Reisepreisminderung bei Vorverlegung des Rückflugs
AG Hamburg: Reisepreisminderung bei Vorverlegung des Rückflugs
Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Reise gebucht. Die Beklagte verlegte den Rückflug um mehr als 12 Stunden vor. Daher verlangen die Kläger Minderung des Reisepreises.
Das Gericht gab der Klage statt. Die Beklagte müsse sich an die zugesagten Leistungen halten. Hier sei die erbrachte Leistung von der vereinbarten Leistung erheblich negativ abgewichen. Daher war ein Teil des Reisepreises rückzuerstatten.
AG Hamburg | 915 C 23/14 (Aktenzeichen) |
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AG Hamburg: | AG Hamburg, Urt. vom 23.06.2014 |
Rechtsweg: | AG Hamburg, Urt. v. 23.06.2014, Az: 915 C 23/14 |
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Leitsatz:
2. Sagt ein Reiseveranstalter einen Rückflug am Abend zu, stellt eine Vorverlegung in die frühen Morgenstunden einen Reisemangel dar.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Reise gebucht. Der Rückflug sollte um 19:50 Uhr stattfinden. Die Beklagte verlegte den Rückflug um mehr als 12 Stunden auf 04:00 Uhr vor. Der Transfer zum Flughafen erfolgte bereits um 00:30 Uhr. Daher verlangen die Kläger Minderung des Reisepreises.
Das Gericht gab der Klage statt. Die Beklagte müsse sich an die zugesagten Leistungen halten. Hier sei die erbrachte Leistung von der vereinbarten Leistung erheblich negativ abgewichen. Durch die Vorverlegung des Rückflugs sei der letzten Nacht der Erholungswert, der immerhin das Ziel eines Urlaubs sei, gänzlich genommen worden. Daher war ein Teil des Reisepreises rückzuerstatten.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1. 77,36 Euro und an die Klägerin zu 2. 83,29 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2014 sowie weitere 83,74 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten an die Kläger als Gesamtgläubiger zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
5. (abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
6. Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
7. Die Kläger haben jeweils einen Anspruch auf Rückzahlung des im Tenor benannten Betrages. In dieser Höhe ist der von ihnen jeweils an die Beklagte entrichtete Reisepreis gemäß §§ 651 d, 638 Abs. 3 BGB gemindert.
8. Die von ihnen bei der Beklagten gebuchten Reisen waren jeweils mangelhaft im Sinne des § 651 c Abs. 1 BGB. Sie waren jeweils mit einem Fehler behaftet, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Nutzen minderte. Ihre Ist-Beschaffenheit wich negativ von der Soll-Beschaffenheit ab, weil die Rückflüge von 19:50 Uhr auf 04:00 Uhr vorverlegt wurden, sodass insbesondere die Nachtruhe zwischen dem 01.11.2013 und 02.11.2013 erheblich verkürzt bzw. sogar aufgehoben wurde. Der Flughafentransfer fand um 00:30 Uhr statt.
9. Nach Ansicht des Gerichts ist die von den Klägern genannte Rückflugzeit Vertragsbestandteil geworden. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger die Rückflugzeit vor Buchung der Reise beim Reisebüro erfragt haben und dieses ihnen die von der Beklagten im System abrufbare Zeit genannt hat. Hiervon ist das Gericht nach der schriftlichen Aussage des Zeugen H. (Bl. 39 d.A.) überzeugt. Der Zeuge hat insoweit glaubhaft bekundet, dass sich der Kläger bei ihm über die Flugzeiten informiert hatte, bevor er die Reise buchte. Dabei nannte der Zeuge dem Kläger die Zeiten, die die Beklagte insoweit in ihrem System bereitgestellt hatte. Die Angaben des Zeugen sind frei von Widersprüchen und detailreich. Es ist nachvollziehbar, dass er sich an den Vorgang erinnert, weil es sich bei dem Kläger um einen langjährigen Kunden handelt. Darüber hinaus standen ihm Unterlagen zur Verfügung, die er erkennbar und zulässigerweise bei seiner Aussage zu Rate gezogen hat, die seine Erinnerungen stützten.
