Rückreise zwei Tage früher von den Malediven

LG Köln: Rückreise zwei Tage früher von den Malediven

Die Klägerinnen hatten bei der Beklagten eine zehntägige Reise auf die Malediven für insgesamt 6.622,00 € gebucht. Die Beklagte teilte den Klägerinnen später mit, dass der geplante Rückflug ausfalle und deshalb der Rückflug zwei Tage früher erfolgen müsse. Außerdem wurde der Hinflug dergestalt geändert, dass eine Zwischenübernachtung in Muscat erfolgen musste. Daraufhin traten die Klägerinnen vom Reisevertrag zurück und buchten eine achttägige Reise bei einem anderen Anbieter. Von der Beklagten verlangten sie Ersatz der Mehrkosten, die sie für die andere Reise aufwenden mussten, und Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 50 Prozent des ursprünglichen Reisepreises. Über die Mehrkosten erhielten die Klägerinnen einen Scheck, den sie aber nicht einlösten.

Das Amtsgericht sprach ihnen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von je 275,00 € zu. Hierbei war nach Ansicht des Amtsgerichts zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen im ursprünglich geplanten Zeitraum die andere Reise unternahmen. Bezüglich der Mehrkosten wurde die Klage unter Hinweis auf den Scheck abgewiesen.

Das Landgericht sprach den Klägerinnen nun eine höhere Entschädigung in Höhe von je 993,30 € zu. Es stützte sich hierbei auf die sog. Malediven-Entscheidung des BGH, wonach es nicht darauf ankommt, wie ein Geschädigter im Falle des Ausfalls einer Reise die nun freie Zeit verbringt. Wohl aber berücksichtigte das Landgericht, dass die ursprünglich gebuchte Reise nur um zwei von zehn Tagen verkürzt wurde. Dies reiche zwar als Rücktrittsgrund, begrenze dann aber den Entschädigungsanspruch, da die Klägerinnen auch an der Reise hätten festhalten können. Bezüglich der Mehrkosten bestätigte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichtes, dass der Scheck einzulösen sei.

LG Köln 11 S 117/16 (Aktenzeichen)
LG Köln: LG Köln, Urt. vom 23.05.2017
Rechtsweg: LG Köln, Urt. v. 23.05.2017, Az: 11 S 117/16
AG Köln, Urt. v. 22.03.2016, Az: 138 C 569/15
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Landgericht Köln

1. Urteil vom 23. Mai 2017

Aktenzeichen 11 S 117/16

Leitsätze:

2. Die Höhe eines Entschädigungsanspruchs wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651f Abs. 2 BGB ist unabhängig davon zu bemessen, wie der Geschädigte die Zeit verbracht hat. Insbesondere senkt ein Ersatzurlaub den Anspruch nicht.

Ein zur vollständigen Erfüllung einer von mehreren Forderungen gereichter Scheck ist keine unzulässige Teilleistung.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerinnen hatten bei der Beklagten eine zehntägige Reise auf die Malediven für insgesamt 6.622,00 € gebucht. Die Beklagte teilte den Klägerinnen später mit, dass der geplante Rückflug ausfalle und deshalb der Rückflug zwei Tage früher erfolgen müsse. Außerdem wurde der Hinflug später dergestalt geändert, dass eine Zwischenübernachtung in Muscat hätte erfolgen müssen. Daraufhin traten die Klägerinnen vom Reisevertrag zurück und buchten eine achttägige Reise bei einem anderen Anbieter. Von der Beklagten verlangten sie Ersatz der Mehrkosten, die sie für die andere Reise aufwenden mussten, und Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 50 Prozent des ursprünglichen Reisepreises. Über die Mehrkosten erhielten die Klägerinnen einen Scheck, den sie aber nicht einlösten.

Das Amtsgericht sprach ihnen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von je 275,00 € zu. Hierbei war nach Ansicht des Amtsgerichts zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen im ursprünglich geplanten Zeitraum die andere Reise unternahmen. Dadurch reduziere sich der Entschädigungsanspruch. Bezüglich der Mehrkosten wurde die Klage unter Hinweis auf den Scheck abgewiesen. Hiergegen legten die Klägerinnen Berufung ein, mit der sie ihre ursprünglichen Forderungen weiterverfolgten.

