Verspäteter Rückflug

LG Frankfurt: Verspäteter Rückflug

Eine Reisende buchte bei einem Veranstalter eine Flugreise. Weil der geplante Rückflug erst 4 Tage später ausgeführt wurde, war die Klägerin dazu gezwungen, ihren Aufenthalt zu verlängern. Sie verlangt nun Schadensersatz wegen nicht vertragsgemäßer Leistung.

Das Landgericht Frankfurt hat der Klägerin Recht zugesprochen. In dem Ausfall des Fluges sei ein Reisemangel im Sinne von §651f BGB zu sehen, der zu einem Schadensersatz berechtige.

LG Frankfurt 2-24 S 299/90 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 07.01.1991
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 07.01.1991, Az: 2-24 S 299/90
AG Frankfurt, Urt. v. 18.05.1990, Az: 32 C 634/90-19
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 07. Januar 1991

Aktenzeichen: 2-24 S 299/90

Leitsatz:

2. Verzögert sich die Rückkehr des Reisenden über eine Dauer von vier Stunden über das vertraglich vorgesehene Reiseende hinaus, so stehen dem Reisenden wegen dieses Reisemangels Minderungsansprüche zu.

Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einem Veranstalter eine Flugreise. Am Tag des Rückfluges musste die Klägerin allerdings feststellen, das ihr Flug annulliert wurde. In Ermangelung eines Ersatzfluges war sie deshalb dazu gezwungen, 4 weitere Tage in ihrem Hotel zu verbringen.
Sie fordert nun eine Schadensersatzzahlung wegen nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung.

Der Reiseveranstalter weigert sich der Zahlung. In dem erzwungenen Aufenthalt der Reisenden sei keine Vermögenseinbuße, sondern eine Vermögensmehrung zu sehen.

Das Landgericht Frankfurt hat der Klägerin Recht zugesprochen. Nach §651f BGB habe der Reiseveranstalter die Reiseleistung frei von Fehlern zu erbringen, die den Nutzen oder die Tauglichkeit der Reise minder oder beeinträchtigen.
Da im Reisevertrag ein Rückflug für einen festen Zeitpunkt vereinbart war, sei in der Nicht-Beförderung eine Schlechtleistung im Sinne der Anspruchsnorm zu sehen.
Hierbei könne nicht darauf abgestellt werden, dass die Klägerin ihren Urlaub durch die Annullierung habe ausdehnen können. Vielmehr sei die Abweichung von der vertraglich geschuldeten Leistung entscheidend. Vor diesem Hintergrund stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen eines Reisemangels zu.

Tenor

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.5.1990 – 32 C 634/90-19 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 926,73 DM nebst 4 % Zinsen seit 29.9.1990 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin 1/5, die Beklagte 4/5. Von den Kosten der Berufung tragen die Klägerin 3/10, die Beklagte 7/10.

Tatbestand

5. Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Flugpauschalreise in die Dominikanische Republik für die Zeit vom 28.1. bis 11.2.1989 zum Gesamtpreis von DM 2.717,–. Infolge eines Streiks des Personals des Flugunternehmens verschob sich der Rückflug vom 11.2.1989 bis 15.2.1989. Die Klägerin kam mit viertägiger Verspätung in der Bundesrepublik an.

6. Die Klägerin verlangt eine Minderung von 892,68 DM, die sie – gemäß Frankfurter Tabelle – mit 5 % des anteiligen Tagespreises von 194,– DM mal 92 Verspätungsstunden berechnet. Außerdem verlangt sie vier unbezahlte Urlaubstage in Höhe von netto 271,32 DM.

7. Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin stünden keine Minderungsansprüche zu, da sie vier zusätzliche kostenlose Tage in der Dominikanischen Republik erlangt habe. Die im Wege des Schadensersatzes geltend gemachten vier Urlaubstage würden bestritten.

8. Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 18.5.1990 der Klägerin eine Minderung von 400,– DM zugesprochen, die es in Anlehnung an das Urteil der Kammer zur Berechnung der Entschädigung nach § 651 f II BGB mit 4 Tagen von je 100,– DM bewertet hat. Den geltend gemachten Anspruch auf DM 271,32 hat es mit der Begründung abgelehnt, nach einer telefonischen Auskunft des Arbeitgebers seien von der Arbeitsvergütung der Klägerin keine Abzüge vorgenommen worden.

