Reisekrankenversicherung in Form einer „Incoming-Versicherung“
KG Berlin: Reisekrankenversicherung in Form einer „Incoming-Versicherung“
Eine Incoming-Versicherungsnehmerin aus Angola unterzog sich in Deutschland einer Operation. Der Kläger forderte in ihrem Namen die Erstattung der Behandlungskosten vom Versicherer. Die Klage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen, da der Nachweis fehlte, dass die Krankheit unerwartet war.
KG Berlin | 6 U 142/14 (Aktenzeichen) |
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KG Berlin: | KG Berlin, Urt. vom 17.06.2017 |
Rechtsweg: | KG Berlin, Urt. v. 17.06.2017, Az: 6 U 142/14 |
LG Berlin, Urt. v. 18.09.2014, Az: 7 O 348/13 | |
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Leitsatz:
2. Bei einer Incoming-Versicherung obliegt es dem Versicherungsnehmer im Behandlungsfall, nachzuweisen, dass die Erkrankung unerwartet war, um Erstattungsanspruch zu haben.
Zusammenfassung:
3. Eine Versicherungsnehmerin einer sogenannten Incoming-Versicherung aus Angola unterzog sich bei ihrem Deutschlandaufenthalt einer Operation wegen akuter Unterleibsbeschwerden. Der Kläger forderte in ihrem Namen vom Versicherer die Erstattung der Behandlungskosten, welche dieser verweigerte.
Die Klage und auch die Berufung des Klägers wurden abgewiesen. Es fehlte an einem Nachweis, dass es sich um eine unerwartete schwere Erkrankung handelte. Die Patientin war bereits vor ihrer Einreise über einen langen Zeitraum aufgrund ihrer Unterleibsbeschwerden in Behandlung gewesen. Die vom Kläger behaupteten, nach der Einreise plötzlich auftretenden Schmerzen nach längerer Beschwerdefreiheit genügten nicht, die unerwartete schwere Erkrankung zu begründen.
Der Patientin stand in der Folge keine Erstattung der Behandlungskosten zu.
Tenor:
4. In dem Rechtsstreit M… ./. … Versicherungs-AG hat der Senat nunmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 18. September 2014 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
I.
5. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Reisekrankenversicherung für Besucher der Bundesrepublik Deutschland wegen der medizinischen Heilbehandlung der versicherten Person.
6. Die damals 30-jährige und weibliche versicherte Person befand sich in Angola in ärztlicher Behandlung, weil sie einen Kinderwunsch hegte. Aus einem medizinischen Bericht der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. G… vom 23. Juli 2012 – zu den Einzelheiten wird auf die Anlagen K 6 und B 4 verwiesen – ergibt sich, dass die Versicherte wegen einer akuten Entzündung des Wurmfortsatzes am Blinddarm (Appendizitis) operiert worden war. In der Folgezeit kam es zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis), die sich auf den Beckbereich bezog. Es kam zu drei erneuten operativen Eingriffen (Laparatomien = Öffnen der Baudecke durch einen Schnitt). Dr. Go… stellte einen beidseitigen sekundären Tubenverschluss bei der Versicherten fest und sah dies als Folge der Bauchfellentzündung im Beckenbereich an. Sie empfahl der Versicherten eine In-Vitro-Fertilisation im Ausland (Deutschland). Nach den operativen Eingriffen hatte sich eine Keloidnarbe gebildet, das heißt, es hatte sich ein gutartiger Tumor durch Gewebewucherungen im Narbenbereich gebildet.
7. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 30. Juli 2012 die hier in Rede stehende Reisekrankenversicherung, die vom 8. August bis zum 7. Oktober 2012 gelten sollte. Zu den Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 sowie auf die Versicherungsbedingungen verwiesen.
8. In den Bedingungen heißt es u. a.:
9. Ҥ 1 In welchem Umfang hilft die Incoming-Versicherung Ihrem Gast?
