Umbuchung eines Pauschalreisenden auf einen anderen Flug

LG Frankfurt: Umbuchung eines Pauschalreisenden auf einen anderen Flug

Eine Reisende buchte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Ägypten. Der Rückflug wurde dabei ebenfalls gebucht und durch den Reiseveranstalter bestätigt. Der Reisenden wurde jedoch vor Antritt des Rückflugs vom Reiseveranstalter mitgeteilt, dass sie an diesem nicht Teilnehmen könne und sie auf einen anderen Flug umgebucht wurde. Für diesen erhielt sie noch zusätzlich ein Bahnticket.

Die Reisende verlangte von der Fluggesellschaft, die den ersten Flug durchführte eine Ausgleichsleistung für Beförderungsverweigerung. Diese lehnte die Zahlung ab. Die Reisende verklagte daher die Fluggesellschaft auf das Zahlen der Ausgleichsleistung vor dem Amtsgericht (kurz: AG) Frankfurt und ihr wurde Recht gegeben. Die Fluggesellschaft ging in Berufung und unterlag ein weiteres mal.

LG Frankfurt 2-24 S 29/16 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 18.08.2016
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 18.08.2016, Az: 2-24 S 29/16
AG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2016, Az: 30 C 2064/15 (25)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 18. August 2016

Aktenzeichen 2-24 S 29/16

Leitsätze:

2. Die bestätigte Buchung einer Flugpauschalreise kann sich durch einen Beleg vom Reiseveranstalter ergeben, wenn der Flug ebenfalls Teil der Reise ist.

Die Verlegung eines Fluges durch den Reiseveranstalter kann zu einer Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens führen.

Die Verweigerung der Erfüllung durch den Reiseveranstalter ist möglicherweise dem ausführenden Luftfahrtunternehmen entgegenzuhalten.

Aus einer Umbuchung durch den Reiseveranstalter kann eine Beförderungsverweigerung durch das Luftfahrtunternehmen gesehen werden, diese rechtfertigt unter Umständen das fordern einer Ausgleichsleistung.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei einem Reiseveranstalter eine Flugpauschalreise nach H. in Ägypten. Der Rückflug war für den 01.04.2012 bei der Beklagten gebucht und sollte von H. nach F. gehen. Der Reiseveranstalter teilte der Klägerin am 27.03.2012, dass er den Rückflug aufgrund „saisonaler Gründe“ umbuchen musste. Dies Geschah ohne vorherige Absprache mit der Klägerin. Der neue Rückflug sollte um 00:35 Uhr in Ägypten starten und um 05:45 Uhr am Flughafen K. ankommen. Da der Ankunftsflughafen abweicht wurde angeboten die Kosten einer Bahnfahrt 2. Klasse zu übernehmen.

Die Klägerin erschien daraufhin nicht zum Flug nach F. und trat den Rückflug mit dem vom Reiseveranstalter gebuchten Flug an. Die Umbuchung sieht die Klägerin als Beförderungsverweigerin durch die beklagte Fluggesellschaft.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten eine Ausgleichsleistung in Höhe von 200,00 €, da ihr der Flug ihrer Ansicht nach gegen ihren Willen verweigert wurde.

Die Beklagte verweigerte die Zahlung, da die Umbuchung durch den Reiseveranstalter erfolgte.

Das AG Frankfurt verurteilte die Fluggesellschaft zur Zahlung einer Ausgleichsleistung in Höhe von 400,00 €. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

Das LG Frankfurt bestätigte das Urteil des AG Frankfurt, die Umbuchung durch den Reiseveranstalter entspricht einer Beförderungsverweigerung. Es ist nicht maßgeblich wer die Beförderungsverweigerung aussprach. Die Beförderungsverweigerung wurde ausgesprochen somit bereits mit der Umbuchung ausgesprochen und ein Erscheinen am Flug war somit nicht notwendig. Die Fluggesellschaft weist daraufhin, dass die Klägerin über kein gültiges Ticket verfügt habe. Das LG Frankfurt widerspricht dem, da die Klägerin ein Buchungsticket des Reiseveranstalters besaß auf dem Flugnummer die Flugnummer sowie das I-Kürzel der Beklagten zu sehen war.

Das LG Frankfurt wies die Berufung aus diesen Gründen ab.

