Kündigung des Reiseveranstalters

AG Köln: Kündigung des Reiseveranstalters

Ein Reisender buchte bei einer Airline einen Linienflug. Auf diesem verweigerte die Gesellschaft ihm die Beförderung, weil die Sauerstoffdosen, die der Kläger zum atmen benötigt, aus Sicherheitsgründen nicht mit an Bord genommen werden durften. In der Folge verlangt der Reisende Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Das Amtsgericht Köln hat dem Kläger Recht zugesprochen. In der Vereitelung einer Reise sei ein Reisemangel zu sehen, der nach §651j BGB zu entschädigen sei.

AG Köln 142 C 57/12 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 10.06.2013
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 10.06.2013, Az: 142 C 57/12
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 10. Juni 2013

Aktenzeichen: 142 C 57/12

Leitsatz

2. Reisevereitelung durch unberechtigte Kündigung des Reiseveranstalters wegen Gesundheitsrisikos.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug. Weil der Reisende unter Schlafapnoe leidet, war es nötig, dass er spezielle Sauerstoffdosen mit in die Maschine nimmt. Nachdem er in Rücksprache mit einem Mitarbeiter der Airline hierzu befugt wurde, kündigte die Gesellschaft den Beförderungsvertrag kurzfristig, da es aus Sicherheitsgründen nicht möglich sei die benötigte Menge Sauerstoff mit an Bord zu nehmen.

Der Kläger verlangt nun Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Das Amtsgericht Köln hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die Beklagte habe die Reise vereitelt. Diese Vereitelung begründet einen Reisemangel und verpflichtet den Reiseveranstalter zur Leistung von materiellem Schadensersatz, der auch nutzlose Aufwendungen erfasst.

Durch die unberechtigte Kündigung des Reiseveranstalters sei eine Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB in Höhe von 50% des Reisepreises angemessen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.647,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 22 % und die Beklagte zu 78 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand:

5. Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, auf Schadenersatz und Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Anspruch.

6. Der Kläger leidet an dem obstruktiven Schlafapnoe-​Syndrom und trägt hierzu nachts eine Atemmaske, das CPAP-​Gerät S9, welches er auch bei Reisen mit sich führt. Das Gerät arbeitet mit komprimierter Luft. Zudem nutzt der Kläger unterstützend das frei verkäufliche und nicht verschreibungspflichtige Produkt „O-​PUR Sauerstoff – fit & vital“. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die sich auf ärztlich begleitete Reisen spezialisiert hat. Im Jahre 2009 nahm der Kläger bereits an einer von der Beklagten durchgeführten zweiwöchigen Indien-​Rundreise teil. Die seinerzeit ausführende Fluggesellschaft gestattete das Mitführen des CPAP-​Geräts einschließlich der Sauerstoffflasche. Der Kläger hatte während der gesamten Reise keinerlei gesundheitliche Probleme.

7. Am 11.05.2010 buchte der Kläger telefonisch bei der Beklagten eine Myanmar-​Rundreise bei der Beklagten vom 25.10. – 10.11.2010 für sich und seine Lebensgefährten zu einem Gesamtreisepreis von 4.192,00 EUR, welche seitens der Beklagten am 12.05.2010 bestätigt wurde. Dem Vertrag lagen die ARB der Beklagten zugrunde (Bl. 15 d.A.). Die Reise sollte von einem Arzt begleitet werden. Am 21.06.2010 bat der Kläger eine Mitarbeiterin der Beklagten, bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, der B D, eine Erlaubnis zur Mitnahme des CPAP-​Geräts und einer Sauerstoffdose O-​Pur im Handgepäck einzuholen. Beigefügt war ein schriftliches Attest seines behandelnden Hausarztes mit u.a. folgendem Inhalt: „Im Zuge dieser Erkrankung kann es zu phasenweiser Sauerstoffmangelversorgung kommen. Zur Behebung solche Zustände ist das Mitführen einer Sauerstoffdruckeinheit mit Atemmaske medizinisch erforderlich.“

