Minderung bei nicht zur Verfügung stehendem Reisegepäck

AG Rostock: Minderung bei nicht zur Verfügung stehendem Reisegepäck

Eine Kreuzfahrtteilnehmerin forderte Reisepreisminderung und Schadensersatz für eine Gepäckverspätung. Ihre Klage wurde abgewiesen, weil eventuelle Ansprüche durch eine vorgerichtliche Zahlung bereits beglichen worden waren.

AG Rostock 47 C 360/16 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 22.03.2017
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 22.03.2017, Az: 47 C 360/16
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 22. März 2017

Aktenzeichen 47 C 360/16

Leitsatz:

2. Nicht zur Verfügung stehendes Reisegepäck begründet eine Minderung zwischen 20 und 30% pro betroffenem Urlaubstag.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich, ihre 75-jährige Mutter und ihre 2 und 6 Jahre alten Kinder eine Kreuzfahrt vom 21. März bis 4. April 2016 gebucht. Aufgrund eines Fluglotsenstreiks wurde ihr Gepäck erst am 28. März geliefert. Dadurch entstanden den Reisenden Kosten für Kleidung und benötigte Medikamente. Die Klägerin forderte eine 50%-ige Reisepreisminderung für die acht betroffenen Tage und weitere 10% für die übrigen, weil sie an diesen Unannehmlichkeiten in Form von Gängen zur Rezeption hinnehmen musste. Außerdem begehrte sie Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude.

Die Beklagte erstattete der Klägerin vorgerichtlich 1000,- €, diese zog vor das Amtsgericht Rostock. Das wies ihre Klage jedoch ab, da weitere Ansprüche nicht bestanden. Die Gepäckverspätung stellte zwar einen Reisemangel dar, der bis 35% Minderung begründen kann. Dieser eventuelle Anspruch der Kläger war aber durch die Zahlung bereits abgegolten. Für die übrige Reisezeit stand der Klägerin keine Minderung zu, da die Erledigungen bloß Unannehmlichkeiten darstellten. Schadensersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreude bestand nicht, weil die Beklagte den Mangel nicht verschuldet hatte.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin fordert Minderung und Schadensersatz aufgrund der verspäteten Beförderung von Reisegepäck.

6. Die Klägerin hatte für sich, ihre 75jährige Mutter und ihre 2,5 und 6 Jahre alten Kinder eine Kreuzfahrt vom 21.03.2016 bis 04.04.2016 bei der Beklagten gebucht.

7. Die Mutter der Klägerin benötigt täglich cholesterinsenkende Medikamente, Urinkatheder sowie Schmerztabletten. Diese Medikamente bzw. Katheder wurden in den Koffern der Familie transportiert. Das gesamte Gepäck der Familie, d. h. vier Koffer, stand der Klägerin und ihren Mitreisenden erst am 29.03.2016 zur Verfügung. Grund hierfür war ein Fluglotsenstreik in Frankreich.

8. Die fehlende Kleidung führte zu Beeinträchtigungen bei der Urlaubsgestaltung. Zur Darstellung wird auf die Ausführungen der Klägerin in der Klage vom 17.10.2016, Blatt 9 ff. d.A., Bezug genommen. Zudem musste die Klägerin für ihre Mutter Medikamente beim Schiffsarzt besorgen. Diese waren zum Teil nicht sofort im benötigten Umfang vorhanden.

9. In den Vertragsbestandteil gewordenen Reisebedingungen der Beklagten heißt unter Ziffer 11 u.a.:

10. „Sollten Sie spezielle Medikamente benötigen, bringen Sie diese bitte in ausreichender Menge im  Handgepäck mit an Bord.“

11. Die Klägerin konnte für sich und ihre Familienmitglieder einen kostenlosen Wäscheservice an Bord nutzen. Zudem tätigte sie Ersatzkäufe für Kleidung in Höhe von 682,75 €; der hälftige Betrag wurde ihr von der Beklagten erstattet. Weiterhin kaufte sie Kosmetika zum Preis in Höhe von insgesamt 196,68 €. Dieser Betrag wurde in vollem Umfang von der Beklagten erstattet.

12. Mit der Klage fordert die Klägerin insgesamt eine Minderung in Höhe von 50 % des Reisepreises bzw. eine Minderung in Höhe von 90 % des jeweiligen Tagesreispreises für acht Tage und für die folgenden acht Tage in Höhe von 10 % des Tagesreisepreises. Die letztgenannte Forderung stützt sie darauf, dass sie sich mehrfach zur Rezeption, zum Service und in den Sanitätsbereich begeben musste, um die Bezahlungen von Rechnungen zu klären (vgl. Blatt 11 d.A.).

13. Letztlich fordert die Klägerin Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude im Umfang von 10 % des Reisepreises.

14. Die Beklagte zahlte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.000,00 €.

15. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.923,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

16. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

17. Die zulässige Klage ist unbegründet.

18. Die Klägerin hat aufgrund der verspäteten Anlieferung der Koffer während der Kreuzfahrt vom 21.03. bis 04.04.2016 aufgrund der bereits erhaltenen Zahlung durch die Beklagte keinen weiteren Anspruch auf Minderung und somit Rückzahlung des Reisepreises.