Tenor

4. Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.01.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 30 C 2064/15 (25), wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

5. Die Klägerin buchte für den 01.04.2012 einen Flug von H. (Ägypten) nach F. (Flugnummer … Distanz 3.326 km), den die Beklagte ausführte. Der Flugcoupon weist in der Kopfzeile das Logo der … aus und bezeichnet diese als Vermittler. Die … (nachfolgend: „…“) ist als Reiseveranstalter ausgewiesen. In den Reservierungsdetails findet sich in der Spalte „LVG Carrier“ das I…-​Kürzel … Das I-​Kürzel … ist der Beklagten zugeordnet. Wegen der Einzelheiten des Flugcoupons wird auf die Ablichtung des Flugcoupons in der Akte verwiesen (Anlage K1, Bl. 6 d.A.).

6. Der Flug wurde von der Beklagten voll „verchartert“ (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 13.08.2015, S. 2, Bl. 51 d.A.).

7. Die … wandte sich mit einer Umbuchungsmitteilung sowohl mündlich als auch schriftlich an die Klägerin. Am 27.03.2012 teilte die … schriftlich mit, dass sie den Rückflug „aufgrund saisonaler Gründe“ auf einen Flug mit der … (Flugnummer …), mit Abflug um 00:35 Uhr (Ortszeit) und Ankunft um ca. 05:45 Uhr (Ortszeit) habe umbuchen müssen. Weil der (neue) Flug nicht nach F. führte, bot die … an, die Kosten für eine Bahnfahrt der 2. Klasse vom Flughafen K. zum Flughafen F. zu übernehmen. In dem Schreiben heißt es dazu, dass entsprechende Fahrtkostenbelege eingereicht werden müssten. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf dessen Ablichtung in der Akte verwiesen (Bl. 82 d.A.).

8. Der Flug am 01.04.2012. mit Abflugzeit um 01:40 Uhr (Ortszeit) in H. und Ankunftszeit um 06:45 Uhr (Ortszeit) in F. fand statt, allerdings ohne die Klägerin, die infolge der Umbuchungsmitteilung nicht erschien.

9. Mit Schreiben vom 13.04.2012 forderte die Klägerin für sich und Herrn … eine Ausgleichsleistung nach der FluggastrechteVO. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf dessen Ablichtung in der Akte verwiesen (Bl. 77 d.A.).

10. Mit Schreiben der … vom 16.03.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, eine Ausgleichszahlung von 200,00 EUR zu zahlen. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf dessen Ablichtung in der Akte verwiesen (Anlage K2, Bl. 8 ff. d.A.)

11. Die Klägerin ist erstinstanzlich insbesondere der Ansicht gewesen, ihr sei der Flug gegen ihren Willen verweigert worden. Auf den Inhalt der Umbuchungsmitteilung komme es nicht an, weil die FluggastrechteVO darauf nicht Bezug nehme. Es sei ebenfalls nicht von Belang, ob der Reiseveranstalter oder das Luftfahrtunternehmen den Fluggast umbuche.

12. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

13. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2015 zu zahlen.

14. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Die Beklagte ist erstinstanzlich insbesondere der Ansicht gewesen, dass die Klägerin nicht über eine bestätigte Buchung für den Flug am 01.04.2012 verfügt habe. Die Beklagte könne nicht dafür haftbar gemacht werden, dass der Reiseveranstalter eine Umbuchung vorgenommen habe, auf die die Beklagte keinerlei Einfluss gehabt habe.

17. Das Amtsgericht Frankfurt a.M. (nachfolgend: „Amtsgericht“) hat durch ein am 21.01.2016 im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO erlassenes Urteil, das den Parteien am 27.01.2016 zugestellt wurde, der Klage in Bezug auf die Hauptforderung stattgegeben, weil der Klägerin die Beförderung verweigert worden sei. Es sei nicht maßgeblich, wer – also der Reiseveranstalter oder das Luftfahrtunternehmen – die Beförderungsverweigerung ausspräche. Diese Auslegung decke sich mit dem Sinn und Zweck der FluggastrechteVO, die ein hohes Schutzniveau der Fluggäste beabsichtige. Art. 13 FluggastrechteVO wirke insofern einer Haftungsausuferung entgegen. Die Klägerin habe sich nicht zur Abfertigung des Fluges einfinden müssen. Die Umbuchungsbestätigung sei offen formuliert; saisonale Gründe seien nicht aussagekräftig.