9. Gegen das am 27.6.1990 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.7.1990 Berufung eingelegt und diese am 14.9.1990 begründet, mit der sie ihren aberkannten Anspruch von 764,– DM weiterverfolgt. Sie beantragt,

10. unter Abänderung des am 18. Mai 1990 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 32 C 634/90-19) die Beklagte zur Zahlung von weiteren DM 764,– nebst 4 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheids (29. September 1989) zu verurteilen.

11. Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.

12. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

13. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch teilweise Erfolg. Der Klägerin steht wegen des verspäteten Rückflugs ein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 926,73 DM zu.

14. Die Klägerin kann zunächst Minderung des Reisepreises in Höhe von insgesamt 543,40 DM verlangen.

15. Infolge der verspäteten Rückkehr war die Reise der Klägerin mit einem Fehler behaftet, der den Wert und die Tauglichkeit teilweise minderte. Das OLG Düsseldorf hat sich in einer Entscheidung vom 10.3.1988 (NJW – RR 1988, 637) nur mit einem Schadensersatzanspruch aus § 651 f II BGB befaßt. Die Kammer selbst hat in einer Entscheidung vom 4.2.1985 (NJW 1985, 1167) einen Minderungsanspruch mit der Begründung verneint, daß der Urlaub bereits beendet gewesen sei. Dagegen hat sie im Urteil vom 11.3.1985 (2/24 S 218/84, nicht veröffentlicht) einen Minderungsanspruch bejaht und diesen entsprechend der von ihr gehandhabten Tabelle bei einer Verspätung von mehr als 4 Stunden mit jeweils 5 % des anteiligen Reisepreises für jede weitere Stunde berechnet.

16. Die Kammer hält an der letztgenannten Auffassung fest. Wenn der Beförderung nach Auffassung der Kammer kein Eigenwert zukommt, so bedeutet dies nur, daß der Reisepreis im Hinblick auf Mängel bis zu 100 % gemindert werden kann, so daß dem Reiseveranstalter kein Anteil des Reisepreises für die Beförderung verbleibt. Andererseits stellt die über vier Stunden hinausgehende Verspätung einen Mangel der Reise dar. Der Reiseveranstaltungsvertrag ist nach einhelliger Auffassung ein Fixgeschäft, bei dem Antritt und Ende der Reise maßgebliche Bedeutung für die Urlaubsplanung des Reisenden beinhalten. Die von dem Reiseveranstalter zugesagte Reisezeit kann nicht nachträglich von ihm nennenswert verschoben werden. Dies gilt sowohl für den Reisebeginn als auch für das Reiseende. Der Reisende hat regelmäßig das Ende der Reisezeit entsprechend seinem Urlaub disponiert und erwartet, daß er seine beruflichen Tätigkeit zeitgerecht wiederaufnehmen kann. Er braucht deshalb nicht damit zu rechnen, daß sich die Reisedauer infolge Verzögerung des Rückflugs um ein Vielfaches verlängert. Der Wert einer Reise wird demnach objektiv beeinträchtigt, wenn diese Verlängerung die Toleranzgrenze überschreitet, die von der Kammer bei 4 Stunden gezogen wird.

17. Die Kammer nimmt die Berechnung der Minderung mit 5 % des anteiligen Reisepreises für einen Tag pro Stunde vor (Pos. IV, 1 der Tabelle). Die von dem Amtsgericht vorgenommene Berechnung wird der anteilmäßigen Minderung des Reisepreises nicht gerecht. Die Klägerin hat den Minderungsanspruch mit DM 892,68 richtig berechnet. Sie hat aber übersehen, daß im Hinblick auf die sonst von der Beklagten erbrachten Reiseleistungen (Unterkunft, Verpflegung) der Reisepreis wegen Mängeln der Beförderung nicht in beliebiger Höhe gemindert werden kann. Denn die anteilige Minderung des Reisepreises bedeutet nach Auffassung der Kammer, daß für einzelne Gruppen der Reiseleistung (Unterkunft, Verpflegung, Beförderung, sonstige Leistungen) jeweils ein entsprechender Prozentsatz des Gesamtreisepreises reserviert bleiben muß. Dies zeigt sich gerade bei einer verzögerten Rückbeförderung, bei der die Minderung bei einer längeren Dauer den gesamten Reisepreis aufzehren könnte. Die von der Kammer entwickelte Tabelle zur Reisepreisminderung trägt dem dadurch Rechnung, daß für die einzelnen Leistungsgruppen Höchstprozentsätze festgelegt werden (Erl. 4 der Tabelle). Der Höchstsatz für die Leistungsgruppe Transport beträgt hierbei 20 %, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Gegenstand des Reisevertrages die Leistung von Unterkunft mit Vollpension, Halbpension oder Frühstück ist. Das hat zur Folge, daß die Minderung im vorliegenden Fall auf 20 % des Reisepreises (DM 2.717,–) gleich 543,40 DM beschränkt ist.

