Fehlende Beendigung des Rückfluges an dem in der Reisebeschreibung angegebenen Tag
AG Hannover: Fehlende Beendigung des Rückfluges an dem in der Reisebeschreibung angegebenen Tag
Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug gebucht. Dieser verzögerte sich um etwa 8 Stunden. Daher verlangen sie Ausgleichszahlung.
Das Gericht gab der Klage statt. Aufgrund der starken Verspätung sei eine Ausgleichszahlung wie bei einer Annullierung des Fluges zu leisten.
AG Hannover | 564 C 267/13 (Aktenzeichen) |
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AG Hannover: | AG Hannover, Urt. vom 03.07.2013 |
Rechtsweg: | AG Hannover, Urt. v. 03.07.2013, Az: 564 C 267/13 |
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Leitsatz:
2. Bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden sind Ausgleichszahlungen wie bei einer Annullierung des Fluges zu zahlen.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von Las Palmas nach Berlin gebucht. Dieser verzögerte sich um etwa 8 Stunden. Die ursprüngliche Abflugszeit war 16:05 Uhr, tatsächlicher Abflug war um 00:10 Uhr. Daher verlangen sie Ausgleichszahlung.
Das Gericht gab der Klage statt. Nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung stünden den Klägern Ausgleichszahlungen zu. Aufgrund der starken Verspätung sei eine Ausgleichszahlung wie bei einer Annullierung des Fluges zu leisten. Dies ergebe sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Ein außergewöhnlicher Grund, der die Beklagte entschuldigen könnte, wurde nicht vorgetragen.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor Vollstreckung die Kläger Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
5. Die Kläger machen Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung geltend.
6. Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Flug von Las Palms nach Berlin. Der Flug trug die Nummer 2233 und erstreckte sich auf eine Entfernung von mehr als 1.500 km.
7. Das Flugzeug sollte am 16.04.2011 in Las Palmas um 16:05 abfliegen und am selben Tag um 22:10 am Flughafen Berlin-Tegel landen. Tatsächlich flog das Flugzeug am 17.04.2011 um 00:10 in Las Palmas ab und landete am selben Tag um 6:05 in Berlin-Tegel. Abflug und Ankunft verzögerten sich somit um 8 Stunden und 5 Minuten bzw. 7 Stunden und 55 Minuten. Die Reiseleitung des Reiseveranstalters informierte die Kläger über die Verzögerung wenige Stunden vor dem geplanten Transfer zum Flughafen. Neue Abflugzeit sollte 23:40 sein. Ein Bus holte die Kläger um 20:20 vom Hotel ab. Für die Flugverspätung verlangten die Kläger von der Beklagten Ausgleichszahlungen. Letztere lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.11.2012 ab. In diesem teilte die Beklagte mit, dass ihre Rechtsabteilung das vorliegende Flugreiseereignis geprüft und eine weitere Regulierung abgelehnt hat. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2012. Die vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 147,56 € beglich die Rechtsschutzversicherung der Kläger am 25.01.2013 und trat die Forderung zur Einziehung an die Kläger ab.
9. die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 147,56 € zu zahlen.
12. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
14. Die Kläger haben gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 400,00 € pro Person gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c, 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 (im Folgenden FluggastrechteVO).
15. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c, 7 Abs. 1 lit. b. FluggastrechteVO werden bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Flugunternehmen Ausgleichszahlungen in Höhe von 400,00 € bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km eingeräumt. Der EuGH hat entschieden, dass eine Verspätung von mehr als drei Stunden wie eine Annullierung zu behandeln ist (EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2012 – C-581/10 und C-629/10). Eine solche Verspätung begründet nur dann keinen Ausgleichsanspruch der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
16. Im vorliegenden Fall erreichten die Kläger ihr Endziel sieben Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit. Das Vorliegen eines unvermeidbaren Umstandes i. S. d. Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO wurde nicht vorgetragen. Die Unterrichtung der Kläger über die Flugverspätung durch die Reiseleitung des Reiseveranstalters lässt den Anspruch der Kläger nicht entfallen. Der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 liegt die Überlegung zu Grunde, dass Annullierungen und große Verspätungen von Flügen für die Fluggäste ein Ärgernis sind und ihnen große Unannehmlichkeiten verursachen. Der erste und der letzte Tag einer Reise sind grundsätzlich für die Beförderung gedacht. Wird der Rückflug, wie hier, nicht mehr an dem in der Reisebeschreibung angegebenen Tag beendet, entfällt die komplette Nachtruhe der Reisenden. Die Benachrichtigung von der Flugverzögerung fand am Tag der Abreise statt. Wenige Stunden vor dem geplanten Transfer zum Flughafen hat sich der Reisende bereits auf die Abreise eingestellt; die Koffer werden gepackt und die verbleibende Zeit verplant. Trotz einer Information über die Flugverspätung wird der Reisende nicht mehr sinnvoll über die Zeitspanne zwischen Information und Transfer zum Flughafen disponieren können. Vielmehr wird er sich im Hotel aufhalten, um auf erneute Änderungen in der Abreiseplanung reagieren zu können.
17. Eine nicht von der Beklagten zu vertretende Umbuchung auf einen anderen Flug durch den Reiseveranstalter liegt nicht vor. Nach dem Vorbringen der Parteien wurde der Flug mit der ursprünglichen Flugnummer durchgeführt, also verspätet.
18. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB.
19. Allerdings haben die Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes mit dem außergerichtlichen Forderungseinzug war nicht erforderlich i. S. § 249 BGB. Nachdem die Beklagte auf die Zahlungsforderung der Kläger Ansprüche unter Verweis auf die Einschätzung der beklagteneigenen Rechtsabteilung abgelehnt hatte, konnten diese nicht mehr davon ausgehen, ein Rechtsanwalt könne ihre Ansprüche außergerichtlich durchsetzen. Vielmehr war zu erwarten, dass die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben würde. Die Kläger hätten unbedingten Klageauftrag erteilen müssen, so dass keine weiteren Kosten entstanden wären.
II.
20. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Berichte und Besprechungen
Süddeutsche Zeitung: Flugverspätung bis in die Nacht ist besonders große Unannehmlichkeit
Forum Fluggastrechte: Erstattung von Anwaltskosten bei Flugverspätung
Passagierrechte.org: Große Verspätung im Reiserecht
Rechtsanwälte für Reiserecht
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