahmewillens zu deuten wäre (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 1990, 1655, 1657 m. w. N.).

27. Im vorliegenden Fall liegen jedoch gerade keine Indizien vor, die nach einer Gesamtschau auf das Fehlen eines wirklichen Annahmewillens schließen lassen.

28. Aus dem Verhalten der Kläger bis zur Scheckeinreichung lässt sich nämlich nicht im Geringsten erkennen, dass sie mit dem Abfindungsangebot nicht einverstanden waren. Insbesondere haben die Kläger vor Scheckeinreichung der Beklagten z. B. nicht mitgeteilt, dass die Scheckzahlung nur als Teilzahlung angesehen wird. Dies geschah erst mit Schreiben vom 07.03.2007, also einen Monat (!) nach Einlösung des Schecks. Auch gab es kein sonstiges ablehnendes Verhalten der Kläger.

29. Vorliegend gibt es als Reaktion der Kläger auf das Angebot der Beklagten als äußeres Indiz zunächst einzig und allein die Scheckeinreichung, die hier mangels entgegenstehender Indizien nur als Betätigung des Annahmewillens zu deuten ist. Die spätere Ablehnung im Schreiben vom 07.03.2007 ist unbeachtlich, da zu diesem Zeitpunkt der Abfindungsvergleich bereits zustande gekommen war.

30. Nach all dem ist ein wirksamer Abfindungsvergleich zwischen den Parteien zustande gekommen.

31. Nach all dem ist die Berufung unbegründet und war entsprechend zurückzuweisen.

III.

32. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

33. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

34. Es handelt sich um eine konkrete Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

35. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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