Verkauf von Flugscheinen durch Reisebüros als Eigengeschäft

AG Neuss: Verkauf von Flugscheinen durch Reisebüros als Eigengeschäft

Der Kläger kaufte für sich und seine Frau bei einem Reisebüro zwei Flüge von Frankfurt a.M. nach Karaganda für den 28.07.2007 und zurück für den 17.08.2007. Zusammen mit Visagebühren und Porto zahlte er für die Flüge 1.561,00 €. Am 27.06.2007 informierte die Beklagte den Kläger darüber dass der Flug nicht stattfinden werde und bot ihm einen Verrechnungsscheck über 104,00 Euro an. Dies lehnte der Kläger ab und forderte die Rückzahlung des gesamten von ihm gezahlten Preises.

Das AG Neuss gab dem Klage teilweise Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.456,00 € nebst 5 % Zinsen.

AG Neuss 84 C 4801/07 (Aktenzeichen)
AG Neuss: AG Neuss, Urt. vom 19.09.2008
Rechtsweg: AG Neuss, Urt. v. 19.09.2008, Az: 84 C 4801/07
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Amtsgericht Neuss

1. Urteil vom 19. September 2008

Aktenzeichen 84 C 4801/07

Leitsatz:

2. Ein Reisebüro, das Reiseleistungen bei einem Großhändler für Reiseleistungen einkauft und diese dann, mit Gewinnerzielungsabsicht, zu einem höheren Preis an einen Reisenden verkauft, handelt nicht lediglich als Vermittler, sondern tätigt ein Eigengeschäft. Fällt dann dieser Reiseleistung aus, richten sich die Ansprüche des Reisenden direkt an das Reisebüro.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger kaufte für sich und seine Frau bei einem Reisebüro zwei Flüge von Frankfurt a.M. nach Karaganda für den 28.07.2007 und zurück für den 17.08.2007. Zusammen mit Visagebühren (100,- €) und Portogebühren (5,- €) zahlte er für die Flüge 1.561,00 € an das Reisebüro. Am 27.06.2007 informierte die Beklagte den Kläger darüber dass der Flug nicht stattfinden werde und bot ihm einen Verrechnungsscheck über 104,00 Euro an. Dies lehnte der Kläger ab und forderte die Rückzahlung des gesamten von ihm gezahlten Preises. Nachdem er der Beklagten eine Frist setzte und diese verstrich, klagte er vor Gericht.

Das AG Neuss gab dem Klage teilweise Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.456,00 € nebst 5 % Zinsen. Die Visagebühren und die Portokosten musste die Beklagte nicht erstatten.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.456,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2007, sowie einen Betrag in Höhe von 229,55 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.11.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 93 % und der Kläger zu 7 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau am 27.03.2007 bei der Beklagten, ein Reisebüro, zwei Flüge von Frankfurt am Main nach Karaganda und zurück für den 28.07.2007 beziehungsweise 17.08.2007.

6. Die Buchung wurde dem Kläger am 27.03.2007 von der Beklagten schriftlich bestätigt. Die Bestätigung war überschrieben mit „Bestätigung (…) zu einem Vermittlungsauftrag“ und nannte als Leistungsträger für die Flüge die. Der Gesamtpreis für die Flüge belief sich nach der Bestätigung auf 1.456,00 EUR (inklusive Steuern und Gebühren). Für die Beschaffung von Visa wurden insgesamt 100,00 EUR, für Porto 5,00 EUR berechnet. Auf der Bestätigung war des Weiteren aufgeführt, dass die Beklagte „Vermittler von Dienstleistungen zwischen Kunden und Fluggesellschaften/Veranstaltern“ ist.

7. Die Beklagte buchte ihrerseits die Flüge bei einem so genannten Consolidator ein, der GmbH. Bei einem Consolidator handelt es sich um einen Großhändler von Reiseleistungen. Von diesem erhielt die Beklagte die Flüge zu einem Gesamtpreis von 1.352,00 EUR (inklusive Steuern und Gebühren).