18. Dem Empfänger der Mitteilung erschließe sich nicht, in wessen Sphäre welche maßgeblichen Gründe wurzelten. Dies müsse das Luftfahrtunternehmen gegen sich gelten lassen.

19. Wegen eines Streitwerts von 400,00 EUR hat das Amtsgericht die Berufung zugelassen.

20. Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass es eine Beförderungsverweigerung nicht gegeben habe, weil der Flug pünktlich geflogen sei. Es liege lediglich eine Flugscheinänderung des Reiseveranstalters vor. Das Urteil des BGH vom 17.03.2015 (X ZR 34/14 = NJW 2015, 2181) enthalte keine Regelung dahingehend, dass in Ermangelung von dem Reiseveranstalter konkret zurechenbaren Gründen für seine Entscheidung im Zweifel von einer dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnenden Beförderungsverweigerung auszugehen sei. Die Umbuchung beziehe sich allein auf die …. Auch Schutzwürdigkeitserwägungen führten nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem Reisenden stünden in der Regel Gewährleistungsansprüche gegen den Reiseveranstalter zu. Zu diesem bestände die größte Sachnähe. Der Reiseveranstalter sei nicht Erfüllungsgehilfe des Luftfahrtunternehmens.

21. Die Beklagte beantragt,

22. unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 27.01.2016 – 30 C 2064/15 (25) – die Klage abzuweisen.

23. Die Klägerin beantragt,

24. die Berufung zurückzuweisen.

25. Sie verteidigt das Urteil des Amtsgerichts und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

26. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

27. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der 400,00 EUR zu. Der Anspruch folgt aus Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. b) FluggastrechteVO. Das ergibt sich daraus, dass die Beklagte die Klägerin nicht auf dem vorgesehenen Flug transportiert hat.

28. Die Klägerin verfügte über eine bestätigte Buchung hinsichtlich des ursprünglichen Fluges (Art. 2 lit. f) und lit. g) FluggastrechteVO), denn sie hatte ein Ticket des Reiseveranstalters … . Auch wenn ein Reisevertrag nicht notwendigerweise die Festlegung auf einen bestimmten Flug im Sinne der FluggastrechteVO enthalten muss, kann sich die bestätigte Buchung auch aus einem vom Reiseveranstalter erstellten Beleg ergeben, wenn die Luftbeförderung Bestandteil einer Reise ist (BGH, Urt. v. 17.03.2015 – X ZR 34/14 = NJW 2015, 2181, Rn. 22 ff., 26). So liegt der Fall hier. Das Ticket des Reiseveranstalters … bezeichnet den Flug bei der Beklagten am 01.04.2012 mit Flugnummer und Status „OK“. Dies stellt eine bestätigte Buchung dar.

29. Es liegt wegen der Umbuchung auf einen anderen Flug auch eine Beförderungsverweigerung vor, die zulasten die Beklagte wirkt.

30. Zunächst kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin (rechtzeitig) zur Abfertigung erschienen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dann, wenn für das Luftfahrtunternehmen bereits im Vorfeld absehbar ist, dass nicht alle gebuchten Fluggäste befördert werden können (vorweggenommene Beförderungsverweigerung), ein Erscheinen des Fluggastes gerade nicht Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs (BGH, Urt. v. 17.03.2015 – X ZR 34/14 = NJW 2015, 2181, Rn. 8 ff.). Der vorliegende Fall grenzt sich insbesondere von der Gestaltung ab, die dem Beschluss des BGH vom 16.04.2013 (X ZR 83/12 = NJW-​RR 2013, 1462) zugrunde lag. Dort nämlich stand die Beförderungsverweigerung im Zusammenhang mit einer langen Warteschlange, wegen der der Fluggast verspätet am Abfertigungsschalter eintraf. Der BGH hat diesen Fall im Urteil vom 17.03.2015 von dem der vorweggenommenen Beförderungsverweigerung abgegrenzt. Bei Letzterer komme weder auf das Erscheinen zur Abfertigung noch auf das Erscheinen am Ausgang an. Aus dem Urteil des BGH vom 17.03.2015 folgt zweifelsfrei, dass die Beförderungsverweigerung nicht davon abhängt, ob der Flug stattfindet, sondern dass maßgeblich ist, ob der jeweilige Fluggast transportiert wird.

