Änderung der Abflugzeit
LG Potsdam: Änderung der Abflugszeit
Vorliegend buchte die Klägerin bei einem Luftfahrtunternehme eine Flug von Berlin nach Basel. Dieser Flug wurde allerdings annulliert. Die angebotene Umbuchung auf den nächsten Tag konnte die Klägerin nicht annehmen, da sie terminliche Verpflichtungen in Basel einzuhalten hatte. Sie verlangt nun über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch hinaus, Ausgleichszahlungen nach der VO.
Das Landgericht Potsdam entschied, dass ihr kein weiterer Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht, da diese auf etwaige weitergehende Schadensersatzansprüche anzurechnen sind.
LG Potsdam | 13 S 89/10 (Aktenzeichen) |
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LG Potsdam: | LG Potsdam, Urt. vom 27.10.2010 |
Rechtsweg: | LG Potsdam, Urt. v. 27.10.2010, Az: 13 S 89/10 |
AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 10.06.2010, Az: 4 C 38/10 | |
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Leitsatz:
2. Gemäß Art. 12 Abs. 1 der VO (EG) 261/2004 sind Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der VO (EG) 261/2004 auf etwaige weitergehende Schadenersatzansprüche anzurechnen.
Zusammenfassung:
3. Vorliegend buchte die Klägerin bei der Beklagten einen Flug von Berlin nach Basel. Dieser Flug wurde annulliert. Die angebotene Umbuchung auf den nächsten Tag konnte die Klägerin, wegen beruflicher Termine, nicht wahrnehmen. Sodann fuhr sie mit dem Nachtzug nach Basel. Sie verlangte daraufhin von der Beklagten eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastverordnung und Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4, 633 Abs. 1, 631 BGB.
Sie ist der Meinung der, die Entschädigung nach der VO ist nicht auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen sprach ihr keinen Anspruch nach der VO zu, da dieser auf den geltend gemachten Schadensersatzersatzanspruch anzurechnen ist und damit kein Schaden mehr besteht. Die Klägerin hat das gesamte Urteil angefochten.
Das Landgericht Potsdam stimmte der Entscheidung des Amtsgerichts zu. Die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugannullierung sind gegeben und zwischenzeitlich anerkannt und ausgeurteilt worden. Jedoch sind Ausgleichszahlungen gemäß Art. 12 Abs. 1 der VO (EG) 261/2004 nach Art. 7 der VO (EG) 261/2004 auf etwaige weitergehende Schadenersatzansprüche anzurechnen. Die Berufung wurde folglich zurückgewiesen.
Tenor:
4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Juni 2010 verkündete Urteil des AGs Königs Wusterhausen – Az.: 4 C 38/10 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
5. Die Klägerin buchte über das Internet bei der Beklagten für den 03. Juli 2009, 19:25 Uhr den Flug EZY4637 von Berlin-Schönefeld nach Basel. Dieser Flug wurde annulliert; der Klägerin wurde eine Umbuchung auf den 04. Juli 2009; 10:55 Uhr angeboten. Wegen vorgetragener beruflicher Termine in Basel am 04. Juli 2009 bereits um 09:00 Uhr fuhr die Klägerin mit dem Taxi nach Berlin-Südkreuz und von dort mit dem Nachtzug über Freiburg nach Basel. Am 25. August 2009 forderte sie die Beklagte zu Zahlung eines Betrages in Höhe von 480,00 € – einschließlich der Entschädigung gemäß Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 (250,00 €) – auf. Die Klägerin ist der Ansicht, die Entschädigung sei auf den von ihr geltend gemachten Schadenersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4, 633 Abs. 1, 631 BGB von 230,00 € (Taxikosten 29,00 €, Kosten der Zugfahrt 141,00 € zuzüglich Zugbettplatz 60,00 €) nicht anzurechnen. Gemäß ihrem Anerkenntnis wurde die Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil vom 12. März 2010 zur Zahlung von 250,00 € verurteilt.
