Unregelmäßigkeit der Wasserversorgung und Fehlen der Freizeiteinrichtungen als Reisemängel

OLG Frankfurt: Unregelmäßigkeit der Wasserversorgung und Fehlen der Freizeiteinrichtungen als Reisemängel

Der Kläger verlangte Schadensersatz und Reisepreisminderung wegen nicht abgeschlossener Bauarbeiten während seines Aufenthalts in einer Hotelanlage auf Kuba. Der Klage wurde stattgegeben, weil die dadurch entstandenen Beeinträchtigung erheblich waren.

OLG Frankfurt 16 U 9/01 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 05.01.2001
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 05.01.2001, Az: 16 U 9/01
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Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 05. Januar 2001

Aktenzeichen: 16 U 9/01

Leitsatz:

2. Bauarbeiten am Hotelgebäude stellen einen Reisemangel dar.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Reise in eine Hotelanlage auf Kuba. Dort angekommen musste er diverse Mängel und Einschränkungen des Angebots aufgrund andauernder Bauarbeiten hinnehmen. Neben Schmutz, Lärm und einem unansehnlichen Zustand der Anlage gab es Probleme mit der Wasserversorgung. Er verlangte von der Beklagten volle Reisepreisminderung, sowie Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude und durch Schimmel zerstörte Kleidung. In erster Instanz wurde der Klage weitgehend stattgegeben. Daraufhin ging die beklagte Reiseveranstalterin vor dem Oberlandesgericht in Berufung.

Dieses gab der Berufung nur in geringem Umfang statt. Es sah in den noch nicht abgeschlossenen Bauarbeiten einen Reisemangel, der Anspruch auf eine Reisepreisminderung um 55% begründet. Dadurch war eine Erheblichkeit der Beeinträchtigungen gegeben, die weiterhin Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude mit sich bringt. Die Beklagte gab nicht an, dass sich das Hotel noch im Bau befände, sodass sie sich nicht aus der Haftung ziehen kann. Allerdings bestand kein Schadensersatzanspruch des Klägers für verschimmelte Kleidung, weil der Kläger diesen Anspruch nicht fristwahrend ausdrücklich bei der Beklagten angemeldet hatte.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2000 – 2-​21 O 164/99 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.743,04 nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des landgerichtlichen Verfahrens tragen der Kläger 46 % und die Beklagte 54 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 31 % und die Beklagte 69%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

6. Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.

1.

7. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 651d Abs. 1 BGB Minderung des Reisepreises wegen Mängel der Unterkunft und der versprochenen Einrichtungen verlangen.

8. 1.1. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Unterkunft des Klägers in der Hotelanlage in Holguín (Kuba) mit erheblichen Mängel behaftet war.

a)

9. Die Anlage war unfertig; es waren noch umfangreiche Bauarbeiten mit schwerem Gerät im Gange. Dies ist im Grundsatz zwischen den Parteien auch nicht im Streit und wird zudem durch die vorgelegten Fotos belegt. Streitig ist allein die Intensität der dadurch bedingten Beeinträchtigungen des Klägers und seiner Reisebegleiterin. Das ist weitgehend eine Bewertungsfrage. Der Beklagten ist einzuräumen, dass die Tatsache allein, dass die Anlage noch nicht fertiggestellt und Bauarbeiten noch im Gange waren, über das Ausmaß der Beeinträchtigungen keine hinreichende Auskunft gibt, um das Maß der Minderung bestimmen zu können. Andererseits ist aber auch nicht allein entscheidend, ob diese Bauarbeiten nun gerade in unmittelbarer Nachbarschaft der Unterkunft des Klägers waren. Denn ein Urlauber hält sich während der Dauer seines Urlaubs nicht nur in den weitgehend nur zum Schlafen bestimmten Räumen oder allenfalls auf einer davor befindlichen Terrasse bzw. einem dazu gehörigen Balkon auf, sondern begeht auch die zur Unterkunft gehörige Umgebung, sei es, um andere Örtlichkeiten der gebuchten Anlage zu erreichen, sei es, Örtlichkeiten außerhalb der Anlage aufzusuchen, oder sei es, um sich schlicht in der Anlage selbst zu ergehen. Auch das gehört zum Urlaubsgenuss. Muss der Reisende dabei über unfertiges, teils aufgewühltes, teils völlig unebenes, verschmutztes Gelände gehen, so stellt dies eine Beeinträchtigung dar. Dass darüber hinaus auch Baulärm durch schweres Gerät eine Beeinträchtigung darstellt, kann keinem Zweifel unterliegen. Zu Unrecht verlangt die Beklagte von dem Kläger eine lückenlose Dokumentation der angefertigten Fotos, zudem jeweils bestimmt hinsichtlich Aufnahmezeit und -ort, um dann den Umfang der Mangelhaftigkeit besser eingrenzen zu können. Das ist einem Reisenden nicht zumutbar. Der Urlaubsaufenthalt dient Erholungszwecken, nicht der Dokumentation von Reisemängeln. Es muss deshalb genügen, wenn der Reisende beispielhaft die vorhandenen Mängel fotografisch festhält.

b)

