Flugvorverlegung keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise

LG Düsseldorf: Flugvorverlegung keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise

Ein Fluggast nahm ein Luftfahrtunternehmen auf Schadensersatz und Rückzahlung des Reisepreises in Anspruch, weil die Abflugzeit kurzfristig nach vorne verlegt wurde und der Kläger einen alternativen Rückflug buchen musste.

Das Gericht entschied, dass die Klägerin gegen die Beklagte keine weiteren Ansprüche aus den §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 S. 1 BGB, 638 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 BGB hat und die Berufung unbegründet ist.

LG Düsseldorf 22 S 262/10 (Aktenzeichen)
LG Düsseldorf: LG Düsseldorf, Urt. vom 20.05.2011
Rechtsweg: LG Düsseldorf, Urt. v. 20.05.2011, Az: 22 S 262/10
AG Düsseldorf, Urt. v. 30.09.2010, Az: 232 C 6893/10
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Landgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 20.05.2011

Aktenzeichen: 22 S 262/10

Leitsatz:

2. Flugvorverlegung stellt keine erhebliche Beeinträchtigung bei Pauschalreisen dar.

Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall wurde der Rückflug kurzfristig geändert und die Klägerin hat sich deswegen einen alternativen Rückflug gesucht. Durch die abweichende Abflugzeit sind Verpflegungsleistungen und Rücktransportkosten angefallen, sowie Kosten für das nicht erhaltene Abendessen und Telefonkosten.

Die Klägerin verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Lebensgefährten Rückzahlung von Reisepreis wegen Minderung und Schadensersatz.

Das Gericht entschied, dass die Berufung unbegründet ist und die Klägerin gegen die Beklagte keine weiteren Ansprüche aus den §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 S. 1 BGB, 638 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 BGB hat. Die formularmäßige Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist zulässig und verstößt nicht gegen §§ 307 Abs. 1, 138 BGB. Der BGH erkennt nämlich in ständiger Rechtsprechung ein allgemeines Interesse des Verwenders von AGB an, durch die Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses die Vertragsentwicklung übersichtlich zu gestalten. Weiterhin muss die kurzfristige Änderung des Abflugzeitpunkts als Beeinträchtigung einer billigen Pauschalreise hingenommen werden.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.09.2010 verkündete Urteil des AGs Düsseldorf – 232 C 6893/10 – wird zurück gewiesen.

5. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

7. Die Revision wird zugelassen.

8. Die Klägerin verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Lebensgefährten a Rückzahlung von Reisepreis wegen Minderung und Schadensersatz.

9. Herr a buchte im Februar 2009 für sich und die Klägerin bei der Beklagten eine Pauschalreise in die Türkei zum Preis von 369,00 € pro Person. Laut Reisebestätigung/Rechnung (K 1, Bl. 11 GA) sollten der Hinflug voraussichtlich am 25.05.2009 um 20.00 Uhr und der Rückflug voraussichtlich am 01.06.2009 um 16.40 Uhr stattfinden. Die AGB der Beklagten (K 13, Bl. 27 GA), hinsichtlich derer die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Einbeziehung in den Vertrag nicht streitig sind, enthalten in Ziff. 8.7 die Klausel, dass die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte, deren Rechtsgrund in Leistungsstörungen liegt, ausgeschlossen ist, und in Ziff. 11.1 folgende Regelung:

10. „Kurzfristige Änderungen der Flugzeiten, der Streckenführung, des Fluggerätes, der Fluggesellschaft sowie Zwischenlandungen bleiben ausdrücklich vorbehalten, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird. Der Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise ist dann beeinträchtigt, wenn deren Wert oder deren Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Nutzen aufgehoben oder gemindert ist. Das bestimmt sich vor allem anhand der Reisedauer, der Reisezeit und anhand des Reisepreises.“

11. Tatsächlich fand der Rückflug am 01.06.2009 bereits um 05.15 Uhr statt, so dass die Reisenden um 01.25 Uhr abgeholt werden sollten, was durch Aushang im Hotel am 31.05.2009 gegen 16.30 Uhr bekannt gemacht wurde. Der Flug beinhaltete eine Zwischenlandung in Amsterdam, wodurch sich die Flugzeit verlängerte. Diese Umstände nahmen die Klägerin und Herr a zum Anlass, sich um einen anderweitigen Rücktransport nach Deutschland zu bemühen.

