Unentgeltliche Beförderung von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter

OLG Brandenburg: Unentgeltliche Beförderung von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter

Ein Luftfahrtunternehmen wollte die Kosten für die Beförderung von Bundespolizisten als Flugsicherheitsbegleiter vom Staat erstattet haben. Das Oberlandesgericht Brandenburg stellte fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die von ihr verauslagten passagierbezogenen Aufwendungen und auch keine Erstattung der personenbezogenen Zusatzkosten hat.

OLG Brandenburg 2 U 2/16 (Aktenzeichen)
OLG Brandenburg: OLG Brandenburg, Urt. vom 14.03.2017
Rechtsweg: OLG Brandenburg, Urt. v. 14.03.2017, Az: 2 U 2/16
LG Potsdam, Urt. v. 17.02.2016, Az: 11 O 245/14
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Oberlandesgericht Brandenburg

1. Urteil vom 14. März 2017

Aktenzeichen 2 U 2/16

Leitsätze:

2. Ein Luftfahrtunternehmen trägt die passagierbezogenen Kosten bei dem Transport von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter.

Nach § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG hat das Luftfahrtunternehmen auch die passgierbezogenen Zusatzkosten bei dem Transport von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter zu tragen.

Zusammenfassung:

3. Ein Luftfahrtunternehmen hat Bundespolizeibeamte als Flugsicherheitsbegleiter transportiert. Hierfür forderte sie vom Staat Kostenerstattung und klagte in drei Instanzen ohne Erfolg.

Das Oberlandesgericht Brandenburg stellte fest, dass gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet sind, Flugsicherheitsbegleiter unentgeltlich zu befördern. Die Anwendung des § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG scheiterte an der vorrangigen Regelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG. somit konnte die Klägerin auch keine personenbezogenen Zusatzkosten verlangen.

Der Klägerin wurde folglich kein Anspruch auf Kostenerstattung zugesprochen.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.2.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam –11 O 245/14 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe vor der Vollstreckung leistet

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 3.000.000,00 €

Gründe:

5. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung der passagierbezogenen Steuern, Abgaben und Entgelte, die ihr von Dritten in den Jahren 2008 bis 17.09.2015 bei der Durchführung von Flügen für die von ihr zu befördernden Bundespolizeibeamten (Flugsicherheitsbegleiter) berechnet wurden.

6. Die Klägerin ist als Luftfahrtunternehmen gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG verpflichtet, Flugsicherheitsbegleiter unentgeltlich zu befördern. Sie meint, die Unentgeltlichkeit beziehe sich lediglich auf die Sowieso-​Kosten. Hierunter versteht die Klägerin die Kosten, die ihr entstünden, wenn der Platz des Flugsicherheitsbegleiters leer bliebe. Zu den Kosten, für die die Klägerin keinen Deckungsbeitrag erhält, zählen ferner die Aufwendungen, die der Klägerin für die Sicherungsmaßnahmen nach § 9 LuftSiG entstehen. Dazu gehören z.B. gewichts- und lärmbezogene Start- und Landeentgelte der Flughäfen, öffentliche Abgaben und ähnliche Kosten, die ihr von Flughäfen oder staatlichen Stellen für die Durchführung des Flugs – unabhängig von der Anzahl der tatsächlich beförderten Passagiere – in Rechnung gestellt werden.

7. Daneben trägt die Klägerin passagierbezogene Kosten. Das sind weitere Entgelte, Gebühren und andere staatliche Abgaben, die ihr in- und ausländische Flughäfen oder Behörden nach der Zahl der auf dem jeweiligen Flug beförderten Passagiere – also pro Kopf – in Rechnung stellen.

8. Die Klägerin meint, sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG auf Ersatz der passagierbezogenen Zusatzkosten, die ihr durch die Beförderung der Flugsicherheitsbegleiter entstehen.

9. Die Klägerin erbringe ein Sonderopfer, indem sie die passagierbezogenen Zusatzkosten, die ihr Dritte für die Beförderung der Bundespolizeibeamten in Rechnung stellen, trage. Sie werde bei der Beförderung von Bundespolizeibeamten nicht als Verhaltens- (§ 17 BPolG) oder Zustandsstörer (§ 18 BPolG) in Anspruch genommen. Sie sei auch nicht notstandspflichtig (§ 20 BPolG). Das Luftfahrtunternehmen sei unbeteiligter Dritter im Sinne des § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG.

10. Die in § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG normierte Unentgeltlichkeit der Beförderung stehe dem nicht entgegen. Vielmehr bedeute dies nach der gesetzlichen Systematik nur, dass die Klägerin sich so behandeln lassen müsse, als sei der Platz des Flugsicherheitsbegleiters unbesetzt geblieben.