8. Zudem fügte der Kläger seinem Schreiben Informationen betreffend den O-​PUR Sauerstoff sowie das CPAP Gerät S 9 bei. In dem Schreiben der Herstellerfirma des CPAP-​Geräts heißt es, dass das Gerät „zur lebensnotwendigen Therapie der obstruktiven Schlafapnoe benötigt wird und zum Handgepäck bei Flugreisen/Auto/Schiff“ zählt. Eine entsprechende Genehmigung seitens B D wurde am 08.09.2010 nur für die Mitnahme des CPAP-​Geräts erteilt, die Mitnahme einer Sauerstoffdose wurde verweigert, worüber die Beklagte den Kläger in Kenntnis setzte. Anschließend führte der Kläger am 09.09.2010 mit der begleitenden Ärztin ein Telefongespräch. Bis zum 15.09.2010 unternahm der Kläger alle erforderlichen Vorbereitungen für die anstehende Reise. Hierbei entstanden u.a. folgende Kosten: Impfungen in Höhe von 542,02 EUR, Reisepass in Höhe von 59,00 EUR, Passbilder in Höhe von 10,00 EUR, Reiseführer Myanmar in Höhe von 9,95 EUR, 20 Filme 100 Fuji in Höhe von 79,80 EUR.

9. Mit Schreiben vom 05.10.2010 erklärte die Beklagte die Kündigung des Vertrags wegen außergewöhnlicher Umstände, da die Beklagte ein durch die Reise für den Kläger bestehendes lebensbedrohliches Risiko nicht übernehmen könne. Auch läge keine Bestätigung des Hausarztes vor, wonach es unbedenklich sei, wenn der Kläger ohne das medizinisch-​therapeutische Gerät, welches zur lebensnotwendigen Therapie der Schlafapnoe benötigt werde, an der Reise teilnehme. Die Beklagte setzte dem Kläger eine Frist bis zum 11.10.2010, innerhalb der der Kläger ein entsprechendes Attest vorlegen könne. Mit Schreiben vom 18.10.2010 widersprach der Kläger der Kündigung und erklärte sich weiterhin bereit, an der Reise teilzunehmen. Er führte aus, dass seine Schlafapnoe nicht lebensbedrohlich sei und das CPAP-​Gerät entgegen der Annahme der Beklagten nicht mit Sauerstoff betrieben werde oder über eine entsprechende Funktion verfüge. Die Mitnahme des Sauerstoffs diene lediglich der zusätzlichen Unterstützung. Mit Schreiben vom 21.10.2010 hielt die Beklagte an der vom 05.10.2010 erklärten Kündigung fest und verwies auf das fehlende ärztliche Attest. Am 26.10.2010 zahlte die Beklagte den Reisepreis in Höhe von 4.192,00 EUR an den Kläger zurück.

10. Am 12.01.2012 hat die Lebensgefährtin des Klägers alle im Zusammenhang mit der Reise entstandenen Ansprüche gegenüber der Beklagten schriftlich an den Kläger abgetreten.

11. Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Entschädigungsanspruch gemäß § 651f Abs. 2 BGB in Höhe der Hälfte des Reisepreises pro Person zustehe, insgesamt damit 2.096,00 EUR. Die Beklagte habe den Reisevertrag zu Unrecht gekündigt. Ferner stehe ihm ein Anspruch auf Erstattung seiner Impfkosten, der Kosten für die Erstellung eines neuen Reisepasses und Passbilder, eines Reiseführers sowie von 20 Filmen 100 Fuji. Hierzu behauptet er, diese habe er ausschließlich für die anstehende Myanmar-​Rundreise gekauft, da er sonst mit einer digitalen Kamera fotografiere. Zzgl. entstandener Zinsen wegen der verspäteten Rückzahlung des Reisepreises vom 13.10.-​25.10.2010 in Höhe von 7,75 EUR stehe ihm ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von insgesamt 708,52 EUR zu.

12. Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.900,52 Euro sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 577,63 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 21.07.2012 hat der Kläger die Klage um 2.096,00 Euro hinsichtlich der Hauptforderung und 101,14 Euro hinsichtlich der Nebenforderung zurückgenommen.

