Reisemangel durch vorverlegte Rückreise

AG Hamburg-Altona: Reisemangel durch eine vorverlegte Rückreise

Die Klägerin nahm den Reiseveranstalter auf Reisepreisminderung in Anspruch, weil die Reise um anderthalb Tage kürzer war, als vom Veranstalter beim Vertragsschluss angegeben.

Das AG Hamburg-Altona hat der Klägerin Recht zugesprochen und entschieden, dass eine entgegen der Buchung verkürzte Urlaubszeit einen Reisemangel darstellt.

AG Hamburg-Altona 318c C 128/00 (Aktenzeichen)
AG Hamburg-Altona: AG Hamburg-Altona, Urt. vom 12.07.2000
Rechtsweg: AG Hamburg-Altona, Urt. v. 12.07.2000, Az: 318c C 128/00
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Amtsgericht Hamburg-Altona

1. Urteil vom 12.07.2000

Aktenzeichen: 318c C 128/00


Leitsätze:

2. Wird der Rückflug von einer Pauschalreise vorverlegt, so stellt dies einen Reisemangel dar und berechtigt den Reisenden zu einer Reisepreisminderung.

Der Reisemangel muss nicht angezeigt werden, wenn der Reiseveranstalter vornherein damit rechnen muss, dass Abweichungen von dem der Reiseanmeldung zugrundeliegenden Vertragsinhalts zur Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen führen werden.



Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Urlaubsreise mit Flug. Bei der Reiseanmeldung wurde ein Reiseanmeldungsformular ausgestellt, wonach der Hinflug am 8.10.1999 erfolgen sollte. Der Rückflug sollte am 17.10.1999 um 8.45 Uhr stattfinden. Eine Buchungsbestätigung erhielt die Klägerin am Reisetag, vor dem Abflug auf dem Flughafen.  Hierin war ein Reisezeitraum lediglich vom 8.10. bis 16.10.1999 vorgesehen. Die Klägerin trat die Reise an ohne etwas im Hinblick auf den vorverlegten Rückflug zu unternehmen.  Erst als die Klägerin nach dem Urlaub wiederkehrte, rügte sie die durch die veränderten Abreisezeiten bedingten Reisemängel gegenüber der Beklagten und verlangte von der Beklagten eine Reisepreisminderung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung und trug vor, dass der Reisevertrag mit dem in der Reisebestätigung dokumentierten Inhalt zustande gekommen sei.

Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat der Klägerin eine Reisepreisminderung in Höhe von anderthalb Tagessätzen des Reisepreises zugesprochen. Eine entgegen der Buchung verkürzte Urlaubszeit stellt einen Reisemangel dar und begründet einen Anspruch auf Reisepreisminderung gemäß §§ 651 a, 651 d BGB. Dieser Anspruch is auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin es unterließ, den vorverlegten Rückflug i. S. d. § 651 d Abs. 2 BGB rechtzeitig bei der Beklagten anzuzeigen, da die Beklagte von vornherein damit zu rechnen hatte, dass derartig wesentliche Abweichungen von der Reiseanmeldung zur Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen führen werden.


Tenor:

4. I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 153,75 nebst 4 % Zinsen seit dem 7.3.2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 91 % und die Beklagte 9 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 250,– abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe anbietet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 350,– abwenden, es sei denn, die Beklagte bietet vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe an.

Tatbestand:

5. Die Klägerin begehrt wegen einer Reisepreisminderung aufgrund einer vom 8.10. bis 16.10.1999 stattgefundenen Ägypten-Reise von der Beklagten Zahlung in Höhe von DM 1.750,–.