12. Mit Schreiben vom 08.06.2009 (K 2, Bl. 12 GA) forderten die Klägerin und Herr a die Beklagte Rückzahlung von Reisepreis und Schadensersatz. Die Beklagte zahlte an beide Reisenden insgesamt 42,16 €, was 40 % eines Tagesreisepreises ausmacht. Am 07.03.2010 trat Herr a seine Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab.

13. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung des gesamten Reisepreises abzüglich 70,00 € für in Anspruch genommene Verpflegungsleistungen, die Erstattung von insgesamt 504,52 € Rücktransportkosten, die Erstattung von 7,00 € für ein am Anreisetag nicht erhaltenes Abendessen, die Erstattung von insgesamt 46,00 € Telefonkosten sowie Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von 480,80 € für sich selbst und 2.193,10 € für Herrn Görner.

14. Sie hat beantragt,

15. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.804,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2009 zu zahlen.

16. Die Beklagte hat beantragt,

17. die Klage abzuweisen.

18. Die Beklagte meint, die Abtretung des Herrn a an die Klägerin sei wegen Ziff. 8.7 ihrer AGB unwirksam. Sie meint ferner, die Reise sei nicht mit Mängeln behaftet gewesen, jedenfalls aber sei die von ihr vorgenommene Rückerstattung von Reisepreis ausreichend. Eine Kündigung des Reisevertrags sei nicht gerechtfertigt gewesen. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise habe nicht vorgelegen.

19. Das AG hat durch die angefochtene Entscheidung der Klägerin weitere 25,00 € wegen Minderung des Reisepreises zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, sie sei im Hinblick auf Ansprüche des Herrn a nicht aktivlegitimiert, weil der Abtretung die AGB der Beklagten entgegen stünden, die wirksam seien. Ein Mangel liege allenfalls in der Vorverlegung des Rückflugs, der eine Minderung von 87 % des auf die Klägerin entfallenden Tagesreisepreises rechtfertige. Für die Schadensersatzansprüche fehle es an einer Anspruchsgrundlage, denn § 651 f Abs. 1 BGB scheide aus. Den Reisenden sei kein über den Minderwert der Reise hinaus gehender adäquat kausaler Schaden entstanden. Zudem fehle es hinsichtlich der Telefonkosten aus ausreichendem Sachvortrag sowie an einem Beweisantritt. Die Rücktransportkosten könnten nur als Kündigungsfolgeschaden geltend gemacht werden, jedoch seien die Reisenden nicht zur Kündigung berechtigt gewesen, denn es habe keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorgelegen. Ein Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB scheitere daran, dass der Gesamtwert der Reise nicht um wenigstens 50 % gemindert gewesen sei.

20. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Änderungen oder Ergänzungen haben sich in zweiter Instanz nicht ergeben.

21. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter, soweit das AG diesem nicht entsprochen hat.

22. Die Klägerin beantragt,

23. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.804,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2009 zu zahlen.

24. Die Beklagte beantragt,

25. die Berufung zurück zu weisen.

26. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO.

27. Die Klägerin rügt Rechtsfehler im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO, die – die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt – entscheidungserheblich wären. Sie macht geltend, das Abtretungsverbot in den AGB der Klägerin sei nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 29.03.2003 – IX ZR 54/02) unwirksam. Ferner habe das AG verkannt, dass die Flugzeitänderung nicht nur einen Mangel begründet habe, sondern den Reisezuschnitt der einwöchigen Reise mit nur sechs Übernachtungen derart nachteilig verändert habe, dass dadurch der Reisezweck verloren gegangen sei. Denn es sei eine Übernachtung weggefallen und ihnen durch die kurzfristige Ankündigung ca. acht Stunden vor Abfahrt des Busses die restliche Zeit im Hotel vergällt worden. Gerade bei einem Kurzurlaub komme es aber auf jeden Tag an. Bei derartigem Rückreisestress werde die in den wenigen Tagen davor genossene Erholung wieder vernichtet. Im Streitfall sei eine Reisepreisminderung um mindestens 50 % gerechtfertigt. Schließlich habe das AG verkannt, dass in dem Nichtantritt des Rückflugs eine durch schlüssiges Handeln erklärte Kündigung liege. Darin liegen ordnungsgemäße Berufungsangriffe im Sinne des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2/3 ZPO.

