Mehrkostenerstattung für Ersatzflug
LG Landshut: Mehrkostenerstattung für Ersatzflug
Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht. Dieser wurde annulliert, weshalb er einen Ersatzflug buchte. Er verlangte Ausgleichszahlung und Ersatz der Mehrkosten.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht gab der Berufung des Klägers teilweise statt. Da die Beklagte rechtzeitig informiert hatte, sei eine Ausgleichszahlung nicht zu leisten. Die Mehrkosten habe sie dennoch zu ersetzen.
LG Landshut | 13 S 1146/16 (Aktenzeichen) |
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LG Landshut: | LG Landshut, Urt. vom 14.12.2016 |
Rechtsweg: | LG Landshut, Urt. v. 14.12.2016, Az: 13 S 1146/16 |
AG Erding, Urt. v. 17.03.2016, Az: 3 C 2735/15 | |
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Leitsätze:
2. Informiert ein Flugunternehmen rechtzeitig über die Annullierung, ist es nicht zur Ausgleichszahlung verpflichtet.
Entstehen dem Reisenden Mehrkosten durch einen Ersatzflug, muss das Flugunternehmen diese auch bei rechtzeitiger Information erstatten.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht. Dieser wurde annulliert, weshalb er einen teueren Ersatzflug buchte. Er verlangte Ausgleichszahlung und Ersatz der Mehrkosten.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht gab der Berufung des Klägers teilweise statt. Da die Beklagte rechtzeitig informiert hatte, sei eine Ausgleichszahlung nicht zu leisten. Die Mehrkosten habe sie dennoch zu ersetzen, da sie ihrer vertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen sei.
Tenor
4. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts Erding vom 17.03.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 318,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.2015 zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 89 % und die Beklagte zu 11 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.858,90 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
5. Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 II, 313a ZPO abgesehen.
II.
6. Die zulässige Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.
1.
7. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung. Insoweit hat das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
8. Zwar liegen grundsätzlich die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch des Klägers vor. Dies folgt jedoch nicht – wie in dem Ersturteil und auch in dem Hinweisbeschluss der Kammer vom 29.09.2016 ausgeführt – aus Artikel 4 III in Verbindung mit Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung, sondern aus Artikel 5 I lit. c) in Verbindung mit Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung. Nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt lag eine Annullierung des von dem Kläger gebuchten Fluges und keine Nichtbeförderung gemäß Artikel 4 der Fluggastrechteverordnung vor. Eine Nichtbeförderung (vgl. Artikel 2 lit. j der Fluggastrechteverordnung) setzt voraus, dass der gebuchte Flug stattfindet (vgl. Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 39 Rn. 2). Dies war vorliegend wegen der Annullierung nicht der Fall.
9. Bei einer Annullierung kommt der Ausnahmetatbestand gemäß Artikel 5 I lit. c)i) der Fluggastrechteverordnung, wonach der Anspruch auf Ausgleichsleistung entfällt, wenn die betroffenen Fluggäste mindestens 2 Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit von der Annullierung unterrichtet werden, unmittelbar zur Anwendung. Auf die vom Bundesgerichtshof offen gelassene Frage, ob dieser Ausnahmetatbestand auch im Falle einer Umbuchung und einer damit verbundenen Beförderungsverweigerung entsprechend zur Anwendung kommt (vgl. BGH, NJW 2015, 2181 Rdnr. 19), kommt es somit vorliegend nicht an.
10. Die Voraussetzungen für eine rechtzeitige Unterrichtung gem. Artikel 5 I lit. c)i) der Fluggastrechteverordnung sind vorliegend gegeben. Es ist zwar richtig, dass der Verordnungsgeber dem Luftfahrtunternehmen die Pflicht zur Information des Fluggastes im Rahmen des Artikel 5 I lit. c) Fluggastrechteverordnung auferlegt hat. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum das Luftfahrtunternehmen sich bei der Erfüllung dieser Pflicht nicht Dritter bedienen dürfte. Das Luftfahrtunternehmen übernimmt hierbei zwar das Risiko, dass durch diesen Dritten keine ordnungsgemäße Übermittlung erfolgt. Dieses Problem stellt sich jedoch vorliegend nicht, da die Information durch das Reisebüro – den Kläger unstreitig erreicht hat. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen in dem Hinweisbeschluss vom 29.9.2016 unter Ziffer I.1. Bezug genommen.
2.
11. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten für die gebuchten Ersatzflüge in Höhe von 318,94 EUR aus §§ 280 I, III, 281 II Alt. 2 BGB.