6. Die Klägerin buchte über die Firma … auf dem … Flughafen bei der Beklagten eine Pauschalreise für fünf Personen. Neben der Klägerin waren ihre drei Schwestern sowie ihre Mutter Teilnehmerinnen der Reise. Alle Reiseteilnehmerinnen hatten unterschiedliche Nachnamen. Bei Buchung der Reise am 20.9.1999 wurde ein Reiseanmeldungsformular ausgestellt, wonach der Gesamt-Reisepreis für alle Teilnehmerinnen DM 5.125,– betrug und sofort beglichen wurde. Nach dem Reiseanmeldungsformular sollte der Hinflug von Düsseldorf aus am 8.10.1999 um 16.15 Uhr erfolgen. Die Ankunft in Hurghada/Ägypten sollte um 23.55 Uhr sein. Für den Rückflug von Hurghada war der 17.10.1999 vorgesehen. Abflug sollte um 8.45 Uhr sein, Ankunft in Düsseldorf um 15.35 Uhr. Die Beklagte fertigte eine als Anlage B 1 vorgelegte Reisebestätigung, datierend vom 5.10.1999, die mit der Anschrift der Firma … versehen wurde. Hierin war ein Reisezeitraum lediglich vom 8.10. bis 16.10.1999 vorgesehen. Die Ankunft in Hurghada sollte am 9.10.1999 um 1.45 Uhr erfolgen. Der Rückflug von Hurghada nach Düsseldorf war bereits für den 16.10.1999 um 9.00 Uhr vorgesehen. Die weiteren Reiseunterlagen, insbesondere die Hotelgutscheine für das Hotel … in Hurghada sowie die Flugscheine, sollte die Klägerin am Reisetag vor Abflug auf dem Flughafen erhalten. Ihr wurden sodann diese Unterlagen auch ausgehändigt. Sowohl aus den Flugtickets als auch aus dem Hotelgutschein ging hervor, daß die Reise nur bis zum 16.10.1999 andauern sollte. Des weiteren war nunmehr im Hinblick auf den Rückflug von Hurghada nach Düsseldorf der Abreisezeitpunkt auf den 16.10.1999 um 3.15 Uhr fixiert. Die Klägerin sowie die übrigen Reiseteilnehmerinnen traten die Reise an. Sie kamen nach einer durch eine Flugverzögerung bedingten Wartezeit am Zwischenflughafen in Kairo erst am 9.10.1999 um 6.00 Uhr in dem Hotel an. Der dortige Aufenthalt verlief ohne Beanstandungen. Die Klägerin und die übrigen Reiseteilnehmerinnen unterließen es, etwas im Hinblick auf den vorverlegten Rückflug zu unternehmen. Der Rückflug fand dann – wie aus den Flugtickets ersichtlich – am 16.10.1999 um 3.15 Uhr statt. Die Klägerin rügte die durch die veränderten Abreisezeiten bedingten Reisemängel gegenüber der Beklagten mit Einschreiben mit Rückschein handschriftlich am 2.11.1999. Daraufhin erfolgte eine Reaktion der Beklagten nicht. Sie blieb auch nach erneuter – nunmehr anwaltlicher – Aufforderung unter Fristsetzung bis zum 6.3.2000 untätig.

7. Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß der Reisevertrag mit der Beklagten zu dem aus der Reiseanmeldung vom 20.9.1999 festgehaltenen Inhalt zustande gekommen, insbesondere eine Reisezeit bis zum 17.10.1999 vorgesehen gewesen sei. Sie behauptet, daß nur sie Vertragspartnerin der Beklagten geworden sei, weil es sich bei den Mitreisenden unstreitig um ihre Verwandten handele, die sie zu dieser Reise eingeladen habe. Darüber hinaus hätten ihr ihre Schwestern und ihre Mutter bereits am 18.10.1999 vorsorglich die ihnen zustehenden Gewährleistungsansprüche schriftlich abgetreten. Hierzu legt die Klägerin wortgleiche, mit Computer angefertigte Schreiben ihrer Familienmitglieder vor.

8. Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß durch die abweichenden Transportzeiten und die daraus resultierende Reisezeitverkürzung ihr Minderungsansprüche für mindestens drei Reisetage zustünden. Deshalb sei ein Minderungsbetrag in Höhe von DM 350,– pro Teilnehmerin angemessen. Die Klägerin nimmt in Abrede, die Reisebestätigung der Beklagten vom 5.10.1999 erhalten zu haben.

9. Die Klägerin beantragt,

 die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 1.750,– nebst 4 % Zinsen seit dem 7.3.2000 zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte ist zunächst der Auffassung, daß es sich hier nicht um eine Familienreise in dem Sinne gehandelt habe, daß die Klägerin hätte Ansprüche für die Mitreisenden ohne weiteres im eigenen Namen hätte geltend machen können. Des weiteren bestreitet die Beklagte auch die Abtretung der Ansprüche der Mitreisenden an die Klägerin. Darüber hinaus meint die Beklagte, daß der Reisevertrag mit dem in der Reisebestätigung dokumentierten Inhalt zustande gekommen sei, nachdem die Klägerin und die anderen Reiseteilnehmerinnen die Reise in Kenntnis dieses abweichenden Inhalts angetreten hätten. Selbst wenn die Klägerin die Reisebestätigung nicht erhalten haben sollte, habe sie hinlänglich durch die ihr übergebenen Flugscheine und Hotelgutscheine vor Abreise zur Kenntnis nehmen können, daß die Reise nur hat bis zum 16.10.1999 andauern sollen.

12. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

13. Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen war sie abzuweisen.

14. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises in Höhe von DM 153,75 gemäß §§ 651 a, 651 d BGB, soweit sie Unzulänglichkeiten der Reise für sich selbst mit dieser Klage geltend gemacht hat.

15. Der Reisevertrag zwischen den Parteien ist mit dem Inhalt der Reiseanmeldung vom 20.9.1999 zustande gekommen. Angesichts der Tatsache, daß die Klägerin den Gesamt-Reisepreis bei Buchung vollständig bezahlt hat, der Reiseantritt nur 2 1/2 Wochen nach dem Buchungstermin erfolgen sollte, und die Beklagte nicht in Abrede genommen hat, daß die Reiseunterlagen erst unmittelbar vor Abflug an die Reiseteilnehmerinnen ausgehändigt werden sollten, was dann auch am Abreisetag am Flughafen geschah, ist die von der Klägerin gebuchte Reise insgesamt als „Last-Minute“-Reise einzustufen. Diesem Umstand muß bei der Beurteilung der Frage, wann ein Reisevertrag zustande gekommen ist, Rechnung getragen werden. Das Gericht verkennt nicht, daß grundsätzlich der Reisevertragsschluß erst dadurch zustande kommt, daß der Reiseveranstalter dem Reisenden eine mit der Reiseanmeldung korrespondierende Reisebestätigung rechtzeitig vor Reiseantritt zukommen läßt. Weichen Reiseanmeldung und Reisebestätigung voneinander ab, ist ein Vertragsschluß grundsätzlich nicht anzunehmen mit der Folge, daß ein Dissens vorliegt, der nur durch eine erneute Korrespondenz zwischen den Vertragsparteien oder aber konkludent durch Reiseantritt beseitigt werden kann. Vorliegend ist aber die Klägerin nicht rechtzeitig vor Reiseantritt davon in Kenntnis gesetzt worden, daß die für sie bereitgestellte Pauschalreise insgesamt einen Tag kürzer, als in der Reiseanmeldung vorgesehen, stattfinden sollte. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, ein am 5.10.1999 an die Reisevermittlerin, die … adressiertes Bestätigungsschreiben abgesandt zu haben. Denn nach den Umständen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin diese Reisebestätigung vor Reiseantritt erhalten hat. Vielmehr hatte sie aufgrund der Reiseanmeldung davon auszugehen, daß – wie geschehen – ihr die Reiseunterlagen erst bei Reiseantritt am Flughafen ausgehändigt werden sollten. Die Klägerin hatte demnach keine Möglichkeit, vor Reiseantritt zu erfahren, ob die Reise tatsächlich mit dem ihr angemeldeten Inhalt durchgeführt wird. Sie hatte dementsprechend auch keine Chance, sich ergebende Abweichungen zu reklamieren, bzw. sich rechtzeitig darauf einzustellen. Vor diesem Hintergrund konnte der Klägerin nicht zugemutet werden, mit gepackten Koffern sich bereits auf die Abreise wartend am Flughafen aufzuhalten, ohne die Gewißheit zu haben, daß die Reise auch mit dem ihr aus der Reiseanmeldung bekannten Inhalt durchgeführt würde. Diesem schützenswerten Interesse der Klägerin muß durch eine nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte korrigierte Auslegung der Willenserklärungen der am Vertragsschluß Beteiligten gemäß §§ 157, 242 BGB Rechnung getragen werden. Dies gilt umso mehr, als die Zahlung der Reise bereits bei Buchung erfolgte in dem Vertrauen, daß die in der Reiseanmeldung aufgeführten Leistungen der Klägerin und den anderen Reiseteilnehmerinnen auch zur Verfügung gestellt würden, die Gegenleistung, die zu zahlende Vergütung, also gerechtfertigt war. Nachdem die Annahme einer Reisebuchung grundsätzlich auch formlos möglich ist, ist bei dieser von der Klägerin gebuchten „Last-Minute“-Reise die Firma … als von der Beklagten zur Abgabe der formlosen Annahmeerklärung bevollmächtigt anzusehen gewesen. Dadurch ist der Beklagten auch kein unzumutbarer Nachteil entstanden, weil sie die Möglichkeit hatte, sich durch entsprechende der Firma … aufzuerlegende Pflichten bei Vertragsschluß bereits im voraus abzusichern. Nach allem ist ein Reisevertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten für die Zeit vom 8.10. bis zum 17.10.1999 zustande gekommen, wobei am 8.10. von der Beklagten eine Ankunft in Hurghada um 23.55 Uhr geschuldet war und ein Abflug von Hurghada am 17.10 um 8.45 Uhr.

