Fehlende Sportmöglichkeiten

BGH: Fehlende Sportmöglichkeiten

Ein Reisender buchte bei einem Reiseveranstalter einen Urlaub. Weil dieser die von ihm versprochenen Sportmöglichkeiten nicht zur Verfügung stellte, verlangt der klagende Urlauber nun eine Entschädigungsleistung wegen eines Reisemangels.

Der Bundesgerichtshof hat dem Kläger Recht zugesprochen. In der Nicht-Erbringung eines vertraglich zugesicherten Reisebestandteils sei ein Reisemangel zu sehen, der zu einem Entschädigungsanspruch auf Seiten des Urlaubers führe.

BGH X ZR 122/97 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 14.12.1999
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 14.12.1999, Az: X ZR 122/97
OLG Frankfurt, Urt. v. 10.07.1997, Az: 16 U 162/96
LG Frankfurt, Urt. v. 22.04.1996, Az: 2/21 O 281/95
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Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 14. Dezember 1999

Aktenzeichen: X ZR 122/97

Leitsätze:

2. Die Leistungsverpflichtungen des Veranstalters von Pauschalreisen ergeben sich aus der Reisevertragsbestätigung in Verbindung mit der Reisebeschreibung in dem vom Veranstalter herausgegebenen Reiseprospekt.

Ein Veranstalter von Clubreisen, der umfangreiche Sportmöglichkeiten anbietet hat dafür einzustehen, dass die zur Ausübung der Sportarten erforderlichen Clubeinrichtungen und Ausstattungen in einer für den Reisenden geeigneten Weise zur Verfügung stehen. Ist dies nicht der Fall, liegt ein Reisemangel vor.

Zusammenfassung:

3. Ein Urlauber buchte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise. Sowohl im Reiseprospekt, als auch im Gespräch zwischen Reiseveranstalter und Urlauber im Vorfeld der Buchung, wurden dem Kläger zahlreiche Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung zugesichert.
Am Hotel angekommen musste der Kläger jedoch feststellen, dass keine der Versprochenen Einrichtungen nutzbar waren. In der Folge verlangt der Kläger von dem Veranstalter eine Entschädigungsleistung.
Der Veranstalter sieht hierin keine Schlechtleistung und weigert sich der Zahlung.

Der Bundesgerichtshof hat dem Kläger Recht zugesprochen. Durch die Bestätigung des Reisevertrags und die Abgedruckten Versprechungen im Reisevertrag habe sich eine Leistungsverpflichtung des Reiseveranstalters ergeben. Bietet ein Veranstalter auf diese Weise bestimmte Sportmöglichkeiten an, so ist es seine vertragliche Pflicht für die zugesicherten Reiseeigenschaften einzustehen.

Fehlt wie vorliegend eine der zugesicherten Eigenschaften, so ist hierin ein Reisemangel zu sehen, der zu einem Entschädigungsanspruch des Klägers führt. 

Tenor:

4. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 10. Juli 1997 aufgehoben.

Im Umfang der Klage wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten – auch über die Kosten der Revision – bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

5. Die Beklagte, ein großes Reiseunternehmen, bietet in mehreren Ländern Pauschalurlaubsreisen in jeweils „Club …“ genannten Ferienclubs an, so auch in Nabeul (Tunesien). In dem Reiseprospekt der Beklagten, in dem der „Club … Tunesien“ beschrieben ist, werden den Reisenden umfangreiche Sportmöglichkeiten angeboten, die vor Ort gegen Entgelt gebucht werden können. Unter anderem wird auf einen Reitstall mit 16 Pferden (Araber, Berber) auf dem Clubgelände, auf Reitkurse und Reitausflüge hingewiesen.

6. Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 und 3 (nachfolgend: Erblasser) buchte für sich und seine Familie bei der Beklagten für die Zeit vom 21. Dezember 1994 bis zum 4. Januar 1995 eine Pauschalreise mit Flug und Aufenthalt im „Club … Tunesien“. Am 25. Dezember 1994 nahm er an einem zweistündigen Ausritt teil, den er beim „Club …“ gebucht und bezahlt hatte. Als das Pferd einer 13-​jährigen Mitreiterin nervös wurde, übernahm es der Erblasser. Nachdem das Pferd erneut nervös geworden war, stieg der Erblasser ab und hielt es am Zügel fest. In diesem Augenblick sprang das Pferd mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft und traf den Erblasser am linken Knie. Dieser erlitt eine Tibiakopffraktur; ihm wurde übel; er mußte mit einem Wagen abtransportiert werden. Noch in Tunesien wurde der Erblasser operativ versorgt.