28. Die Berufung ist unbegründet.

29. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine weiteren Ansprüche aus den §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 S. 1 BGB, 638 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 BGB.

30. Die Klägerin ist für Ansprüche des Mitreisenden Joachim a nicht aktiv legitimiert. Die Abtretung seiner Ansprüche ist unwirksam. Das in den AGB der Beklagten enthaltene umfassende Abtretungsverbot aller Ansprüche aufgrund von Leistungsstörungen (Nr. 8.7) ist nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Kammer schließt sich der diesbezüglich vom OLG Köln (Urt. v. 08.12.2008, 16 U 49/08, RRa 2009, 413; ihm folgend LG Frankfurt/M., Urt. v. 04.03.2010, 2-24 S 103/09, RRa 2010, 121 und Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rdnr. 118 und 452) vertretenen Auffassung aus folgenden Gründen nicht an:

31. Das OLG Köln begründet aaO. in einem Verfahren nach dem UKlaG seine Rechtsauffassung wie folgt:

32. Das Abtretungsverbot verstoße bei der in dem Verfahren maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Ausschluss der Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche auch an Mitreisende erschwere bei Familien- und Gruppenreisen die Anspruchsdurchsetzung für diejenigen Teilnehmer, für die ein anderes Familienmitglied oder ein Gruppenmitglied die Reise gebucht habe. Das Abtretungsverbot werde in diesen Fällen auch nicht durch ein berechtigtes Interesse des Reiseveranstalters gerechtfertigt. Bei kundenfeindlichster Auslegung der angegriffenen Klausel überwögen wesentliche Verbraucherschutzbelange gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer übersichtlichen Vertragsgestaltung. Bei Familien- und Gruppenreisen könne das Abtretungsverbot die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mitreisender Familienangehöriger und Gruppenangehöriger erschweren, so dass es wegen entgegenstehender berechtigter Interessen der Verbraucher unwirksam sei. Das Abtretungsverbot müsse nämlich vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen Vorschriften des Reisevertragsrechts gesehen werden. Danach müssten Gewährleistungsansprüche innerhalb der einmonatigen Ausschlussfrist gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht werden, § 651g Abs. 1 BGB. Ferner sei bedeutsam, dass Schadensersatzansprüche nach § 651 f Abs. 2 BGB höchstpersönlicher Natur und deshalb von dem Anspruchsinhaber persönlich geltend zu machen seien. Bei Familienreisen, bei denen regelmäßig nur ein Familienmitglied, sei es der Haushaltsvorstand, sei es das zahlende Familienmitglied, als Vertragspartner auftrete und die übrigen Mitreisenden Begünstigte nach § 328 Abs. 1 BGB seien, würden sich die mitreisenden Familienmitglieder nicht um die weiteren Rechtsfolgen des Vertrages kümmern, sondern die Vertragsabwicklung einschließlich etwaiger Mängelanzeigen, Abhilfeverlangen und Geltendmachung von Gewährleistungsrechten dem anmeldenden Familienmitglied überlassen. Handele es sich indes um höchstpersönliche Ansprüche nach § 651 f Abs. 2 BGB, so habe das betroffene Familienmitglied diese selbst anzumelden, auch wenn er/sie nicht Vertragspartner des Reiseveranstalters geworden sei. Bis diese Notwendigkeit innerhalb der Familie bemerkt werde, werde häufig die Frist des § 651 g Abs. 1 BGB abgelaufen sein. Ob die Fristversäumnis dann noch nach § 651 g Abs. 1 Satz 2 BGB entschuldigt werden könne, sei eine Frage des Einzelfalles; darauf könne jedenfalls nicht bei einer