Das Landgericht sprach den Klägerinnen nun eine höhere Entschädigung in Höhe von je 993,30 € zu. Es stützte sich hierbei auf die sog. Malediven-Entscheidung des BGH, wonach es nicht darauf ankommt, wie ein Geschädigter im Falle des Ausfalls einer Reise die nun freie Zeit verbringt. Insofern kann eine Ersatzreise nicht zur Reduzierung des Entschädigungsanspruchs führen, da bei dem Entschädigungsanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB der Schaden in der ausgefallenen erwarteten Vertragsleistung liege. Das Landgericht gab dem Verlangen der Klägerinnen dennoch nur teilweise statt. Dies begründete es damit, dass die ursprünglich gebuchte Reise nur um zwei von zehn Tagen verkürzt wurde. Dies reiche zwar als Rücktrittsgrund, begrenze dann aber den Entschädigungsanspruch, da die Klägerinnen auch an der Reise hätten festhalten können. Bezüglich der Mehrkosten bestätigte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichtes, dass der Scheck einzulösen sei.

Tenor:

4. Auf die Berufung wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 22.03.2016 – 138 C 569/15 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 993,30 € nebst Zinsen in Höhe von je 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2015 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Parteien wie folgt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 31%, die Klägerin zu 2) 17% und die Beklagte 52%. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) tragen die Klägerin zu 1) 54% und die Beklagte 46%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) tragen die Klägerin zu 2) zu 40% und die Beklagte zu 60%

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien wie folgt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 36%, die Klägerin zu 2) 20% und die Beklagte 44%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) tragen die Klägerin zu 1) zu 62% und die Beklagte zu 38%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) tragen die Klägerin zu 2) zu 47% und die Beklagte zu 53%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die gegen sich gerichtete Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

5. Die Klägerin zu 1) buchte für sich und die Klägerin zu 2) bei der Beklagten am 12.03.2005 eine Pauschal-Flugreise von G nach Malé auf den Malediven. Die Reise umfasste neben den Flügen u.a. die Unterbringung in der Hotelanlage „D Resort“ mit der Verpflegungsvariante „all inclusive“. Als Reisebeginn war der 29.03.2015, als Rückreisetermin der 09.04.2015 vereinbart. Der Reisepreis betrug insgesamt 6.622,00 €.

6. Am 05.03.2015 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass der für den 09.04.2015 vorgesehene Rückflug gestrichen sei und damit die Rückreise zwei Tage früher, nämlich am 07.04.2015 erfolgen müsse. Am 07.03.2017 informierte die Beklagte die Klägerinnen desweiteren darüber, dass auf dem Hinflug am 29.03.2015 eine Zwischenübernachtung in Muscat erfolgen müsse.

7. Die Klägerin zu 1) trat daraufhin vom Reisevertrag zurück.

8. Anstelle der gebuchten Reise buchte die Klägerin zu 1) für die Klägerinnen bei einem anderen Reisveranstalter eine Flugpauschalreise auf die Malediven vom 30.03.2015 bis zum 09.04.2015 zu einem Gesamtpreis von 7.140,00 €. Über die ihr gegenüber der stornierten Reise insoweit entstandenen Mehrkosten von 518,00 € übersandte die Beklagte der Klägerin zu 1) einen Verrechnungsscheck, den diese jedoch nicht einlöste.

9. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, dass die ursprünglich gebuchte Reise vereitelt worden sei und ihnen daher eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 50% des jeweiligen Reisepreises zustehe. Außerdem ist die Klägerin zu 1) der Meinung gewesen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr für die durch die Ersatzbuchung entstandenen Mehrkosten 518,00 € zu zahlen. Durch die Hingabe des Schecks sei Erfüllung nicht eingetreten.

10. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass den Klägerinnen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nicht zustehe. Da die Klägerinnen während der vorgesehenen Urlaubszeit tatsächlich eine gleichwertige Urlaubsreise unternommen hatten, sei ihre Urlaubszeit nicht nutzlos aufgewendet worden. Ihnen sei insoweit kein Schaden entstanden. Hinsichtlich der durch die Ersatzbuchung entstandenen Mehrkosten sei die Klägerin zu 1) gehalten gewesen, den erhaltenen Scheck einzulösen.

11. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

12. Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 275,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.06.2015 zu zahlen, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Umstand, dass die Klägerinnen eine gleichwertige Ersatzreise durchgeführt haben, lasse zwar den Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit dem Grunde nach nicht entfallen. Der Umstand sei aber bei der Höhe des Entschädigungsanspruchs zu berücksichtigen. Eine Entschädigung sei nur wegen der den Klägerinnen durch die Vereitelung der Reise entstandenen Anstrengungen, eine Ersatzreise zu finden, zu gewähren. Insoweit sei ein Betrag von 275,00 € pro Person angemessen. Im Hinblick auf die Schadensersatzforderung von 518,00 € sei die Klage unzulässig, da es der Klägerin zu 1) am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Insoweit hätte sie den Verrechnungsscheck einlösen können. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehe nicht, da die Klägerinnen ihren Prozessbevollmächtigten bereits vor Verzugseintritt beauftragt hatten.

13. Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihre Forderungen im abgewiesenen Umfang weiter. Das Urteil des Amtsgerichts sei rechtsfehlerhaft und widerspreche insbesondere der sogenannten Malediven-Entscheidung des BGH. Diese und damit einhergehend die herrschende Meinung besage, dass der Antritt einer Ersatzreise dem vertragsbrüchigen Reiseveranstalter nicht zugutekommen und er keinen Einfluss auf den Erstattungsanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB haben könne. In Bezug auf die Hingabe des Schecks ist die Klägerin zu 1) der Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Einlösung des Schecks schon deshalb nicht bestehe, weil die Beklagte mit der Scheckhingabe nur eine Teilleistung abgedeckt habe, zu der sie nicht berechtigt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 22.06.2016 (Bl. 92 d.A.) verwiesen.

14. Die Klägerinnen beantragen,

15. das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 22.03.2016 (138 C 569/15) teilweise abzuändern und

16. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) weitere 1.898,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2015 zu bezahlen,

17. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) weitere 1.380,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2015 zu bezahlen,

18. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerinnen von Honoraransprüchen Ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 413,64 € freizustellen.

19. Die Beklagte beantragt,

20. die Berufung zurückzuweisen.

21. Die Beklagte verteidigt das Urteil und verweist insbesondere auf die Gesetzesbegründung, wonach für die Höhe der Entschädigung alle Umstände des Einzelfalls heranzuziehen seien. Die Ansicht der Berufung würde zu einer Überkompensation führen und dazu, dass ein Kunde bei zwei stornierten Reisen zum Beispiel für dieselbe Urlaubszeit zweimal Entschädigung verlangen könne. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 31.10.2016 (Bl. 104 d.A.) verwiesen.

II.

22. Die Berufung hat zum Teil Erfolg. Sie ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

23. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung von jeweils 993,30 € wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit aus § 651f Abs. 2 BGB. Nur in Höhe von jeweils 275,00 € hat das Amtsgericht den Klägerinnen diesen Anspruch bereits zugesprochen. Auf die Berufung der Klägerinnen waren diesen daher jeweils weitere 718,30 € zuzusprechen.

a)

24. Ein Entschädigungsanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB ist dem Grunde nach entstanden. Ein Kündigungs- bzw. Rücktrittsgrund der Klägerin zu 1) lag vor, da die Leistungsänderungen durch die Beklagte für die Klägerinnen nicht mehr im Rahmen des Zumutbaren waren. Die 10tägige Reise war von der Beklagten einseitig um zwei Tage verkürzt worden. Zudem sollte auf dem Hinflug noch eine Zwischenübernachtung stattfinden. Gerade bei Fernreisen mit einer langen Flugzeit und einer zu berücksichtigenden Zeitverschiebung ist der Erholungswert eingeschränkter, je kürzer die Reise ist. Bei einer ohnehin nur 10tägigen Fernreise fällt eine mindestens 2tägige Verkürzung damit nennenswert ins Gewicht und beeinträchtigt den Erholungswert dieser Reise in erheblichem Maße. Dass die Beklagte ein Verschulden nach § 651f Abs. 1 BGB nicht trifft, hat sie nicht darlegen können. Für ein etwaiges Verschulden der Fluggesellschaft als ihrer Leistungsträgerin haftet die Beklagte gem. § 278 BGB.

