Verkehrssicherungspflicht bei vorübergehenden Gepäckabstellung in den Kabinengängen

OLG Rostock: Verkehrssicherungspflicht bei vorübergehenden Gepäckabstellung in den Kabinengängen

Eine Schiffsreisende hatte sich beim Sturz über einen im Gang abgestellten Koffer verletzt und forderte ein Schmerzensgeld. Erstinstanzlich erfolgreich wurde die Klage auf Berufung der Beklagten hin abgewiesen, da es an einem Organisationsverschulden fehlte.

OLG Rostock 1 U 71/13 (Aktenzeichen)
OLG Rostock: OLG Rostock, Urt. vom 08.04.2015
Rechtsweg: OLG Rostock, Urt. v. 08.04.2015, Az: 1 U 71/13
LG Rostock Urt. v. 14.05.2014, Az: 9 O 746/12
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Oberlandesgericht Rostock

1. Urteil vom 8. April 2015

Aktenzeichen 1 U 71/13

Leitsatz:

2. Es liegt kein Organisationsverschulden des Reiseveranstalters vor, wenn der Teilnehmer einer Kreuzfahrt in einem gut beleuchteten Gang über Koffer stürzt, die dort zum Zwecke der Abholung durch das Personal von den Passagieren abgestellt worden sind und der Reiseveranstalter über diesen Service im Vorfeld informiert hat.

Zusammenfassung:

3. Die Teilnehmerin einer Kreuzfahrt stürzte beim Durchqueren eines Ganges über einen der dort abgestellten Koffer und verletzte sich. Sie forderte von der Reiseveranstalterin ein Schmerzensgeld und Erstattung von Behandlungskosten. In erster Instanz war die Klage erfolgreich, da das Landgericht Rostock von einem Organisationsverschulden der Beklagten ausging.

Auf die Berufung der Beklagten hin wies das Oberlandesgericht Rostock die Klage ab. Es fehlte an einem Nachweis einer Pflichtverletzung durch die Beklagte. Einerseits war im Vorfeld auf den Service und die resultierenden Umstände hingewiesen worden, andererseits der Gang gut beleuchtet gewesen. Auch aus den Aussagen der Klägerin und ihres Ehemannes ging hervor, dass es einem umsichtigen Passagier möglich gewesen wäre, den Gang ohne Sturz zu passieren. Daher bestand kein Anspruch auf Schadensersatz.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14.05.2013 – 9 O 746/12 (3) – abgeändert und – unter Zurückweisung der Anschlussberufung – die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.532,51 € festgesetzt.

Gründe:

I.

5. Die Klägerin verfolgt gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Folge von Verletzungen an der linken Schulter, die sie sich auf einer Reise mit dem Kreuzfahrtschiff „…“ auf Grund eines Sturzes an Bord des Schiffes zuzog.

6. Wegen des Sachverhalts, des in erster Instanz gewechselten Parteivortrages und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

7. Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Begründend hat es ausgeführt, die Beklagte hafte der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und eines Organisationsverschulden gemäß „§§ 651ff., 823, 831 BGB“ auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 €, auf Erstattung von Eigenanteilen für Physiotherapie und Arzneimittel in Höhe von 311,46 € und auf Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 899,40 €. Festgestellt hat das Erstgericht außerdem, dass die Beklagte verpflichtet sei, sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfallereignis herrühren. Ein über 10.000,00 € hinausreichendes Schmerzensgeld, welches die Klägerin in Höhe von mindestens 15.000,00 € für angemessen erachtet hat, hat das erstinstanzliche Gericht abgewiesen.

8. Das Landgericht ist aufgrund der Angaben der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) und der zeugenschaftlichen Einvernahme ihres Ehemannes …, der den Unfallhergang selbst nicht beobachtet hat, davon ausgegangen, dass die Klägerin sich gegen 22:30 Uhr am Vorabend des Reiseendes an Bord des Klubschiffes auf dem Weg vom Treppenhaus in einem langen Gang hin zu ihrer Kabine bewegt habe. Auf beiden Seiten des beleuchteten Ganges hätten Passagiere ihre Koffer abgestellt gehabt, um es dort vom Schiffspersonal wegschaffen zu lassen. Das sei im Rahmen eines Service-Hinweises der Beklagten geschehen, die – unstreitig – in ihren allgemeinen Informationen zur Abreise (Anlage B 4, GA 52) darstellt:

