Mitteilung der Nichtbeförderung im Transferbus

AG Düsseldorf: Mitteilung der Nichtbeförderung im Transferbus

Der Kläger und seine Ehefrau hatten bei der Beklagten einen Flug von Ägypten nach Deutschland gebucht. Im Transferbus zum Flughafen in Ägypten wurde ihnen mitgeteilt, dass sie den Flug nicht wahrnehmen könnten. Dies lag daran, dass ein Crewmitglied des Flugzeugs erkrankt war. Der Kläger und seine Frau erreichten den Zielflughafen mit dem Ersatzflug erst ca. 19 Stunden später. Daher fordern sie Ausgleichszahlung.

Das Gericht hat dem Kläger diese Zahlung zugesprochen. Die Erkrankung eines Crewmitglieds sei weder als vertretbarer Grund noch als außergewöhnlicher Umstand einzustufen, sondern Teil der normalen Ausführung eines Flugunternehmens. Daher waren 1.200 € Ausgleichszahlung zu leisten.

AG Düsseldorf 37 C 15236/14 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 14.08.2015
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 14.08.2015, Az: 37 C 15236/14
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 14. August 2015

Aktenzeichen 37 C 15236/14

Leitsatz:

2. Die Erkrankung eines Crewmitglieds befreit nicht von der Pflicht zur Ausgleichszahlung bei Nichtbeförderung aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger und seine Ehefrau hatten bei der Beklagten einen Flug von Hurghada, Ägypten nach Düsseldorf gebucht. Dieser sollte um 08:50 Uhr am 13.07.2014 landen. Im Transferbus zum Flughafen in Ägypten wurde ihnen mitgeteilt, dass sie den Flug nicht wahrnehmen könnten. Dies lag daran, dass ein Crewmitglied des Flugzeugs erkrankt war und daher die Anzahl der Fluggäste auf Grund von Sicherheitsvorschriften reduziert werden musste. Mit einem Ersatzflug nach Köln/Bonn und anschließendem Bustransfer nach Düsseldorf erreichten der Kläger und seine Frau den Zielflughafen mit dem Ersatzflug erst um 04:00 Uhr am 14.07.2014. Daher fordern sie Ausgleichszahlung in Höhe von je 600,00 €, insgesamt 1.200,00 €.

Das Gericht hat dem Kläger diese Zahlung zugesprochen. Es liege eine Nichtbeförderung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vor. Hierfür sei es bei vorheriger Abage durch das Flugunternehmen nicht mehr nötig, zur Abflugzeit am Flugsteig zu sein. Die Erkrankung eines Crewmitglieds sei nicht als vertretbarer Grund im Sinne der Verordnung einzustufen. Es gebe zwar den Grund des Sicherheitsrisikos, allerdings müsse dieses in der Person des Fluggastes  liegen. Hier sei das Risiko aber durch die Unterbesetzung auf Seiten des Flugunternehmens aufgetreten. Es handele sich auch nicht um einen außergewöhnlichen Umstand. Die Erkrankung einzelner Crewmitglieder sei Teil der normalen Ausführung eines Flugunternehmens und insofern im Rahmen einer ordnungsgemäßen Betriebsführung auszugleichen. Es bestehe keine Vergleichbarkeit zum Streik, da dieser umfangreicher sei und in gewisser Hinsicht von außen auf das Unternehmen wirke. Daher waren 1.200 € Ausgleichszahlung zu leisten.

Tenor:

4. hat das Amtsgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 24.07.2015 durch die Richterin C

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger weitere 112,75 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger begehrt mit vorliegender Klage von der Beklagten Entschädigung gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aus eigenem und abgetretenem Recht.

6. Der Kläger sowie seine Ehefrau, Frau G2, verfügten über eine bestätigte Buchung des seitens der Beklagten ausgeführten Fluges von Hurghada, Ägypten nach Düsseldorf (Flugnummer A) im Rahmen einer bei einem Reiseveranstalter gebuchten Pauschalreise.

7. Das Flugzeug sollte am 13.07.2014 in Hurghada starten und um 08:50 Uhr in Düsseldorf landen. Der Flug wurde auch planmäßig durchgeführt.

8. Dem Kläger sowie seiner Ehefrau wurde im Bus, der sie vom Hotel zum Flughafen verbringen sollte, jedoch mitgeteilt, dass die Beförderung nicht stattfinden würde. Der Kläger und seine Ehefrau wurden sodann wieder im Hotel untergebracht.

9. Die Beförderung des Klägers und seiner Ehefrau erfolgte stattdessen um 22:20 Uhr mit der Fluggesellschaft B nach Köln/Bonn mit anschließendem Bustransfer nach Düsseldorf. Sie erreichten Düsseldorf tatsächlich erst am 14.07.2014 gegen 4:00 Uhr.