25. Zuzustimmen ist dem Amtsgericht auch darin, dass der Umstand, dass die Klägerinnen eine Ersatzreise gebucht haben, einen Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit dem Grunde nach nicht entgegensteht. Führt ein Kunde im Falle einer vereitelten Reise eine ihm nicht vom Reiseveranstalter angebotene Ersatzreise durch, so steht dies seinem Entschädigungsanspruch nicht entgegen (BGH, Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 118/03 = NJW 2005, 1047).

b)

26. Die Ansicht des Amtsgerichts, dass sich der Umstand, dass die Klägerinnen während des vorgesehenen Reisezeitraums eine Ersatzreise durchgeführt haben, aber durchaus auf die Höhe der Entschädigung auswirken könne, ist indes – unabhängig davon, dass das Amtsgericht bei seinen diesbezüglichen Ausführungen übersieht, dass die Ersatzreise bereits nicht dieselbe Dauer wie die ursprünglich gebuchte Reise hatte – nicht frei von Rechtsfehlern. Nach der Rechtsprechung des BGH aus der sogenannten Malediven-Entscheidung (BGH, a.a.O.), der auch die herrschende Auffassung im Schrifttum folgt (Ansgar Staudinger in Staudinger, BGB, 2016, § 651f, Rn. 80; Führich, Reiserecht, 7. Aufl., 2015, § 11, Rn. 59; ders., MDR 2009, 906, 910; Tonner in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., 2012, § 651f, Rn. 53; Palandt-Sprau, BGB, 75. Aufl., 2016, § 651f, Rn. 6; Gelb in Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand. 01.11.2016, § 651f, Rn. 53) kommt es für den Entschädigungsanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB gerade nicht darauf an, wie der Reisende die ursprünglich für die ausgefallene Reise vorgesehene Zeit letztlich verbracht hat, da bereits mit der Vereitelung feststehe, dass der Reisende den von ihm geplanten konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit, nämlich den Erfolg der von ihm beim Reiseveranstalter gebuchten Reise nicht oder nicht vollständig erreichen kann. Ebenso wenig müsse sich der Reisende eigene überobligatorische Anstrengungen für die Buchung einer Ersatzreise im Wege einer Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Auch seien solche Umstände nicht bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen mit der Folge, dass ein möglicher Schaden letztlich doch nicht entstanden wäre (BGH a.a.O.). Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an.

27. Der Ansatz des Amtsgerichts steht dieser Rechtsprechung entgegen. Das angefochtene Urteil enthält auch keine Begründung dazu, wie der Ansatz des Amtsgerichts mit der von ihm selbst zitierten BGH-Rechtsprechung vereinbar sein soll. Die Kammer geht aber davon aus, dass das Amtsgericht hier der Rechtsprechung einer anderen Abteilung des Amtsgerichts folgt, auf die sich auch die Beklagte stützt (AG Köln, Urteil vom 22.10.2012, 142 C 210/12 = NJW-RR 2013, 957; außerdem AG Köln, Urteil vom 20.06.2005, 142 C 620/04, bestätigt durch LG Köln, Urteil vom 14.02.2006, 11 S 354/05 – beide Urteile nicht veröffentlicht). Diese Rechtsprechung nimmt an, dass der BGH in der sog. Malediven-Entscheidung nur entschieden habe, dass sich die Frage eines Ersatzurlaubs nicht auf die Entstehung des Entschädigungsanspruchs nach § 651f Abs. 2 BGB dem Grunde nach auswirke. Bei der Höhe der Entschädigung, die auch nach Ansicht des BGH vom Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festgelegt werden müsse, habe aber der Tatrichter den Umstand, dass eine ggf. gleichwertige Ersatzreise durchgeführt wurde, durchaus zu berücksichtigen. Es stelle einen durchaus ins Gewicht fallenden Umstand dar, ob ein Reisender die geplante Urlaubszeit zu Hause oder bei der Arbeit oder auf einer anderen der Erholung dienenden Reise verbringe. Die Einbuße, desjenigen, der sich auf einer anderen Reise erhole, sei deutlich geringer als die Einbuße desjenigen, der dies nicht tut. Dies wirke sich entschädigungsmindernd aus. Dabei sei auch an den Fall zu denken, dass ein Reisender die geplante Reise schließlich über einen anderen Anbieter tatsächlich doch noch durchführe.