8. Am 05.04.07 zahlte der Kläger an die Beklagte den gesamten von ihr geforderten Reisepreis in Höhe von 1.561,00 Euro.

9. Am 18.06.2007 teilte die GmbH der Beklagten mit, dass der Flug wegen technischer und politischer Gründe nicht stattfinde. Mit Schreiben vom 27.06.2007 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass der gebuchte Urlaubsflug nicht durchgeführt werde. Der Kläger buchte und zahlte daraufhin einen Alternativflug, welcher problemlos abgewickelt wurde. Bei diesem Flug konnten die Visa benutzt werden.

10. Mit Schreiben vom 10.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Preis des ersten Fluges nicht zurückgezahlt werde, da der Consolidator den Flugpreis nicht erstatte. Die Beklagte bot einen Verrechnungsscheck über 104,00 Euro an, was dem Gewinn entsprach, den die Beklagte durch den Verkauf der Flüge vereinnahmt hätte. Der Kläger löste den Scheck nicht ein und verlangte Rückzahlung des gesamten Preises für den ersten Flug in Höhe von 1.561,00 EUR. Mit Schreiben vom 24.08.2007 setzte der Kläger der Beklagten eine Frist zur Zahlung bis zum 10.09.2007. Die Beklagte zahlte jedoch nicht.

11. Der Kläger behauptet, eine Mitarbeiterin der Beklagten, die Zeugin habe in einem Telefongespräch mit der Ehefrau des Klägers ausdrücklich versichert, dass der Reisepreis für den ersten Flug zurückgezahlt werde. Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, dass die Beklagte ihm auf Rückzahlung des Reisepreises selbst hafte und sie nicht nur ein Vermittler sei.

12. Der Kläger beantragt,

13. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.561,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2007 sowie weitere 229,55 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14. Die Beklagte beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Sie ist der Ansicht, sie hafte nicht selbst. Sie sei lediglich Vermittler der Reiseleistungen gewesen. Dass der Flug nicht stattfand, sei ihr nicht anzulasten.

17. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen und. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

18. Die zulässige Klage ist weitestgehend begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises gemäß §§ 631 Abs. 1, Abs. 2, 323 Abs. 2, Abs. 4, 346 BGB. Der Anspruch geht jedoch nicht über den tenorierten Betrag hinaus, da hinsichtlich 105,00 EUR, nämlich für zwei Visa zu 50,00 EUR und Portokosten in Höhe von 5,00 EUR, der Kläger nicht zurückgetreten war. Die Visa konnten für den Alternativflug verwendet werden.

19. Dem Kläger steht der Anspruch im Übrigen zu, denn dadurch, dass der Flug nicht stattfand, erbrachte der Vertragspartner nicht die vereinbarte Leistung, den Kläger zu den flugplanmäßig vereinbarten Zeiten von Frankfurt am Main nach Karaganda und zurück zu fliegen. Auch bei dem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB (st. Rspr. BGHZ 62, 71, 75; BGH NJW 1986, 1613; LG Frankfurt/Main Rra 2004, 133). Der ausgefallene Flug löst ein Rücktrittsrecht gemäß § 323 BGB aus, bei dem Luftbeförderungsvertrag zu bestimmten Flugzeiten handelt es sich um ein Fixgeschäft i.S.d. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (vgl. Führich, 5. Auflage, Heidelberg 2005, Rn. 1001 m.w.N.). Der Rücktritt als solcher ist zumindest konkludent erklärt worden, dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

20. Der Anspruch des Klägers richtet sich unmittelbar gegen die Beklagte. Sie ist selbst Partner des Luftbeförderungsvertrages geworden. Sie ist nicht lediglich Vermittler.