10. Mit Schreiben vom 15.07.2014 wurde die Beklagte durch die Kläger sowie seiner Ehefrau zur Zahlung der Entschädigung bis zum 01.08.2014 aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte nicht.

11. Frau G erklärte mit Schreiben vom 30.10.2014 (Anl. K 7) die Abtretung ihrer Ansprüche auf Ausgleichszahlung aus der Flugleistung nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 an den Kläger.

12. Der Kläger beantragt,

13. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.200 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2014 zu zahlen,

14. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 112,75 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

16. die Klage abzuweisen.

17. Sie behauptet, unmittelbar nach der Landung des Vorfluges in Hurghada, ca. eine Stunde vor dem vorgesehenen Start des streitgegenständlichen Fluges, sei ein Crew-Mitglied schwer erkrankt, so dass dieses den streitgegenständlichen Rückflug nicht habe durchführen können. Es seien lediglich drei Crew-Mitglieder verblieben, so dass aufgrund von Sicherheitsvorschriften für den Betrieb des Flugzeuges die Anzahl der Fluggäste auf 150 habe reduziert werden müssen. Da die Maschine voll ausgebucht gewesen sei, hätten in Folge dessen 39 Passagiere auf andere Flüge umgebucht werden müssen. Darunter hätten sich der Kläger und seine Ehefrau befunden. Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich dabei um einen vertretbaren Grund für die Nichtbeförderung im Sinne von Art. 2 lit. j) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sowie um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Die Rechtslage sei insbesondere vergleichbar mit den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen zu Streiks, im deren Rahmen es keine Rolle spiele, ob es sich um einen externen oder internen Streik handele.

18. Die Klage ist der Beklagten am 04.12.2014 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

19. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.

20. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.200,00 € aus eigenem und abgetretenem Recht gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

1.

21. Eine Nichtbeförderung im Sinne von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 liegt nach dem unstreitigen Parteivortrag vor. Dem Kläger sowie seiner Ehefrau wurde die Beförderung von Hurghada nach Düsseldorf gegen ihren Willen verweigert, obwohl beide gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über jeweils eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügten. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Kläger und seine Ehefrau nicht rechtzeitig zur Abfertigung am Flughafen in Hurghada eingefunden haben. Denn es handelt sich vorliegend um eine vorzeitige Beförderungsverweigerung vor dem Transfer zum Flughafen, die nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, dazu führt, dass das Vorliegen einer Nichtbeförderung nicht vom Erscheinen des Fluggastes am Flugsteig abhängig gemacht werden kann (BGH, Urt. v. 17.03.2015 – X ZR 34/14). Dem Bundesgerichtshof ist darin zuzustimmen, dass das Erscheinen zur Abfertigung in diesem Fall eine sinnlose, unter Umständen – etwa bei längerer Anreise zum Flughafen – mit beträchtlichem Aufwand verbundene Handlung des Fluggastes wäre. Könnte aber das Luftverkehrsunternehmen sich dem Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung durch eine vorzeitige Verweigerung entziehen, wäre der durch die Verordnung erstrebte Schutz des Fluggastes ausgehöhlt (vgl. BGH, ebd.).

22. Es handelte sich ferner um einen nicht innergemeinschaftlichen Flug mit einer Entfernung über 3.500,00 km im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, welcher eine Entschädigungsleistung in Höhe von 600,00 € pro Fluggast zur Folge hat.

2.

23. Dem Kläger und seiner Begleiterin wurde die Beförderung gegen ihren Willen verweigert, ohne dass hierfür vertretbare Gründe im Sinne von Art. 2 lit. j) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 feststellbar sind. Die Begrenzung der Anzahl der Passagiere wegen zu weniger Flugbegleiter aufgrund eines Krankheitsfalles stellt sich nicht als ein „vertretbarer Grund“ im Sinne des Art. 2 lit. j) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dar.

