Haftung des Luftfahrtunternehmens bei Umbuchung durch den Reiseveranstalter

AG Erding: Haftung des Luftfahrtunternehmens bei Umbuchung durch den Reiseveranstalter

Der Kläger fordert vom beklagten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung i. S. d. Art. 7 der EG-Verordnung 261/2004. Der Flug, den er bei der Beklagten gebucht hatte, wurde seitens der Beklagten umgebucht, was faktisch als Beförderungsverweigerung zu werten sei. Die Beklagte bestreitet dies und fordert, die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht Erding hält die Klage für begründet. Der Kläger habe Anspruch auf eine Ausgleichszahlung i. H. v. 400,00 EUR gem. Art. 7 der EG-Verordnung 261/2004 zu. Die Umbuchung auf einen anderen Flug stelle tatsächlich eine Beförderungsverweigerung dar und das ausführende Luftfahrtunternehmen sei deshalb zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der EG-Verordnung 261/2004 verpflichtet.

AG Erding 2 C 228/13 (Aktenzeichen)
AG Erding: AG Erding, Urt. vom 17.04.2013
Rechtsweg: AG Erding, Urt. v. 17.04.2013, Az: 2 C 228/13
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Bayern-Gerichtsurteile

Amtsgericht Erding

1. Urteil vom 17. April 2013

Aktenzeichen: 2 C 228/13

Leitsatz:

2. Ausgleichsleistungsanspruch eines Fluggastes wegen Nichtbeförderung: Haftung des Luftfahrtunternehmens bei Umbuchung durch den Reiseveranstalter

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht. Dieser wurde jedoch seitens der Beklagten umgebucht, weswegen der Kläger hier eine Ausgleichszahlung i. S. d. Art. 7 der EG-Verordnung 261/2004 fordert. Er ist der Meinung, durch die Umbuchung sei faktisch eine Beförderungsverweigerung erfolgt. Die Beklagte bestreitet dies und fordert, die Klage abzuweisen, weil nicht sie, sondern die Reiseveranstalterin für die Umbuchung verantwortlich gewesen sei.

Das Amtsgericht Erding hält die Klage für begründet und spricht dem Kläger eine Ausgleichszahlung i. H. v. 400,00 EUR gem. Art. 7 der EG-Verordnung 261/2004 zu. Die Umbuchung auf einen anderen Flug stelle tatsächlich eine Beförderungsverweigerung i. S. d. Art. 4 Abs. 3 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 dar.

Aus diesem Grund ist das ausführende Luftfahrtunternehmen, die Beklagte, zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der EG-Verordnung 261/2004 verpflichtet. Des Weiteren stehe der Umstand, dass das Luftfahrtunternehmen die Umbuchung nicht selbst vorgenommen oder veranlasst habe, einer Haftung nicht entgegen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 400,– Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 21.02.2013 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

5. Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 495 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

6. Die zulässige Klage erwies sich in Höhe von 400,– Euro als begründet. Hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren war die Klage abzuweisen.

7. Dem Kläger steht ein Ausgleichszahlungsanspruch in Höhe von 400,– Euro gemäß Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1b der EG-Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte zu.

8. Die von der Reiseveranstalterin veranlasste Umbuchung des Klägers auf einen anderen Flug, stellt eine Beförderungsverweigerung im Sinn von Art. 4 Abs. 3 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 hinsichtlich des ursprünglich vorgesehenen Rückflugs dar, die die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verpflichtet. Der Umstand, daß die Beklagte die Umbuchung nicht selbst vorgenommen oder veranlasst hat, steht einer Haftung der Beklagten nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung nichts entgegen. Eine Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens ergibt sich auch, wenn ein Reiseveranstalter, der den Flug für den Fluggast bei dem Luftfahrtunternehmen gebucht hat, eine Umbuchung vornimmt.

9. Für diese Ansicht spricht bereits der deutsche Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung. Die ser ist in passiv formuliert. In Art. 4 Satz 3 der Verordnung heißt es „wird Fluggästen … die Beförderung verweigert”. Die Verordnung verlangt gerade nicht explizit, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderung verweigert.

10. Auch das mit dem Erlass der Verordnung verfolgte gesetzgeberische Ziel spricht für eine entsprechende Auslegung der Verordnung. Gemäß dem 5. Erwägungsgrund der Verordnung soll der Schutz der Verordnung sich nicht auf Fluggäste im Linienflugverkehr beschränken, sondern sich auch auf Fluggäste im Bedarfsverkehr, einschließlich von Flügen im Rahmen von Pauschalreisen, erstrecken.

11. Auch aus dem Verlauf des legislativen Verfahrens betreffend die EG-Verordnung Nr. 261/2004 ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst das ausführende Luftfahrtunternehmen als Anspruchsgegner für die sich aus der Verordnung ergebenden Verpflichtungen gewählt hat. Der ursprünglich von der Kommission für die Verordnung in Art. 5 Abs. 3 vorgesehene Wortlaut:

12. „Falls Fluggästen die Beförderung verweigert wird, muss das Luftfahrt- oder Reiseunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 und die Betreuungsleistungen gemäß Art. 8 und 9 erbringen“ (Vergleiche Kommissionsvorschlag KOM <2001> 784 vom 21.12.2001, ABIEG C 103 vom 30.04.2002, Seite 225). Erst durch die Stellungnahme des Rates der EU wurde diese Regelung dahingehend geändert, dass nur noch das Luftfahrtunternehmen verpflichtet wird, die Ausgleichs- und Betreuungsleistungen zu erbringen (Vergleiche Stellungnahme des Rates 2001/0305 <COD> vom 11.03.2003). Diese Änderung wurde damit begründet, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen aufgrund seiner Präsenz am Flughafen in der Regel am besten geeignet ist, die Verpflichtungen nach der Verordnung zu erfüllen. Außerdem könne das ausführende Luftfahrtunternehmen Regress nehmen, insbesondere der Regress gegenüber dem Reiseunternehmen sei nicht durch die Verordnung ausgeschlossen (Vergleiche Stellungnahme des Rates 2001/0305 <COD> vom 11.03.2003). In Art. 13 der EG-Verordnung sind entsprechende Regressansprüche geregelt.

13. Diese Auslegung wahrt auch die praktische Wirksamkeit der Verordnung. Denn für den Fluggast wird oftmals überhaupt nicht erkennbar sein, wer die konkrete Ursache für eine Flugumbuchung tatsächlich gesetzt hat. Müsste er dies gegebenenfalls während der Reise vor der Geltendmachung der Unterstützungsleistung gemäß Art. 4 Abs. 3, 9 der VO aufklären, wäre der Fluggast an einer effektiven Wahrnehmung seiner Rechte gehindert und das ausweislich des 4. Erwägungsgrundes der Verordnung angestrebte hohe Schutzniveau von Fluggästen könnte nicht erreicht werden.

14. Die hier befürwortete Auslegung führt zudem zu der gemeinschaftsrechtlich und grundgesetzliche gebotenen Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle. Für die Unannehmlichkeiten des Fluggastes ist es unbedeutend, ob eine Umbuchung durch den Reiseveranstalter oder das ausführende Luftfahrtunternehmen veranlasst wurde. Daher ist es geboten, ihm auch in beiden Fällen die Rechte aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung gegenüber dem Luftfahrtunternehmen zu gewähren.

15. Hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren war die Klage abzuweisen. Die Beklagte befand sich mit der Entrichtung der Ausgleichszahlung vor Mandatierung der Klägervertreter nicht in Verzug.

16. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

17. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 11, 713 ZPO.

18. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen.

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