10. Unstreitig gab es Mängel in der Wasserversorgung sowohl in Bezug auf die Reinigungsmöglichkeit als auch hinsichtlich der Toiletten. Der Beklagten ist einzuräumen, dass dieser Mangel ebenfalls unstreitig nicht durchgängig während des gesamten Aufenthaltes des Klägers in der Hotelanlage auftrat. Gleichwohl stellt es eine erhebliche Beeinträchtigung dar, wenn der Reisende jeden Tag mit der Ungewissheit aufwacht, ob und gegebenenfalls wann Wasser für Bad und Toilette zur Verfügung steht, und nie weiß, ob die Wasserversorgung auch am nächsten Tag funktionieren wird oder nicht. Dass der Mangel nicht dadurch behoben ist, dass eine Notversorgung bereitgestellt wird, an der sich der Reisende (selber) bedienen kann (und muss), dürfte ebenfalls nicht zweifelhaft sein.

c)

11. Weiterhin unstreitig fehlten – wie vom Landgericht festgestellt – die in der Reisebeschreibung aufgeführten und damit zum Vertragsinhalt gewordenen Freizeiteinrichtungen der Anlage. Hierzu hat sich die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr geäußert. Allein der Umstand, dass dem Kläger und seiner Reisebegleiterin die Möglichkeit eingeräumt wurde, Freizeiteinrichtungen anderer Anlagen mit zu benutzen, zu denen sie sich über mehr oder weniger große Entfernung hinbegeben mussten, kann die Beeinträchtigung durch das Fehlen der zugesagten Einrichtungen in der gebuchten Anlage nicht wesentlich mindern.

d)

12. Weitere Mängel hat das Landgericht nicht anerkannt, sind demnach auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

13. 1.2. Das Landgericht hat die einzelnen Mängel nicht gesondert bewertet, sondern nur einen Gesamtprozentsatz für die Minderung ausgeworfen. Das ist zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden, erschwert aber die Nachprüfung. Soweit der Kläger ursprünglich die Ansicht vertrat, den Reisepreis zu 100 % mindern zu können, war dies von vornherein abwegig. Denn zu den Reiseleistungen der Beklagten gehörte auch die Verpflegung (Vollpension „all inclusive“). Dieser nicht unerhebliche Teil des Reisepreises war mangelfrei.

14. Der Senat bewertet die Mängel der Unterkunft in Bezug auf die unfertige und durch Bauarbeiten beeinträchtigte Anlage sowie in Bezug auf die Wasserversorgung mit je 15. Darüber hinaus bewertet er den erheblichen Mangel der weitgehend fehlenden Freizeiteinrichtungen mit 25%

15. Dies ergibt eine gerechtfertigte Gesamtminderung um 55%

16. Bei einem bereinigten Reisepreis von DM 11.610,- ergibt das einen Minderungsbetrag von rund DM 5.700,-​.

2.

17. Da das Ausmaß der berechtigten Minderung 50% übersteigt, steht dem Kläger für sich und seine Reisebegleiterin nach allgemeiner Rechtsauffassung gemäß § 651f Abs. 2 BGB auch eine Entschädigung für entgangenen Urlaubsgenuss zu. Dieser Rechtsgrundsatz wird selbst von der Beklagten nicht infrage gestellt. Gegen die Berechnung der Höhe dieser Entschädigung (DM 4.700,-​) hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben. Sie ist auch unabhängig davon nicht überhöht.

3.

20. Dem Kläger stehen außerdem gemäß § 651f Abs. 1 BGB die geltend gemachten Kosten für Reinigung von Hosen vor Ort aufgrund der Verschmutzungen der Hotelanlage in Höhe von DM 80,- zu. Konkrete Einwendungen hiergegen hat die Beklagte im Berufungsverfahren nicht erhoben. Dass Kleidung hat gereinigt werden müssen, hat der Kläger auch in seinem Schreiben vom 18. Januar 1999 gemäß § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB angezeigt.

4.

21. Demgegenüber wendet sich die Beklagte zu Recht gegen den geltend gemachten Schadensersatz für angeblich durch Schimmel unbrauchbar gewordene Kleidung. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger diesen Mangel weder nach den §§ 651c Abs. 2, 651d BGB gerügt, noch insoweit gemäß § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB Ansprüche angemeldet hat. In dem Schreiben vom 18. Januar 1999 ist lediglich im Zusammenhang mit der Beanstandung von Feuchtigkeit der Räumlichkeiten erwähnt, dass sich an Schuhen und Kleidung Schimmel gebildet habe. Dass daraus nicht unerhebliche Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, weil diese Kleidungsstücke hätten entsorgt werden müssen, ist diesem Schreiben jedoch nicht zu entnehmen. Auch das Verlangen einer Entschädigung „nach der Frankfurter Liste“ und das Geltendmachen von Forderungen „laut der Frankfurter Liste … in voller Höhe“ schließt der artige Schadensersatzansprüche nicht ein; denn solche Ansprüche werden von der so genannten „Frankfurter Liste“ nicht erfasst.

5.

20. Damit stehen dem Kläger folgende Beträge zu:

21. – unangefochten gebliebene Beträge wegen anderweitiger Unterbringung: DM 539,04

22. – Minderung (siehe oben zu 1.): DM 5.700,00

23. – Entschädigung wegen entgangenen Urlaubsgenusses (siehe oben zu 2.): DM 4.700,00

24. – Reinigungskosten (siehe oben zu 3.): DM 80,00

25. – Zwischensumme: DM 11.019,04

26. – abzüglich bereits erfolgter Zahlung: DM 2.276,00

27. – Restbetrag: DM 8.743,04

6.

28. Der unbeanstandet gebliebene Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F..

II.

29. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie berücksichtigt das beiderseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien in den beiden Rechtszügen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckungsschutz ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen. Für eine Zulassung der Revision (vgl. § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bestand kein Anlass.

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