10. Der A… erbringt im Rahmen dieser Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz bei akuter, unerwarteter Erkrankung, Verletzung und einem unerwarteten Todesfall.
a) …
b) Die medizinisch akut erforderliche stationäre Behandlung einschließlich des Verlegungstransportes;
c) …
12. Kein Versicherungsschutz besteht,
a) wenn Sie oder Ihr Gast vor Reiseantritt wussten oder absehbar war, dass Ihrem Gast vor Reiseantritt bekannte Beschwerden, Erkrankungen oder Verletzungen während seiner Reise behandlungsbedürftig werden; der Ausschluss gilt auch für die Folgen einer solchen Behandlung (einschließlich Tod). …
b) wenn die Behandlung der alleinige Grund oder einer der Gründe für den Antritt der Reise war. …”
13. Die Versicherte reiste am 8. August 2012 in die Bundesrepublik ein. Am 10. September 2012 stellte sie sich in der Klinik für M… Chirurgie in 14129 Berlin (im Folgenden: Klinik) in der präoperativen Sprechstunde mit chronisch rezidivierenden Unterbauch- und Obstipationsbeschwerden vor. Es wurde ein Aufnahmebogen gefertigt, in dem als aktuelle Beschwerden “Obstipation, Ki-Wu, Beschwerden bei Adhäsionsbauch” vermerkt sind (B 2).
14. Am 18. September 2012 wurde die Versicherte zur stationären Heilbehandlung aufgenommen und noch am selben Tag operiert. Im Operationsbericht ist vermerkt, dass die Versicherte unter chronischen Unterbauchschmerzen litt sowie Beschwerden der Keloidnarbe (K 2). Bei der Operation wurde eine komplette Darmadhäsiolyse, eine Dünndarmteilresektion, eine Resektion der Keloidnarbe sowie eine Bauchdeckenplastik durchgeführt. Weiter heißt es: “Das präoperativ besprochene Ziel der Operation mit Freilegung der beiden Ovarien ist erreicht worden.”
15. Zu den weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
16. Der Kläger hat im ersten Rechtszug behauptet, die Versicherte sei bei Reiseantritt nach Deutschland vollständig beschwerdefrei gewesen und habe über keine Beschwerden im Unterbauch geklagt (Bl. 4 d. A.). Sie habe weder unter Nachwirkungen der Blinddarmentzündung noch einer Bauchfellentzündung gelitten (Bl. 47 d. A.). Die Operation habe wegen der Darmverklebungen durchgeführt werden müssen (Bl. 6 d. A.), diese hätten auch zu den akuten Schmerzen bei der Versicherten im Zusammenhang mit einer Obstipation (Darmverstopfung) geführt (Bl. 89 d. A.). Die Versicherte habe sich eigentlich nicht operieren lassen wollen und habe sich der medizinisch notwendigen Operation zur Lösung der Darmverklebungen nur aufgrund des dringenden Anratens der Ärzte unterzogen (Bl. 6, 50 d. A.). Es sei plötzlich zu einer Verschlechterung des chronischen Leidens gekommen (Bl. 49 d. A.), gleichwohl sei es medizinisch vertretbar gewesen, zunächst mit der Operation planmäßig bis zum 18. September 2012 zu warten. Ohne die akuten Beschwerden hätte sich die Versicherte nicht operieren lassen (Bl. 6 d. A.).
17. Zum Inhalt des streitigen Vorbringens der Parteien sowie zum Inhalt der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
18. Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 18. Februar 2014, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 55 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Andreas H.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf dessen Gutachten vom 2. Mai 2014 verwiesen (Bl. 69 ff d. A.).
19. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Nachweis einer akuten und unerwarteten Erkrankung nicht gelungen sei. Zu den Einzelheiten der Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
20. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter verfolgt. Er meint, dass das Landgericht zumindest die benannten Zeugen – die Versicherte sowie den behandelnden Arzt – dazu hätte vernehmen müssen, dass eine akute Beschwerdesituation vorgelegen habe.
21. Jedenfalls liege diese Situation bei der Entzündungsbildung nach der Operation vor.
22. Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens sowie zum Inhalt der gestellten Anträge wird die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
23. Die Berufung ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
24. Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
25. Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.
26. 1) Dem Kläger gelingt der Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalles nicht, soweit es um die Kosten der Operation am 18. September 2012 geht.
27. a) Gemäß § 1 a) und b) der Bedingungen der Beklagten besteht Versicherungsschutz für die medizinisch akut erforderliche stationäre Behandlung bei akuter, unerwarteter Erkrankung der versicherten Person.