allgemeinen Bewertung – wie sie im dortigen Verfahren erforderlich sei – vertraut werden. Ein sicherer Weg, um diesen drohenden Rechtsverlust zu vermeiden, stelle hingegen die frühzeitige Abtretung der Ansprüche dar, der § 399 BGB nicht entgegenstehe. Dieses Vorgehen sei auch die naheliegende Lösung, wenn zuvor ein Familienmitglied die Reise gebucht habe. Denn dann lägen Vertragsschluss und Vertragsabwicklung einschließlich der Geltendmachung von Sekundäransprüchen in derselben Hand. Das Abtretungsverbot führe zu gleichen Problemen bei Gruppenreisen, soweit bei diesen nicht von vornherein klargestellt ist, wer Vertragspartner geworden sei. Das sei nur dann der Fall, wenn sämtliche Gruppenmitglieder ausdrücklich als Partner aufgeführt seien oder zumindest der Anmelder ausdrücklich als ihr Vertreter handele und sie namensmäßig in Erscheinung träten. Im Übrigen sei inzwischen eine klare Abgrenzung zwischen einer Familien- und Gruppenreise wegen der fehlenden Namensgleichheit innerhalb einer Familie sowie der Möglichkeiten anderer Lebensgemeinschaften verloren gegangen. Deshalb könne das Abtretungsverbot auch bei Mitreisenden einer Gruppe zu den erwähnten Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Sekundärrechte führen. Die dargestellte Abwicklung der Gewährleistungsrechte über die Abtretung sämtlicher etwaiger Schadensersatzansprüche sichere zum einen die Schadensersatzansprüche sämtlicher Mitreisender und entspreche zum anderen auch dem für einen Rechtsunkundigen naheliegenden Verhalten, der nach Auftreten von Mängeln sämtliche „Verhandlungen“ an den Haushaltsvorstand delegieren werde. Diese Überlegungen zeigten ferner, dass durch eine Abtretung sämtlicher Ansprüche anderer Familienmitglieder an den Vertragspartner die Interessen des Reiseveranstalters nicht beeinträchtigt würden. Denn für ihn vergrößere oder verändere sich die Zahl der Vertrags- und Verhandlungspartner nicht; er steht auch keinen neuen Gläubigern gegenüber, da es sich lediglich um Ansprüche von Mitreisenden handele, denen er ohnehin ausgesetzt sei. Die gebotene Interessenabwägung führe zu dem Ergebnis, dass ein Abtretungsverbot für Mitreisende Nachteile bei der Durchsetzung ihrer Gewährleistungsrecht befürchten lasse, während ein berechtigtes Interesse des Veranstalters nicht erkennbar sei.

33. Dieser Argumentation vermag die Kammer nicht zu folgen. Hierbei geht sie von dem Grundsatz aus, dass grundsätzlich die formularmäßige Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig ist und nicht gegen §§ 307 Abs. 1, 138 BGB verstößt. Der BGH erkennt nämlich in ständiger Rechtsprechung ein allgemeines Interesse des Verwenders von AGB an, durch die Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses die Vertragsentwicklung übersichtlich zu gestalten und damit zu verhindern, dass eine ihm nicht im Voraus übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegen tritt (BGHZ 108, 52, 55; BGHZ 110, 241, 243). Zu Recht führt zwar das OLG Köln aaO. aus, dass dieser Grundsatz insoweit Einschränkungen erfährt, als ein formularmäßiger Abtretungsausschluss dann unwirksam ist, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (BGHZ 110, 241, 243) und dass von der gesetzlichen Wertung, nach der ein Abtretungsausschluss zwischen den Parteien in der Regel frei vereinbar ist (§ 399, 2. HS BGB), zu Gunsten des Verbrauchers abzuweichen ist, wenn dem Abtretungsausschluss überwiegende Gründe des Verbraucherschutzes entgegenstehen (BGHZ 108, 52, 55).