7. In der Folgezeit litt der Erblasser unter starken Schmerzen und war arbeitsunfähig. Er wurde mehrfach operiert. Am 29. Juli 1995 verstarb er infolge einer thrombotisch-​thrombozytopenischen Purpura.

8. Mit ihrer Klage haben die Kläger die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht der Beklagten verlangt. Widerklagend hat die Beklagte restliche Reisekosten geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage teilweise stattgegeben. Mit ihrer Berufung haben die Kläger im Wege der Teilklage nur noch die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 16.000,-​- DM und eines Schmerzensgeldes von 45.000,-​- DM sowie Abweisung der Widerklage verlangt. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit ihrer Revision erstreben die Kläger Aufhebung des angefochtenen Urteils, Verurteilung der Beklagten nach Antrag und Abweisung der Widerklage in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe:

9. Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache im Umfang der Klage; die Widerklage wird abgewiesen.

10. Das Berufungsgericht meint, die Kläger könnten ihren Schadensersatzanspruch nicht auf § 651 f Abs. 1 BGB stützen, weil der Reitausflug nicht Gegenstand des Pauschalreisevertrages des Erblassers mit der Beklagten als Reiseveranstalterin gewesen sei. Der Ausritt habe weder zu den in der Reisebestätigung versprochenen und abgerechneten Reiseleistungen gehört noch sei er nach den Prospekten Inhalt der gewöhnlichen Reiseleistungen gewesen. Allein durch den Umstand, daß auf der Planskizze des Clubs Pferdeställe, Manege und eine Reitbahn als auf dem Clubgelände liegend angegeben seien, würden Reitausflüge nicht zum Gegenstand der Reiseleistungen der Beklagten. Der Erblasser habe den Reitausflug auch nicht bei der Beklagten bzw. ihrer örtlichen Reiseleitung gebucht und bezahlt, sondern beim Club, dem die Pferde gehörten. Die Beklagte habe nicht einmal den Anschein erweckt, daß sie die Reitausflüge selbst veranstalte. Der „Club … Tunesien“ gehöre einer einheimischen juristischen Person und werde von einer weiteren selbständigen tunesischen Gesellschaft betrieben.

11. Dies greift die Revision mit Erfolg an.

12. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes verpflichtet sich der Reiseveranstalter bei Abschluß des Pauschalreisevertrages nicht nur zur Erbringung der in der Reisebestätigung genannten Beförderung, Unterbringung und sonstigen Teilleistungen; vielmehr umfaßt der Reiseveranstaltungsvertrag die Reise selbst. Gegenstand des Reisevertrages sind daher alle Leistungen, die der Veranstalter Reiseinteressenten nach einem vorher festgelegten und ausgeschriebenen Reiseprogramm anbietet. Der Veranstalter verspricht damit eine bestimmte Gestaltung der Reise, etwa einer Urlaubsreise. Er vermittelt nicht nur Fremdleistungen, sondern übernimmt selbst die Haftung für deren Erfolg, soweit dieser von seinen Leistungen abhängt. Bei Pauschalreisen ist zur Bestimmung der Leistungsverpflichtungen des Reiseveranstalters neben der Reisevertragsbestätigung auch der von diesem herausgegebene Reiseprospekt heranzuziehen, in dem sich die detaillierten Angaben über die Gestaltung und die Leistungen des Veranstalters befinden. Dieser ist als Allgemeine Geschäftsbedingung Vertragsgrundlage.

13. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verkannt. Es hat außer acht gelassen, daß die Beklagte laut Reisevertragsbestätigung vom 26. September 1994 mit dem Erblasser einen Pauschalreisevertrag über einen Urlaubsaufenthalt im „Club …“ geschlossen hat und daß die in ihrem Reiseprospekt beschriebenen umfangreichen Sportmöglichkeiten im Rahmen des Clubs als vertragliche Leistungen Gegenstand des Pauschalreisevertrages waren.

14. Der Senat kann den Pauschalreisevertrag selbst auslegen, weil es sich bei der Reisebeschreibung der Beklagten um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die wie revisible Rechtsnormen behandelt werden, und weil der maßgebliche Sachverhalt außer Streit steht.