9. „Gäste, die ihr Gepäck – versehen mit der … Gepäckbanderole – in der Nacht von Donnerstag auf Freitag bis spätestens 02:00 Uhr vor die Kabine stellen, finden ihren Koffer morgens nach Decks sortiert vor dem Schiff im Hafenterminal aufgereiht. …

10. Jeder Gast identifiziert im Hafenterminal sein Gepäck und bringt es selbst durch den Zoll…

11. Aus Sicherheitsgründen ist es nicht gestattet Koffer nach Räumung der Kabine, in den Kabinengängen und Treppenhäusern des Schiffes ohne Aufsicht stehen zu lassen.“

12. Die aufgestellten Koffer hätten den etwa 1,20 bis 1,50 m breiten Kabinengang verengt; die Klägerin sei dann über die an der Unterseite herausragenden Räder eines auf der rechten Seite des Ganges hochkant abgestellten Koffers gestolpert und zu Boden gefallen. Der Klägerin sei sich nach ihrer Schilderung darüber im Klaren gewesen, dass sie aufgrund der Enge des Kabinengangs und der dort für sie sichtbar stehenden Koffer generell habe aufpassen müssen; nicht ins Bewusstsein geraten sei ihr indes, dass sie „noch extra auf die Räder der Koffer habe achten müssen. Sie habe die Räder der konkreten Koffer vor dem Sturz nicht gesehen“ (UA Bl. 6). Zusammenfassend hat das Gericht erster Instanz im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeführt (vgl. UA Bl. 7):

13. „Das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass die Klägerin hier tatsächlich über die heraus stehenden Räder an der unteren Seite eines dort auf dem Kabinengang abgestellten Koffers gestolpert ist. Damit konnte und musste die Klägerin nicht rechnen.“

14. Anzulasten sei der Beklagten ein Überwachungs- und Organisationsverschulden. Hierzu heißt es (UA Bl. 7f.):

15. „Wenn also hier auf Veranlassung der Beklagten die Passagiere ihre Gepäckstücke eigenständig in die Kabinengänge stellen, so muss die Beklagte dafür Sorge tragen, dass Unfallgefahren durch unregelmäßig / diagonal aufgestellte Gepäckstücke, insbesondere durch herausragende Kofferräder nach Möglichkeit ausgeschlossen werden. Hierzu ist aus Sicht des Gerichts eine Kontrolle des Vorgangs erforderlich. Dass die Beklagte hier überhaupt irgendwelche Vorkehrungen getroffen hat, um eine Gefährdung der Passagiere im Zeitraum bis zum Abtransport des Gepäcks auszuschließen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Letztendlich bleibt es den Mitpassagieren überlassen, die Gefährdung anderer Passagiere abzuwenden.“

16. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie rügt eine fehlerhafte rechtliche Würdigung sowie eine falsche Tatsachenfeststellung (vgl. im Einzelnen Berufungsbegründungsschrift vom 13.08.2013, GA 159ff./I).

17. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14.05.2013 – 9 O 746/12 (3) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

18. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

19. Sie verteidigt das angefochtene Urteil (siehe Schriftsatz vom 20.09.2013, GA 174ff./I) und hat Anschlussberufung erhoben mit den – teilweise klageerweiternden – Anträgen,

die Beklagte in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Rostock vom 14.05.2013 – 9 O 746/12 (3) zu verurteilen, an die Klägerin Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag von 20.000,00 € (insgesamt) nicht unterschreiten sollte, zu zahlen,

die Beklagte und Berufungsklägerin zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsbeklagte (neben den bereits erstinstanzlich zugesprochenen Beträgen) weitere 5.000,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar klageerweiternd als Verdienstausfall,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 220,75 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar ebenfalls klageerweiternd als weitere Erstattung von Zuzahlungen zu Heilbehandlungen.

20. Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurück zu weisen.

21. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen ausdrücklich Bezug genommen.

II.

22. Die zulässige Berufung ist begründet. Auf das Rechtsmittel der Beklagten ist die Klage abzuweisen, da der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz (§ 249 BGB) und Zahlung von Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) – unbeschadet davon, ob gestützt auf eine Pflichtverletzung des Reisevertrages (§§ 651a, 280 Abs. 1 BGB), oder auf eine deliktische Haftung (§§ 823 Abs. 1, 831 BGB) – nicht gegeben wirkt (1.). Von daher kann der Anschlussberufung der Klägerin kein Erfolg beschieden sein (2.).

23. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten kausal für den von der Klägerin behaupteten Schaden geworden ist. Solches aber hat grundsätzlich der Geschädigte zu beweisen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 823 Rn. 54 m.w.N.). Ob darüber hinaus der Klägerin ein so überwiegendes Mitverschulden (§ 254 BGB) anzulasten wäre, dass dieses eine Haftung der Beklagten ausschließt (so deren Ansicht, vgl. Schriftsatz vom 13.08.2013, Seite 5 = GA 162/I), bedarf deshalb keiner Entscheidung.

24. Zu den Vertragspflichten des Reiseveranstalters nach § 651a BGB rechnet die Erbringung aller vertraglich zugesicherten Leistungen. Solche sind vorliegend nicht streitgegenständlich. Die allgemeinen Fürsorge- und Obhutspflichten, insbesondere soweit es um die dem Veranstalter zumutbaren Maßnahmen zur Abwehr solcher mit der Reise verbundener Gefahren geht, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb auch nicht willentlich in Kauf nimmt, decken sich in der Regel mit den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten (vgl. nur Palandt/Sprau, a.a.O., § 651a Rn. 6 m.w.N.).

25. Zu den deliktsrechtlich bedeutsamen Pflichten, die nicht notwendig mit den vertraglichen übereinstimmen, sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu zählen, die einem ordentlichen und gewissenhaften Veranstalter allgemein obliegen und zumutbar sind, insbesondere die sorgfältige Auswahl, Überwachung und Instruktion des Personals, wie auch das Ausräumen von oder die Warnung vor Gefahren, die dem hinreichend sorgfältigen Reisekunden nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einrichten kann (siehe näher Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 209 m.w.N. a.d.Rspr.).

26. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist jedoch nicht erreichbar. Es geht vielmehr um die Risikoabwägung zwischen dem Sicherungspflichtigen und der gefährdeten Person. Der Pflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Sie können von einem Hinweis auf die Gefahr bis zur Beseitigung der Gefahrenquelle reichen. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für notwendig und ausreichend erachten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Der Dritte ist aber in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht auch vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann, wobei alle Umstände sowohl in der Person des Pflichtigen, wie des Gefährdeten bedeutsam sein können. Im Ergebnis ist eine Gesamtabwägung aller Gesichtspunkte vorzunehmen (vgl. zu allem Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 51 m.w.N. a.d.Rspr.).

27. Nach diesem Maßstab ist es rechtlich verfehlt, wenn das Landgericht von einem Überwachungs- und Organisationsverschulden der Beklagten deshalb ausgegangen ist, weil sie keine Kontrollmaßnahmen angestellt hat, um eine Gefährdung der Passagiere durch das im Rahmen ihres Service-Angebots den Reisenden am Vorabend (bis nach Mitternacht 02:00 Uhr) ermöglichte Abstellen ihres Gepäcks in den Kabinengängen des Schiffes bis zum Abtransport durch das Bordpersonal auszuschließen. Für die Vermeidung einer Gefahr vermochten die Reisenden zumutbarer Weise selbst Sorge zu tragen.

28. (i) Unstreitig sind die Kabinengänge auf dem Schiff ausgeleuchtet. Die Koffer waren – auch nach den Angaben der Klägerin – sichtbar im Gang zu den Kabinen aufgestellt. Ihre Einlassung, sie habe sich nicht auf herausragende Laufräder an der Unterseite der vertikal gestellten Koffer vorbereitet und diesen Umstand nicht im Bewusstsein gehabt, vermag im Rahmen der Risikoabwägung die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters nicht zu begründen.

29. Es ist allgemein bekannt, dass die marktüblichen Reisegepäckstücke, insbesondere Koffer größeren Ausmaßes, zur Erleichterung in der Handhabung regelmäßig mit Rollrädern ausgerüstet sind. Diese haben auch keine Größe oder sind in einer Weise gebaut, dass sie zusätzlich zum Raummaß des Koffers eine besondere Gefahrenquelle begründen.

30. (ii) Das Landgericht hat überdies im konkreten Fall unberücksichtigt gelassen, dass der Ehemann der Klägerin als von ihr benannter Zeuge wie folgt ausgesagt hat:

31. „Die Koffer standen auch längs an der Wand und wenn ich gefragt werde, wie breit diese Koffer an der Längsseite waren, dann würde ich sagen, bis zu 45 – 50 cm. Da waren durchaus auch größere Koffer dabei. Die Räder befanden sich unten an den Koffern und ob die hier zur Wand oder zum Gang standen, dass konnte man durchaus sehen.“

32. Schon aufgrund dieser Bekundungen des Zeugen … ist festzustellen, dass für einen umsichtigen Passagier, der die ihm gebotene Vorsicht und Sorgfalt walten lässt, das Gefahrengut – Koffer mit Rädern – deutlich erkennbar war und er sich in seinem Verhalten darauf einzustellen vermochte. Umgekehrt hat der Zeuge keine Angaben dazu machen können, aus welchen Gründen dies der Klägerin in der konkreten Lage nicht möglich gewesen wäre, denn er hat den Unfall nicht aus eigener Anschauung beobachtet.

