Reisepreisminderung bei mangelhaftem „First-Class-Hotel“
OLG Frankfurt: Reisepreisminderung bei mangelhaftem „First-Class-Hotel“
Reisende forderten eine Reisepreisminderung, weil das als „First Class“ beworbene Hotel in Jordanien schwere hygienische Mängel aufwies. Der Klage wurde weitgehend stattgegeben, die diese Bezeichnung ein Mindestmaß an Komfort voraussetzt.
OLG Frankfurt | 16 U 60/00 (Aktenzeichen) |
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OLG Frankfurt: | OLG Frankfurt, Urt. vom 30.11.2000 |
Rechtsweg: | OLG Frankfurt, Urt. v. 30.11.2000, Az: 16 U 60/00 |
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Leitsatz:
2. Ein als First Class ausgewiesenes Hotel muss ein Mindestmaß an Comfort und Luxus bieten.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise nach Jordanien gebucht, die unter anderem die Unterbringung in einem „First Class“-Hotel vorsah. Dort angekommen mussten sie erhebliche hygienische Mängel feststellen. Die Betten waren verfleckt, die Armaturen verrostet und ebenso wie die WC-Lüftung nicht voll funktionsfähig. Es fehlte eine Minibar, im Hotelgarten und am Strand lagen Unrat, Speisereste und Exkremente von Tieren. Anstatt eines Büffets wurden nur einige auswählbare Gerichte im Garten inmitten herumstreunender Katzen angeboten. Die Klägerin erkrankt überdies an einem schweren Magen-Darm-Infekt, der zurück in Deutschland diagnostiziert wurde und den sie auf das Hotelessen zurückführte. Die Reisenden verlangten daher von der Beklagten Reisepreisminderung um 60% und Schadensersatz für die Gesundheitsbeeinträchtigung. Die Beklagte wandte ein, die Kläger hätten die Mängel nicht vor Ort gerügt und ihre Minderungsansprüche damit verwirkt. In erster Instanz erhielten die Reisenden Recht.
Auf die Berufung beider Parteien hin verhandelte das Oberlandesgericht Frankfurt den Fall. Es sah die Klage nach wie vor in weiten Teilen als zulässig und begründet an. Ein als „First Class“ ausgewiesenes Hotel sollte ein Mindestmaß an Comfort und Luxus bieten. Selbst nach den Kriterien im Urlaubsland, lassen obige Mängel das Hotel nicht als „First Class“ ausweisen. Eine Mängelrüge war entbehrlich, da sich die Kläger in dem Hotel nur einen von acht Tagen aufhielten und eine Reiseleitung nicht zur Verfügung stand. Allerdings bestand kein Schadensersatzanspruch wegen des Magen-Darm-Infekts, denn die Kläger hatten keinen schlüssigen Nachweis erbracht, dass sich die Klägerin den eher in Mitteleuropa tpyischen Erreger über das Hotelessen zugezogen hätte.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2000 – 2-21 O 257/99 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1. und an den Kläger zu 2. jeweils DM 166,28 nebst je 4% Zinsen seit dem 18. August 1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des landgerichtlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 1. 58,6%, der Kläger zu 2. 37,7% und die Beklagte 3,7%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1. 60,9%, der Kläger zu 2. 37,7% und die Beklagte 1,4%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer:
für die Klägerin zu 1.: DM 14.182,19;
für den Kläger zu 2.: DM 8.782,19;
für die Beklagte: DM 332,56.
Gründe:
5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
I.
6. Die zulässige Berufung der Kläger ist nur zu einem sehr geringfügigen Teil begründet.
1.
7. Für Mängel der Unterkunft in Amman hat das Landgericht den Klägern eine Minderung von je DM 271,10 zugesprochen. Mangels einer Anschlussberufung ist dieser Punkt dem Grunde nach nicht mehr im Streit.
8. Soweit die Kläger den geltend gemachten Minderungsbetrag nach einem Tagesreisepreis unter Zugrundelegung von sieben Reisetagen berechnet haben, während das Landgericht von acht Reisetagen ausgegangen und deshalb zu einem etwas geringeren Tagesreisepreis gekommen ist, haben die Kläger Einwendungen hiergegen im Berufungsverfahren nicht erhoben, obwohl der unberücksichtigt gebliebene Spitzenbetrag gleichwohl in ihre Berufungsanträge eingeflossen ist.
9. Das Landgericht hat aber unabhängig davon zu Recht bei einem vom 10. bis zum 18. April 1999 dauernden Aufenthalt in Jordanien acht Reisetage zugrunde gelegt.
2.
10. Darüber hinaus stehen den Klägern entgegen der Auffassung des Landgerichts auch Minderungsansprüche für ihren Hotelaufenthalt in A. zu.