16. Daran vermögen die abweichenden Mitteilungen am Abflugtag nichts zu ändern. Denn durch den bloßen Reiseantritt hat die Klägerin kein Einverständnis in die Abänderung des Reisevertrages erteilt.

17. Mängelgewährleistungsansprüche der Klägerin sind auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie es unterließ, den verfrühten Rückflug i. S. d. § 651 d Abs. 2 BGB rechtzeitig bei der Beklagten anzuzeigen. Selbst wenn man hier davon ausginge, daß die Klägerin i. S. d. § 3 Abs. 2 g der Informationsverordnung (InfVO) von der Beklagten über ihre Obliegenheit zur Mängelanzeige belehrt worden ist, liegt in dem Unterlassen der Klägerin keine Obliegenheitsverletzung. Dies ergibt sich daraus, daß die Mängelanzeige hier entbehrlich war. Die Beklagte hatte nämlich über die Firma …, die als Empfangsvertreterin die Reiseanmeldung der Klägerin entgegengenommen hatte, von vornherein damit zu rechnen, daß Abweichungen von dem der Reiseanmeldung zugrundeliegenden Vertragsinhalts zur Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen führen konnten. Selbst wenn sie die Reiseanmeldung nicht gesehen hätte, müßte sich die Beklagte das Wissen ihrer Empfangs- und in diesem Fall auch Abschlußvertreterin, der … gemäß § 166 Abs. 2 BGB zurechnen lassen. Bereits vor Reiseantritt war demnach bekannt, daß die Reise der Klägerin vertragswidrig durch die geänderten Flugzeiten um einen Tag verkürzt stattfand.

18. Soweit die Klägerin allerdings Ansprüche wegen der verspäteten Ankunft in Hurghada geltend macht, steht ihr eine Minderung des Reisepreises nicht zu, weil es sich insoweit nicht um einen Reisemangel, sondern um eine bloße Unannehmlichkeit handelte. Nach dem Reisevertrag war eine Ankunft um 23.55 Uhr in Hurghada vorgesehen. Dementsprechend hätte frühestens eine Ankunft im Hotel nach 1.00 Uhr erfolgen können. Denn hinzuzurechnen war eine gewisse Zeit für die Abholung des Gepäcks nach dem Ausladen des Flugzeuges sowie die Organisation und die tatsächliche Durchführung des Bustransfers vom Flughafen zum Hotel. Das Gericht hält hierfür, selbst wenn der Transfer tatsächlich nicht länger als eine Viertelstunde gedauert haben sollte, einen Zeitfaktor von nicht weniger als einer Stunde für angemessen. Dementsprechend verzögerte sich die Ankunft der Klägerin und der anderen Reiseteilnehmerinnen im Hotel lediglich um vier bis fünf Stunden. Da die Klägerin jedoch wußte, daß sie einen Charterflug gebucht hatte und deshalb mit Flugverspätung in geringem Ausmaß zu rechnen hatte, mußte sie auch unter Berücksichtigung des nicht allzu hohen Reisepreises die eingetretene Flugverzögerung hinnehmen, ohne daß ihr Gewährleistungsrechte diesbezüglich zugestanden hätten.

19. Etwas anderes gilt indessen für den Rückflug. Der Rückflug verschob sich um mehr als einen Tag nach vorn, indem statt eines Abfluges am 17.10. um 8.45 Uhr von Hurghada nunmehr die Abreise am 16.10. um 3.15 Uhr vorgesehen war. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin und ihre Mitreisenden bei einer Abflugzeit um 3.15 Uhr bereits hinlängliche Zeit früher zum Einchecken am Flughafen sein mußten und auch noch der Transfer vom Hotel zum Flughafen hinzuzurechnen war, war davon auszugehen, daß ihr in der Nacht vom 15.10. bis zum 16.10. keine Nachtruhe mehr möglich war. Anderenfalls, d. h. bei vertragsmäßig vorgesehener Abreise, hätte die Klägerin indessen ohne weiteres noch die Nacht vom 16.10. bis 17.10. im Hotel verbringen können, um von dort dann frühmorgens zum Flughafen gebracht zu werden. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht eine Reisepreisminderung in Höhe des 1 1/2fachen eines Tagesreisepreises für angemessen. Der Tagesreisepreis betrug pro Teilnehmerin DM 102,50. Dementsprechend war der Klägerin eine Reisepreisminderung wegen des verfrühten Abfluges in Höhe von DM 153,75 zuzusprechen.