33. (iii) Auch die Klägerin selbst hat in ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) vor dem Landgericht keine Situation geschildert, die ihre fehlende Aufmerksamkeit, um die Gefahr eines Sturzes über oder wegen der im Kabinengang abgestellten Koffer zu vermeiden, nachvollziehbar zu erklären vermag. Denn insoweit hat sie nur lapidar angegeben:

34. „Der Gang war beleuchtet. Ich habe die Koffer dort auch stehen sehen, als ich in den Gang bog. Es war schon eng und man musste generell aufpassen.

35. Auf weitere Frage, ob die Klägerin auch die Räder gesehen hätte:

36. Also im ersten Moment nicht und mir war eigentlich nicht bewusst, dass ich hier noch extra auf die Räder achten musste. Auf die Räder des konkreten Koffers habe ich vor dem Sturz nicht gesehen. Der Koffer stand hochkant an der Wand und ich bin über die Räder unten am Koffer gestolpert. Wenn ich den Koffer beschreiben soll, dann denke ich, es war ein Hartschalenkoffer und er war dunkel. Ich bin dort an etwas hängen geblieben und als ich dann während bzw. nach dem Sturz dort hingesehen habe, war dort eben dieses Rad, was in den Gang stand und ich denke, dass ich auch darüber gestolpert bin.

37. Auf Frage, wie groß das Rad war:

38. Das kann ich nicht sicher sagen. Es hat auf jeden Fall nach meiner Erinnerung wohl zu 3/4 herausgestanden.“

39. Nach dieser Wiedergabe des Geschehens durch die Klägerin, das sie in ihrer Anhörung vor dem Senat bestätigt hat, kann noch nicht einmal sicher angenommen werden, dass sie über die Rollräder eines der abgestellten Gepäckstücke gestolpert und zu Fall gekommen ist. Die Klägerin hat insofern allein Mutmaßungen geäußert.

40. (iv) Es erscheint nach den konkreten Umständen weder erforderlich noch dem Reiseveranstalter zumutbar, über die zur Vermeidung einer Gefahr getroffenen Vorsorgemaßnahmen hinaus, zu denen das Ausleuchten des Kabinenganges sowie der an die Reisende erteilte Hinweis, das Reisegepäck am Vorabend vor der Abreise vor der Kabine abstellen zu können, so dass sich darauf Jedermann einzurichten vermag, die Verpflichtung aufzuerlegen, durch eine Überwachung und Kontrolle der Kabinengänge, oder durch fortlaufenden Abtransport des Gepäckgutes während der Abend- und Nachtzeit, zusätzliche Sicherheit zur Gefahrenabwehr zu treffen.

41. (v) Die Klägerin, die vom Senat in der mündlichen Verhandlung zur Vervollständigung des Bildes von dem Unfallhergang persönlich angehört worden ist (§ 141 ZPO), verbleibt demgegenüber auch in der Berufungsinstanz bei ihrer Ansicht, die Beklagte treffe ein Organisations- und Überwachungsverschulden. Da diese mit ihrem Angebot, die Gepäckstücke zum Reiseende für den Abtransport durch das Service-Personal vorübergehend in den Gängen abzustellen, eine zusätzliche Gefahrenquelle geschaffen habe, müsse sie die Passagiere auch dazu anhalten, die Gefahr möglichst gering zu halten. Sicherheitsvorschriften, um einen freien und sicheren Durchgang zu gewährleisten, habe die Beklagte indes nicht ausgegeben. Die Klägerin meint „Gänge (…) sollen ihrer Natur nach zum Zwecke der Bewegung genutzt werden und nicht zum Lagern von Reisegepäck“. Die Beklagte treffe daher „zumindest die Pflicht zur Überwachung, ob der Gang noch durchquerbar ist in einer angemessenen Geschwindigkeit, die für Gänge üblich ist, und man insofern nicht dazu gezwungen ist, einmal links und einmal rechts zu gehen, um allen möglichen Gefahrenquellen auszuweichen“ (Schriftsatz vom 21.11.2014, Seite 1-2 = GA 223-224).