13. Der Kläger beantragt nunmehr die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.804,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.03.2012 zu zahlen.

14. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 476,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2012 für außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

16. Hierzu behauptet sie, sie habe erst in der Woche vom 13.09.-​17.09.2010 gewusst, dass sie den Vertrag mit dem Kläger kündigen müsse. Am 08.09.2010 habe sie erstmals von der durchführenden Luftfahrtgesellschaft erfahren, dass die Mitnahme zwar des CPAP-​Geräts gestattet sei, nicht aber die Mitnahme des Sauerstoffs. Sie habe daraufhin den Kläger am 09.09.2010 hierüber informiert und auch die begleitende Ärztin konsultiert. Diese habe geäußert, dass der Kläger unter diesen Umständen während des gesamten Fluges nicht schlafen dürfe. Nach einem Telefonat zwischen dem Kläger und der Ärztin habe diese der Beklagten in der darauffolgenden Woche (13.09.-​17.09.2010) erneut ihre Einschätzung mitgeteilt und erklärt, dass die Mitnahme des Klägers unter den gegebenen Umständen medizinisch nicht zu verantworten sei. Die Beklagte ist daher der Ansicht, ihr stehe wegen außergewöhnlicher Umstände ein Kündigungsrecht zu und die Kündigungserklärung sei auch rechtzeitig erfolgt.

17. Das Gericht hat mit Beschluss vom 03.09.2012 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 125 d.A.). Bzgl. des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 25.11.2012 verwiesen (Bl. 129 d.A.).

Entscheidungsgründe:

18. Die Klage ist überwiegend begründet.

19. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht der Frau C einen Anspruch auf Zahlung von 2.096,00 EUR gemäß § 651f Abs. 2 BGB. Weiter steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 551,97 EUR gemäß § 651f Abs. 1 BGB zu.

20. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651f Abs. 2 BGB, da die Beklagte die Myanmar-​Rundreise des Klägers und seiner Lebensgefährtin vereitelt hat. Die von ihr am 05.10.2010 ausgesprochene Kündigung war unbegründet, da die Schlafapnoe des Klägers und das Verbot der Fluggesellschaft eine Sauerstoffdose mitzuführen weder nach § 651 j BGB noch nach § 314 BGB zur Kündigung berechtigten.

21. Eine Vereitelung der Reise im Sinne von § 651 f Abs. 2 BGB liegt u.a. dann vor, wenn die Reise wegen einer unzulässigen Reiseabsage durch den Veranstalter überhaupt nicht stattgefunden hat. Allerdings scheidet ein Entschädigungsanspruch aus, wenn die Vereitelung der Reise auf einem Umstand beruht, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Seitens des Reiseveranstalters kann die Reise gemäß § 651j BGB wegen höherer Gewalt gekündigt werden. Nach Ziffer 4.5.1 ARB kann die Beklagte entsprechend den Reisevertrag kündigen, wenn infolge höherer Gewalt die Reise erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. Höhere Gewalt ist ein von außen kommendes plötzliches Ereignis, das weder der Betriebssphäre des Veranstalters noch der Privatsphäre des Reisenden zurechenbar ist und nicht durch äußerste zu erwartende Sorgfalt abgewendet werden. Daneben steht den Parteien eines Reisevertrages ergänzend auch das allgemeine Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 BGB zu, da es sich bei dem Reisevertrag um Dauerschuldverhältnis handelt; denn hierbei handelt es sich um einen einheitlichen, auf bestimmte Zeit geschlossenen Vertrag, der auf ein fortgesetztes Verhalten gerichtet ist und aus dem sich während der Vertragslaufzeit immer wieder neue Rechte und Pflichten beider Parteien ergeben. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags für den Kündigenden unzumutbar machen. Hierbei kann es sich auch um vor Beginn des Dauerschuldverhältnisses liegende Umstände handeln, die dem Kündigenden zunächst unbekannt sind. Die Kündigung wegen eines solchen wichtigen Grundes muss ferner gemäß § 314 Abs. 3 BGB innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Kündigende von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, erklärt werden.