12. Bei einem fest gebuchten bestimmten Flug zu einer bestimmten Flugzeit handelt es sich um ein relatives Fixgeschäft. Die Nichteinhaltung der Leistungszeit hat keine Unmöglichkeit zur Folge (vgl. Palandt, 75. Auflage, § 271 Rdnr. 18). Nichtsdestotrotz wird bei einem relativen Fixgeschäft vom Schuldner eine Leistung zu einer bestimmten Zeit versprochen. Die einseitige Abänderung der Leistungszeit, bzw. die Mitteilung zu der vereinbarten Leistungszeit nicht zu leisten (vorliegend die Mitteilung der Annullierung der Flüge) stellt daher eine Pflichtverletzung gemäß § 280 I 1 BGB dar.
13. Eine Fristsetzung zur Leistungserbringung war jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gemäß § 281 II Alt. 2 BGB entbehrlich. Die im Gesetz vorgesehene Abwägung fällt zu Gunsten des Klägers aus. Der Kläger hatte – insbesondere aufgrund der für den Urlaub bereits erfolgten weiteren Buchungen (Hotel und Wohnmobil) – ein erhebliches Interesse an einer pünktlichen Durchführung des Flugs. Wenn der Kläger verpflichtet gewesen wäre, trotz der von der Beklagten mitgeteilten Annullierung der Flüge zunächst den Flugtag (Fälligkeit) abzuwarten und dann eine Nachfrist zu setzen, hätte er sein Interesse an der Durchführung der Flugreise zu dem von ihm vorgesehenen Zeitpunkt nicht mehr realisieren können. Ein – im Gesetz auch nicht vorgesehenes – erneutes Verlangen an die Beklagte hinsichtlich einer pünktlichen Durchführung der Flüge wäre sinnlos gewesen, nachdem deren Annullierung mitgeteilt worden war. Auf Seiten der Beklagten, die sich schließlich zu einer Durchführung der Flüge zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet hatte, sind keine schützenswerten Interessen vorgetragen worden, um den Kläger auf einen von ihr gewählten späteren Reisezeitpunkt verweisen zu dürfen.
14. Ein Wertungswiderspruch zwischen der Annahme einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung im Rahmen des § 281 II Alt. 2 BGB und der Regelung in § 323 II Nr. 2 BGB besteht nicht. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob bei einer für einen festen Termin gebuchten Flugreise auch ohne eine entsprechende Mitteilung des Gläubigers aufgrund der Begleitumstände des Vertragsabschlusses angenommen werden kann, dass deren pünktliche Durchführung für den Gläubiger wesentlich ist. Dies ist nach Auffassung der Kammer naheliegend. Jedenfalls liegen jedoch im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit einer Fristsetzung vor Rücktritt gemäß § 323 II Nr. 3 BGB vor. Es ist hier im Wesentlichen dieselbe Abwägung vorzunehmen, wie im Rahmen des § 281 II Alt. 2 BGB. Diese Abwägung fällt jedenfalls dann zu Gunsten des Gläubigers aus, wenn das die pünktliche Durchführung der Flugreise schuldende Luftfahrtunternehmen – wie vorliegend – bereits vor Fälligkeit (dem geplanten Flugtermin) mitteilt, dass es eine pünktliche Leistung nicht vornehmen wird. In diesem Fall kann der Gläubiger in Verbindung mit § 323 IV BGB sofort zurücktreten. Hinsichtlich der Abwägung wird auf die obigen Ausführungen zu § 281 II Alt. 2 Bezug genommen.
15. Der Schaden des Klägers beläuft sich auf 318,94 EUR. Für den bei der Beklagten gebuchten Flug zahlte der Kläger ausweislich der Anlage K 1 einschließlich der Vermittlungsprovision insgesamt 2.099,96 EUR. Die Ersatzflüge kosteten unstreitig 2.418,90 EUR. Die Differenz beträgt 318,94 EUR.
16. Soweit der Kläger auch die Erstattung der Vermittlungsprovision verlangt, hat die Klage keinen Erfolg. Wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt, handelt es sich hierbei nicht um eine ersatzfähige Schadensposition. Bei der Schadensberechnung sind nach der Differenztheorie die Vermögenslagen des Klägers mit und ohne das Schadensereignis zu vergleichen (vgl. Palandt, 76. Auflage, § 281 Rn. 18 m.w.N.). Die Vermittlungsprovision hätte der Kläger auch ohne das Schadensereignis bezahlen müssen.
17. Die zugesprochenen Zinsen folgen aus §§ 288 I, 291 BGB.
3.
18. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.
19. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.
20. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 II ZPO liegen nicht vor.
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