11. 2.1. Die Kläger haben für ihren Aufenthalt in Jordanien Halbpension mit Unterkunft nach Typ 2 gebucht. Im Prospekt der Beklagten sind für diese Kategorie »First-Class-Hotels« ausgeschrieben, und zwar in A. das C. B. Hotel. Diese Unterkunft war mangelhaft.
a)
12. Über den Zustand dieses Hotels haben die Kläger vorgetragen: Dieses Hotel und der dazu gehörige Strand seien völlig verdreckt gewesen. Am Strand hätten Plastikteile, Essenreste und sonstiger Müll in Massen herumgelegen; entsprechend sei dieser Strand ein Tummelplatz für unzählige streunende Katzen gewesen, die mit ihrem Kot den Strand vollends unbenutzbar gemacht hätten, weshalb es zudem überall von Fliegen gewimmelt habe. Das ihnen zugewiesene Hotelzimmer sei total heruntergewirtschaftet und stark verschmutzt gewesen; der Teppich habe große Löcher aufgewiesen; dies haben sie mit Fotos belegt. Die Matratzen seien stark gelbbraun verfleckt gewesen. Die Armaturen des Bades seien – belegt durch Fotos – teilweise verrostet und undicht gewesen, sodass aus dem Duschkopf kaum Wasser gekommen sei. Die WC-Lüftung habe nicht funktioniert. Im Schrank hätten sich nur zwei Bügel befunden. Eine Minibar habe gefehlt. Im Garten habe überall Unrat und gammelnde Speisereste gelegen, die von den Obern beim Abräumen der Tische dorthin geworfen und von den unzähligen Katzen nur teilweise vertilgt worden seien. Es habe kein Büfett gegeben, lediglich einige auswählbare Gerichte, die in einem Pavillon zubereitet worden seien. Während des Essens seien zahlreiche Katzen bettelnd um sie – die Kläger – herumgestreunt. Der Agent der Beklagten habe im Übrigen bestätigt, dass der verheerende Zustand in dem Hotel allgemein bekannt gewesen sei.
13. Die Beklagte hat diesen Vortrag lediglich pauschal, allenfalls hinsichtlich vereinzelter Mängel konkret bestritten und ihrerseits behauptet, das Hotelzimmer habe sich in einem sauberen und hygienisch einwandfreien Zustand befunden – ohne allerdings auf die vorgelegten Fotos einzugehen – und auch der Hotelgarten sei in einem hygienisch einwandfreien Zustand gewesen. Im Übrigen seien streunende Katzen in Jordanien nichts Ungewöhnliches.
14. Ob das Hotelzimmer „sauber“ und „hygienisch einwandfrei“ war, kann dahingestellt bleiben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der im Übrigen nicht weiter konkret bestrittene oder durch Fotos belegte Zustand des Zimmers nicht den Anforderungen an ein „First-Class- Hotel“ entspricht. Das Gleiche gilt für die beschränkte Möglichkeit der Esseneinnahme. Die Beklagte trägt nicht vor, dass es außer der Essensausgabe im Garten auch noch ein im Inneren des Hotels gelegenes Restaurant gegeben habe; sie sagt nur, die Kläger hätten sich nach innen begeben können, um den Katzen zu entgehen. Überhaupt nicht geäußert hat sich die Beklagte zum Zustand des Hotelstrandes; die Schilderung der Kläger ist damit im Wesentlichen unstreitig.
b)
15. Zu Unrecht wirft das Landgericht jedoch den Klägern vor, sie hätten den Mangel nicht gemäß § 651d Abs. 2 BGB gerügt.
16. Eine Mängelanzeige ist nur dann erforderlich, wenn dem Reiseveranstalter bzw. seiner örtlichen Reiseleitung dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme sowie der Abhilfe verschafft werden soll. Es bedarf ihrer deshalb dann nicht, wenn objektiv eine Abhilfe gar nicht möglich ist oder wenn der Mangel dem Reiseveranstalter bzw. der örtlichen Reiseleitung bereits bekannt ist, weil er offensichtlich ist.
17. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass sich die Kläger nur eine einzige Nacht (15./16. April 1999) in dem Hotel aufgehalten haben. Eine Möglichkeit, eine Mängelanzeige bei einem verantwortlichen Reiseleiter der Beklagten anzubringen, bestand unter diesen Umständen kaum, zumal nicht einmal die Beklagte vorträgt, dass ein Reiseleiter zur Entgegennahme einer Mängelanzeige und zur Abhilfe zur Verfügung gestanden habe. Außerdem trägt die Beklagte nicht vor, dass im Falle einer Mängelanzeige eine Abhilfe möglich gewesen wäre; sie hält das Hotel ja gerade für „sauber“ und „hygienisch einwandfrei“.
18. Hinzu kommt noch, dass die Kläger unter Beweisantritt behaupten, der Agent der Beklagten habe sich dahingehend geäußert, dass der verheerende Zustand des Hotels allgemein bekannt gewesen sei. Diese Behauptung hat die Beklagte nicht ausdrücklich bestritten.
19. Deshalb hindert hier die fehlende Mängelanzeige einen Minderungsanspruch nicht.
c)
20. Als Maß der Minderung hält der Senat 60% für angemessen und ausreichend, da die Kläger nur Halbpension gebucht hatten, sodass der Unterkunftsteil stärker zu gewichten ist. Auszugehen ist bei der Ermittlung des Minderungsbetrages vom Gesamtreisepreis (Führich a.a.O. RN 260).