22. Ein Kündigungsgrund gemäß § 651j BGB i.V.m. Ziff. 4.5 ARB besteht vorliegend nicht; denn der Umstand aufgrund dessen die Beklagte die Kündigung erklärt hat, liegt in dem Gesundheitszustand des Klägers, seiner Schlafapnoe und der hierfür benötigten technischen Hilfsmittel begründet. Soweit aber die Unmöglichkeit der Reisedurchführung ihren Grund in der Sphäre des Reisenden oder des Veranstalters hat, scheidet eine Anwendung von § 651 j BGB aus.

23. Eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB ist im vorliegenden Fall unbegründet. Es kann offen bleiben, ob die Kündigung aufgrund der Erkrankung des Klägers erfolgte oder ob sie aufgrund der Tatsache ausgesprochen wurde, dass das durchführende Luftfahrtunternehmen zwar die Mitnahme des CPAP-​Geräts gestattet, die Mitnahme der Sauerstoffdose O-​Pur hingegen verweigert hat, und die Beklagte infolgedessen ein möglicherweise vorliegendes Risiko der Gesundheitsgefährdung des Klägers nicht übernehmen wollte. Jedenfalls wurde die Kündigung im ersten Fall nicht fristgerecht ausgesprochen und im zweiten lag kein wirksamer Kündigungsgrund vor.

24. Bereits am 21.06.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, er leide am sog. obstruktiven Schlafapnoe-​Syndrom und sei infolgedessen darauf angewiesen, nachts das CPAP-​Gerät mit Atemmaske zu tragen. Ob es sich hierbei tatsächlich um einen derart wichtigen Grund handelt, der eine außerordentliche Kündigung gemäß § 314 BGB rechtfertigt, kann hier noch dahin stehen, denn die Kündigungserklärung erfolgte erst am 05.10.2012 und damit nicht innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Kündigende, hier die Beklagte, von dem möglichen Kündigungsgrund – Erkrankung an Schlaf Apnoe – Kenntnis erlangt hat; denn ein zweimonatiges Zuwarten wird von der Rechtsprechung in aller Regel nicht mehr als angemessen beurteilt.

25. In Hinblick auf die technischen Hilfsmittel ist die Kündigungsfrist des § 314 Abs. 3 BGB durch die Kündigung vom 05.10.2010 zwar gewahrt; wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass sie von dem Verbot eine Sauerstoffdose O Pur mitzuführen erst durch die E-​Mail von B D am 08.09.2010 erfuhr und in Hinblick auf die sich anschliessende Rücksprache mit dem Kläger erst am 17.09.2010 zur Überzeugung gelangte, dass sie kündigen muss. Aber es fehlt der wichtige Grund zur Kündigung. Allein der Umstand, dass dem Kläger die Mitnahme der Sauerstoffdose nicht möglich war begründete kein eine Kündigung rechtfertigendes gesundheitliches Risiko, das die Beklagte zu Recht zu übernehmen ablehnte.

26. Leidet ein Mitreisender an einer lebensbedrohlichen Krankheit und ist zur Minimierung eines lebensbedrohlichen Risikos auf die Mitnahme medizinischer Geräte angewiesen, welche ihm seitens der durchführenden Fluggesellschaft verwehrt wird, so kann das Risiko des Reiseveranstalters unter Umständen derart unzumutbar sein, dass ihm unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Kündigungsrecht wegen außergewöhnlicher Umstände zusteht.