28. Der Begriff der “akuten Erkrankung” ist nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers dahin auszulegen, dass durch das Vorliegen einer chronischen Grunderkrankung nicht von vornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jener Grunderkrankung ist, vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll, sondern der Versicherungsschutz jede nachteilige Veränderung des Gesundheitszustandes, die sich von einem Tag auf den anderen einstellt, erfasst (vgl. OLG Köln, RuS 2013, 445 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 29; VersR 2010, 379 – zitiert nach juris: Rdnr. 33; OLG Saarbrücken ZfS 2003, 86, 87), mithin im versicherten Zeitraum neu und plötzlich auftretende Erkrankungen Versicherungsschutz genießen (BGH VersR 2012, 89 – zitiert nach juris: Rdnr. 7). Eigenständige Vorerkrankungen, die lediglich Risikofaktoren bzw. prädisponierende Erkrankungen darstellen, sind nicht geeignet, den Versicherungsschutz für sekundär hierauf beruhende Akuterkrankungen auszuschließen (OLG Köln VersR 1998, 354). Auch bei der Auslegung des Begriffs der “unerwartet” aufgetretenen Erkrankung ist auf die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abzustellen (BGH, a.a.O. – zitiert nach juris: Rdnr. 3; OLG Hamm VersR 2001, 1229 – zitiert nach juris: Rdnr. 15), wobei entscheidend ist, welche Informationen dem Versicherungsnehmer und der versicherten Person durch behandelnde Ärzte konkret gegeben worden sind (BGH, a.a.O.). Unerwartet ist ein im Ausland eingetretener Versicherungsfall dann, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person ihn tatsächlich nicht vorhergesehen hat und ohne Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch nicht vorhersehen konnte (OLG Hamm VersR 2001, 1229 f. -zitiert nach juris: Rdnr. 15).
29. Kein Versicherungsnehmer geht jedoch nach dem Lesen der Bedingungen davon aus, dass eine Reisekrankenversicherung die Kosten einer operativen Behebung einer bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages und Einreise nach Deutschland bestehenden und bekannten Grunderkrankung übernehmen wird (vgl. BGH, VersR 2012, 89 – zitiert nach juris: Rdnr. 12). Eine akute Erkrankung im Sinne des § 1 Nr. 1 der Bedingungen setzt deshalb voraus, dass sich dieser krankheitsbedingt beeinträchtigte Grundzustand der versicherten Person plötzlich negativ verändert und einer akuten medizinischen Behandlung bedarf.
30. b) Der Kläger kann den Beweis für das Vorliegen dieser Voraussetzung nicht erbringen.
31. Hier wusste die Versicherte bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages und vor Reiseantritt, dass bei ihr zunächst wegen eines entzündeten Wurmfortsatzes eine Operation mit einem Bauchschnitt durchgeführt worden war, dass sich in der Folge das Bauchfell entzündet hatte und dass es deshalb zu Operationen mit drei weiteren Bauchschnitten gekommen war. Sie wusste, dass sich ein gutartiger Tumor im Narbenbereich (Narbenkeloid) gebildet hatte, denn diese Veränderung konnte sie sehen und ertasten. Ihr war nach den Untersuchungen der Dr. G… auch bekannt, dass wegen der Bauchfellentzündung im Bereich des Beckens die Tuben beider Eierstöcke verklebt waren. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Versicherte unter einem sogenannten “Verwachsungsbauch” litt, wobei die Verwachsungen zwischen Bauchfell und der Haut der inneren Organe nicht nur im Bereich der Eierstöcke sondern auch im Bereich des Darms vorlagen. Dies ist die bekannte Grunderkrankung der Versicherten gewesen.
32. Nach dem Gutachten des Sachverständigen und nach den vorliegenden Behandlungsunterlagen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorhandenen Verwachsungen im Bauchbereich der Versicherten nach der Einreise nach Deutschland einer Veränderung unterlagen, so dass sie akut behandlungsbedürftig wurden.