15. Nach dem Prospekt der Beklagten, den diese in den relevanten Auszügen vorgelegt und auf den das Berufungsgericht in seinem Urteil Bezug genommen hat, werden neben allgemeinen Angaben über die Ausstattung des Clubs und die Vorzüge eines Ferienaufenthalts im Club Sportmöglichkeiten, unter anderem Reiten, gegen gesonderte Zahlung eines Entgelts angeboten. Auf dem Gelände des Clubs stehen Reitbahn, Manege und Reitstall mit 16 Pferden (Araber, Berber) zur Verfügung. Es bestehen Möglichkeiten von Einsteige- und Aufbaukursen sowie von Ausritten „im zerklüfteten, romantischen Hinterland“. „Kappen, Stiefel und Chapsletten werden nach Verfügbarkeit und Paßform kostenlos zur Verfügung gestellt.“ Dies versteht der durchschnittliche Reiseinteressent, auf dessen Sicht bei der Auslegung des Reiseprospekts abzustellen ist, dahin, daß die in dem Prospekt beschriebenen Sportmöglichkeiten im Rahmen des Clubs tatsächlich vorhanden sind und die Beklagte aIs Veranstalter die Möglichkeit bietet, sich gegen ein weiteres Entgelt in diesen Sportarten zu betätigen. Das legt für den Reiseinteressenten nahe, daß die genannten Sportarten trotz gesonderter Buchung in dem Organisations- und Veranstaltungsbereich der Beklagten stattfinden, daß den Gästen in dem Reitstall des Clubs 16 Pferde zur Verfügung stehen, die für Reitkurse auf dem Clubgelände und für Reitausflüge im „zerklüfteten und romantischen Hinterland“ geeignet sind und daß der Interessent sich bei Mängeln allein mit dem Reiseveranstalter auf der Grundlage des mit ihm geschlossenen Reisevertrages auseinanderzusetzen haben wird.

16. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte die angebotenen Sportmöglichkeiten in ihrem Reiseprospekt mit ca.-​Preisen ausgewiesen und der Erblasser den Reitausflug nicht bei der Beklagten oder deren Reiseleitung, sondern im Club gebucht und bezahlt hat. Der Reiseveranstalter hat für die Erfüllung der in seinem Prospekt angebotenen Leistungen selbst einzustehen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Leistungen bereits mit der Buchung der Reise in Rechnung gestellt werden oder ob der Veranstalter die Entscheidung des Reisenden zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Ebensowenig spielt es eine Rolle, ob der Veranstalter die Erfüllung der vertraglichen Leistung selbst ausführt oder ausführen läßt oder ob über Einzelleistungen mit der Betreibergesellschaft des Clubs ein weiterer – entgeltlicher – Vertrag zustande kommt. Der Reiseveranstalter, der nicht eindeutig und ausdrücklich sein umfassendes Angebot einschränkt, indem er etwa hinsichtlich des Betriebs des Reitstalls, der Reitkurse und der Reitausflüge auf ein Fremdunternehmen hinweist und dadurch seine Vermittlungstätigkeit zum Ausdruck bringt, verpflichtet sich durch den Pauschalreisevertrag nicht nur, dafür Sorge zu tragen, daß die in der Reisebeschreibung angebotenen Sportmöglichkeiten überhaupt vorhanden sind; vielmehr hat er auch dafür einzustehen, daß die zur Ausübung der Sportarten erforderlichen Clubeinrichtungen und Ausstattungen in einer für den Reisenden geeigneten Weise zur Verfügung stehen.

17. Nach den Behauptungen der Kläger, von denen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren auszugehen ist, war die reisevertragliche Leistung der Beklagten fehlerhaft. Das dem Erblasser bei dem am 25. Dezember 1994 von der Betreiberin des „Club … Tunesien“ für den Reitausflug zur Verfügung gestellte Pferd „Mistral“ war für den Ausritt nicht geeignet, weil es nervös wurde. Darin liegt ein Reisemangel, für den die Beklagte als Reiseveranstalterin einzustehen hat.

18. Die Beklagte ist allerdings zur Leistung von Schadensersatz nicht verpflichtet, wenn sie darlegen und beweisen kann, daß der Reisemangel auf einem Umstand beruht, den sie nicht zu vertreten hat (§ 651 f Abs. 1 BGB).