27. Ein solches Risiko lag hier aber bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Hinblick auf die durchzuführenden Flüge und ihre Dauer für den Kläger unter Berücksichtigung seiner Erkrankung an dem obstruktiven Schlafapnoe-​Syndrom kein lebensbedrohliches Risiko vorlag, wenn er auf der Reise und insbesondere bei den Flügen zwar das CPAP-​Gerät im Handgepäck mitführen darf, nicht aber eine Dose Sauerstoff. Der Sachverständige Dr. S hat in seinem Sachverständigengutachten vom 25. November 2012 festgestellt, dass der Kläger die Reise bei der Beklagten sowohl ohne das CPAP Gerät als auch ohne die Sauerstoffdose hätte durchführen können ohne dass sich hieraus eine unmittelbar erhöhte Lebensgefahr ergeben hätte. Der Sachverständige hat dabei das obstruktive Schlafapnoesyndrom unter dem der Kläger leidet näher dargestellt und ausgeführt, dass sich lebensbedrohliche Folgen bei dieser Erkrankung nur dann ergeben können wenn diese längere Zeit nicht behandelt wird. Eine Unterbrechung von 17 Tagen entsprechend der Reisedauer im vorliegenden Fall wird jedoch zu keiner Lebensgefahr führen. Der Sachverständige hat sodann weiter ausgeführt, dass der Kläger mit seinem CPAP Gerät gut eingestellt war und es daher einer ergänzenden Sauerstofftherapie gar nicht bedurfte. Im Gegenteil ist das inhalieren von Sauerstoff aus der Dose im Wachzustand bei einem Schlafapnoepatienten sinnlos, da die Atempausen während des Schlafes eintreten.

28. Die Ausführungen des Sachverständigen sind verständlich und nachvollziehbar. Sie beruhen auf der fachlichen Kenntnis des Sachverständigen und der Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt insbesondere den seitens des Klägers vorgelegten Attesten, vor allem dem Attest des behandelnden Schlafmediziners Dr. T (Bl. 83 d.A.). Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens haben sich nicht ergeben. Das Gutachten des von der Beklagten nicht weiter substantiiert angegriffen worden. Danach steht fest, dass es keinen objektiven Grund aus medizinischer Sicht gab, dem Kläger mit Fahrt auf der Reise zu versagen, weil er die Sauerstoffdose nicht im Flugzeug mitführen durfte. Tatsächlich geht der Sachverständige sogar noch darüber hinaus und stellt fest, dass es noch nicht einmal der Mitführung des CPAP Gerätes bedurft hätte. Dessen Mitnahme war jedoch sogar unstreitig möglich, so dass der Kläger weiterhin während seines Schlafes entstehende Atempausen durch das Gerät überbrücken konnte und daher sich hieraus ergebende Gefährdungen – Schläfrigkeit am nächsten Tag – vorgebeugt war. Allerdings weist der Sachverständige auch in dieser Hinsicht zutreffend darauf hin, dass eine Gefahr für den Kläger nur dann bestanden hätte, wenn er selbst etwa ein Fahrzeug hätte führen müssen. Eine solche Notwendigkeit bestand jedoch auf der von der Beklagten durchgeführten Reise nicht.

29. Die Beklagte kann sich auch nicht entlasten, denn die Vereitelung der Reise beruhte auf einem Umstand, den sie nicht zu vertreten hat. In Hinblick auf die fehlerhafte Einschätzung, dass tatsächlich keine Gefahr für den Kläger bestand, wenn er die Sauerstoffdose nicht mitführt, ist der Beklagten zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Beklagte nimmt für sich selber in Anspruch, Reisen mit ärztlicher Begleitung anzubieten. Bei ihr ist daher ärztlicher Sachverstand im Hinblick auf die Durchführbarkeit von den angebotenen Reisen unter Berücksichtigung von bestimmten Krankheitsbildern bei der Reisenden vorauszusetzen. Die Beklagte trägt selber vor, dass im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers Rücksprache mit der begleitenden Ärztin genommen hat. Sie trägt ebenfalls vor, dass diese einen Reiseantritt durch den Kläger nicht befürwortete. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch fest, dass diese Empfehlung der Ärztin unzutreffend war. Tatsächlich bestand keinerlei gesundheitliches Risiko für den Kläger an der Reise ohne Mitnahme einer Sauerstoffdose O Pur teilzunehmen. Diese Fehleinschätzung der begleitenden Ärztin muss sich die Beklagte rechnen lassen. Angesichts der eindeutigen Einschätzung des Sachverständigen erfolgte diese fehlerhafte Einschätzung auch unter Missachtung der der ärztlichen Sorgfaltspflicht.