10. Damit ist nach Ansicht des Gerichts eine Vereinbarung über einen Rückflug um 19:50 Uhr als „voraussichtliche“ Zeit zustande gekommen. Denn die Beklagte muss sich die Weitergabe dieser Zeit, die das Reisebüro aus ihrem System entnommen hat, entgegenhalten lassen. Die Kläger durften nach dieser Angabe davon ausgehen, dass diese Zeit die voraussichtliche Zeit des Rückfluges sein würde. Die Beklagte ist davon bei ihrer Annahme des Angebots der Kläger auch nicht abgewichen. Für die gegenteilige Annahme kann sich die Beklagte nicht darauf stützen, dass in der Reisebestätigungen vom 22.02.2013 (Anlagen K 1 und K 3, Bl. 8 und 10 d. A.) keine Flugzeiten angegeben sind. Allein die fehlende Angabe in der Reisebestätigung führt nicht dazu, dass sonstige getroffene Vereinbarungen nicht (mehr) als getroffen gelten. Vielmehr liegt in der Nichtangabe der voraussichtlichen Zeiten nach Ansicht des Gerichts ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoVO, sodass ein derartiges Vorgehen der Beklagten nicht derart zugute kommen kann. Wegen der Angabe im System waren der Beklagten auch offensichtlich Zeiten bekannt, zu denen die Reisenden fliegen können. Ihr war daher eine Vereinbarung der voraussichtlichen Flugzeit auch nicht unmöglich oder unzumutbar (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, U. v. 22.11.2013, 7 U 271/12; zit. n. juris). Darüber hinaus ist nicht erkennbar, was andernfalls hinsichtlich der Flüge Vertragsbestandteil geworden sein soll. Hierzu trägt die Beklagte nichts vor. Aus dem Urteil des BGH vom 10.12.2013 (X ZR 24/13; zit. n. juris) ist zu entnehmen, dass der Flug ein Hauptbestandteil eines Reisevertrages im Sinne der §§ 651a ff BGB ist. Als solcher muss dieser Leistungsteil hinreichend bestimmt sein, damit etwa auch der Reisende seiner Mitwirkungspflicht – nämlich rechtzeitig am Flughafen zu sein, um die Reise antreten zu können – nachkommen kann. Zwar können die Parteien und kann sich insbesondere die Beklagte eine Veränderung der Flugzeiten vorbehalten oder sie kann sich u. U. sogar ein noch weitergehendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB ausbedingen. Ein solches müsste aber vereinbart worden sein. Hierzu trägt die Beklagte jedoch nichts weiter vor. Soweit eine derartige Vereinbarung aus der auch den Klägerin bekannten „Unverbindlichkeit“ der durch das Reisebüro weitergegebenen Flugzeiten angenommen werden kann, beschränkt sie die Möglichkeiten der Beklagten jedoch dahingehend, dass die Flugzeiten zumindest annähernd eingehalten werden müssen (vgl. BGH a.a.O.). Hiervon kann vorliegend bei einer Vorverlegung um mehr als 14 Stunden nicht ausgegangen werden.
11. Bei einer derartigen Änderung der Flugzeit und insbesondere auch unter Berücksichtigung der dadurch entstehenden erheblichen Beeinträchtigung der Nachtruhe liegt auch eine Minderung der Tauglichkeit zum gewöhnlichen Nutzen vor. Die Reise endete mit einer Nacht, in der Erholung – der gewöhnliche Nutzen einer Urlaubsreise – weitgehend ausgeschlossen war.
12. Unter Berücksichtigung des Maßstabs gemäß § 638 Abs. 3 BGB hält das Gericht eine Minderungsquote von 50% des Tagesreisepreises für angemessen.
13. Danach errechnen sich folgende Beträge:
14. Für den Kläger zu 1.: Grundpreis 58,00 Euro – 18% Frühbucherrabatt + 1/14 von 319,00 Euro Basispreis + 10,00 Euro Verpflegungszuschlag – 3,00 Euro Preisabschlag = 77,35 Euro – davon 50% = 38,68 Euro. Da der Kläger zu 1. auch den Minderungsbetrag hinsichtlich seiner Mitreisenden geltend machen kann, ergibt sich ein Betrag zu seinen Gunsten von 77,36 Euro.
15. Für die Klägerin zu 2.: Grundpreis 73,00 Euro – 18% Frühbucherrabatt + 1/7 von 299,00 Euro Basispreis + 10,00 Euro Verpflegungszuschlag – 3,00 Euro Preisabschlag = 109,57 Euro – davon 50% = 54,79 Euro. Für das Kind kann sie den Minderungsbetrag geltend machen. Dieser errechnet sich wie folgt: 1/7 von 329,00 Euro Basispreis + 10,00 Euro Verpflegungszuschlag = 57,00 Euro – davon 50% = 28,50 Euro. Damit kann die Klägerin zu 2. Insgesamt 83,29 Euro verlangen.
16. Der Verpflegungszuschlag ist nach Ansicht des Gerichts Teil des Tagesreisepreis und daher nicht erst nach Berechnung des Minderungsbetrages aus den übrigen Positionen diesem hinzuzurechnen. Daraus ergeben sich geringe Differenzen zu den von den Klägern errechneten Beträgen.
17. Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 291, 288 BGB.
18. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können die Kläger als Gesamtgläubiger gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ersetzt verlangen. Die Beklagte befand sich in Verzug, weil sie die Ansprüche der Kläger bereits vor der Reise abgelehnt hatte. Eine erneute Aufforderung bzw. Mahnung im Anschluss an die Reise wäre nach Ansicht des Gerichts reine Förmelei gewesen. Die Kläger konnten somit direkt ihren Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche beauftragen. Die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ist nicht zu beanstanden.
II.
19. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
20. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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