19. Dies wäre der Fall, wenn der Betreiber des Ferienclubs bzw. des Reitstalls vor dem Unfall des Erblassers keine Kenntnis von der fehlenden Eignung und Zuverlässigkeit des Pferdes „Mistral“ für Reitausflüge haben konnte, weil das Pferd bis dahin insoweit nicht auffällig geworden war und auch sonst keine Umstände auf fehlende Eignung hindeuteten. Dann hätte der Betreiber des Reitstalls keinen Anlaß gehabt, das Pferd „Mistral“ nicht für Reitausflüge mit Feriengästen einzusetzen. Ihm könnte infolgedessen nicht vorgeworfen werden, durch eine solche Verwendung des Pferdes gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflichten verstoßen zu haben. Entsprechend wäre auch der Beklagten ein Verschulden des Betreibers nicht nach § 278 BGB zuzurechnen. Auch ein eigenes Verschulden der Beklagten wäre nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ersichtlich.

20. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagten das „problematische“ Verhalten des Pferdes „Mistral“ vor dem Unfall vom 25. Dezember 1994 bekannt gewesen sei. Die Kläger hätten lediglich zwei konkrete Vorfälle behauptet, bei denen Reiter zu Schaden gekommen seien. Eine Frau L. sei mit dem Pferd „Mistral“ gestolpert, bei einer Frau T. sei dieses Pferd abrupt stehen geblieben. Keiner dieser Vorfälle lasse jedoch auf ein aggressives Verhalten des Pferdes schließen. Selbst wenn die Beklagte Kenntnis von beiden Vorgängen gehabt hätte, hätte sie daraus noch nicht die Ungeeignetheit des Pferdes für Ausritte von Reisekunden erkennen können. Darüber hinaus halte die Beklagte diesem Vortrag entgegen, daß sich der Unfall der Frau T. am 16. Dezember 1994 mit dem Pferd „Barq“ und derjenige der Frau L. am 26. Dezember 1994 – also erst nach dem Unfall des Erblassers – mit dem Pferd „Cheb“ ereignet hätten. Dem seien die Kläger nicht entgegengetreten, so daß es einer Beweisaufnahme nicht bedürfe.

21. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts rügt die Revision mit Recht als verfahrensfehlerhaft.

22. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es nach dem Vorbringen der Kläger nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte die fehlende Eignung und Zuverlässigkeit des Pferdes „Mistral“ für Ausritte von Reitkunden hätte erkennen können. Die Kläger haben unter Beweisantritt ausgeführt, das Pferd sei bei den Ausritten abrupt stehen geblieben, wodurch die Zeugin T. schwere Gesichtsverletzungen erlitten habe. Außerdem soll die Zeugin L. einen Kreuzbandriß erlitten haben, weil das Pferd am Strand gestolpert sei. Beide Unfälle wären damit auf ein Verhalten des Pferdes zurückzuführen, was dieses als verhaltensauffällig und – unter Berücksichtigung auch der verhältnismäßig schwerwiegenden Folgen der Unfälle für die betroffenen Reiterinnen – als nicht geeignet für Ausritte mit Reisekunden erscheinen lassen würde. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob das Verhalten des Pferdes als aggressiv anzusehen wäre; denn einem Pferd kann auch aus anderen Gründen – etwa wegen übergroßer Nervosität oder Unsicherheit – die für den Einsatz bei Reitausflügen von Clubgästen erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit fehlen.

23. Die Kläger haben ihr Vorbringen auch nicht aufgegeben. Zwar hat die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung vom 31. Januar 1997 dargelegt, daß die beiden Unfälle mit anderen Pferden und einer der beiden Unfälle auch erst nach dem Unfall des Erblassers geschehen sei. Auch haben die Kläger nach Zustellung der Berufungserwiderung nicht mehr ausdrücklich klargestellt, daß sie an ihrem bisherigen Vorbringen festhalten würden. Damit haben die Kläger weder gegen ihre prozessuale Erklärungspflicht verstoßen noch die von der Beklagten behaupteten Tatsachen zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Nachdem sie in den vergangenen Schriftsätzen mehrfach ihre Darstellung des Unfalls wiederholt hatten, bestand auch nach der Berufungserwiderung der Beklagten kein Grund zu der Annahme, die Kläger wollten ihre bisherigen Vorbringen aufgeben und die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen als richtig zugestehen. Eine solche Absicht ergibt sich auch nicht aus den übrigen Erklärungen der Kläger. Vielmehr haben die Kläger in ihrem der Berufungserwiderung folgenden Schriftsatz vom 21. Mai 1997 durch Benennung von Zeugen zu ihrem Vorbringen deutlich gemacht, daß sie ihr Klagebegehren weiterhin auf die Behauptung stützen, das Pferd „Mistral“ sei für Ausritte ungeeignet gewesen.