34. Die Kammer erkennt aber keine berechtigten Belange des Kunden an einer Abtretbarkeit, die das schützenswerte Interesse der Beklagten an dem Abtretungsausschluss überwiegen. Nach seiner neueren Rechtsprechung (Urt. v. 26.05.2010, Xa ZR 124/09, NJW 2010, 2950) vertritt der Xa. Zivilsenat des BGH die Auffassung, dass dem Reiseanmelder unabhängig von einer Abtretung ein eigener Anspruch auf Zahlung der Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB an weitere Mitreisende zusteht. Denn, so der BGH, bei einer Reisebuchung für sich und weitere Mitreisende handele es sich im Zweifel um einen Vertrag zugunsten Dritter, bei dem nach § 335 BGB auch dem Versprechensempfänger, d. h. dem Reisenden im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB, ein Anspruch auf Leistung an den Dritten zustehe; dieses Forderungsrecht bestehe grundsätzlich nicht nur hinsichtlich der Primärleistung, sondern auch für Sekundäransprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche. Der Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB sei nicht zwingend als höchstpersönlicher Anspruch anzusehen, denn es handele sich nur um eine besondere Ausprägung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung, bei dem der BGH ausdrücklich die Anknüpfung der Anspruchshöhe an den Reisepreis als taugliches Bemessungskriterium gebilligt habe.

35. Darüber hinaus ist aber auch dann, wenn man eine Anmeldung des Anspruchs aus § 651 f Abs. 2 BGB durch den jeweils betroffenen (Mit-)reisenden für notwendig erachten würde, eine Abtretung nicht notwendig, um die von dem OLG Köln aufgezeigten Abwicklungsprobleme zu vermeiden. Denn der Reiseanmelder, der Ansprüche von Mitreisenden mit geltend macht, kann als von den Mitreisenden – auch stillschweigend – bevollmächtigt angesehen werden, wobei eine Genehmigung auch noch nach Ablauf der Frist des § 651 g Abs. 1 BGB erteilt werden kann (BGH, aaO.). Insbesondere dann, wenn die Mitreisenden die Verhandlungen an den „Haushaltsvorstand“ oder Anmelder einer Gruppenreise delegieren und dieser sich zur Geltendmachung an den Veranstalter wendet, kann von einem Vertreterhandeln ausgegangen werden.

36. Auch die Geltendmachung eines dem Mitreisenden a gegen die Beklagte zustehenden Anspruchs durch die Klägerin im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft kommt nicht in Betracht, weswegen sich eine dahingehende Auslegung des Klagebegehrens verbietet, soweit es Ansprüche des Mitreisenden betrifft. Denn in einer gewillkürten Prozessstandschaft läge eine unzulässige Umgehung des Abtretungsverbots. Ein solches hindert nämlich die Annahme eines schutzwürdigen Eigeninteresses der Klägerin an der Geltendmachung der Ansprüche des Herrn a, welches für die Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft stets erforderlich ist (BGH NJW 1997, 3434, 3437). Deswegen ist nicht entscheidungserheblich, dass auch ohnedies ein solches Interesse der Klägerin nicht ersichtlich ist.