11. Die Klägerin hat beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.331.151,37 € nebst Zinsen i.H.v. 9 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.074.681,30 € und aus 256.470,07 € jeweils seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

13. festzustellen, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, ihr ab 18.9.2015 den Teil der sonstigen, der Klägerin von Dritten auferlegten Steuern, Abgaben, Gebühren und Entgelte zu erstatten, welche die Klägerin bei der Durchführung eines Flugs je beförderten Passagier an Dritte zahlt (passagierbezogene Zusatzkosten), soweit diese passagierbezogenen Zusatzkosten auf die von der Klägerin bei der Durchführung des Flugs beförderten Flugsicherheitsbegleiter entfallen.

14. Die Beklagte hat beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Sie meint, der Gesetzgeber habe in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Unentgeltlichkeit der Beförderungspflicht geregelt. Soweit die Klägerin zwischen den Sowieso-​Kosten bzw. Selbstkosten und Zusatzkosten, die gegenüber Dritten zu entrichten sind, unterscheiden möchte, finde sich im Polizeirecht hierfür keine Grundlage.

17. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich ein Anspruch der Klägerin weder aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG noch aus § 51 Abs. 1 Nr. 2 BPolG ergebe. Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG sei die Klägerin verpflichtet, die Bundespolizeibeamten unentgeltlich zu befördern. Das schließe auch einen Anspruch auf Erstattung ihrer Selbstkosten aus. Auch im Wege einer teleologischen Reduktion ließe sich die Norm nicht im Sinne der Klägerin auslegen.

18. § 51 Abs. 1 Nr. 2 BPolG sei direkt nicht anzuwenden, weil kein Fall des § 62 Abs. 1 BPolG vorliege. Eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht, weil die Klägerin jedenfalls kein Sonderopfer erbringe. Die Zusatzkosten würden durchschnittlich 300.000,00 € betragen bei einem Umsatz von 30 Milliarden.

19. Auch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB verneint das Landgericht, weil es nicht an der Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Beförderung fehle.

20. Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 ZPO).

21. Gegen dieses Urteil, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26.2.2016 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 22.3.2016. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

22. Das Urteil des Landgerichts verletze Art. 12 GG und verstoße gegen § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG i.V.m. § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG, soweit es um die passagierbezogenen Zusatzkosten gehe, die aus Anlass der Beförderung von Bundespolizeibeamten bei Inlandsflügen sowie bei den Auslandsflügen anfallen, bei denen die Bundespolizeibeamten ihre hoheitlichen Aufgaben auf fremdem Staatsgebiet im Einklang mit dem Völkerrecht ausüben. Soweit die passagierbezogenen Zusatzkosten aus Anlass der Beförderung der Bundespolizei im Ausland anfallen, ohne dass eine ausreichende völkerrechtliche Ermächtigung für die Aufgabenwahrnehmung durch deutsche Polizeikräfte vorliege, verletze das Urteil § 51 Abs. 2 Nr. 1 BPolG.

23. Die Klägerin sei unbeteiligte Dritte im Sinne des § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG. Ihr sei auch ein Schaden entstanden durch den Einsatz der Flugsicherheitsbegleiter. Der Schaden bestehe aus den Aufwendungen der Klägerin für die Entgelte und öffentlichen Abgaben, die Flughäfen und/oder Staaten für ihre Flüge pro Kopf für jeden beförderten Passagier erheben.

24. Der Entschädigungsanspruch der Klägerin werde nicht durch § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG ausgeschlossen. Die Norm sei verfassungskonform auszulegen. Die verfassungskonforme Auslegung gebiete es, der Klägerin zumindest hinsichtlich der bei der Beförderung der Bundespolizeibeamten anfallenden passagierbezogenen Zusatzkosten einen Entschädigungsanspruch als unbeteiligte Dritte zu zuerkennen. Andernfalls wäre § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG verfassungswidrig.

25. Die gesetzliche Verpflichtung zur unentgeltlichen Beförderung stelle als Inpflichtnahme Privater zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit dar. Es handele sich dabei nicht um Rahmenbedingungen für die Berufsausübung, sondern einen staatlichen Beschaffungsvorgang. Ein solcher Eingriff sei regelmäßig nur dann verhältnismäßig, wenn der in Anspruch genommene Unternehmer angemessen entschädigt werde.

