Änderung des Endzielflughafens
AG Frankfurt: Änderung des Endzielflughafens
Weil sein gebuchter Flug wegen einer Aschewolke nicht starten konnte, bucht ein Reisender einen Ersatzflug und verlangt von der ursprünglich gebuchten Airline einen Ersatz der Flugkosten.
Das Amtsgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Weil das Unternehmen die Unmöglichkeit nicht zu verschulden habe, müsse es auch nicht für die Kosten des Ersatzfluges aufkommen.
AG Frankfurt | 29 C 1175/12 (Aktenzeichen) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 07.05.2014 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 07.05.2014, Az: 29 C 1175/12 |
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Orientierungssatz
2. Kein Anspruch auf Zahlung der Kosten des Ersatzfluges bei unverschuldeter Unmöglichkeit.
Zusammenfassung:
3. Ein Reisender buchte bei einer Fluggesellschaft einen Linienflug. Weil dieser wegen einer Aschewolke im Luftraum über Deutschland nicht durchgeführt werden konnte, buchte er einen Ersatzflug bei einer anderen Airline und mietete sich für einen Teil der Reststrecke einen PKW. Die Kosten für den Flug und den Mietwagen verlangt er nun von der ursprünglich beauftragten Airline zurück.
Die beklagte Airline weigert sich der Zahlung. Weil ihr die Leistungserbringung unmöglich gewesen sei, müsse sie für den Ersatz der entstandenen Kosten nicht aufkommen.
Das Amtsgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Wegen der Aschewolke über Deutschland sei der Luftraum von der Deutschen Luftsicherheit für den Tag des geplanten Abflugs gesperrt worden. Aus diesem Grund sei die Leistungserbringung für die Luftfahrtgesellschaft unmöglich gewesen.
Weil die Airline den Eintritt der Unmöglichkeit nicht zu verschulden habe, müsse sie auch nicht für den Ersatz der restlichen Kosten einstehen.
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
5. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz im Zusammenhang mit der Annullierung eines Fluges in Anspruch.
6. Der Kläger buchte bei der Beklagten für den 20.04.2010 einen Flug für sich und seine Mitreisende von Bangkok nach Frankfurt am Main (…).
7. Geplanter Abflug in Bangkok war am 20.04.2010 um 18:45 Uhr MEZ (23:45 Uhr Ortszeit). Der Flug wurde von der Beklagten annulliert, wobei dem Kläger und seiner Mitreisenden jedoch eine Beförderung nach Rom angeboten wurde. Der Kläger buchte sodann von Bangkok aus um 18:19 MEZ (23:19 Uhr Ortszeit) einen Flug mit … von Rom nach Stuttgart, einen Mietwagen und wurde von der Beklagten nach Rom befördert. Nach der Ankunft in Stuttgart fuhren er und seine Mitreisende mit dem Mietwagen nach Darmstadt.
8. Der Kläger begehrt nun Schadenersatz für den Flug von Rom nach Stuttgart, die Kosten für den Mietwagen und Benzinkosten.
9. Der Kläger behauptet, am 20.04.2010 sei ein Lufthansaflug (…) nahezu zeitgleich zu dem streitgegenständlichen Flug der Beklagten von Bangkok nach Frankfurt am Main durchgeführt worden.
11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.06.2010 zu zahlen.
12. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 83,54 EUR zu zahlen.
14. Die Beklagte behauptet, der Luftraum über Deutschland sei am 20.04.2010 wegen einer Aschewolke durch die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (im Folgenden: DFS) gesperrt gewesen.
15. Die Beklagte behauptet, die Parteien hätten den Beförderungsvertrag dahingehend abgeändert, als dass der Kläger und die Zedentin nur noch nach Rom befördert werden sollten.
16. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft der DFS (Bl. 174 d. A.).
17. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteile sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18. Die zulässige Klage ist unbegründet.
19. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz aus §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB wegen der Annullierung des streitgegenständlichen Fluges (…).
20. Die Erfüllung ihrer Primärleistung war der Beklagten unmöglich.
21. Der Luftraum über Deutschland war zum Zeitpunkt des Abfluges gesperrt. Dies ergibt sich aus der Auskunft der DFS vom 21.02.2014 (Bl. 174 d. A.). Danach hatte die DFS zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine Freigaben nach Instrumentenflugregeln (IFR) erteilt. Das Luftfahrtbundesamt hatte zwar für die in Deutschland zertifizierten (deutschen) Luftfahrtunternehmen auf Antrag eine Genehmigung erteilt, auf eigenes Risiko Flüge im Sichtflugverkehr durchzuführen. Dass die Beklagte über eine solche Ausnahmegenehmigung verfügte, wurde nicht vorgetragen.
22. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz aus §§ 280 Abs. 1, 283 BGB wegen der Annullierung des streitgegenständlichen Fluges (…).