37. Der Reisepreis ist für die Klägerin wegen der Vorverlegung des Rückflugtermins um 25,00 € gemindert.

38. In dieser Vorverlegung liegt – auch unter Berücksichtigung von Nr. 11.1 der AGB der Beklagten – ein Reisemangel im Sinne der §§ 651 c, 651 d BGB, der keine Anzeige bedurfte. Allerdings sieht die Kammer darin nur einen solchen Mangel, nicht jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651 e BGB, die zur Kündigung des Vertrags berechtigte. Dabei verkennt sie nicht, dass der Klägerin und ihrem Lebensgefährten durch die Vorverlegung des Rückflugs faktisch zumindest ein halber Urlaubstag entgangen ist – auch bei einem Rückflug um 16.40 Uhr, wie ursprünglich geplant, hätte der Transfer zum Flughafen zur Mittagszeit begonnen – und eine nennenswerte Nachtruhe angesichts des frühen Transferbeginns entfiel. Zu berücksichtigen ist aber, dass eine solche Beeinträchtigung einer Pauschalreise in den Zeiten des modernen Massentourismus, insbesondere bei besonders günstigen Reisen – im Streitfall betrug der Reisepreis pro Person 369,00 € –, etwas ist, mit dem der Reisende wegen der Besonderheiten des Charterflugverkehrs stets rechnen muss, und zwar auch bei einwöchigen Flugpauschalreisen. Deswegen kann er auch bei einer solchen nicht geltend machen, dass beim Eintritt eines solchen Ereignisses am letzten Tag, der ohnehin als Reisetag gelten muss, der gesamte Erholungswert der Reise beeinträchtigt ist. Die Beeinträchtigung beschränkt sich vielmehr auf den letzten Tag, sofern eine Verschiebung um einen erheblichen Zeitraum stattfindet, die für den Reisenden mit weiteren Nachteilen verbunden ist. Solche liegen im Streitfall im Fortfall der Nachtruhe und eines halben Urlaubstags einschließlich Verpflegung. Der Umstand, dass der Reisende sich in einem solchen Fall bereits am Vortag der Rückreise auf einen früheren Abreisetermin einstellen muss, begründet nach Auffassung der Kammer in Bezug auf diesen Tag eine entschädigungslos hin zu nehmende Unannehmlichkeit.

39. Da das AG der Klägerin bereits weitere 25,00 € zugesprochen hat und sie somit einen Betrag von insgesamt 46,08 € zurück erhält, was mehr als 87 % eines auf sie entfallenden Tagesreisepreises (52,71 €) ausmacht, stehen ihr keine weiteren Ansprüche zu.

40. Auch Schadensersatzansprüche hat die Klägerin gegen die Beklagte nicht.

41. Soweit die Klägerin Telefonkosten geltend macht, bleibt es bei der angefochtenen Entscheidung, weil es insoweit an einem Berufungsangriff fehlt. Die Kosten der anderweitigen Rückreise muss die Beklagte nicht erstatten, weil die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 651 f Abs. 1 BGB nicht vorliegen. Es fehlt am Zurechnungszusammenhang zwischen der Nichterfüllung der Beklagten, d. h. dem Reisemangel, und der Entstehung der Rückreisekosten. Diese beruhen auf dem Entschluss der Klägerin und ihres Lebensgefährten, wegen der Vorverlegung des Rückflugs diesen nicht in Anspruch zu nehmen, sondern in Eigenregie zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu fliegen. Hierbei handelt es sich um eine ungewöhnliche Reaktion eines Pauschalreisenden auf das haftungsbegründende Ereignis, hier den Reisemangel in Form einer Vorverlegung des Rückflugs. Ein Zurechnungszusammenhang kann aber bei der Entstehung eines Schadens durch einen Willensentschluss des Verletzten nur dann bejaht werden, wenn dieser durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses darstellt (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., vor § 249 Rdnr. 42 mit Nachw.).

42. Einer Erstattung des Reisepreises steht entgegen, dass weder der Reisepreis auf Null gemindert ist noch die in der Nichtinanspruchnahme des Rückflugs möglicherweise liegende Kündigung wirksam war. Aus dem zuletzt genannten Grund greift § 651 e Abs. 3 BGB nicht ein, der ohnehin dem Veranstalter einen Entschädigungsanspruch gewährt (§ 651 e Abs. 3 S. 2 BGB). Dieser entfällt im Streitfall auch nicht wegen völliger Wertlosigkeit der erbrachten Leistungen nach § 651 e Abs. 3 S. 3 BGB.

43. Eine Schadensersatzanspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB scheitert am Fehlen einer Vereitelung bzw. erheblichen Beeinträchtigung der Reise.

44. Im Hinblick auf die Nebenforderung folgt die Kammer der angefochtenen Entscheidung, die auch insoweit von der Berufung nicht angegriffen worden ist.

45. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

46. Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen.

47. Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.779,10 €.

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