26. Bei der verfassungskonformen Auslegung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG sei zu beachten, dass „unentgeltlich“ nicht „entschädigungslos“ bedeute. Dies belege § 145 SGB IX. Nach dieser Vorschrift müssen Nahverkehrsunternehmen schwer behinderte Menschen unentgeltlich befördern. Gleichwohl würden sie eine angemessene Entschädigung nach Maßgabe der §§ 148 – 151 SGB IX erhalten.

27. Ein Entschädigungsanspruch bei internationalen Flügen ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte rechtswidrig handele, wenn sie Bundespolizeibeamten befördern lasse, ohne dass ihr hoheitliche Befugnisse zu stünden.

28. Die Klägerin beantragt,

1.

29. Das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17.2.2016 (Az. 11 O 245/14) wird geändert:

1.1

30. die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, 2.331.151,37 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.074.681,30 € und aus 246.470,07 € jeweils seit Rechtshängigkeit an die Klägerin/Berufungsklägerin zu zahlen.

1.2.

31. Es wird festgestellt, dass die Beklagte/Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klägerin/

32. Berufungsklägerin ab dem 18.9.2015 den Teil der sonstigen, der Klägerin/Berufungs-

33. Klägerin von Dritten auferlegten Steuern, Abgaben, Gebühren und Entgelte zu erstatten, welche die Klägerin/Berufungsklägerin bei der Durchführung eines Flug je beförderten Passagier an Dritte zahlt (passagierbezogene Zusatzkosten), soweit diese passagierbezogenen Zusatzkosten auf die von der Klägerin/Berufungsklägerin bei der Durchführung des Flugs beförderten Flugsicherheitsbegleiter der Beklagten/ Berufungsbeklagten entfallen.

34. Die Beklagte beantragt,

35. die Berufung zurückzuweisen.

36. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

37. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.

38. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG auf Erstattung der von ihr verauslagten passagierbezogenen Aufwendungen.

a)

39. Die Klägerin mag bei ihrer Inanspruchnahme durchaus ein unbeteiligter Dritter im Sinne des § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG sein. Die Inanspruchnahme der Klägerin beruht auf § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG. Die von § 62 BPolG erfassten Personen sind keine polizeirechtlich Verantwortlichen. Sie haben weder durch ihr Verhalten Gefahren verursacht noch gehen diese auf den Zustand einer Sache zurück. Ihre Inanspruchnahme folgt auch nicht den Grundsätzen der Inanspruchnahme eines Nichtstörers (vgl. Schenke/Graulich/Ruthig/Ruthig BPolG § 62 Rn. 1). Es handelt sich um eine Indienstnahme Privater, wie sie sich auch in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts findet (vgl. Schenke/Graulich/Ruthig/Ruthig BPolG § 62 Rn. 2). Durch sie nimmt der Staat die persönlichen oder sachlichen Kräfte Privater zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in Anspruch. Die Indienstnahme erschöpft sich darin, Rechte und Pflichten zwischen dem Staat und dem Privaten zu begründen.

40. Die in § 62 normierten Unterstützungspflichten, die als Spezialregelungen die Anwendung des § 20 ausschließen, richten sich regelmäßig gegen Nichtstörer (vgl. Schenke/Graulich/ Ruthig/Wolf-​Rüdiger Schenke BPolG § 20 Rn. 15).

41. § 20 Abs. 2 BPolG stellt klar, dass nach polizeirechtlichen Spezialermächtigungen Personen teilweise auch dann Adressaten polizeilicher Maßnahmen sein können, wenn bei ihnen nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 BPolG vorliegen. § 20 Abs. 2 BPolG verweist auf die Sonderregelungen „dieses Abschnitts“ (§ 14-​50 BPolG), jedoch lediglich deklaratorisch (vgl. Nomos-​BR/Wehr BPolG/Matthias Wehr BPolG § 20 Rn. 4). Insofern soll es unschädlich sein, dass § 62 BPolG nicht einbezogen wird (Matthias Wehr a. a. O.).

b)

42. Indes scheitert die Anwendung des § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG an der vorrangigen Regelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG.

43. Eine Entschädigung nach den allgemeinen Vorschriften über die Entschädigung von Nichtstörern scheitert schon daran, dass die Indienstnahme Privater eben keine Notstandsinanspruchnahme darstellt, wie unter Ziff. 1a schon ausgeführt. Ob also eine Kostenerstattung stattfindet, ist allein aus § 62 BPolG zu beantworten (vgl. Schenke/Graulich/ Ruthig/Ruthig BPolG § 62 Rn. 18).

aa)

44. Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG haben die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr tätigen Verkehrsunternehmer die Beamten der Bundespolizei bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben unentgeltlich zu befördern. Damit beschränkt sich der Anwendungsbereich der Norm auf bestimmte Aufgaben. Für den Bereich der Verkehrsunternehmen betrifft die Indienstnahme den Grenzschutz, die Bahnpolizei und die – hier interessierende – Luftsicherheit (§ 4 Buchst. a BPolG). Die Beförderung in der Luft kann nur im Rahmen der Aufgaben nach § 4 Buchst. a BPolG verlangt werden.