33. Die Berichte des Dr. T… sowie des Dr. K… vom 18. September 2012 ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass es akut aufgetretene Veränderungen im Bereich der Darmadhäsionen gab. Im Operationsbericht ist lediglich beschrieben, dass eine Dünndarmschlinge beim Lösen der Verwachsung verletzt wurde, so dass ein Stück des Dünndarms operativ entfernt werden musste. Der Sachverständige Dr. H. hat dazu ausgeführt, dass kein Narbenbruch festgestellt wurde und dass gerade kein Hinweis auf eine akute intraabdominelle Erkrankung vorlag (freie Flüssigkeit, geblähte Darmschlingen, Entzündungszeichen, Durchblutungsstörungen – S. 8 des GA = Bl. 76 d. A.). Ein Einklemmen der Darmschlinge in einem Narbenbruch lag nicht vor. Ein Darmverschluss bei der versicherten Person ist ebenfalls nicht festgestellt worden. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass bei einem Darmverschluss ein lebensbedrohlicher Zustand für die versicherte Person vorgelegen hätte, der sofortige ärztliche Notfallmaßnahmen erforderlich gemacht hätte. Derartige Notfallmaßnahmen haben nicht stattgefunden. Die Versicherte ist vielmehr erst acht Tage nach dem Aufnahmegespräch und dem Ausfüllen der Formulare stationär aufgenommen und dann operiert worden, wie es im Vorgespräch geplant war. Der Kläger kann auch nicht ignorieren und in Abrede stellen, dass vor der Operation besprochen wurde, dass ein Ziel der Operation darin bestand, die Eierstöcke der versicherten Person freizulegen. Weder die Korrektur der alten Narbe, noch das Herstellen einer Bauchdeckenplastik – beides nach Auffassung des Sachverständigen Eingriffe aus kosmetischen Gründen – dienten der Behandlung von Darmverwachsungen.
34. Das vom Kläger behauptete plötzliche Auftreten von Schmerzen im Bauchbereich nach Einreise der versicherten Person nach Deutschland ist nicht geeignet, eine akute Erkrankung schlüssig darzulegen. Die Schmerzen sind nicht die Erkrankung selbst, definiert als regelwidriger Körperzustand, sondern stellen nur ein Symptom dar, das auf eine Erkrankung hinweisen kann. Eine Behandlung wegen akuter Bauchschmerzen mit dem Ziel einer isolierten Bekämpfung der Schmerzen ist auch nicht erfolgt im Zeitraum zwischen dem 10. September 2012 und dem Zeitpunkt der Operation am 18. September. Ausweislich der ärztlichen Berichte gingen die behandelnden Ärzte von chronischen Schmerzen der Versicherten aus sowie chronischen Verstopfungsbeschwerden. Bei lang anhaltenden und wiederkehrenden Schmerzen – mithin einem Dauerzustand – ist es medizinisch vertretbar, ein minimalinvasives Lösen der Verwachsungen im Bauchbereich für notwendig zu halten. Der Sachverständige stellt dies nicht in Frage, verweist jedoch überzeugend darauf, dass bei akut auftretenden Schmerzen eine andere Diagnostik und Überwachung der Versicherten bis zur Operation hätte durchgeführt werden müssen, weil möglicherweise der Versicherten ein lebensgefährlicher Verlauf gedroht hätte. Hier lag ein geplanter operativer Eingriff bei einer nicht akut behandlungsbedürftigen Schmerzsituation vor.
35. Einer Vernehmung des Dr. T… oder des Dr. K… kommt nicht in Betracht. Die operierenden Ärzte können aus eigener Wahrnehmung keine Angaben dazu machen, ob und wann sich Schmerzen bei der Versicherten eingestellt hatten. Da der Kläger nicht konkret zum Inhalt der Gespräche zwischen Versicherter und den untersuchenden bzw. über die OP aufklärenden Ärzten vorträgt, was auch im ersten Rechtszug hätte erfolgen müssen, weil es den Kern des Streites zwischen den Parteien betrifft, kommt eine Vernehmung der benannten Ärzte als Zeugen nicht in Betracht, weil die Beweisaufnahme auf eine Ausforschung hinauslaufen würde. Verwertbar sind insoweit allein die Arztberichte, die der gerichtliche bestellte Sachverständige ausgewertet und beurteilt hat. Die behandelnden Ärzte gingen von chronischen Unterbauchbeschwerden aus. Soweit der Kläger vorträgt, dass sich die chronisch rezidivierenden Unterbauchbeschwerden akut eingestellt hätten (Bl. 5 d. A.) kann Dr. T… dazu keine Angaben machen. Der gerichtliche Sachverständige hat zu der Frage, wann Schmerzen auf ein akutes Krankheitsbild hindeuten in seinem Gutachten ebenso Stellung genommen (S. 6, 7 des GA = Bl. 74 f. d. A.) wie zu der Frage, welche diagnostischen Maßnahmen und Behandlungen bei einem akuten Krankheitsbild hätten eingeleitet werden müssen. Der Senat zweifelt an der Richtigkeit dieser Ausführungen nicht.
