Sofort fällige Anzahlung

KG Berlin: Sofort fällige Anzahlung

Die Klägerin verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin, es zu unterlassen eine Klausel in den AGB zu verwenden. In der Klausel heißt es: „Bei Zahlungen per Überweisung/Lastschrift oder Kreditkarte (MasterCard/VISA/American Express) ist nach Erhalt der Rechnung/Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheines eine Anzahlung in Höhe von 35% des Reisepreises, mindestens jedoch 50,00 € pro Reiseteilnehmer, sofort fällig.“

Das KG Berlin entschied, dass die Klausel nichtig sei, da sie den Reisenden, entgegen von Treu und Glauben, in unangemessener Weise benachteilige.

KG Berlin 23 U 14/13 (Aktenzeichen)
KG Berlin: KG Berlin, Urt. vom 19.08.2013
Rechtsweg: KG Berlin, Urt. v. 19.08.2013, Az: 23 U 14/13
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Kammergericht Berlin

1.Urteil vom 19. August 2013

Aktenzeichen 23 U 14/13

Leitsatz:

2. In den AGB eines Reiseveranstalters dürfen nicht mehr als 1/3 des Reisepreises, als Anzahlung verlangt werden.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin macht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung bezüglich folgender Klausel in ihren AGB geltend: „Bei Zahlungen per Überweisung/Lastschrift oder Kreditkarte (MasterCard/VISA/American Express) ist nach Erhalt der Rechnung/Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheines eine Anzahlung in Höhe von 35% des Reisepreises, mindestens jedoch 50,00 € pro Reiseteilnehmer, sofort fällig.“

Das Landgericht entschied, dass die Klausel den Kunden entgegen von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Die Beklagte ging gegen dieses Urteil in Berufung.

Auch das Kammergericht Berlin untersagt der Beklagten die Verwendung der Klausel. Angemessen sei lediglich eine Anzahlung die nicht höher als 1/3 des gesamten Reisepreises übersteige. Nur so könne das Interesse des Reiseveranstalters und das Interesse des Reisenden in ein angemessenes Verhätlnis gebracht werden.

Tenor:

4. Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

5. Das Landgericht hat der Beklagten mit Urteil vom 13.12.2012 untersagt, folgende Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden:

6. Bei Zahlungen per Überweisung/Lastschrift oder Kreditkarte (MasterCard/VISA/American Express) ist nach Erhalt der Rechnung/Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheines eine Anzahlung in Höhe von 35% des Reisepreises, mindestens jedoch 50,00 € pro Reiseteilnehmer, sofort fällig.

7. Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Änderung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage.

8. Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 313a I 1, 540 II ZPO abgesehen.

9. Die Berufung der Beklagten wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.

10. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, dass die Vereinbarung einer unmittelbar nach Erhalt der Rechnung/Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheines zu leistenden Anzahlung in Höhe von 35% des Reisepreises die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 I 1 BGB), ist richtig.

11. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass Klauseln, durch die eine Vorleistungspflicht – insbesondere Anzahlungen auf den Reisepreis von Pauschalreisen – begründet wird, nicht der Vorschrift des § 309 Nr. 2 a BGB unterfallen, sondern der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (vgl. BGH, Urt. vom 20.06.2006 – X ZR 59/05 Rn. 6).

12. Gemäß § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist bei der hier vorliegenden Klausel, die eine 35%ige Anzahlung unmittelbar nach Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheines vorsieht, der Fall. Denn im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Zug-um-Zug-Prinzip (§ 320 BGB) ist es mit den Geboten von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren und stellt eine unangemessene Benachteiligung des Reisenden dar, wenn durch Klauseln in Allgemeinen Reisebedingungen des Reiseveranstalters Vorauszahlungen auf den Reisepreis in einer Höhe ausbedungen werden, durch die der Reisende wesentliche Teile des Reisepreises bereits erhebliche Zeit vor Reisebeginn zu leisten verpflichtet werden soll (vgl. BGH a. a. O. Rn. 15).

13. Das Landgericht hat dem Interesse der Reisenden, durch Anzahlungen auf den Reisepreis nicht im Übermaß mit dem Leistungsrisiko belastet zu werden, zutreffend erhebliches Gewicht beigemessen und diesem Interesse in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das berechtigte Interesse des Reiseveranstalters gegenübergestellt, im Falle des Rücktritts des Reisenden von einer gebuchten Reise durch die geleistete Anzahlung jedenfalls in Höhe angemessener Stornokosten gesichert zu sein (vgl. BGH a. a. O. Rn. 21). Als Ergebnis dieser Abwägung hat das Landgericht eine Anzahlung, die über 1/3 des Gesamtpreises hinausgeht, für nicht mehr hinnehmbar erachtet.

14. Das Berufungsgericht tritt dem im Ergebnis bei. Es mag zwar zutreffen, dass im Einzelfall oder bei bestimmten Geschäftsmodellen der Reiseveranstalter schon unmittelbar nach der Buchung mit hohen Vorauszahlungen an Leistungserbringer belastet ist, die über diesen Bruchteil hinausgehen, und dass möglicherweise auch höhere Stornokosten entstehen. Das Interesse des Reiseveranstalters, diese Kosten frühzeitig zu decken, muss aber mit dem Interesse des Reisenden, wesentliche Teile des Reisepreises so lange wie möglich zurückzubehalten, in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden. Da nach dem gesetzlichen Leitbild die beiderseitigen Leistungen in Austauschverhältnissen grundsätzlich Zug um Zug zu erbringen sind (§ 320 I 1 BGB), muss eine formularmäßige Vereinbarung, die sich sehr weit von diesem Leitbild entfernt, als  unangemessene Benachteiligung angesehen werden (§ 307 II Nr. 1 BGB). Daher ist eine frühzeitige Vorauszahlung von 1/3 des Gesamtpreises das Äußerste, was dem Reisenden durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abverlangt werden kann. Höhere Vorauszahlungen können nur individuell vereinbart werden.

15. Der Einwand der Beklagten, dass sie ihr Geschäftsmodell des „dynamic packaging“ wegen der hohen Belastung mit eigenen Vorauszahlungspflichten nicht konkurrenzfähig, d. h. mit attraktiven Preisen betreiben könne, wenn ihre Kunden nicht mindestens 35% des Reisepreises kurzfristig im voraus entrichten, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn den Kunden unangemessen benachteiligende Klauseln werden nicht dadurch zulässig, dass ohne sie ein bestimmtes Geschäftskonzept nicht durchgeführt werden kann. Im Übrigen ist die Beklagte durch das Verbot, eine 35%ige Vorauszahlung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verlangen, nicht gehindert, ihren Kunden bei freiwilliger frühzeitiger Zahlung Preisnachlässe zu gewähren.

16. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 713, 543 II 1 ZPO.

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