30. Auch ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB ist nicht erkennbar. Insbesondere kann ihm nicht vorgehalten werden, dass er durch die von ihm eingereichten Unterlagen selbst für den Eindruck gesorgt hat, dass die Mitnahme der Sauerstoffdose für ihn lebensnotwendig gewesen ist. Im Gegenteil ist der Kläger bereits vor der Kündigungserklärung durch die Beklagte seiner Mitwirkungspflicht im Hinblick auf eine umfassende Aufklärung über seinen Gesundheitszustand nachgekommen. Bereits mit dem Schreiben vom 21. Juni 2010 als der Kläger die entsprechenden Unterlagen über die technischen medizinischen Hilfsmittel, die er auf die Reise mitnehmen wollte vorgelegt und weiter ein ärztliches Attest des behandelnden Arztes vom 15. September 2009 präsentiert. Bereits aus diesen Unterlagen ergab sich, dass wenn überhaupt lediglich die Mitnahme des CPAP Gerätes zur Therapie der Erkrankung erforderlich ist. Denn ausweislich des ärztlichen Attests des klägerischen Hausarztes sowie Schreibens der Herstellerfirma ist lediglich das CPAP-​Gerät für lebensnotwendige Therapie der Schlafapnoe erforderlich. Dieses Gerät konnte jedoch unstreitig mitgeführt werden. Dass auch die Einnahme von O-​Pur Sauerstoff lebensnotwendig ist, war in keinem Schreiben die Rede.

31. Zudem keinen der Schreiben ausdrücklich darauf eingegangen worden, wie es sich auswirkt, wenn der Kläger eine Zeit lang etwa einige Stunden während eines Fluges oder sogar etwas länger ohne das Gerät auskommen muss. Allein aus diesem Schreiben durfte daher die Beklagte nicht den Schluss ziehen, dass die Mitnahme des Klägers ohne Sauerstoffdose ein lebensgefährdendes für ihn darstellen würde. Dass die Beklagte tatsächlich diese Angaben falsch verstanden hat ergibt sich aber bereits aus dem Kündigungsschreiben vom 5. Oktober 2010; der die Beklagte verlangt dort Vorlage einer Bestätigung des Hausarztes, dass es völlig unbedenklich ist, dass der Kläger ohne das medizinisch- therapeutische Gerät an der Reise teilnimmt. Einer solchen Bestätigung bedurfte es indes nicht, da das CPAP Gerät ohne weiteres mitgenommen werden durfte. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es die eigene Pflicht der Beklagten ist, soweit ihr die Informationen des Klägers nicht ausreichend erschienen wären, eigene Nachforschungen anzustellen. Insbesondere hätte sie jedoch bei dem Kläger allenfalls nachfragen können und dies auch hinreichend deutlich machen müssen, dass sie Bedenken hat, soweit der Kläger ohne Mitführung einer Sauerstoffdose mitreist. , auf die Richtigkeit dieser Ausführungen verlassen. In dem hausärztlichen Attest ist zwar davon die Rede, dass „die Mitnahme einer Sauerstoffdruckeinheit mit Atemmaske medizinisch erforderlich“ sei, was durchaus auch dahingehend verstanden werden kann, dass das CPAP-​Gerät und die Atemmaske mit Sauerstoff betrieben werden. Aufgrund dieser Formulierung hätte jedoch die Beklagte weitere Nachforschungen anstellen müssen. Eine eingehendere eigene Überprüfung und Nachforschung wäre auch auf dem Hintergrund des Umstandes geboten gewesen, dass der Beklagten die gesundheitlichen Schwierigkeiten des Klägers bereits aus einer früheren Reise bekannt gewesen sind.