18. Die Klägerin kann daneben eine Entschädigung nach § 651 f II BGB verlangen. Ein Verschulden der Beklagten wird von ihr nicht in Abrede gestellt, da sie sich das Verschulden des streikenden Flugpersonals als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zurechnen lassen muß. Die Entschädigung bemißt sich nach den von der Kammer im Urteil vom 19.9.1988 (NJW – RR 1988, 1451) niedergelegten Grundsätzen auf 100.– DM pro Tag. Bei einer Verlängerung des Urlaubs sind die überzogenen Tage – abzüglich der Toleranzgrenze von 4 Stunden – als verfehlter Zeiteinsatz anzusehen. Das führt hier bei einer zu vertretenden Verzögerung von 3 Tagen und 20 Stunden zu einem Anspruch von 383, 33 DM.

19. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Klägerin vier zusätzliche Urlaubstage gehabt habe. Derartiges zwangsweises Verweilen am Urlaubsort stellt keinen geldwerten Vorteil dar, der die Entschädigung nach § 651 f II BGB mit ihrem immateriellen Ausgleichscharakter kompensieren könnte. Hinzu kommt hier, daß die Beklagte dem substantiierten Vortrag der Klägerin über den Ablauf der vier Verlängerungstage im Schriftsatz vom 27.4.1990 nicht entgegengetreten ist. Danach war die Klägerin, wie die übrigen Reisenden, von einem zum anderen Tag hinsichtlich des Rückfluges vertröstet worden und zudem für zwei Tage in einem anderen Hotel in Santo Domingo untergebracht. Derartige Aufenthalte stellen keinen erholsamen Urlaub dar.

20. Ein weiterer Anspruch wegen „Verdienstausfalls“ in Höhe von DM 271,32 steht der Klägerin dagegen nicht zu. Die Klägerin hat ihre Arbeitsvergütung weiter bezogen; sie hat dies in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten und zugestanden, daß ihr stattdessen vier weitere Urlaubstage auf ihren Jahresurlaub angerechnet wurden. Dieser Nachteil ist aber mit der Entschädigung aus § 651 f II BGB abgegolten. Die Kammer schließt sich der Auffassung des LG Berlin im Urteil vom 18.1.1990 (NJW-RR 1990, 1018) an, daß bei Anrechnung des Pflichturlaubs auf die Verspätungsdauer eine zusätzliche materielle Entschädigung nach § 651 f I BGB nicht erfolgen kann. Denn der von der Kammer als Richtsatz angenommene Betrag von 100,– DM stellt zwar einen Ausgleich für die immaterielle Beeinträchtigung dar, orientiert sich aber an dem durchschnittlichen Nettoeinkommen eines Erwerbstätigen in der Bundesrepublik. Damit ist jedenfalls der normale Verdienstausfall, der durch Belastung mit weiterem Pflichturlaub zwangsläufig entsteht, abgegolten. Inwieweit bei darüber hinausgehendem Vermögensschaden § 651 f I BGB eingreifen könnte, braucht hier nicht entschieden zu werden.

21. Der Klägerin steht demnach ein Zahlungsanspruch in Höhe von 926,73 DM nebst 4 % Zinsen seit 29.9.1990 zu. Insoweit war das angefochtene Urteil teilweise abzuändern. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs war das angefochtene Urteil durch Zurückweisung der Berufung zu bestätigen.

22. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

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