21. Die Beklagte trat hier nicht in der typischen Rolle eines vermittelnden Reisebüros auf, das lediglich Geschäftsbesorgung betreibt. Nach eigenem Vortrag kaufte die Beklagte die Reiseleistungen von einem Consolidator ein. Der Consolidator in diesem Zusammenhang ist ein Zwischenhändler, ein Reiseunternehmen, das mit Leistungsträgern insbesondere Fluggesellschaften Sondervereinbarungen über den Vertrieb von Reiseleistungen trifft und diese dann an Reisebüros oder direkt an Verbraucher, etwa über das Internet, weitervermittelt (vgl. Führich, Rn. 708).

22. Diese „eingekaufte“ Reiseleistung vermittelte die Beklagte nicht weiter, sondern es bot sie dem Kläger unmittelbar an. Dies wird insbesondere aus dem Umstand deutlich, dass die Beklagte ihrem Consolidator für die Flüge einen anderen Preis zahlte, als sie dem Kläger in Rechnung stellte. Für den Kläger war nur ein einheitlicher Flugpreis ersichtlich, der Aufschlag der Beklagten war nicht erkennbar. Wesentlich für das bloße Vermitteln einer Reiseleistung ist jedoch die Preisidentität zwischen der Leistung, wie sie das Reisebüro vermittelt und der Reisende letztlich zahlt (vgl. dazu Führich, Rn. 708). Erwirbt der Reisekunde vom Reisebüro ein Nettopreisticket, liegt keine Vermittlung vor, das Reisebüro tätigt vielmehr im Rahmen seiner freien Kalkulation ein Eigengeschäft (vgl. auch Führich, Rn. 708).

23. Die Annahme eines Eigengeschäftes des Reisebüros ist bei vorliegender Sachlage auch sachgerecht. Es wäre unbillig dem Reisenden im Wege einer „Durchvermittlung“ das Insolvenzrisiko eines Leistungsträgers bzw. Consolidators aufzubürden, auf dessen Auswahl er keinerlei Einfluss hat. Denn kauft ein Reisebüro eine Reiseleistung eines Consolidators, welcher die Reiseleistung unmittelbar von einer Fluggesellschaft erhielt, liegt eine Kette von Vertragspartnern vor, die jeweils die Reiseleistung weitergeben und jeweils in die Rolle des Beförderungsvertragspartners schlüpfen. Es liegt nicht etwa ein „Durchvermitteln“ des Beförderungsvertrages mit einer Fluggesellschaft direkt an den Reisenden vor. Der Reisende sucht sich lediglich das Reisebüro als Vertragspartner aus und vereinbart mit ihm eine Beförderungsleistung zu einem bestimmten Preis. Der „Consolidator“ und der ursprüngliche Reisepreis bleiben ihm üblicherweise verborgen. Das Reisebüro hingegen sucht sich seinerseits die angebotene Reiseleistung aus dem Pool des Consolidators aus, welcher Vertragspartner des Reisebüros ist. Es obliegt auch allein dem Reisebüro, sich diesen Consolidator auszusuchen. Das Reisebüro trägt das Insolvenzrisiko des seinerseits ausgesuchten Vertragspartners, nicht der Reisende.

24. Dass die Beklagte sowohl auf ihrer Rechnung vom 27.03.2007 wie auch auf der Bestätigung vom 27.06.2007 wie auch in weiteren Schreiben jeweils davon spricht, dass es sich vorliegend um einen Vermittlungsauftrag gehandelt habe, hilft ihr nicht weiter. Die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die den Ausschlag für die Einordnung als Eigengeschäft geben, werden nicht dadurch erschüttert, dass die Beklagte selbst im Nachgang zu dem Auftrag diesen als Vermittlungsauftrag bezeichnet.

25. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen, war unerheblich, ob die Beklagte durch die vom Kläger behauptete Abrede die Verpflichtung übernommen hatte, für die Rückzahlung des ersten Reisepreises einzustehen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme kam es nicht an.

26. Der Anspruch auf Zahlung von 229,55 Euro hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 280 Abs. 2, 286 BGB.

27. Die Entscheidung zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 91, 709 ZPO.

28. Streitwert: 1.561,00 Euro.

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