20. Allerdings konnte die Klägerin diesen Minderungsbetrag nur insoweit geltend machen, als für sie selbst eine Schlechterfüllung des Reisevertrages eingetreten war. Hinsichtlich der übrigen Teilnehmerinnen fehlte ihr die Aktivlegitimation. Die Schwestern und die Mutter der Klägerin sind nicht automatisch aufgrund der zur Klägerin bestehenden Verwandtschaft Vertragsbegünstigte i. S. d. § 328 BGB geworden. Die Klägerin ist nicht alleinige Vertragspartnerin des Reisevertrages, vielmehr hat sie bei Vertragsschluß nur als Vertreterin für die übrigen Mitreisenden gehandelt mit der Folge, daß zwischen ihnen und der Beklagten jeweils eigene Reiseverträge zustande gekommen sind. Ausschlaggebend für die Rechtsprechung, bei Familienreisen einen Vertragsschluß nur des buchenden Familienteils für die anderen Familienmitglieder anzunehmen, ist nämlich der Umstand, daß bereits aufgrund der identischen Namen der Reiseteilnehmer für den Vertragspartner ersichtlich ist, daß zwischen den Reisenden eine Interessen- und Wirtschaftsgemeinschaft vorliegt, die mitreisenden Personen also erkennbar in den Schutzbereich des vom Anmeldenden geschlossenen Vertrages einbezogen werden sollen. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, weil die Beteiligten sämtlichst unterschiedliche Namen hatten, die Umstände gerade deshalb darauf hindeuteten, daß die Klägerin nur als Vertreterin der übrigen Teilnehmerinnen handelte und damit mehrere Reiseverträge vorlagen. Daran vermag auch nichts die Tatsache zu ändern, daß, die Richtigkeit ihres Vortrages unterstellt, die Klägerin die anderen Teilnehmerinnen zu der Reise eingeladen hat. Denn ein entsprechender Wille der Klägerin, den Reisepreis der gesamten Höhe nach allein schulden zu wollen, ist unter Berücksichtigung einer objektivierten Auslegung bei Vertragsschluß für die Beklagte nicht erkennbar geworden. Dementsprechend hatte eine mögliche Einladung der Mitreisenden durch die Klägerin allenfalls Auswirkung auf das Innenverhältnis zwischen den Beteiligten. Entsprechende Rechte der Mitreisenden hätte die Klägerin danach nur aus abgetretenem Recht gemäß §§ 398, 651 a, 651 d BGB geltend machen können. Das Gericht ist indessen der Überzeugung, daß die übrigen Reiseteilnehmerinnen ihnen aufgrund der Schlechterfüllung des Reisevertrages zustehende Gewährleistungsansprüche nicht rechtzeitig, d. h. innerhalb der Ausschlußfrist des § 651 g BGB an die Klägerin abgetreten haben. Zwar legt die Klägerin entsprechende Abtretungserklärungen, datierend vom 18.10.1999, also zwei Tage nach Reiseende, vor. Vor dem Hintergrund, daß die Klägerin selbst indessen am 1.11.1999 ein handschriftliches Anspruchsschreiben verfaßt hat, ohne auf die mit Computer vorgefertigten, wortgleichen und termini technici verwendenden Abtretungserklärungen der übrigen Reiseteilnehmerinnen zu verweisen, ist der Vortrag, diese Abtretungserklärungen seien am 18.10.1999 gefertigt worden, nicht glaubwürdig und plausibel. Hätten die Abtretungserklärungen nämlich in der Tat bereits bei Anspruchsstellung am 1.11.1999 vorgelegen, wäre es naheliegend und beinahe zwangsläufig gewesen, daß die Klägerin die Urkunden bei Anspruchsgeltendmachung gegenüber der Beklagten auch vorgelegt hätte. Aus dem Schreiben vom 1.11.1999 ist aber noch nicht mal ersichtlich, daß sich die Klägerin überhaupt bewußt war, hinsichtlich der Mitreisenden nur aus abgetretenem Recht Ansprüche geltend zu machen. Des weiteren hat sie auch nicht auf die vorliegenden Abtretungen hingewiesen. Nach allem, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich bei dem Anspruchsschreiben vom 1.11.1999 offensichtlich um die Tatsachendarstellung eines rechtlichen Laien handelte, die Abtretungserklärungen allerdings erkennen lassen, daß sie in voller Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen eines Mängelgewährleistungsanspruchs angefertigt worden sind, konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, daß diese Abtretungserklärungen bereits erstellt wurden, bevor die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin auch für die anderen Reiseteilnehmerinnen streitig geworden ist. Dies hat zur Folge, daß jedenfalls nicht davon auszugehen war, das die Reisenden bis zum Ablauf der Ausschlußfrist nach § 651 g BGB, also bis zum 16.11.1999, wirksam Ansprüche bei der Beklagten angemeldet hatten.

21. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Satz 1 BGB.

22. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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