42. Diese von der Klägerin formulierten Anforderungen an eine Verkehrssicherungspflicht im vorliegend streitgegenständlichen Lebenssachverhalt erachtet der Senat für überzogen. Die Klägerin gesteht selber zu, dass sich die den Passagieren erteilte Befugnis, ihr Gepäck zum Abtransport auf den Gängen des Kreuzfahrtschiffes abzustellen, nur auf einen kurzen Zeitraum – gemessen an der Gesamtreise – bezog. Die Beklagte hatte durch die von ihr ausgegebenen allgemeinen Informationen auf diese Situation und auf die zeitlichen Schranken hingewiesen, so dass Jedermann sich darauf einzustellen vermochte. Um den von der Klägerin geforderten freien Durchgang des Kabinenganges zu gewährleisten, hätte die Beklagte faktisch auf allen Decks des Schiffes Personal zum zügigen und unmittelbaren Abtransport des abgestellten Gepäckgutes bereit stellen müssen. Das aber erscheint weder zumutbar noch mit vertretbaren Aufwand durchführbar. Für diesen Fall müsste die Beklagte bei Erwägung der vorhandenen personellen Ressourcen und unter Einbeziehung wirtschaftlicher Überlegungen gänzlich von ihrem Angebot Abstand halten, womit umgekehrt zusätzlich Beschwernisse für die Passagiere beim Verlassen des Schiffes zum Reiseende einher zu gehen drohten, da jeder Einzelne sein Gepäck mit sich vom Schiff zu transportieren hätte, was wiederum zu individuellen Belastungen und allgemeinen Zeitverlusten führen könnte. Bei Abwägung dieser Vor- und Nachteile sowie der mit der vorübergehenden Gepäckabstellung in den Kabinengängen eintretenden Gefahrenlage, die unter Beachtung der aufgezeigten Umstände als eher gering einzustufen ist, wirkt der Vorwurf eines Überwachungsverschulden deshalb unangemessen.

43. Angesichts dieses Ergebnisses kann dahinstehen, ob sich der Sturz der Klägerin überhaupt so wie von ihr behauptet (Sturz über vor der Kabine abgestellte Koffer) zugetragen hat, oder ob ein anderer Geschehensablauf in Betracht zu ziehen ist. Auch insofern ergeben sich allerdings erhebliche Zweifel, da in der Unfallbericht (Anlage B 2, GA 49/I) als Unfallort das Wort „Treppe“ in das Protokoll eingetragen ist. Der dazu in erster Instanz befragte Zeuge hat nicht ausschließen wollen und können, dass es sich dabei um einen von ihm gefertigten Texteintrag handelt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 26.03.2013, Seite 5 = GA 86/I). Da er selbst beim Sturz seiner Ehefrau, der Klägerin, nicht unmittelbar vor Ort gewesen ist, ließe sich dieser Umstand nicht anders deuten, als dass sein Vermerk auf eine Schilderung der Klägerin zurück geht. Damit aber wäre auch der Klagevortrag zum Unfallhergang, den die Beklagte in Abrede gestellt hat, nicht als erwiesen anzusehen.

44. Für eine Wiederholung der Beweisaufnahme bestand kein Anlass. Denn der Senat geht als Berufungsgericht vom selben objektiven Erklärungswert der Angaben des in erster Instanz als Zeugen vernommenen Herrn … und der Äußerungen der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO aus, er legt diesen Erklärungen bei der rechtlichen Beurteilung einer Pflichtverletzung allerdings ein anderes Gewicht als das Landgericht bei (vgl. insofern Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 529 Rn. 8 a.E. m.w.N.).

45. Da die Klage schon dem Grunde nach reif zur Abweisung ist, bedarf es mit der Anschlussberufung der Klägerin, die sich klageerweiternd zur Höhe eines ihr gegebenen Anspruchs verhält, keiner Befassung.

III.

46. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

47. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

48. Die Revision ist nicht zuzulassen. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu noch fordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

49. Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO, wobei sich der Senat bei der Ansetzung des Schmerzensgeldanspruches, den die Klägerin in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, daran orientiert hat, dass der entsprechende Betrag nicht höher als der vom Landgericht ausgeurteilte Anspruch zu bemessen gewesen wäre, wenn die Klage Erfolg gehabt hätte (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 35. Aufl., § 3 Rn. 63 m.w.N.). Zu dem weiteren Schmerzensgeldbetrag von 10.000,00 € sind die zusätzlichen Leistungsforderungen der Klägerin hinzu zu setzen; danach ergibt sich zusammen genommen ein Streitwert von 26.532,51 €.

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