31. Es ist schließlich unschädlich, dass der Reiseveranstalter … die Beförderungsverweigerung ausgesprochen hat. Die FluggastrechteVO kennt sowohl Luftfahrtunternehmen, als auch Reiseveranstalter (im Sinne der FluggastrechteVO: „Reiseunternehmen“). Nach der FluggastrechteVO ist ein Reiseveranstalter befugt, eine bestätigte Buchung zu erstellen (Art. 2 lit. g) FluggastrechteVO), mit der Folge einer potentiellen Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens nach der FluggastrechteVO. Nicht allein in Verspätungs- oder Annullierungsfällen, sondern auch in Fällen der Nichtbeförderung in Folge der Beförderungsverweigerung ist eine Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens nach der FluggastrechteVO möglich.

32. Dass eine solche Haftung nicht ohne Weiteres entfällt, wenn der Reiseveranstalter den Flug verlegt, folgt aus dem Zusammenspiel von Art. 3 Abs. 2 lit. a) FluggastrechteVO und Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO. Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. a) in Verbindung mit Art. 2 lit. g) FluggastrechteVO ist eine „bestätigte Buchung“ maßgeblich für die Anwendbarkeit der FluggastrechteVO. Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO setzt die Fälle gleich, in denen entweder ein Luftfahrtunternehmen oder ein Reiseveranstalter einen Flug, für den eine Buchung bestand, auf einen anderen Flug verlegt. Die FluggastrechteVO räumt dem Reiseveranstalter insofern mit Blick auf Haftungsfolgen für das ausführende Luftfahrtunternehmen ausdrücklich eine „Verlegungsbefugnis“ ein. Diese Befugnis schafft bereits dadurch, dass sie zur Anwendung der FluggastrechteVO führt, eine Voraussetzung für die Haftung eines ausführenden Luftfahrtunternehmens. Inwiefern das ausführende Luftfahrtunternehmen dabei eine Einflussmöglichkeit auf Handlungen des Reiseveranstalters hat, ist in dem Regelungskonzept der FluggastrechteVO nicht von Belang.

33. Auch wenn Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO selbst keine Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens (für den Reiseveranstalter) anordnet, kann gleichwohl allein die Verlegung eines Fluges (auch durch den Reiseveranstalter) auf einen Flug, bei dem es zu einer Leistungsstörung kommt, zu einer Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens gegenüber dem Fluggast führen. Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 5 FluggastrechteVO. Bei Art. 3 Abs. 5 FluggastrechteVO geht es um die Frage, welche Wirkungen von der Erfüllung von Pflichten im Rahmen der FluggastrechteVO durch ein ausführendes Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einer Person, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht, ausgehen (vgl. zur Interpretation der Vorschrift: LG Duisburg, Urteil vom 27.03.2007 – 12 S 67/06 = NJW- RR 2007, 1068). Im Gegensatz zu den Artt. 2 und 3 FluggastrechteVO differenziert die Vorschrift über die Verweigerung der Beförderung (Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO) nicht dahingehend, wer die Beförderung verweigert. Gleichwohl ist eine unplanmäßige Regelungslücke nicht ersichtlich, weil die Vorschrift wiederum eine eindeutige Rechtsfolge normiert: Das ausführende Luftfahrtunternehmen haftet. Zur Überzeugung der Kammer gilt dies unabhängig von der Frage, ob der Reiseveranstalter oder das Luftfahrtunternehmen die Beförderungsverweigerung ausspricht. So folgt es aus dem Kontext der Vorschriften.

34. Daran knüpft auch die Rechtsprechung des BGH an. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass das Luftfahrtunternehmen sich die Verweigerung der Erfüllung durch den Reiseveranstalter entgegenhalten müsse, wofür es aber auf den Inhalt der Umbuchungsmitteilung ankommen könne (BGH, Urt. v. 17.03.2015 – X ZR 34/14 = NJW 2015, 2181, Rn. 26). Der BGH hat ausgeführt, dass maßgeblich sei, ob darin aus Sicht eines verständigen Reisenden zum Ausdruck komme, ob der Reiseveranstalter die Beförderung verweigere oder lediglich von einer reiserechtlichen Befugnis Gebrauch mache, den Zeitpunkt der Hin- oder Rückreise des Reisenden zu verändern.

35. Anders als es die Klägerin meint, kommt es auf die Frage nach dem Grund der Verlegung an. Etwas anderes folgt nicht aus Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO.

36. Diese Vorschrift erweitert lediglich den Schutzbereich des Fluggastes im Verlegungsfall von dem Flug, für den der Fluggast eine bestätigte Buchung besaß, auch auf den anderen (neuen) Flug.