24. Nach der – nicht abschließenden, sondern Beispiele aufzählenden – Definition in Art. 2 lit. j) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 liegen vertretbare Gründe für eine Nichtbeförderung vor, wenn sie im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen stehen. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf Sicherheitsgründe aufgrund des Ausfalls eines Crew-Mitglieds. Vertretbar ist eine Zurückweisung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aus Sicherheitsgründen grundsätzlich dann, wenn diese den gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften entspricht, die das Luftfahrtunternehmen am Abflugort, am Ankunftsort oder nach den Bestimmungen am Unternehmenssitz zu beachten hat (BGH, Urt. v. 28.08.2012 – X ZR 128/11). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in der vorgenannten Entscheidung sowie nach Auffassung der Literatur (Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, S. 880, Rn. 1023 m. w. N.) ist dies dahin auszulegen, dass das allgemeine oder betriebliche Sicherheitsrisiko im Zusammenhang mit dem abgewiesenen Fluggast bzw. den abgewiesenen Fluggästen stehen muss. Demgegenüber soll es nicht genügen, dass Gründe außerhalb der Person oder des Fluggastes als vertretbare Gründe herangezogen werden können. Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, der in seinen Beispielen (Gesundheit, Reiseunterlagen) eindeutig auf in der Person des Fluggastes liegende Umstände abstellt. Anhaltspunkte dafür, dass dies gerade bei dem Beispiel allgemeine Sicherheit oder betriebliche Sicherheit anders sein soll, gibt es nicht. Ferner spricht für diese Auslegung die unterschiedliche Ausgestaltung von Art. 4 und Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Nur in Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 werden außergewöhnliche, von der Person des Fluggastes losgelöste, Umstände als Rechtfertigung zugelassen. Dass der Verordnungsgeber einen Verweis oder eine entsprechende Regelung weggelassen hat, ist nicht als Versehen zu werten. Gegen diese Auslegung spricht ferner der vom Europäischen Gerichtshof hervorgehobene Gleichbehandlungsgrundsatz (EuGH, Urt. v. 19.11.2009, C-402/07 „Sturgeon u. a.“). Denn während im Falle einer Annullierung oder einer Verspätung eines Flugzeuges alle im Flugzeug anwesenden Fluggäste gleichermaßen betroffen sind, betrifft die Nichtbeförderung lediglich einzelne Fluggäste. Dem widerspräche es, wenn ein Fluggast, der nicht befördert wird, bereits bei vertretbaren in der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit gelegenen Gründen ohne Anspruch bleiben soll, während der von einer Annullierung oder großen Verspätung betroffene Fluggast erst dann ohne Ausgleich nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bleibt, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch nur vorliegen, wenn sie nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund ihrer Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen sind und zudem nicht zu vermeiden waren.

3.

25. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 von der Ausgleichsleistung befreit. Die Vorschrift ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Verordnung bereits nicht auf den Fall einer Nichtbeförderung anwendbar. Einer Anwendbarkeit steht entgegen, dass Art. 2 lit. j) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 eine Regelung hinsichtlich der Gründe, die einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen im Falle einer Nichtbeförderung entfallen lassen, enthält, die auf allein in der Person des Fluggastes liegende Umstände abstellt. Auf die obigen Erwägungen wird Bezug genommen.

26. Abgesehen davon liegt selbst nach dem Vorbringen der Beklagten ein außergewöhnlicher Umstand bereits nicht vor. Bei der Erkrankung eines Crew-Mitglieds und der Reduzierung der Fluggäste aufgrund von Sicherheitsvorschriften handelt es sich nicht um einen das Flugunternehmen von der Ausgleichsleistung befreienden Grund.

27. Der Begriff „außergewöhnlicher Umstand“ wird in der der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, insbesondere in Art. 2 der Verordnung, nicht näher definiert. Inhalt und Reichweite dieses unbestimmten Rechtsbegriffs sind daher einheitlich mit den Zielen der Verordnung, nämlich ein hohes Schutzniveau der Fluggäste sowie einen angemessenen Verbraucherschutz zu gewährleisten, auszulegen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sich der Ausschluss der Haftung als Ausnahme vom Grundsatz nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 darstellt, wonach der Fluggast einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen im Falle einer Verspätung oder Annullierung des Flugzeuges hat. Als Ausnahmetatbestand ist die Vorschrift daher prinzipiell eng auszulegen. Als Maßstab bei der Bestimmung eines außergewöhnlichen Umstandes ist die Vorbemerkung 14 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 heranzuziehen, welche als Beispiele für einen außergewöhnlichen Umstand politische Instabilität, mit der Durchführung des Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel oder Streiks aufzählt.