21. Dabei ist im vorliegenden Fall allerdings die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Kläger den Hin- und Rückflug (Hamburg-Frankfurt am Main-Amman und Athen-Frankfurt am Main-Hamburg) wie auch die sich an die bei der Beklagten gebuchte Rundreise anschließende Kreuzfahrt bei einem anderen Reiseveranstalter gebucht haben. Bei einer solchen zusammengesetzten Reise sind die Transportkosten auf die beiden Reiseteile aufzuteilen. Da hier beide Reiseteile mit je 8 Tagen gleich lang sind, sind die Flugkosten in Höhe von DM 2.268,- in diesem Falle hälftig aufzuteilen (= je DM 1.134,-). Zuzüglich der Kosten der bei der Beklagten gebuchten Reise von DM 3.300,- ergibt sich ein Gesamt-Teilreisepreis von DM 4.434,- oder DM 554,25 täglich. Eine Minderung von 60% entspricht einem Betrag von DM 332,55, wovon auf jeden der beiden Kläger DM 166,28 entfallen.
22. 2.2. Eine weitergehende Minderung des Reisepreises für die Erkrankung der Klägerin zu 1. aufgrund einer angeblich verseuchten Mahlzeit steht den Klägern dagegen nicht zu.
a)
23. Insoweit machen die Kläger geltend, der Klägerin zu 1. sei im Hotel C. B. eine Mahlzeit verabreicht worden, die mit Shigellen-Bakterien verseucht gewesen sei, wovon sie schwer an Bakterienruhr erkrankt sei. Nach ihrer Rückkehr habe jedenfalls der behandelnde Arzt bei der Klägerin zu 1. Keime von „Shigella sonnei“ im Stuhl festgestellt. Die Beklagte bestreitet, dass die im Hotel eingenommene Mahlzeit verseucht gewesen sei und dass die Klägerin zu 1. daran erkrankt sei.
24. Es ist aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, dass sich die Klägerin zu 1. die erlittene Bakterienruhr aufgrund der im C. B. Hotel kurz zuvor eingenommenen Abendmahlzeit zugezogen hat.
25. Bei der Shigellen-Art „Shigella sonnei“ handelt es sich um eine solche, die in Mitteleuropa am häufigsten vorkommt und der Erreger (nur) der flüchtigen und harmlosen sog. Sommer- Diarrhoe ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch [1998], Stichwort „Shigella“). Damit sind jedoch die Symptome, die bei der Klägerin zu 1. aufgetreten sein sollen, nämlich schmerzhafte Krämpfe nicht nur im Magen, sondern auch in den Waden, Kreislaufkollaps, Erbrechen von Blut, erheblicher Gewichtsverlust, nur schwer zu vereinbaren. Diese Symptome weisen eher auf die Bakterienform „Shigella dysenteriae“ hin (Pschyrembel a.a.O. „Bakterienruhr“), die jedoch bei der Klägerin zu 1. nicht festgestellt worden ist.
26. Hinzu kommt, dass die Inkubationszeit bei Shigellose (= Bakterienruhr) 2-7 Tage beträgt (Pschyrembel a.a.O. „Bakterienruhr“). Damit kann sich die Klägerin zu 1. eine solche Erkrankung überhaupt nicht durch das Abendessen am 15. April 1999 im Hotel C. B. in A. zugezogen haben.
27. Soweit der Schiffsarzt auf dem Kreuzfahrtschiff angesichts der festgestellten Symptome eher auf eine Salmonellenvergiftung getippt hat, beträgt auch bei dieser die mittlere Inkubationszeit 20-24 Stunden (Pschyrembel a.a.O. „Salmonellosen“). Daraus folgt ebenfalls, dass sich die Klägerin zu 1. ihre Erkrankung, die nach dem Vortrag der Kläger kurze Zeit nach dem Abendessen aufgetreten sei, nicht durch dieses zugezogen haben kann.
b)
28. Soweit die Kläger behaupten, dass die Klägerin zu 1. während der gesamten Rundreise keinerlei Getränke und Speisen außerhalb der bei der Beklagten gebuchten Hotels – ausgenommen Mineralwasser aus geschlossenen Originalflaschen – zu sich genommen habe, fehlt es an dem Vortrag eines Tatbestandes, aufgrund dessen sich die Klägerin zu 1. diese Erkrankung durch mangelnde Hygiene in einem der anderen gebuchten Hotels zugezogen haben kann.
29. Damit entfällt ein weiterer Minderungsanspruch.
3.
30. Konnten die Kläger somit nicht schlüssig darlegen, dass sich die Klägerin zu 1. ihre Erkrankung durch unhygienische Zustände in dem Hotel C. B. in A. zugezogen hat, so entfallen alle Schadensersatzansprüche der Kläger nach § 651f Abs. 1 und/oder Abs. 2 BGB sowie ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 1. nach § 847 in Verbindung mit § 831 BGB.
II.
31. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie berücksichtigt das beiderseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien in den beiden Rechtszügen.
32. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckungsschutz ergibt sich
33. aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen.
34. Für eine Zulassung der Revision (vgl. § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bestand kein Anlass.
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