24. Das angefochtene Urteil konnte deshalb insoweit keinen Bestand haben.

25. Das Berufungsgericht wird demnach Beweis darüber erheben müssen, ob die Behauptungen der Kläger oder der Beklagten über den Hergang der beiden Unfälle zutreffend sind. Dabei wird es zu beachten haben, daß die Beklagte insoweit die Beweislast trägt. Denn dieser obliegt der Nachweis, daß der Mangel der Reise auf einem Umstand beruht, den sie als Reiseveranstalterin nicht zu vertreten hat (§ 651 f Abs. 1 BGB).

26. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß die Kläger von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 651 f Abs. 1 BGB verlangen können, wird es weiter zu prüfen haben, ob der mit der Klage geltend gemachte Schaden aufgrund des Reitunfalls des Erblassers entstanden ist.

27. Das Berufungsgericht hat ferner einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung und damit zugleich den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch verneint. Angesichts der Werbung, die die Beklagte in ihrem Reiseprospekt für den Reitsport gemacht habe, sei eine Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen; es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagten das „problematische“ Verhalten des Pferdes „Mistral“ vor dem Unfall am 25. Dezember 1994 bekannt gewesen sei.

28. Auch diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

29. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht deutsches Recht angewandt hat, obwohl der Reitunfall in Tunesien stattfand. Dies entspricht der bisherigen Rechtsauffassung, die nunmehr in Art. 40 Abs. 2 des Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999 (BGBI. S. 1026) eine ausdrückliche Regelung gefunden hat. Danach ist der deliktische Schadensersatzanspruch nach deutschem Recht zu beurteilen, weil beide Parteien zur Zeit des Haftungsereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten.

30. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Reiseveranstalter bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen Verkehrssicherungspflichten zu beachten. Indem der Reiseveranstalter an sich fremde Reiseleistungen als eigene anbietet, eröffnet er im Rahmen seiner Gewerbeausübung eine Gefahrenquelle für Dritte. Das verpflichtet ihn, die Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um seine Kunden vor Schäden zu bewahren, die bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reise entstehen können. Diese Verpflichtung betrifft nicht nur die Auswahl und Kontrolle des eigenen Personals und eigener Transportmittel. Der Reiseveranstalter muß darüber hinaus auch die von ihm eingesetzten Leistungsträger im Hinblick auf deren Eignung und Zuverlässigkeit sorgfältig aussuchen und diese sowie deren Leistungen regelmäßig, den jeweiligen Umständen entsprechend, überwachen (BGH, aaO, 305).

31. Diese Überwachungsverpflichtung erstreckt sich auch auf die Sicherheit der Einrichtungen eines Leistungsträgers, die vor Ort bei dem Leistungsträger gebucht werden, wenn der Veranstalter durch die Gestaltung seines Prospekts bei den Reisekunden den Eindruck erweckt hat, daß er für die Qualität auch dieser Einrichtungen sorgen werde. Denn dann gehört die Qualität dieser Einrichtungen mit zum Erfolg der Reise, für die der Veranstalter nach Abschluß des Reisevertrages haftet. Der Reisende darf darauf vertrauen, daß der Veranstalter auch insoweit alles Erforderliche zur erfolgreichen Durchführung der Reise unternimmt. Entsprechend muß er auch im Hinblick auf diese Einrichtungen des Leistungsträgers die notwendigen und ihm zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen, um Schaden von den Reisenden zu wenden. Dazu gehört insbesondere die Überwachung der Einrichtungen auf die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsstandards.

32. In aller Regel ist dem Reiseveranstalter eine Kontrolle auch gesondert zu buchender Einrichtungen des Leistungsträgers aufgrund des mit diesem bestehenden Vertragsverhältnisses ohne weiteres möglich. Darin kann sich der Reiseveranstalter Kontrollen oder Auskunftsrechte auch hinsichtlich dieser Einrichtungen vorbehalten. Der Leistungsträger wird auch deshalb im allgemeinen bereit sein, dem Veranstalter die erforderlichen Kontrollen zu ermöglichen und die notwendigen Auskünfte zu geben, weil eine Prospektgestaltung, in der der Veranstalter beim Reisenden die Vorstellung begründet, auch für das Vorhandensein und die Benutzbarkeit erst vor Ort beim Leistungsträger zu buchender Einrichtungen einzustehen, vermehrt Kunden anziehen wird. Weigert sich der Leistungsträger gleichwohl, die erforderlichen Auskünfte zu geben, eine Kontrolle der Einrichtungen zuzulassen oder festgestellte Sicherheitsmängel zu beseitigen, müßte dies den Reiseveranstalter zu einer Änderung seiner Prospektangaben und zur vorsorglichen Warnung der vor Ort befindlichen Reisenden veranlassen (vgl. BGH, aaO, 306 f.).

