Örtliche Zuständigkeit des Gerichtes Minderung des Reisepreis bei Ferienhäusern

AG Aalen: Örtliche Zuständigkeit des Gerichtes Minderung des Reisepreis bei Ferienhäusern

Ein Reisender stritt mit einer Ferienhausvermittlung über die Zuständigkeit deutscher Gerichte. Das Amtsgericht Aalen entschied, dass der ausschließliche Gerichtsstand der Gerichte am Sitz der Mietsache nicht griff und es somit selbst international zuständig war.

AG Aalen 8 C 613/11 (Aktenzeichen)
AG Aalen: AG Aalen, Urt. vom 16.12.2011
Rechtsweg: AG Aalen, Urt. v. 16.12.2011, Az: 8 C 613/11
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Amtsgericht Aalen

1. Urteil vom 16. Dezember 2011

Aktenzeichen 8 C 613/11

Leitsatz:

2. Bei einer Ferienhausvermietung zwischen einem Eigentümer und Mieter als natürliche Person ebenso wie zwischen einem gewerblichen Vermittler und einem Verbraucher ist die internationale Zuständigkeit auch der Gerichte des Mitgliedstaates gegeben ist, in dem beide Parteien ihren Sitz haben.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger begehrte von der beklagten Ferienhausvermittlerin Schadensersatz. Da beide Parteien über die internationale Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichtes Aalen tritt, erging zunächst ein Zwischenurteil betreffend den Gerichtsstand.

Das Amtsgericht Aalen stellte seine internationale Zuständigkeit fest. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der ausschließliche Gerichtsstand am Sitz der Mietsache nach Artikel 22 Ziffer 1 EuGVVO für Mietverträge über unbewegliche Sachen im Ausland nicht gegeben. Das Gericht legte den Artikel verbraucherschützend aus und kam zu dem Schluss, dass die Gerichte am gemeinsamen Sitz der Vertragsparteien zuständig seien.

Tenor:

4. Das angerufene Amtsgericht Aalen ist international zuständig.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten über Minderungsansprüche aus der Anmietung von Ferienhäusern in T., S., I. Beide Parteien haben ihren Sitz in D.

6. Der Kläger ist der Auffassung, dass das angerufene Gericht sowohl örtlich als auch international zuständig sei, da die Beklagte ihren Sitz im Amtsgerichtsbezirk des angerufenen Gerichts habe und die Zuständigkeitsregelung des § 22 EuGVVO im vorliegenden Fall keine Anwendung finde.

7. Klägerseite beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 693,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2010 zu zahlen.

8. Die Beklagtenseite beantragt Klageabweisung.

9. Im Übrigen beantragen beide Parteien übereinstimmend,

dass über die Zulässigkeit der Klage, insbesondere die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, vorab im Wege des Zwischenurteils entschieden wird.

10. Die Beklagte ist der Auffassung, dass das angerufene Gericht international nicht zuständig sei, da Artikel 22 Ziffer 1 EuGVVO die Zuständigkeit abschließend dahin gehend regele, dass die ausschließliche Zuständigkeit bei dem Gericht des Mitgliedstaats begründet sei, in dem die unbewegliche Sache im Falle einer Mietstreitigkeit belegen ist.

11. Mit Beschluss vom 23.11.2011 wurde angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil entschieden wird. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2011 sowie den sonstigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

12. Die Voraussetzung für ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage nach § 280 Abs. 1 ZPO liegen vor, da die Parteien über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte streiten. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann auch über die Zulässigkeit vorab im Wege des Zwischenurteils entschieden werden. Das Verfahren ist nämlich nicht zwingend auszusetzen, da eine Vorlage an den EuGH im vorliegenden Fall für unterinstanzliche Gericht nicht zwingend vorgeschrieben ist, Artikel 267 AEUV. Von einem Vorlagebeschluss wird angesichts der nachfolgenden Erwägungen und dort angeführter bereits ergangener Rechtsprechung abgesehen.

II.

13. Die Klage ist zulässig.

1.

14. Das Amtsgericht Aalen ist auch in Ansehung der ausschließlichen Zuständigkeitsregelung des Artikel 22 Ziffer 1 EuGVVO international zuständig.

15. Eine ausschließliche und damit vorrangige Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO ist in vorliegendem Fall nicht gegeben.

16. Artikel 22 Ziffer 1 des EuGVVO ist in dem Falle unanwendbar, in dem sich ein gewerblicher Reiseveranstalter mit einem Kunden mit Wohnsitz in dem selben Staat verpflichtet, diesem für einige Wochen den Gebrauch einer fremden Ferienwohnung zu verschaffen (vgl. EuGH, B. v. 26.02.1992 zur Vorgängervorschrift des Art. 16 Nr. EuGVÜ, sowie Zöller/Geimer, ZPO, 28. Auflage, 2010, Anl. I (EuGVVO), Artikel 22, Rd.Nr. 4, m. w. N.). Diese Auffassung ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auch für Artikel 22 Ziffer 1 EuGVVO, insbesondere im Lichte dessen Abs. 2, zu teilen, der bei Mietverhältnissen mit lediglich kurzer Dauer Mietstreitigkeiten zwischen dem Eigentümer und Mieter ebenfalls alternativ den Gerichten dessen Mitgliedstaates zuweist, in dem beide Parteien ihren Sitz haben. Schon hierin lässt sich das Ziel, effektiven Rechtsschutz für Verbraucher zu gewährleisten, erkennen.

17. Im Hinblick auf die weiteren dem Erlass der EuGVVO zugrunde liegenden Erwägungen zum effektiven Verbraucherschutz (vgl. insbesondere Abs. 13 der Präambel EuGVVO) verbietet sich eine rein formale Betrachtungsweise im Rahmen der tatbestandlichen Zuordnung der einschlägigen Zuständigkeitsvorschiften (vgl. auch Koblenz, OLGR 2007, 808 f.). Es kann deshalb nicht entscheidend auf die Art der Anspruchsbegründung ankommen, namentlich, ob sich der Verbraucher und vermeintliche Anspruchsinhaber auf Minderungsrechte oder auf Schadensersatzansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude beruft. Es kann hierbei auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei einer Ferienhausvermittlung der vorliegenden Art der Kläger als Verbraucher mit dem Eigentümer der Wohnung nur durch die zwischengeschaltete Beklagte als Vermittlerin und Ansprechpartnerin im Rahmen des Vertragsschlusses in Kontakt tritt.

18. Es liegt schon deshalb die Anwendung des Artikels 15 EuGVVO über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen näher, die eine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet. Zumindest ist Artikel 22 Ziffer 1 Abs. 2 EuGVVO dahingehend verbraucherschützend auszulegen, dass für den Fall einer Ferienhausvermietung zwischen einem Eigentümer und Mieter als natürliche Person ebenso wie zwischen einem gewerblichen Vermittler und einem Verbraucher die internationale Zuständigkeit auch der Gerichte des Mitgliedstaates gegeben ist, in dem beide Parteien ihren Sitz haben.

2.

19. Inwieweit Minderungs- bzw. Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten tatsächlich vorliegen, ist erst im Rahmen einer Begründetheit zu prüfen.

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