24. Der Beklagten war die Einholung einer Ausnahmegenehmigung für Flüge im Sichtflugverkehr aufgrund des erhöhten Risikos, welches mit der Durchführung solcher Flüge zusammenhängt schon nicht zumutbar (vgl. AG Köln, Urteil vom 18. Mai 2011 – 132 C 314/10 -, juris). Es kann daher dahinstehen, ob eine solche Genehmigung von den zuständigen thailändischen Behörden überhaupt erteilt worden wäre.
25. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen einer Verletzung der Betreuungs- Fürsorge- und Unterstützungspflicht, weil die Beklagte keine Umbuchung (auf den von dem Kläger selbst gebucht Flug) für den Kläger vorgenommen hat (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 29.03.2006, I U 983/05 – juris).
26. Zwar hat die Beklagte ihre Pflicht aus dem Beförderungsvertrag verletzt, indem sie den Kläger nicht zu dem vereinbarten Endziel in Frankfurt am Main befördert hat. Hinsichtlich der Behauptung der Beklagten, die Parteien hätten den Beförderungsvertrag und das Endziel dahingehend abgeändert, als dass der Kläger und die Zedentin nur noch nach Rom befördert werden sollten, ist die Beklagte darlegungs- und beweisfällig geblieben. Der diesbezügliche Vortrag war insbesondere nach dem substantiierten Vortrag der Klägerseite im Schriftsatz vom 01.10.2012 nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass es nicht unbedingt naheliegt, dass ein Fluggast ohne Grund auf die Beförderung zu seinem Heimatflughafen verzichten wird. Genau das trägt aber die Beklagte letztlich vor. Die von der Beklagten vorgelegte interne Aufzeichnung (Bl. 40 d. A.) war ebenso wenig ergiebig, worauf die Beklagte u.a. mit Hinweis des Gerichts vom 25.03.2013 (Bl. 98 d. A.) hingewiesen wurde.
27. Die Beklagte ist selbst bei Vorliegen höherer Gewalt als Grund für den Ausfall des streitgegenständlichen Fluges grds. verpflichtet den Fluggast zu dem nach dem Beförderungsvertrag geschuldeten Endziel zu befördern. Der Anspruch erlischt nicht durch eine etwaige Unmöglichkeit der geschuldeten Flugbeförderung gem. § 275 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.).
28. Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung jedoch nicht zu vertreten. Nach Auskunft der DFS war zum streitgegenständlichen Zeitpunkt des Schadenseintritts (Zeitpunkt der Buchung des Weiterfluges nach Rom und des Mietwagens) für die Beklagte nicht absehbar, wann der Luftraum wieder geöffnet und deutsche Flughäfen nach Instrumentenflugregeln angeflogen werden konnten.
29. Der Kläger hat den Flug nach Stuttgart bereits um 18:19 MEZ (23:19 Uhr Ortszeit) Uhr gebucht. Die DFS hat aber erst mit Mitteilung vom 21.04.2010, 4:45 Uhr Ortszeit darüber informiert, dass Teile des deutschen Luftraums wieder geöffnet und deutsche Flughäfen nach Instrumentenflugregeln angeflogen werden konnten.
30. Aufgrund der damals bestehenden Ausnahmesituation und des damit einhergehenden organisatorischen Aufwandes konnte von der Beklagten nicht verlangt werden, zu diesem Zeitpunkt für jeden einzelnen Fluggast Flüge anderer Fluggesellschaften auf alternativen Strecken zu den etwaigen Endzielen zu buchen.
31. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten waren seit der Luftraumsperre am 16.04.2010 mehr als einhunderttausend Passagiere in Bangkok gestrandet und die Hotels überfüllt. Dies ergibt sich auch aus der von der Klägerseite vorgelegten Anlage (Bl. 142 d. A.). Auch nach Auskunft der DFS hat sich die Situation einhergehend mit den rasch ändernden Bedingungen und Prognosen als neuartige Ausnahmesituation gestaltet, deren Handhabung alle Beteiligten herausgefordert hat.
32. Die Beklagte hat ihre Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass sie den Kläger nicht am 20.04.2014 auf einen Flug einer anderen Fluggesellschaft von Bangkok nach Frankfurt am Main umgebucht hat. Der Kläger hat schon nicht dargetan, dass überhaupt zu diesem Zeitpunkt noch ausreichend freie Plätze vorhanden gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung liegt aber beim Kläger.
33. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
34. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Maßgabe in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
35. Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen. Bislang existiert -soweit ersichtlich- lediglich eine Entscheidung zu der Frage der Verletzung von Betreuungs- Fürsorge- und Unterstützungspflicht, durch unterlassene Umbuchung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen dürfte eine direkte Übertragbarkeit der zu Art. 8 261/2004 ergangenen Rechtsprechung ausscheiden.
36. Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Frankfurt am Main, Gerichtsstraße 2, 60313 Frankfurt am Main.
37. Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
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