Verpasster Flug wegen Falschaussage eines Airline-Mitarbeiters

AG Rostock: Verpasster Flug wegen Falschaussage eines Mitarbeiters der Airline

Zwei Fluggäste verklagen ihre Airline auf Schadensersatz, weil einer ihrer Mitarbeiter den Klägern aufgrund einer Falschinformation den Zutritt zum Boarding verweigerte und sie so ihren Flug verpassten.

Das Amtsgericht Rostock hat den Klägern Recht zu gesprochen. Das Luftfahrtunternehmen muss sich das Fehlverhalten seines Angestellten anrechnen lassen.

AG Rostock 47 C 303/12 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 06.09.2013
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 06.09.2013, Az: 47 C 303/12
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Mecklenburg-Vorpommern-Gerichtsurteile

Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 06. September 2013

Aktenzeichen: 47 C 303/12

Leitsatz:

2. Luftfahrtunternehmen müssen für Falschaussagen ihrer Mitarbeiter haften, wenn dadurch Fluggäste ihren Flug verpassen.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte für sich und ihren Lebensgefährten eine Kreuzfahrt mit Hinflug von Hamburg nach La Romana. Die Klägerin stellte fest, dass sie einen Koffer zu Hause vergessen hatte. Diesen reichte ihre Tochter jedoch noch rechtzeitig nach. Das Einchecken verlief reibungslos, doch zum Boarding wurden die Klägerin und ihr Lebensgefährte nicht zugelassen, sodass der Koffer alleine flog und das Paar erst zwei Tage später fliegen konnte. Wegen dem verschobenen Abflug und dem Verlust des Koffers entstanden Mehrkosten durch Hotelübernachtungen, Transfer und Ersatzanschaffungen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, dem Luftfahrtunternehmen, den Ersatz der Mehrkosten, sowie eine Schadensersatzzahlung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Das Amtsgericht Rostock hat der Klägerin Recht zugesprochen. Weil sie sich zurecht auf die Aussagen des Angestellten der Airline verlassen hatten, steht ihr ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Schäden gemäß
§ 651 f Abs. 1 BGB
i.V.m. § 398 BGB zu.
Die Beklagte sei für ein Fehlverhalten ihres Erfüllungsgehilfen, gemäß § 278 BGB, einstandspflichtig. Hierzu gehörten insbesondere mit der Koordination beauftragte Mitarbeiter in Erfüllung ihrer reisevertraglich vereinbarten Pflichten. Weil der Angestellten diesen nicht bzw. nicht ordnungsgemäß nachgekommen war, haben die Kläger einen Anspruch eine angemessene Entschädigung.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.265,15 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Klägerin fordert Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem verpassten Flug; die Ursache hierfür ist strittig.

6. Die Klägerin hatte für sich und ihren Lebensgefährten, dem Zeugen V., eine Kreuzfahrt auf der XYZ vom 09. – 28.04.2011, die von der Beklagten durchgeführt wurde, gebucht. Der Hinflug sollte am 09.04.2011 ab Hamburg über Frankfurt/Main nach L. R. erfolgen. Als die Klägerin und ihr Lebensgefährte am Flughafen ankamen stellten sie fest, dass sie einen Koffer vergessen hatten. Die Tochter des Lebensgefährten, die beide zum Flughafen gefahren hatte, sollte versuchen, vor dem Abflug den zweiten Koffer zum Flughafen zu bringen. Nach dem Einchecken erreichten die Klägerin und ihr Lebensgefährte um 07.35 Uhr das Bordinggate und wurden nicht mehr in das Flugzeug gelassen. Die Einzelheiten sind strittig. Der eingecheckte Koffer wurde nach L. R. transportiert.

7. Eine Mitarbeiterin der Beklagten organisierte für die Klägerin und deren Lebensgefährten einen Flug am 11.04.2011 ab Frankfurt/Main in Richtung B.. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte fuhren darauf zunächst nach Hause zurück und am 10.04.2011 per Bahn nach Frankfurt/Main. Hierdurch entstanden ihnen Kosten in Höhe von 196,00 €. In Frankfurt/Main übernachteten die Klägerin und ihr Lebensgefährte bei Bekannten und bedankten sich bei denen hierfür mit einem Abendessen, wodurch Kosten in Höhe von 40,10 € entstanden. Auf Barbados hatte die Beklagte für die Klägerin und ihren Lebensgefährten eine Hotelübernachtung organisiert. Hierfür entstanden der Klägerin und ihrem Lebensgefährten Hotelkosten in Höhe von 202,37 € sowie Kosten für eine Abendessen in Höhe von 35,70 €. Da der Koffer des Lebensgefährten der Klägerin bereits transportiert worden war, kaufte dieser sich eine Shorts und ein T-Shirt, wofür Kosten in Höhe von 29,30 € anfielen. Am 13.04.2011 checkten die Klägerin und ihr Lebensgefährte auf dem Schiff ein.

