Anderweitige Beförderung und außergewöhnlicher Umstand

AG Rüsselsheim: Anderweitige Beförderung und außergewöhnlicher Umstand

Der Kläger hatte bei der Beklagten, einem Luftfahrtunterhemen, einen Langstreckenflug gebucht. Aufgrund eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004 musste der betreffende Flug jedoch annulliert werden und der Kläger erreichte seinen Zielort erst mit erheblicher Verspätung. Er fordert von der Beklagten nun Schadensersatz und die Erstattung der Kosten für anderweitige Beförderung.

Das Amtsgericht in Rüsselsheim urteilt, dass die Beklagte gemäß der Verordnung (EG) 261/2004 nicht zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet ist, da es sich bei der Aschewolke, die die Flugannullierung verursachte um einen außergewöhnlichen Umstand handelt. Allerdings ist das Luftfahrtunternehmen trotz der Haftungsbefreiung verpflichtet, dem Fluggast eine anderweitige Beförderung zu beschaffen und deren Kosten, sowie angefallenen Verpflegungskosten zu übernehmen.

AG Rüsselsheim 3 C 1698/10 (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 11.01.2011
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.01.2011, Az: 3 C 1698/10
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Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 11. Januar 2011

Aktenzeichen: 3 C 1698/10

Leitsätze:

2. Liegt ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004 vor, so ist das Luftfahrtunternehmen von der Haftung befreit.

Auch wenn das Luftfahrtunternehmen von der Haftung befreit ist, muss es dem Fluggast eine anderweitige Beförderung beschaffen und anfallende Kosten übernehmen.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall wurde der Flug des Klägers durch die Beklagte, ein Luftfahrtunterhemen, aufgrund eines außergewöhnlichen Umstands (einer Aschewolke) im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004 nicht wie versprochen durchgeführt. Der betreffende Flug wurde annulliert, wodurch der Kläger seinen Zielort erst mit großer Verspätung erreichte. Er fordert von der Beklagten nun Schadensersatz und die Erstattung der Kosten für anderweitige Beförderung.

Das Amtsgericht in Rüsselsheim stellt fest, dass die Beklagte im vorliegenden Fall zwar gesetzlich nicht zu Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 der VO verpflichtet sei, weil es sich bei einer Aschewolke um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der VO handelt.

Allerdings hat das Luftfahrtunternehmen trotz der Haftungsbefreiung weitere Verpflichtungen gegenüber dem Fluggast. Im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004 ist das Luftfahrtunternehmen verpflichtet, dem Fluggast eine anderweitige Beförderung zu beschaffen und deren Kosten, sowie angefallenen Verpflegungskosten zu übernehmen. Dem Kläger stehen folglich gemäß § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. Artikel 8 Abs. 3, Artikel 9 Abs. 1 a der Verordnung (EG) 261/2004 Ansprüche von insgesamt 306,60 € gegen die Beklagte zu, weil er die Kosten für die anderweitige Beförderung selbst getragen hatte.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 306,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.08.2010 zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 83,54 € gegenüber den Rechtsanwälten freizustellen. Die Kosten der Anrufung des unzuständigen Gerichts hat der Kläger zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von der Ausführung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist begründet.

7. Dem Kläger stehen gemäß § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. Artikel 8 Abs. 3, Artikel 9 Abs. 1 a der Verordnung (EG) 261/2004 aus eigenem und abgetretenem Recht (Bl. 42 d. A.) Ansprüche von insgesamt 306,60 € gegen die Beklagte zu.

8. Artikel 8 und 9 der obengenannten Verordnung finden Anwendung, da der annullierte Flug von Fuerteventura nach Düsseldorf am 17.04.2010 aufgrund der Störung des Flugverkehrs durch die Aschewolke, was einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der VO darstellt, annulliert wurde.

9. Aus Artikel 5 Abs. 3 der VO ergibt sich jedoch eindeutig, dass außergewöhnliche Umstände bei einer Annullierung die Fluggesellschaft lediglich von Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 der VO befreien, nicht aber von den in Artikel 5 Abs. 1 der VO aufgeführten Unterstützungsleistungen der Artikel 8 und 9. Hierzu stellen zwar die Begründungserwägungen (12) und (14) der obengenannten Verordnung eine Abweichung dar, sind jedoch im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Artikels 5 der VO unbeachtlich. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof (C 344/04 Randnummer 76) festgestellt: „….. dass die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts zwar dessen Inhalt präzisieren können, dass die es aber nicht erlauben, von den Regelungen des Rechtsakts abzuweichen.

10. Da der Rückflug von Fuerteventura nicht nach Düsseldorf sondern nach Berlin erfolgte, stehen den Klägern die Kosten für zwei Bahntickets von Berlin nach Duisburg in Höhe von 206,60 € gemäß Artikel 8 Abs. 3 der VO zu. Da die Fahrt nach Duisburg günstiger war als die nach Düsseldorf bestehen insoweit keinerlei Bedenken gegen die Abweichung vom ursprünglich vereinbarten Zielort Düsseldorf.

11. Der Kläger und seine Ehefrau waren auch berechtigt, eine Bahnfahrt in Anspruch zu nehmen und nicht auf eine möglicherweise günstigere Anmietung eines Pkws auszuweichen. Insoweit war eine weniger anstrengende Bahnfahrt gegenüber der Fahrt mit einem Pkw angemessen, abgesehen davon, dass der Kläger nach einer Verspätung von drei Tagen ein berechtigtes Interesse daran hatte, möglichst schnell wieder an seinen Heimatort zu gelangen, was eine Bahnfahrt von Berlin nach Duisburg besser gewährleistete als eine entsprechende Autofahrt.

12. Gemäß Artikel 9 Abs. 1 a der VO stehen dem Kläger auch Verpflegungskosten in Höhe von insgesamt 100,— € gegen die Beklagte zu. Zwar sind Verpflegungskosten generell nicht pauschal abrechenbar, jedoch sind im vorliegenden Fall bei einer Verpflegung von 3 Tagen 100,— € so gering, dass das Gericht diese Summe gemäß § 287 ZPO für angemessen hält.

13. Der Einwand von „Sowieso-​Kosten“ ist in diesem Fall nicht begründet, da Aufwendungen für Mahlzeiten und Erfrischungen generell ersparte Eigenaufwendungen darstellen, der Verordnungsgeber diese aber dennoch ersetzt sehen will und eine Verpflegung an einem fremden Ort in der Regel teurer ist als Zuhause.

14. Ferner ist der Kläger von vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gemäß den §§ 280, 286 BGB i. V. m. den Vorschriften des RVG in Höhe von 83,54 € freizustellen.

15. Die Beklagte befand sich auch bei Einschaltung des Rechtsanwalts in Verzug, da zuvor die vom Kläger angemeldeten Ansprüche mit E-​Mail der Beklagten vom 04.05.2010 abgelehnt worden sind.

16. Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.

17. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

18. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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