37. Die Umbuchungsmitteilung der … ist als antizipierte Beförderungsverweigerung anzusehen. Maßgeblich ist bei der Betrachtung nach der Rechtsprechung des BGH nicht die Sicht des Reiseveranstalters, sondern die Sicht eines verständigen Reisenden. Aus dessen Sicht deutet die Mitteilung der … vom 27.03.2012 nicht auf eine (bestehende oder jedenfalls vermeintliche) reiserechtliche Befugnis zur Veränderung des Zeitpunkts der Rückreise hin. Als Grund für die Änderung des Zeitpunkts der Rückreise und deren weiterer Modalitäten hat die … lediglich „saisonale Grunde“ angegeben. Für einen verständigen Reisenden ist aus der Angabe dieses Grundes heraus nicht ersichtlich, dass der Reiseveranstalter seine Beförderungsverweigerung auf eine (vermeintliche) reiserechtliche Befugnis stützt. Die … hat die Umbuchung aus Sicht eines verständigen Reisenden insbesondere nicht etwa auf einen Leistungsänderungsvorbehalt gestützt, eine Konkretisierung von bisher nicht näher definierten Flugzeiten vorgenommen (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 17.03.2015 – X ZR 34/14 = NJW 2015, 2181, Rn. 23) oder ein zusätzlich zu dem bisherigen Rückflug stehendes Angebot unterbreitet.

38. Weil vorliegend von der Beklagten keine (auch nur vermeintliche) Vereinbarung über eine Umbuchung dargelegt worden ist, obwohl die Bewertung der Umbuchungsmitteilung bereits erstinstanzlich einen zentralen Streitpunkt darstellte, bleibt für die Auslegung der Mitteilung der … vom 27.03.2012 lediglich deren Wortlaut. Auf die Vorlage des Reisevertrags durch die Klägerin kommt es nicht an, weil das Beförderungsverhältnis, aus dem die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten herleitet, aus dem von der Klägerin vorgelegten Ticket folgt und der Umstand, dass der Reiseveranstalter die Klägerin auf einen anderen Flug umgebucht hat, unstreitig ist. Lediglich hinsichtlich der Einordnung und Auslegung der Umbuchungsmitteilung herrscht Streit. Während die Auslegung der vorgelegten Umbuchungsmitteilung nicht von weiteren Darlegungen der Parteien abhängt, hätte es – weil dies für die Beklagte günstig gewesen wäre – an der Beklagten gelegen, diejenigen Tatsachen darzulegen, die das von ihr begehrte Auslegungsergebnis zur Folge hätten (vgl. Wendtland, in: BeckOK-​BGB, 39. Ed., § 133 Rn. 34). In Ermangelung einer aus Sicht eines verständigen Reisenden erkennbaren (jedenfalls auch nur vermeintlichen) Befugnis führt die Auslegung der Umbuchungsmitteilung dazu, dass diese als Beförderungsverweigerung zu verstehen war.

39. Zu einer der FluggastrechteVO widerstrebenden Haftungsausuferung führt die Möglichkeit der Inanspruchnahme des ausführenden Luftfahrtunternehmens nicht; einerseits weil Art. 12 FluggastrecheVO eine Anrechnungsmöglichkeit vorsieht, andererseits, weil das Luftfahrtunternehmen gegebenenfalls Regress nehmen kann (Art. 13 FluggastrechteVO). Es liegt an dem in Anspruch genommenen ausführenden Luftfahrtunternehmen, sich das Prozessergebnis im Verhältnis zu dem gegebenenfalls anderweitig haftenden Reiseveranstalter zu sichern.

40. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

41. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

42. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. In dem Vorlagebeschluss vom 07.10.2008 (X ZR 96/06) hat der BGH ausgeführt, dass die Frage, ob eine Umbuchung durch den Reiseveranstalter von Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO erfasst werde, von der Auslegung der Vorschrift abhänge und daher der EuGH um Auslegung zu ersuchen wäre. Es ist vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Entscheidungsgründe des Urteils des BGH vom 17.03.2015, Az. X ZR 34/14, nicht auszuschließen, dass der vorliegend entschiedene Rechtsstreit angesichts des Inhalts der Umbuchungsmitteilung eine Frage bezüglich der Auslegung der FluggastrechteVO beinhaltet, die noch nicht abschließend geklärt ist und einer Vorlage an den EuGH bedarf.

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