19. Ein Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude scheidet aufgrund mangelnden Verschuldens der Beklagten aus.

20. Die verspätete Anlieferung der Koffer der Klägerin und ihrer Mitreisenden während der Kreuzfahrtreise stellt zweifellos einen Mangel im Sinne von § 651 c BGB dar, der gemäß § 651 d BGB zur Minderung des Reisepreises führen würde.

21. Bei nicht zur Verfügung stehendem Reisegepäck wird in der Regel eine Minderung zwischen 20 und 30 % pro betroffenem Urlaubstag für angemessen erachtet (LG Frankfurt RRa 2007, 269, Rodegra, Würzburger Tabelle zum Reiserecht bei Kreuzfahrten 2017, S. 41 f.). Eine höhere Reisepreisminderung im Umfang von 50 %, die das Landgericht Frankfurt mehrfach (RRa 2007, 269; Urteil vom 10.01.2014, 2/24 S 137/13) zusprach, kommt nur in besonders gelagerten Fällen (hier Antarktisreise, bei der die notwendige kälteabweisende Kleidung nicht zur Verfügung stand bzw. vorgeschriebene besondere Abendkleidung an Bord) in Betracht.

22. Soweit in der Kommentierung die Auffassung vertreten wird, dass beim Fehlen des Gepäcks bei einer Kreuzfahrt in der Regel 50 % der Unterbringungskosten als Minderung gewährt werden (vgl. Führich Reiserecht 7. Aufl., § 9 Rn. 32) wird dieser Auffassung hinsichtlich der Minderungshöhe nicht gefolgt. Die zugrunde gelegte Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 06.09.2013, Az.: 47 C 303/12, (RRa 2013, 287) trifft hierzu keine entsprechende Aussage. Vielmehr ging es dort um die verspätete Anreise, nachdem die Reisenden wegen Fehlverhaltens des Flughafenpersonals ihren Flug verpassten. Im Übrigen wird bei älteren Entscheidungen der Gerichte im Zusammenhang mit verspäteter Bereitstellung des Gepäcks auf Kreuzfahrtreisen, bei denen eine 40-​50 %ige Minderung zugrunde gelegt wurde, berücksichtigt, dass auf Kreuzfahrtreisen vor 20 Jahren und mehr ein gewisser Kleidungszwang herrschte (vgl. Wortmann, Die Kreuzfahrtreise im Spiegel der Rechtsprechung, RRa 2007, 5).

23. Für die Berechnung des Minderungsanspruchs sind hier lediglich die ersten acht Tage der Reise, an denen das Gepäck tatsächlich nicht zur Verfügung stand, zu berücksichtigen. Die „Laufereien“, die die Klägerin in den Folgetagen im Zusammenhang mit der Erstattung von Rechnungsbeträgen hatte, stellen keine Beeinträchtigung der Reiseleistung der Beklagte dar, sondern können allenfalls als Unannehmlichkeiten bzw. möglicherweise unzureichende Serviceleistungen bewertet werden.

24. Selbst wenn im vorliegenden Fall eine Minderung im Umfang von 35 % des Tagesreisepreises zugrunde gelegt werden würde, wäre ein solcher Minderungsanspruch durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 1.000,00 € abgegolten. Ausgehend von einem Tagesreisepreis in Höhe von 348,07 € wäre der jeweilige Tagesreisepreis um 121,82 € zu mindern. Bei einem Minderungsanspruch für acht Tage errechnet sich so ein Reisepreisrückzahlungsanspruch in Höhe von 974,56 €.

25. Erst recht wäre ein Minderungsanspruch der Klägerin aufgrund der Zahlung des Betrages in Höhe von 1.000,00 € unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Landgerichts Rostock abgegolten. Die Berufungskammer entschied mit Beschluss vom 17.01.2017 (Az.: 1 S 152/16):

26. „Die Minderungsquote berechnet sich ohne die An- und Abreisekosten. Für die Anreise versteht  sich dies von selbst, wenn sich der Reisegepäckverlust – wie hier – noch nicht bemerkbar  gemacht hat. Für die Abreise gilt dies jedenfalls dann, wenn sich bis dahin – wie hier – das  Reisegepäck wiedergefunden hat.“

27. Ohne Berücksichtigung der Kosten für das An- und Abreisepaketes hätte der Reispreis 2.898,00 € betragen. Danach würde sich ein Tagesreisepreis in Höhe von 207,00 € berechnen. Durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 1.000,00 € hätte die Klägerin mindestens 60 % des Tagesreispreises für acht Tage erstattet bekommen.

28. Letztlich besteht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude. Dieser setzt ein Verschulden der Beklagten voraus. Zwar wird dieses gesetzlich vermutet. Die Beklagte trägt jedoch unbestritten vor, dass der Grund für die verspätete Anlieferung des Gepäcks ein Fluglotsenstreik in Frankreich war. Dies entlastet die Beklagte.

29. Mangels berechtigter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachte Nebenforderung.

30. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

31. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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