8. Neben den vorgenannten Kosten fordert die Klägerin auch Schadensersatz wegen vertaner Urlaubstage im Umfang von vier Tagen (anteilig nach Reisekosten) in Höhe von 841,68 €.

9. Der Lebensgefährte der Klägerin trat seine Forderungen gegen die Beklagte an die Klägerin ab.

10. Die Klägerin behauptet, sie und ihr Lebensgefährte hätten der Mitarbeiterin der Fluggesellschaft am Eincheckschalter mitgeteilt, dass ein Koffer fehle, es versucht werden soll, dass dieser nach gebracht werde, sie aber auf jeden Fall – auch ohne den zweiten Koffer – fliegen wollten. Die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft habe erklärt, dass sie warten könnten. Obwohl die Klägerin und ihr Lebensgefährte im Laufe der Zeit wiederholt darauf hingewiesen hätten, dass es Zeit wäre einzuchecken, sei ihnen immer wieder gesagte worden, dass sie noch warten könnten und alles in Ordnung wäre. Es wüssten alle Bescheid. Nachdem die Klägerin und ihr Lebensgefährte nach entsprechender Aufforderung durch die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft eingecheckt hätten, seien sie unmittelbar zum Bordinggate gegangen. Allerdings habe sich der Weg dorthin durch die Sicherheitskontrolle verzögert. Das Einchecken sei kurz nach 7.00 Uhr erfolgt.

11. Die Klägerin beantragt die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.265,15 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

13. Sie behauptet, die Klägerin und ihr Lebensgefährte hätten aus eigenem Verschulden nicht rechtzeitig eingecheckt. Im Übrigen hätten die Klägerin und ihr Lebensgefährte nach dem Einchecken um kurz nach 7.00 Uhr noch rechtzeitig das Bordinggate erreichen können.

14. Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, durch Mitarbeiter der Fluggesellschaft ABC sei ein rechtzeitiges Betreten des Flugzeuges für den Flug am 09.04.2011 von Hamburg nach Frankfurt verhindert worden, durch Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen V.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.06.2013 (Bl. 70 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

15. Die zulässige Klage ist begründet.

16. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 651 f Abs. 1 BGB i.V.m. § 398 BGB Anspruch auf Ersatz der ihr und ihrem Lebensgefährten im Zusammenhang mit dem verpassten Flug von Hamburg nach Frankfurt am 09.04.2011 entstandenen Schäden in Höhe von insgesamt 2.265,15 €.

17. Nach Anhörung der Klägerin und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht in ausreichendem Umfang davon überzeugt, dass das Verpassen des vorgenannten Fluges auf ein Fehlverhalten einer Mitarbeiterin der Fluggesellschaft ABC im Zusammenhang mit dem rechtzeitigen Einchecken der Klägerin und deren Lebensgefährten auf dem Flughafen in Hamburg ursächlich war.

18. Die Klägerin führte in ihrer Anhörung am 05.06.2013 überzeugend aus, dass sie und ihr Lebensgefährte sich auf die Aussagen der Mitarbeiterinnen der Fluggesellschaft verlassen hätten. Diese hätten sie gebeten zu warten und später gesagt, dass sie sitzen bleiben könnten, es wüssten alle Bescheid. Auch der Zeuge V. bestätigte in seiner Aussage glaubhaft, dass die Dame der Fluggesellschaft erklärt habe, dass sie sich hinsetzen sollten um zu warten. Außerdem habe die Mitarbeiterin beim Einchecken gesagt, „dass die oben am Gate Bescheid wissen“ würden.

19. Zudem bestätigten sowohl die Klägerin als auch der Zeuge, dass es in der Sicherheitsschleuse zu einer Wartezeit gekommen sei, die darauf zurückzuführen wäre, dass dort ein Passagierin mit medizinischen Geräten intensiver kontrolliert worden wäre.

20. Wie bereits dargestellt sind die Ausführungen der Klägerin überzeugend. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Anzeichen für eine Absprache oder ähnliches bestehen nicht. Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen, sind nicht ersichtlich. Diese bestehen insbesondere nicht darin, dass der Zeuge der Lebensgefährte der Klägerin ist und zudem unmittelbar ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat.