45. Soweit die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG erfüllt sind, es sich mithin um einen Einsatz zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung an Bord deutscher Luftfahrzeuge handelt, sind die Luftfahrtunternehmen verpflichtet, die Beamten unentgeltlich zu befördern. In dem zu entscheidenden Fall geht es nur um solche Einsätze.

46. Zutreffend hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil hierzu ausgeführt, dass nach dem Wortsinn und allgemeinen Sprachgebrauch „unentgeltlich“ bedeutet, dass etwas ohne Bezahlung erfolgt. Im Duden heißt es weiter: „(Rechtssprache) kostenfrei“. Nach Auffassung des Senates spielt es für die Auslegung nach dem Wortsinn deshalb keine Rolle, ob dem Luftfahrtunternehmen durch den unentgeltlichen Transport Kosten entstehen, die passagierbezogen sind.

 47. Eine Erstattung der Selbstkosten des Unternehmens sieht § 62 BPolG lediglich in Abs. 3 und 4 vor. Hier geht es um das Zurverfügungstellen von Diensträumen und Parkplätzen nach Abs. 3 um oder weitere Einrichtungen und Leistungen nach Abs. 4. Beides ist hier nicht einschlägig.

48. Es liegt auch kein Fall des § 62 Abs. 1 BPolG vor, bei dem ein Ausgleich gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 BPolG verlangt werden könnte.

bb)

49. Auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 PolG führt nicht zu einem Entschädigungsanspruch der Klägerin gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG.

50. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass mit der gesetzlichen Verpflichtung zur unentgeltlichen Beförderung sie als Privater zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe in Dienst genommen wird. Das stellt einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG) dar. Das führt aber nicht zu einer teleologischen Reduktion bei der Auslegung des § 62 BPolG als abschließender Regelung für Kostenerstattungsansprüche bei dem Transport von Bundespolizisten. Die Kostenregelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin dar. Hierdurch wird die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin als Flugunternehmen nicht in unzumutbarer Weise eingeschränkt. Nach den Feststellungen des Landgerichts betragen die jährlichen passagierbezogenen Kosten der Klägerin für die Beförderung der Bundespolizeibeamten etwa 300.000 € im Durchschnitt. Angesichts des Umsatzes von 30 Milliarden € sind diese Kosten von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Zudem kann die Klägerin als Luftfahrtunternehmen diese Kosten in den Flugpreis einkalkulieren und damit auf die Passagiere ganz oder teilweise abwälzen. Wie bei der Flugsicherheitsgebühr (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11.8.1998 – 1 BvR 1270/94) ist auch hier zu berücksichtigen, dass der Klägerin durch den Einsatz der Bundespolizisten auch ein Sicherheitsvorteil entsteht. Damit wird den Passagieren objektiv ein Sicherheitsgewinn gewährt und subjektiv ein zusätzliches Sicherheitsgefühl vermittelt. Soweit die Klägerin dies pauschal in Abrede stellt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Regelung des § 4 Buchst. a BPolG erstreckt die Abwehr von Gefahren für das Schutzgut „Sicherheit des Luftverkehrs“ auf den Bordbereich von deutschen Luftfahrzeugen im Luftraum. Damit wurde nach der Intention des Gesetzgebers den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 20. September 2001 (12156/01, Nummer 8 und 33) Rechnung getragen, wonach neben der Sicherheit an den Flughäfen auch die Sicherheit an Bord der Flugzeuge das höchstmögliche Niveau erreichen soll (BT-​Drs. 14/7386 S. 45 ff.).

51. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 145 SGB IX verweist, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Diese Norm soll durch die Möglichkeit der unentgeltlichen Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Leben in der Gemeinschaft unterstützen, indem ihre Mobilität gefördert wird. Unternehmen, die öffentlichen Personennahverkehr betreiben, werden damit gesetzlich verpflichtet, bestimmte Gruppen schwerbehinderter Menschen unentgeltlich zu befördern. Hierfür erhalten sie eine pauschale Entschädigung, die das Ziel hat, die entstehenden Fahrgeldausfälle angemessen auszugleichen. Eine Kompensation in vollem Umfang ist dabei nicht vorgesehen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.3.2014 – 1 BvR 1417/10 -). Schon allein wegen des Umfangs der Gruppe der zu befördernden Personen ist der Sachverhalt mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar.