28. Die Kammer teilt diese Sichtweise nicht. Zum einen ergibt sich aus Sicht der Kammer aus der sog. Malediven-Entscheidung des BGH bereits nicht, dass dort nur über die Auswirkungen einer Ersatzreise auf die Entstehung des Anspruchs aus § 651f Abs. 2 BGB dem Grunde nach entschieden worden sei. Der BGH hat in dem Urteil vielmehr ausdrücklich ausgeführt: „Weder sind diese Umstände [= die Buchung eines Ersatzurlaubs oder die Verschiebung des Urlaubs, Anm. der Kammer] bei der Schadensberechnung einzusetzen – was zur Folge hätte, dass ein möglicher Schaden letztlich doch nicht entstanden wäre – noch findet insoweit eine Vorteilsangleichung statt“. Dies spricht deutlich dafür, dass nach Ansicht des BGH eine Ersatzreise auf keiner Ebene des Anspruchs – also auch nicht im Rahmen der Entschädigungshöhe – berücksichtigt werden soll. Der Ansatz des Amtsgerichts steht auch im Widerspruch zu der Maßgabe der Malediven-Entscheidung, dass sich der Reisende eigene überobligatorische Anstrengungen für die Buchung einer Ersatzreise zu seinen Lasten anrechnen lassen müsse. Der diesbezügliche Einwand des Amtsgerichts Köln aus seinem Urteil vom 22.10.2012, 142 C 210/12 = NJW-RR 2013, 957, dass auch im Schadensrecht einem Schädiger begünstigende Umstände zugutekämen, etwa wenn ein Heilungsverlauf positiv verläuft, überzeugt nicht. Denn in dem vom Amtsgericht gewählten Beispiel geht es gerade um eine Zufälligkeit, die sich auf den Umfang eines Schadens mitwirkt, und nicht wie hier um die überobligatorische Anstrengung eines Geschädigten im Rahmen eines vom Schädiger nicht erfüllten Vertragsverhältnisses, zu der der Geschädigte diesem gegenüber nicht verpflichtet ist.

29. Insbesondere hält die Kammer aber die Rechtsprechung des Amtsgerichts auch für dogmatisch nicht mit der Struktur des Entschädigungsanspruchs aus § 651f Abs. 2 BGB vereinbar. Denn die Ansicht des Amtsgerichts übersieht, dass für den Entschädigungsanspruch nach § 651f Abs. 2 BGB maßgeblich darauf abgestellt wird, dass der vom Reisenden für seine Urlaubszeit konkret im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erwartete Nutzen nicht eingetreten ist, es also gerade darauf ankommt, dass die konkrete von ihm beim Reiseveranstalter gebuchte Reise nicht oder nicht vollständig durchgeführt werden kann. Aus diesem Grunde können außerhalb dieser konkret gebuchten Reise entstehende Umstände keinen Einfluss auf die Höhe des Entschädigungsanspruchs haben. Im Einklang damit wird die Rechtsprechung des AG Köln auch in der Literatur gerade wegen dogmatischer Bedenken überwiegend abgelehnt (vgl. Staudinger in Staudinger, a.a.O.; Staudinger/Bauer/Röben, NJW 2013, 3760; Palandt-Sprau, a.a.O.; wohl auch Führich, Reiserecht, a.a.O., Rn. 59).

c)

30. Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass die von den Klägerinnen verlangte Entschädigung in Höhe von 50% des Reisepreises zu hoch ist. Bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erscheint vielmehr eine Entschädigung in Höhe von 30% des Reisepreises, also von je 993,30 € als angemessen. Es ist insoweit als Umstand nämlich zu berücksichtigen, dass die Reise zwar gescheitert ist, weil aufgrund der Beklagten zuzurechnender Umstände, die Klägerin zu 1) zu einem Rücktritt vom Reisevertrag berechtigt wurde, aber dennoch die angebotenen Leistungen der Beklagten nicht wie in anderen Fällen ursprünglich komplett weggefallen waren. Denn die Klägerin hätte die Reise für acht der gebuchten zehn Tage durchführen können. Zwar stellte die Verkürzung der Reise um 2 Tage einen Rücktrittsgrund dar. Sie hätte aber den Antritt der Reise umgekehrt auch nicht komplett nutz- oder sinnlos erscheinen lassen. Dies zeigt sich auch daran, dass letztlich die Klägerinnen auch bei ihrer Ersatzreise nur für acht Tage auf die Malediven gereist sind. Die Klägerinnen hätten also den von ihnen konkret im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten erwarteten Nutzen ihrer Urlaubszeit zu einem nennenswerten Teile durchaus noch erreichen können. Überdies erscheint auch das Verschulden der Klägerin in der vorliegenden Situation als geringer als etwa in Fällen, in denen etwa wegen einer Überbelegung des Hotels die Reise insgesamt nicht durchgeführt werden kann. Bei Beachtung dieser Umstände erscheint eine Entschädigung in Höhe von 30% des Reisepreises angemessen.

31. Die Zinsansprüche der Klägerinnen ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

2.

32. Keinen Erfolg hat die Berufung indes, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin zu 1) auf Zahlung von 518,00 € wegen der durch die Buchung der Ersatzreise entstandenen Mehrkosten verneint hat. Der Anspruch besteht nicht, da die Klägerin zu 1) insoweit bereits einen Scheck in gleicher Höhe von der Beklagten erhalten hat. Zwar stellt die Übersendung eines Schecks keine Erfüllung dar, sondern im Zweifel lediglich eine Leistung erfüllungshalber. Die Klägerin zu 1) wäre aber gem. § 242 BGB gehalten gewesen, den Scheck einzulösen oder aber eine Zahlung durch Scheck unverzüglich zu verweigern. Denn eine Zahlung mit Scheck ist derart im Verkehr eingebürgert, dass der Schuldner unter normalen Verhältnissen nach Treu und Glauben unverzüglich die Rückgabe des Schecks erwarten kann, wenn der Gläubiger eine Zahlung durch Scheck ablehnen will (LG Köln, Urteil vom 18.11.2008, 11 S 497/07). Derartiges hat die Klägerin zu 1) nicht getan.

33. Die Klägerin zu 1) kann sich auch nicht darauf berufen, dass durch den Scheck nur eine gem. § 266 BGB unzulässige Teilleistung erfolgt sei. Dem ist nicht so. Stattdessen hat die Beklagte eine von mehreren selbständigen Forderungen der Klägerinnen vollständig erfüllen wollen. Der Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos vertaner Urlaubszeit ergibt sich aus § 651f Abs. 2 BGB und stellt einen immateriellen Schadensersatzanspruch dar, der Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten hingegen beruht auf § 651f Abs. 1 BGB und betrifft materielle Schäden. Damit liegt hier eine Bündelung zweier selbständiger Ansprüche vor, sodass hier nicht von einer Teilleistung auf einen Gesamtanspruch ausgegangen werden kann (vgl. Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., 2016, § 266, Rn. 16, 6).

3.

34. Den Freistellungsanspruch in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat das Amtsgericht ebenfalls zurecht abgelehnt. Ein Verzugsschaden lag nicht vor, da die Klägerinnen ihren Prozessbevollmächtigten bereits vor Verzugseintritt beauftragt hatten. Auch aus § 280 Abs. 1 BGB  ergibt sich Schadensersatzanspruch nicht, da die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht erforderlich war. Die Klägerinnen hätten zunächst ihre Ansprüche unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend machen können. Dass sie hierzu in der Lage waren, zeigt sich auch daran, dass die Klägerin zu 1) auch ohne anwaltliche Hilfe von der Reise zurückgetreten war.

4.

35. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO unter Anwendung der sog. Baumbach’schen Formel. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 710 ZPO.

36. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Es bestehen zu der Frage, ob die Durchführung einer Ersatzreise sich auf die Höhe der Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB auswirken kann, auch nach der sog. Malediven-Entscheidung noch unterschiedliche Auffassungen, sodass eine entsprechende Klarstellung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheint.

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