36. Dass es aus medizinischen Gründen indiziert war, die Darmverklebungen zu lösen, bedarf auf der Grundlage der von den behandelnden Ärzten vorausgesetzten chronischen Beschwerden bei der Versicherten keiner weiteren Aufklärung (Bl. 5, 6 d. A.). Die Frage, ob es sich um eine akut notwendige Heilbehandlungsmaßnahme handelte, hat der Sachverständige in seinem Gutachten dahin beantwortet, dass dies nicht der Fall war. Der Sachverständige hat auch ausdrücklich verneint, dass es zum Lösen der Darmverklebungen der Freilegung der Ovarien bedurft hätte. Auch insoweit scheidet eine Vernehmung des Dr. T… als Zeuge aus.
37. Auch die Ausführungen auf den Seiten 4 und 5 des Schriftsatzes vom 20. Januar 2014 (Bl. 49, 50 d. A.) betreffen Behauptungen, die einer sachverständigen Würdigung bedürfen. Einer Vernehmung des als Zeugen benannten Arztes scheidet deshalb aus. Der Sachverständige hat zu diesen Fragen überzeugend Stellung genommen.
38. Einer Vernehmung der Versicherten als Zeugin bedurfte es ebenfalls nicht. Unterstellt man als Denkmodell, dass der Vortrag des Klägers wahr ist und die Versicherte erst nach der Einreise nach Deutschland ab dem 8. August 2012 an Schmerzen im Bauchbereich litt, fehlt es an der Darlegungen einer akuten Erkrankung, weil – wie bereits oben ausgeführt – das Vorliegen von Schmerzen allein hierzu nicht ausreicht.
39. 2) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der weiteren Behandlung ab dem 28. September 2012 bis zum 4. Oktober 2012 zu. Abgesehen davon, dass es an einer Aufschlüsselung der für diesen Behandlungszeitraum angefallenen Kosten fehlt, greift hier der Leistungsausschluss des § 1 Nr. 2 a) der Bedingungen ein.
40. Da dem Kläger der Nachweis einer akuten Erkrankung nicht gelungen ist und eine Akutbehandlung wegen der bereits vor Reiseantritt bekannten Verwachsungen im Bauchbereich nicht vorlag, vielmehr eine planbare Operation zur Beseitigung dieser Verwachsungen durchgeführt wurde, genießt der Kläger insoweit keinen Versicherungsschutz, ohne dass es auf die Absehbarkeit der Behandlungsbedürftigkeit der bekannten Erkrankung (Verwachsungen im Bauchbereich, Keloidnarbe) ankommt. Der Leistungsausschluss bezieht sich auf die Folgen einer solchen Behandlung. Dieser Ausschluss greift – erst recht – auch ein, wenn es um die Folgen einer Operation zur Beseitigung einer Erkrankung geht, die nicht akut behandlungsbedürftig war. Der Sachverständige geht in seinem Gutachten mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es zu der Ausbildung eines akuten Abdomens ohne die vorhergehende Operation nicht gekommen wäre. Es handele sich um eine postoperative (Spät-)Komplikation (S. 9 des GA = Bl. 77 d. A.). Dies reicht zur Überzeugungsbildung des Senats von der Kausalität zwischen der Operation und der späteren Ausbildung des Abdomens aus. Hierfür reicht ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der letzten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Für die Richtigkeit dieser Überzeugung spricht auch, dass im Arztbericht vom 30. November 2012 lediglich eine postoperative Komplikation des Hohlorganes ausgeschlossen wurde. Damit ist jedoch eine mit der vorherigen Operation zusammenhängende Infektbildung nicht ausgeschlossen. Die medizinische Heilbehandlung nach der Operation war auch noch nicht abgeschlossen. Ausweislich des Arztbriefes vom 18. September 2012 stand noch die Entfernung des Nahtmaterials aus (K 2). Diese sollte im Zeitraum vom 7. bis zum 9. Tag nach der Operation erfolgen.
41. 3) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision nicht erforderlich. Zur Rechtsfortbildung eignet sich die hier streitige Sache nicht. Sonstige Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten, liegen nicht vor.
III.
42. Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte die Zurücknahme der Berufung erwogen werden.
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