32. Die Vereitelung der Reise erfasst auch die Reise der Begleiterin des Klägers Frau C. Die Beklagte erstreckte ihre nach den obigen Feststellungen unwirksamen Kündigung vom 5. Oktober 2010 auf die Reisebestätigung vom 12. Mai 2010 insgesamt. Dies ergibt sich aus der Nennung der Vorgangsnummer sowie der Kundennummer in dem Kündigungsschreiben vom 5. Oktober 2010. Damit war nicht nur der Kläger sondern auch seine Begleiterin von der Kündigung der Beklagten betroffen. Diese Kündigung erweist sich jedoch ohne weiteres als unwirksam, der irgendwelche Kündigungsgründe in der Person der Frau C nicht vorlagen. Unabhängig davon stellt sich aber auch die unberechtigte Kündigung eines Reisevertrages gegenüber einem Mitreisenden, der von der Kündigung nicht unmittelbar betroffen ist, als Reisevereitelung dar, wenn der Mitreisende zusammen mit der betroffene Person in einer Reisebestätigung aufgenommen worden ist. In diesem Fall liegt für den Veranstalter erkennbar eine gemeinsame Reise vor und ist ihr bekannt, dass der Mitreisende ohne den, demgegenüber gekündigt wurde, die Reise nicht würde antreten wollen.

33. Schließlich hat der Kläger auch die Frist des § 651 g BGB eingehalten, wonach Ansprüche binnen eines Monats nach dem vertraglichen Reiseende geltend zu machen sind, da er Schadensersatzansprüche unstreitig bereits mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2010 bei der Beklagten anmeldete.

34. Der Höhe nach ist eine Entschädigung von 1.048,00 Euro für den Kläger sowie für die Mitreisende gerechtfertigt. Bei der Höhe der Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB sind alle nur denkbaren Umstände zu berücksichtigen und abzuwägen, die sich aus dem Maß der Reisebeeinträchtigung, der Schwere des Verschuldens und der Höhe des Reisepreises ergeben. Zu berücksichtigen sind weiter Reiseziel, Reisedauer und Reisezweck. Auch ist zu berücksichtigen, ob und wenn ja in welchem Umfang und wie der Reisende die eigentlich zur Reise vorgesehene Zeit genutzt hat. Vorliegend fällt dabei besonders ins Gewicht, dass es sich um eine Spezialreise handelte, wenn die Beklagte ermöglicht gerade durch ihr Programm auch Reiseteilnehmern mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Teilnahme an Fernreisen. Dadurch, dass die Beklagte dem Kläger und seiner Begleiterin in Antritt der Reise unmöglich gemacht hat ist es dem Kläger auch nicht möglich gewesen, eine adäquate Ersatzreise durchzuführen. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Kündigung am 5.10.2010 angesichts eines Reisebeginn zum 25. Oktober 2010 recht kurzfristig erfolgte, so dass auch von daher dem Kläger von einer Ersatzreise nicht mehr möglich war. Schließlich handelt es sich bei der vorliegenden Myanmar-​Rundreise auch um ein besonderes Reiseziel, auf das sich der Kläger bereits vorbereitet hatte. Andererseits ist nicht feststellbar, dass dem Kläger eine Wiederholung dieser Reise zu einem anderen Zeitpunkt nicht mehr möglich sein sollte. Unter Abwägung all dieser Umstände ist das Gericht der Auffassung, dass als Entschädigung für die entgangene Urlaubsfreude im vorliegenden Fall für den Kläger und seine Begleiterin jeweils die Hälfte des jeweiligen Reisepreisanteiles, also 50 % von 2.096,00 Euro, entsprechend 1.048,00 Euro x 2, ausreichend und angemessen sind.

35. Der Kläger hat gegen die Beklagte weiter gemäß §§ 651f Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 542,02 EUR für die Kosten der aufgewendeten Impfungen sowie 9,95 EUR für den Myanmar Reiseführer aus eigenem und abgetretenem Recht.

