Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Beförderung von Flugreisegepäck

LG Köln: Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Beförderung von Flugreisegepäck

Das Gepäck eines Flugreisenden wurde verspätet zugestellt. Dies hatte er mit einem Property Irregularity Report (kurz: PIR) angezeigt. Aufgrund dessen forderte der Reisende von der Fluggesellschaft Schadensersatz. In erster Instanz bekam der Kläger Recht, auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage jedoch abgewiesen.

LG Köln 11 S 379/16 (Aktenzeichen)
LG Köln: LG Köln, Urt. vom 20.06.2017
Rechtsweg: LG Köln, Urt. v. 20.06.2017, Az: 11 S 379/16
AG Köln, Urt. v. 29.06.2016, Az: 114 C 101/14
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Landgericht Köln

1. Urteil vom 20. Juni 2017

Aktenzeichen 11 S 379/16

Leitsätze:

2. Um einen Schadensanspruch geltend zu machen muss der Schaden innerhalb von 21 Tagen angezeigt worden sein.

Ein PIR genügt nicht zwangsläufig als Schadensanzeige.

In einer Schadensanzeige müssen die Schäden dermaßen hinreichend dargestellt werden, dass der Empfänger sich auf die anfallenden Kosten vorbereiten kann.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug. Das Gepäck des Klägers wurde allerdings verspätet befördert, dies zeigte der Kläger mit einem Property Irregularity Report (PIR) an.Im PIR waren lediglich der Name der Beklagten, des Klägers, die Farbe des Gepäcks, die Flugbezeichnung und die Anzahl der Gepäckstücke angegeben. Es war keine genauere Schadensbeschreibung angegeben.

Aufgrund des PIR fordert der Kläger von der Beklagten eine Schadensersatzleistung. Die Beklagte weigerte sich, diese zu zahlen und der Kläger verklagte die Beklagte vor dem AG Köln auf Schadensersatz. Dieses gab dem Kläger Recht und sprach ihm eine Schadensersatzleistung zu.

Die Beklagte ging daraufhin in Berufung. Das LG Köln urteilte, dass der eingereichte PIR dem Anspruch an eine Schadensanzeige nicht genügte, da die Schäden nicht erwähnt wurden. Somit verfehlte die Schadensanzeige ihr Ziel, mämlich den Anspruchsgegner auf Schadensersatzansprüche vorzubereiten. Aus diesem Grund hob das LG Köln das Urteil des AG Köln auf und wies die Klage ab.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 29.06.2016, 114 C 101/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der verspäteten Beförderung seines Flugreisegepäcks geltend. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

6. Die Berufung hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

7. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 19 des Montrealer Übereinkommens (MÜ). Ein solcher Anspruch ist gem. Art. 31 Abs. 4 MÜ ausgeschlossen, weil der Kläger die Verspätung der Gepäckbeförderung nicht innerhalb der sich aus Art. 31 Abs. 2 MÜ ergebenden Frist von 21 Tagen formgerecht angezeigt hat.

8. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts stellt der am 21.07.2014 erstellte Property Irregularity Report (PIR) keine ordnungsgemäße Schadensanzeige im Sinne des Art. 31 Abs. 2 MÜ dar.

9. Die Frage, ob ein PIR als Schadensanzeige im Sinne des Art. 31 Abs. 2 MÜ zu qualifizieren ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird dies bejaht (Führich, Reiserecht, 7. Aufl., 2015, § 37, Rn. 55 m.w.N.; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2003, 22). Auch wenn dieser Bericht der elektronischen Suche des Gepäcks diene, sei davon auszugehen, dass die dort enthaltenen Feststellungen grundsätzlich die Anforderungen an eine substantiierte Schadensanzeige erfüllen, weil der Bericht die Art der Beschädigung oder Verspätung und den Luftfrachtführer als Adressat erkennen lasse und dem Flugreisenden eine Abschrift ausgehändigt werde (Führich, Reiserecht, 7. Aufl., 2015, § 37, Rn. 55 m.w.N.). Die Gegenauffassung verneint demgegenüber eine derartige Qualifizierung des PIR (AG Köln, Urteil vom 06.03.2017, 142 C 57/16; AG Hamburg, Urteil vom 01.06.2011, 20A C 359/10).