21. Zusammenfassend war nach ausreichender Überzeugung des Gerichts nicht ein der Klägerin und ihrem Lebensgefährten zuzurechnendes verspätetes Einchecken oder Erscheinen am Bordinggate ursächlich für das Verpassen des Fluges sondern eine Fehlkoordination bzw. -information durch die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft ABC, die das Einchecken der Klägerin und ihres Lebensgefährten „in die Hand genommen hatte“.

22. Der verstehenden Bewertung steht nicht entgegen, dass aufgrund der Entfernung des Wohnortes der Klägerin und die ihres Lebensgefährten zum Flughafen es von Anfang an aussichtslos erschien, dass die Tochter des Lebensgefährten der Klägerin den Koffern noch rechtzeitig zum Flughafen bringen konnte. Die Klägerin selbst legt dar, dass dies tatsächlich nur ein Versuch sein sollte. Hinzu kommt, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Flüge nicht unmittelbar zur geplanten Abflugszeit das Gate verlassen. Entscheidend bleibt, dass sich die Klägerin und ihr Lebensgefährte auf die Aussagen der Mitarbeiterin der Fluggesellschaft verlassen durfte, dass diese rechtzeitig einchecken könnten bzw. das Flugzeug erreichen würden.

23. Die Beklagte ist für eine Fehlverhalten ihrer Erfüllungsgehilfen, wozu die Fluggesellschaft gehört, gemäß § 278 BGB einstandspflichtig. Erfüllungsgehilfen des Veranstalters sind auch Leistungsträger und ihre Hilfspersonen, soweit sie reisevertraglich vereinbarte Leistungen erbringen. Hierzu gehören die Fluggesellschaft einschließlich des Flughafenpersonals (Palandt/Sprau BGB 72. Aufl., § 651 a Rn. 11).

24. Ein schuldhaftes Verhalten liegt vor, wenn dem Reiseveranstalter oder einem seiner Erfüllungsgehilfen, insbesondere Leistungsträger im Zusammenhang mit der Organisation und Durchführung der Reise, ein Verschulden an den aus seinem Gefahrenbereich stammenden schädigenden Umständen trifft. So war es hier. Die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft handelte schuldhaft, indem sie entweder nicht das rechtzeitige Einchecken der Klägerin und ihres Lebensgefährten veranlasste sondern diese in Sicherheit, das Flugzeug noch rechtzeitig erreichen zu können, wiegte bzw. entgegen der vorgetragenen Erklärung die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter am Bordinggate nicht bzw. nicht ausreichend informierte. Soweit offensichtlich zwischen dem Einchecken und dem Erreichen des Bordinggates ein Zeitraum von mehr als 20 Minuten verging, entschuldigt dies die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft nicht. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass die Zeitdauer zwischen Einchecken und Erreichen des Bordinggates maßgeblich durch die Verzögerungen in der Sicherheitsschleuse verursacht wurden. Solche Verzögerungen hätten die Mitarbeiter der Fluggesellschaft einkalkulieren müssen.

25. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des ihr und im Zusammenhang mit der Abtretung ihrem Lebensgefährten entstandenen Nichterfüllungsschadens. Hierzu gehören zunächst die nutzlosen Aufwendungen. Nutzlos aufgewandt war im vorliegenden Fall der Reisepreis für vier Tage in Höhe von 841,68 €, so dass in diesem Umfang ein Entschädigungsanspruch besteht. Weiterhin sind durch die Beklagte als Reiseveranstalterin die Aufwendungen zur Behebung des Mangels und Mehrkosten zu ersetzen. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzpositionen (Bahnkosten in Höhe von 196,00 €, Hotelkosten in Höhe von 202,37 €, Anschaffungskosten für Ersatzkleidung in Höhe von 29,30 €, Flugkosten in Höhe von 920,00 € sowie die Verpflegungskosten auf B. und in Frankfurt/Main in Höhe von 35,70 € und 40,10 € fallen darunter. Soweit die Beklagte einwendet, dass kein Ersatzanspruch hinsichtlich der Verpflegungskosten für die Bekannten der Klägerin und ihres Lebensgefährten bestehen, wird dem nicht gefolgt. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte übernachteten bei den Bekannten und ersparten somit Übernachtungskosten. Es ist daher angemessen, die in diesem Zusammenhang die für das Abendessen der Bekannten anstelle der Übernachtungskosten entstandenen Kosten als Schaden anzusehen. Gegen die übrigen Schadenspositionen erhebt die Beklagte keine Einwendungen (abgesehen von der Hotelrechnung; dieser Einwand hat sich jedoch durch die Abtretung erledigt).

26. Die Nebenforderung ist gemäß § 286 ff. BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.

27. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

28. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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