36. Die Vereitelung der Reise durch die Beklagte begründet ebenfalls einen Reisemangel und verpflichtet der Reiseveranstalter auch zur Leistung von materiellem Schadenersatz. Von diesem werden als Vermögensschaden auch nutzlose Aufwendungen erfasst. Soweit daher durch die unberechtigte Kündigung und die darin liegende Reisevereitelung dem Kläger nutzlose Aufwendungen entstanden sind, sind diese durch die Beklagte zu ersetzen. Impfkosten sind dabei grundsätzlich erstattungsfähig, wenn sie infolge des Reisemangels für den Kläger nutzlos geworden sind (LG Bremen, RRa 2001, 245, 246). Dabei ist es unerheblich, ob die einzelne Impfung für die konkrete Reise vorgeschrieben war, vielmehr kommt es hierbei alleine darauf an, ob der Reisende sie in Hinblick auf das Reiseziel auch im Hinblick auf seine eigene gesundheitliche Verfassung für erforderlich halten durfte und sie aus Anlass der Reise durchgeführt worden ist. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn sich der Reisende an die von dem Reiseveranstalter ausgebrachten Empfehlungen hält. Der Kläger hat hier vorgetragen und durch Anl. 10 der Klage auch substantiiert dargetan, dass die Beklagte selbst im Empfehlungen ausgegeben hat.

37. Dass der Kläger über diese Empfehlung hinaus anderweitige nicht erforderliche oder gar unnötige Impfungen durchgeführt hätte aus Anlass der Reise ist weder ersichtlich noch wird dies von der Beklagten substantiiert behauptet. Die Kosten i.H.v. 542,02 Euro sind daher insgesamt als nutzlose Aufwendungen erstattungsfähig. Erstattungsfähig ist weiter der Betrag von neun Euro 95 für einen weiteren Myanmar Reiseführer. Auch hierbei handelt es sich um eine Anschaffung die in einem adäquat kausalen Zusammenhang zu der Reise steht; es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Kläger und seine Begleiterin jeweils für sich einen eigenen Reiseführer mit auf die Reise nehmen wollten. Kein Anspruch besteht indes auf Erstattung der Kosten für den Reisepass, die Passbilder sowie die 20 Filme. Hierbei handelt es sich um keine nach § 651f Abs. 1 BGB ersatzfähigen Aufwendungen, die infolge der Kündigung durch die Beklagte für den Kläger nutzlos geworden sind. Der Reisepass behält auch für weitere zukünftige Reisen seine Gültigkeit. Dass der Kläger die Filmrollen lediglich für die gebuchte Reise erworben hat und sonst mit einem digitalen Gerät fotografiert, ändert nichts an der Tatsache, dass diese nach wie vor Verwendung finden können.

38. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Zahlung von 7,75 EUR gemäß § 286 BGB für Zinsen aus einem Betrag i.H.v. 4.192,00 Euro vom 13. Oktober bei 1010 bis 25. Oktober 2010 bei einem Zinssatz von 5,12 %. Die Beklagte befand sich mit Rückzahlung des Reisepreises nicht in Verzug. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger die Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Reisepreises aufgefordert hätte. Auch hat die Beklagte sich nicht selber in Verzug gesetzt, denn in dem Schreiben vom 5. Oktober 2010 wird lediglich mitgeteilt, dass der Kläger mit einem Eingang des zurückgezahlten Reisepreises ab dem 11. Oktober 2010 rechnen könne.

39. Insgesamt beläuft sich damit der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 2.096 Euro gemäß § 651 f Abs. 2 BGB aus eigenem und abgetretenem Recht sowie auf Schadenersatz i.H.v. 551,97 Euro gemäß § 651 f Abs. 1 BGB, insgesamt 2647,97 Euro.

40. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288, 291 BGB.

41. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht weder aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes gemäß § 651 noch aus dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens gemäß § 286 BGB. Es fehlt insoweit an der Darlegung eines Vermögensschadens. Weder hat der Kläger behauptet, dass er eine Kostenrechnung seines Anwaltes im Hinblick auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten bezahlt hat noch hat er vorgetragen, dass sein Anwalt ihm überhaupt eine Kostenrechnung, die den Anforderungen des §§ 10 RVG entspricht, gestellt hat. Solange aber keine derartige Kostenrechnung vorliegt, ist eine Beschwerung mit einer durchsetzbaren Verbindlichkeit, die an Vermögensschaden gleichstehen könnte, nicht ersichtlich.

42. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709, 713 ZPO.

43. Streitwert: 4.900,52 bis zum 23.07.2012, danach 2.804,52 Euro.

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