10. Nach Auffassung der Kammer lässt sich die Frage, ob ein Property Irregularity Report als Schadensanzeige im Sinne des Art. 31 Abs. 2 MÜ eingeordnet werden kann, nicht allgemein bejahen oder verneinen. Vielmehr hängt dies vom konkreten Inhalt des konkreten streitgegenständlichen PIRs ab.

11. Eine Schadensanzeige im Sinne des Art. 31 Abs. 2 MÜ hat nach allgemeiner Auffassung den Zweck, dem Luftfrachtführer möglichst frühzeitig Kenntnis von dem Schaden zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, weitere Feststellungen zu treffen, rechtzeitig Beweise zu sichern und sich auf Schadensersatzansprüche einstellen zu können. Es ist daher anerkannt, dass die Schadenanzeige grundsätzlich den Schadenssachverhalt konkret mitteilen und erkennen lassen muss, gegen wen Ansprüche geltend gemacht werden. Die Beschreibung der Schäden muss dabei nicht ins Detail gehen. Es genügt, dass die Schäden aus der Sicht des Empfängers der Anzeige hinreichend erkennbar sind. (zum Ganzen: BGH, NJW-RR 2004, 1482; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2003, 22; AG Hamburg, Urteil vom 01.06.2011, 20A C 359/10; Prokant in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., 2015, Art. 31 MÜ, Rn. 17). Eine bloß pauschale Reklamation einer Beschädigung genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Schadensanzeige allerdings nicht (BGH, NJW-RR 2004, 1482; Prokant in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., Art. 31 MÜ, Rn. 17). Für eine ausreichende Anzeige ist es vielmehr erforderlich, dass nicht schlechthin eine Beschädigung des Transportguts gerügt wird, sondern, dass es bereits in der Anzeige im Wesentlichen um die Schäden geht, die später auch geltend gemacht werden  – es müssen dabei die Art der Beschädigung und ihr ungefährer Umfang mitgeteilt werden (OLG Celle, TransportR 2003, 314; OLG Stuttgart, Urteil vom 29.03.2006, 3 U 272/05). Ob diese Anforderungen von einem PIR erfüllt werden, lässt sich nur bei konkreter Betrachtung des jeweils im Einzelfall streitgegenständlichen Reports beantworten. Im Ergebnis dürfte dies auch die Mehrzahl der Vertreter der oben dargelegten Ansichten nicht anders sehen, denn häufig werden die genannten Meinungen maßgeblich damit begründet, welche Angaben und Funktionen ein PIR „in der Regel“ aufweise bzw. nicht aufweise (vgl. z.B. Führich, a.a.O.; AG Köln a.a.O.; Naumann, Steppler, ZLW 2009, 232). Eine einzelfallbezogene Überprüfung des Inhalts des konkreten PIRs ist demgegenüber insbesondere auch in dem Fall erfolgt, in dem ein solcher von der Rechtsprechung als Schadensmeldung akzeptiert wurde (vgl. OLG Frankfurt a.A., a.a.O.).