28. Das Gericht orientiert sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei der rechtlichen Einordnung einer Erkrankung eines Crew-Mitglieds nicht an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Streiks von Angestellten der betroffenen Fluggesellschaft. Die Erkrankung eines Crew-Mitgliedes ist mit einem Streik nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht vergleichbar. Zu berücksichtigen ist, dass der Streik als außergewöhnlicher Umstand in der Aufzählung von Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ausdrücklich genannt ist. Dabei wird nicht differenziert, ob es sich um eine Tarifauseinandersetzung zwischen Dritten handelt oder eigene Mitarbeiter des ausführenden Luftfahrtunternehmens in den Ausstand treten. Denn in beiden Fällen geht der Streik typischerweise von einer Gewerkschaft aus, die verbesserte Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen erstreiten will. Auch in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 findet sich kein Anhaltspunkt für eine Differenzierung. Ein Arbeitskampf zu diesem Zwecke ist vielmehr Mittel der unionsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 und Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) und suspendiert die sonst bestehenden Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag (vergleiche BGH, Urt. v. 21. August 2012 – X ZR 138/11 – Rn. 19, juris). Damit handelt es sich im Ergebnis um ein von außen auf das Flugunternehmen wirkendes Ereignis, was darauf abzielt, den Flugverkehr „lahmzulegen“ und typischerweise nicht nur einen einzelnen, sondern mehrere Flüge des Flugunternehmens erfasst.

29. Nach Auffassung des Gerichts ist die zur Verspätung führende Erkrankung eines Crew-Mitglieds während des Fluges vielmehr mit sogenannten technischen Defekten vergleichbar. Diese beschreiben zwar dem Wortlaut nach ausschließlich Fehlfunktionen des Flugzeuges, welche trotz regelmäßig stattfindender Wartungsintervalle oder aufgrund einer unterbliebenen Wartung auftreten. Dies ist jedoch aus Sicht des Gerichts mit der körperlichen Verfassung eines Crew-Mitglieds im weitesten Sinne vergleichbar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein technischer Defekt im Hinblick auf die restriktive Handhabung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ausnahmsweise nur dann als ein außergewöhnlicher Umstand zu qualifizieren, wenn er auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v. 22. Dezember 2008 – C-549/07 „Wallentin-Hermann“, Tz. 23; BGH, Urt. v. 12. November 2009 – Xa ZR 76/07 Rn. 13 – beide zitiert nach juris).

30. Die “Normale Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens” beschreibt Vorgänge, die typischerweise beim Betrieb eines Luftfahrtunternehmens auftreten. Krankheitsbedingter Personalausfall kommt typischerweise in jedem Unternehmen vor und ist daher als ein im üblichen betrieblichen Ablauf eines Luftfahrtunternehmens normales Vorkommnis einzustufen.

31. Der Frage nach der Beherrschbarkeit kommt aufgrund der Einordnung der Krankheit als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Flugunternehmens eine entscheidende Bedeutung zu. Die Beherrschbarkeit beurteilt sich nicht nach der subjektiven Vorwerfbarkeit, sondern nach der jeweiligen Verantwortungs- und Risikosphäre (vgl. Führich, a.a.O., Rn. 1035). Vorkommnisse, die tatsächlich nicht zu beherrschen sind, sind nur solche, auf deren Eintritt das betroffene Luftfahrtunternehmen keinerlei Einfluss hat, die also gewissermaßen von außen auf die Durchführung eines Fluges einwirken. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit den in den Erwägungsgründen 14 und 15 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aufgezählten außergewöhnlichen Umständen. Bei der näheren Betrachtung der dort genannten Beispiele, nämlich politische Instabilität, Wetterbedingungen, Streiks und Entscheidungen des Flugmanagements, fällt auf, dass damit stets Konstellationen beschrieben werden, die nicht in der Verantwortungs- und Risikosphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens angesiedelt sind. Auch die vom Europäischen Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 22.12.2008 („Wallentin-Hermann“, a.a.O.) genannten Beispiele für tatsächlich nicht zu beherrschende Vorkommnisse, nämlich Fabrikationsfehler, Sabotageakte oder terroristische Handlungen, liegen allesamt außerhalb des direkten Einfluss- und Organisationsbereichs des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Als außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 können daher nur solche Vorkommnisse angesehen werden, die nicht in die betriebliche Verantwortungs- und Risikosphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens fallen. Die Erkrankung eines Arbeitnehmers stellt einen Umstand dar, der sich jederzeit ereignen kann und Risiko eines jeden Arbeitgebers ist. Dass ein Crew-Mitglied erkrankt und die ihm übertragenen Aufgaben nicht wahrnehmen kann, ist daher allein der betrieblichen Sphäre der Fluggesellschaft zuzurechnen (vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 23.05.2012 – 7 S 250/11 – Rn. 15, juris). Umstände, aus denen hervorgeht, dass die Erkrankung auf von der Beklagten unbeherrschbare Umstände zurückgeht, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

II.

32. Der Zinsanspruch beruht auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Verbindung mit §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 BGB. Mit Ablauf der bis zum 01.08.2014 gesetzten Frist ist die Beklagte in Verzug geraten.

III.

33. Der Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen folgt aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Verbindung mit den §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Im Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten befand sich die Beklagte mit der Entschädigungsleistung in Verzug.

IV.

34. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

35. Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

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