52. Auch der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung (NJW 2009, 2735) geht fehl. Denn anders als im Fall des Pflichtverteidigers, der für seine Aufgabe in vollem Umfang beruflich in Anspruch genommen wurde, betrifft die Inanspruchnahme der Klägerin nur einen geringen Bruchteil ihrer unternehmerischen Tätigkeit. Aus diesem Grund sind auch die anderen von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, dass die Heranziehung zur Mithilfe bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe schon an sich, ohne Rücksicht auf ihre Ausgestaltung im Einzelnen einen Anspruch auf Entschädigung oder Aufwendungsersatz auslösen würde, ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.3.2014 – 1 BvR 1417/10 Rn. 24).

53. Der Senat vermag auch nicht den Überlegungen der Klägerin zum Willen des Gesetzgebers folgen. Soweit die Klägerin meint, dass der Gesetzgeber nicht jegliche Entschädigung der Verkehrsunternehmen für die Beförderung der Bundespolizeibeamten bei ihrer Aufgabenerfüllung ausschließen wollte, steht dies in nicht auflösbarem Widerspruch zu dem Wortlaut der Norm. Es trifft zwar zu, dass die Gesetzgebungsmaterialien (BT-​Drucksache 14/7386 Seite 47) für diese Frage unergiebig sind. Für den Senat ist es aber nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Problematik der passagierbezogenen Kosten übersehen hätte. Dem Gesetzgeber dürfte aufgrund der Einführung der Flugsicherungsgebühr (Kostenverordnung der Luftfahrtverwaltung vom 14.2.1984 – Bundesgesetzblatt I Seite 346) i.V.m. der Verordnung vom 8.6.1990 (Bundesgesetzblatt I. Seite 1020) bekannt gewesen sein, dass es passagierbezogene Zusatzkosten im Luftverkehr gibt. Denn nach Abschnitt VIII. Nr. 23 des Verzeichnisses der gebührenpflichtigen Amtshandlungen war eine Gebühr von 3,50 DM-​6,50 DM je Fahrgast für die Sicherheitskontrolle zu zahlen. Zudem waren die Luftfahrtunternehmen verpflichtet, den Luftfahrtbehörden die Anzahl der überprüften Fluggäste mitzuteilen.

cc)

54. Auch eine analoge Anwendung des §§ 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG scheidet aus. Der Senat vermag keine planwidrige Regelungslücke zu erkennen, die Voraussetzung für eine Analogie wäre.

2.

55. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Erstattung der personenbezogenen Aufwendungen für internationale Flüge gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 1 BPolG zu. Das würde voraussetzen, dass das Mitfliegen des Bundespolizisten über dem Hoheitsgebiet eines anderen Landes eine rechtswidrige Maßnahme wäre. Zutreffend ist, dass das im internationalen Luftverkehr geltende Prinzip der Lufthoheit es grundsätzlich verbietet, dass im Luftraum eines Staates das Polizeirecht eines anderen Staates gilt (Schenke/Graulich/Ruthig/ Graulich BPolG § 4a Rn. 20). Hoheitliche Gewalt als Bundespolizei können die Flugsicherheitsbegleiter deshalb nur über dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausüben (vgl. z.B. Schaefer, Luftsicherheitsverwaltung durch Private: Eine Bestandsaufnahme, NVwZ 2016, 1135). Allein das Mitfliegen stellt noch keine Ausübung hoheitlicher Gewalt dar.

56. Für die Unentgeltlichkeit der Beförderung ist diese Frage aber unerheblich. Schon aus tatsächlichen Gründen wird bei Auslandsflügen der mitreisende Bundespolizist auch über ausländischem Hoheitsgebiet bis zum Erreichen des Zielflughafens mitfliegen müssen und die Beförderungspflicht der Klägerin schließt nach allgemeiner Meinung auch die Rückreise mit ein (Nomos-​BR/Wehr BPolG/Matthias Wehr BPolG § 62 Rn. 13 m.w.Nw.). Deshalb schließt die spezielle Regelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG, die ausschließlich den grenzüberschreitenden Verkehr betrifft, auch eine Erstattung der passagierbezogenen Kosten gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 1 BPolG aus.

3.

57. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch aus § 812 BGB verneint.

4.

58. Aus den oben genannten Gründen ergibt sich, dass auch die Feststellungsklage unbegründet ist.

5.

59. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

60. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

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