12. Auf Grundlage des Vorstehenden ergibt sich, dass der hier streitgegenständliche PIR vom 21.07.2014 (Anlage K4, Bl. 76 d.A.) den inhaltlichen Mindestanforderungen an eine Schadensanzeige gem. Art. 31 Abs. 2 MÜ nicht genügt. Der eigentliche PIR (Bl. 76 d.A.) enthält lediglich den Namen des Anspruchstellers und den der Anspruchsgegnerin, die Bezeichnung des Fluges, die Anzahl der betreffenden Gepäckstücke („1“) und eine codierte Beschreibung des Typs und der Farbe („Colour/Type – Gy29XXX“). Eine auch nur grobe Beschreibung des Schadens enthält er nicht. Auch aus der zweiten in Anlage K4 enthaltenen Seite (Bl. 77 d.A.) ergibt sich eine solche nicht. Diese enthält zwar die vorgedruckte Angabe „delayed baggage“. Diese Seite gehört aber schon nicht mehr zum PIR, sondern stellt erkennbar lediglich eine eigenständige Erklärung gegenüber der isländischen Zollbehörde dar. Dem Umstand, dass in dem Formular von einem „delayed baggage“ die Rede ist, kann aufgrund dessen Zwecks auch schon keine eigenständige Bedeutung zugesprochen werden, da dieses Dokument als vorgezogene Zollerklärung ohnehin nur für den Fall relevant wird, dass das Gepäckstück tatsächlich noch verspätet und deshalb in Abwesenheit des Eigentümers den isländischen Zoll durchläuft. Eine tatsächliche Schadensbeschreibung ergibt sich aus dieser vorgedruckten Formulierung damit nicht.

13. Aus dem streitgegenständlichen PIR ist damit in keiner Weise ersichtlich, welcher Lebenssachverhalt konkret angezeigt werden soll. Dem PIR lässt sich nicht entnehmen, ob eine Beschädigung, eine Verspätung oder gar ein (Teil)Verlust des Gepäcks angezeigt wird. Auch enthält die Anzeige eine Beschreibung des Schadens noch nicht einmal im Ansatz. Im Gegenteil: Es ist aus der Anzeige noch nicht einmal erkennbar, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist bzw. entstehen wird. Gerade in diesem Punkte hält die Kammer auch die Argumentation des Amtsgerichts für nicht haltbar. Denn wenn das Amtsgericht ausführt, dass von dem Kläger eine Angabe des Schadens und des Umfangs des Schadens bei der Aufnahme des PIR nicht hätte verlangt werden können, weil ein solcher zu diesem Zeitpunkt doch noch nicht feststand, ist diese Argumentation zirkelschlüssig. Es ist vielmehr umgekehrt so, dass gerade weil zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen unklar war, ob ein Schaden entsteht und welcher Art dieser sein würde, der PIR keine Anzeige im Sinne des Art. 31 Abs. 2 MÜ sein kann (vgl. auch AG Hamburg a.a.O.).

14. Inhaltlich genügte daher nur das auf den 26.08.2014 datierte Schreiben des Klägers (Anlage K1, Bl. 6 d.A., bzw. Anlage K5, Bl. 237 ff. d.A.) den Anforderungen an eine Schadensanzeige nach Art. 31 Abs. 2 MÜ. Dieses ist aber nicht fristgerecht binnen 21 Tagen nach Erhalt des Gepäcks abgesendet worden. Der Erhalt des Gepäcks erfolgte spätestens am 08.08.2014, sodass die Frist spätestens mit Ablauf des 29.08.2014 endete. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger das Schreiben vom 26.08.2014 aber nicht abgesendet. Die ursprüngliche, auf Vorhalt der Beklagten erfolgte gegenteilige Behauptung des Klägers, dass das unstreitig nur per E-Mail versandte Schreiben auch am 26.08.2014 verschickt worden sei (Bl. 229 d.A.), hat die Beklagte durch anschließende Vorlage der das Schreiben enthaltenden E-Mail des Klägers widerlegt (Anlage B01, Bl. 273 d.A.). Dort steht im Header der E-Mail eindeutig, dass diese am Sonntag, dem 07.09.2014 um 16:15 Uhr vom Kläger versendet worden war. Dem ist der Kläger nach Vorlage dieser E-Mail auch nicht mehr entgegengetreten. Auf die weiter streitige Frage, ob für eine Schadensanzeige überhaupt eine Mitteilung in Textform genügt, brauchte die Kammer daher nicht mehr einzugehen.

15. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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