33. Ist die betreffende Einrichtung ein Pferdestall, der von dem Vertragshotel bzw. Vertragsferienclub betrieben wird und von dem Reitausflüge organisiert werden, muß sich der Veranstalter darüber informieren, ob die bei den Ausflügen eingesetzten Pferde die dafür erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit besitzen. Da der Veranstalter den Pferdestall nicht selbst betreibt und deshalb nicht in ständigem Kontakt mit den Pferden ist, wird er sich in angemessenen Abständen bei dem Betreiber des Reitstalls über die Zuverlässigkeit der Pferde zu erkundigen haben. Er darf sich nicht darauf verlassen, daß ihm das Vertragshotel, der Vertragsferienclub oder der Reisende erst Vorfälle mitteilen, die die Eignung und die Zuverlässigkeit der Pferde in Frage stellen (vgl. auch BGH, aaO, 307 f., d)).

34. Dieser Verkehrssicherungspflicht ist die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen nicht nachgekommen. Sie hat sich dahin eingelassen, für sie habe kein Anlaß bestanden, an der Zuverlässigkeit des Pächters des „Club …“ oder der von ihm eingesetzten graduierten Reitlehrer zu zweifeln oder die Praxis der Ausgabe der Pferde zu beanstanden. Das kann sie nicht entlasten.

35. Das Berufungsgericht wird jedoch weiter zu prüfen haben, ob der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verkehrssicherungspflicht auch ursächlich für den Unfall des Erblassers gewesen ist. Wie dargelegt, wäre dies auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger, wonach bereits vor dem Unfall des Erblassers die Zeuginnen T. und L. Unfälle mit dem Pferd „Mistral“ gehabt hatten, wovon sich die Beklagte durch Nachfragen bei dem Betreiber des Pferdestalls hätte Kenntnis verschaffen können, der Fall gewesen, während nach den Darlegungen der Beklagten die Unfälle mit anderen Pferden erfolgt sind und sich zudem einer der beiden Unfälle erst nach dem Unfall des Erblassers ereignet hat. Das Berufungsgericht wird daher den von den Parteien zum Hergang der beiden Unfälle angebotenen Beweis erheben müssen, wobei davon auszugehen ist, daß den Klägern der Nachweis obliegt, daß ein den Verkehrssicherungspflichten entsprechendes Verhalten den Eintritt der Rechtsverletzung verhindert hätte (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 823 Abs. 1 BGB Rdn. 16).

36. Das Berufungsgericht hat den von der Beklagten im Wege der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des restlichen Reisepreises gemäß § 651 a Abs. 1 Satz 2 BGB für begründet gehalten. Der Reisepreis habe sich nicht gemäß § 651 d Abs. 1 in Verbindung mit § 651 c Abs. 1 BGB gemindert, weil der Reitausflug nicht Teil der Reiseleistungen gewesen sei, die die Beklagte dem Erblasser geschuldet habe, und sich infolgedessen daraus kein zur Minderung berechtigender Reisemangel ergeben könne.

37. Auch die dagegen gerichtete Rüge der Revision hat Erfolg. Der Reisepreis hat sich auf Null gemindert. In dem Umstand, daß dem Erblasser von einem bei dem Reitausflug am 25. Dezember 1994 eingesetzten Pferd eine Tibiakopffraktur beigebracht worden ist, liegt ein Reisemangel, für den die Beklagte als Reiseveranstalter zu haften hat. Die Verletzung ist so erheblich gewesen, daß die Reise für den Erblasser keinen Nutzen mehr gehabt hat. Dies betrifft auch die Zeit vor dem Unfall, zumal sich dieser bereits vier Tage nach Antritt der Reise ereignet hat. Die Verletzung des Erblassers hat sich zudem auf den Erfolg der Reise seiner Familie, also seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1, und seiner Kinder, den Klägern zu 2 und 3, ausgewirkt. Auch für diese hat die Reise keinen Erholungswert mehr gehabt und war deshalb insgesamt ohne Nutzen.

38. Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache im Umfang der Klage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Widerklage ist abzuweisen, weil insoweit weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr zu erwarten sind und die Sache daher zur Entscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

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