6. Zur näheren Darstellung des Tatbestandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
7. Das AG hat die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf den weiter geltend gemachten Schadenersatz auf der Grundlage von Art. 7, 12 Abs. 1 der VO (EG) 261/2004 nicht zu. Die Entschädigungszahlung von 250,00 € sei auf den weiteren Schadenersatzanspruch von 230,00 € anzurechnen, so dass vorliegend kein materieller Schaden (mehr) gegeben sei.
8. Das AGliche Urteil, auf das im Übrigen wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, ist der Klägerin am 11. Juni 2010 zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten zugestellt worden. Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schriftsatz am 12. Juli 2010 Berufung eingelegt und diese am 11. August 2010 begründet.
9. Die Klägerin ficht das AGliche Urteil im vollen Umfang an. Sie meint, es sei insoweit rechtsfehlerhaft ergangen, als das AG Schadenersatzansprüche aus der Verletzung des Art. 9 der Fluggastverordnung verneint habe. Zudem habe sie gemäß Art. 8 der VO einen Anspruch darauf gehabt, nach der Annullierung auf den nächstmöglichen Flug umgebucht zu werden; dieser wäre bereits um 06:40 Uhr des Folgetages mit Ankunftszeit 08:05 Uhr in Basel gewesen; diesen Flug habe die Beklagte aber nicht angeboten.
unter Abänderung des Schluss-Urteils des AGs Königs Wusterhausen vom 10. Juni 2010 – 4 C 38/10 – die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 230,00 € nebst 5 %Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2009 zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
12. Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens die AGliche Entscheidung.
13. Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
14. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg.
15. Zu Recht und mit im Ergebnis zutreffender Begründung hat das AG in der angefochtenen Entscheidung die Klage der Klägerin auf Schadenersatz abgewiesen. Auch das weitere Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Ergänzend wird noch auf folgendes hingewiesen:
16. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 („Fluggastverordnung“) wird bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen in Höhe von 250 Euro/Person (zu gewähren bei allen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger) gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 7 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 261/2004 eingeräumt. Vorliegend ist unstreitig eine Annullierung des Fluges von Berlin-Schönefeld nach Basel seitens der Beklagten erfolgt. Denn nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Annullierung” die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben. Insoweit ist der Ausgleichsanspruch zwischenzeitlich anerkannt und bereits ausgeurteilt.
17. Der Anspruch aus Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 stellt dagegen seinem Zweck nach einen pauschalierten Schadenersatzanspruch dar. Nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers muss das Luftfahrtunternehmen für die Nichtbeförderung eine Ausgleichszahlung nach dieser Vorschrift leisten und hat weiterhin für Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und 9 der VO (EG) Nr. 261/2004 zusätzlich Sorge zu tragen. Gemäß Art. 12 Abs. 1 der VO (EG) 261/2004 sind Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der VO (EG) 261/2004 auf etwaige weitergehende Schadenersatzansprüche anzurechnen.
18. Ein weitergehender (Schadenersatz-)Anspruch der Klägerin aus Art. 8 Abs 1 lit b) oder c) bzw. Art. 9 der VO (EG) 261/2004 besteht vorliegend nicht.
19. Bei dem Anspruch aus Art. 8 Abs 1 lit b) oder c) der VO (EG) 261/2004 handelt es sich nicht um einen Schadenersatzanspruch sondern um eine verschuldensunabhängige Unterstützungsleistung (im Sinne des Fortbestehens der ursprünglichen Leistungsverpflichtung); er beschränkt sich auf eine „anderweitige Beförderung“ durch das betroffene Luftfahrtunternehmen „vorbehaltlich verfügbarer Plätze“, nicht aber durch ein anderes Luftfahrtunternehmen, geschweige denn eine „sonstige Beförderungsart“ (z.B. Mietwagen oder Bahnfahrt) bzw. die Unterbringung in einem Hotelzimmer. Beides, eine Weiterbeförderung am nächsten Tag mit Flug um 10:55 Uhr – der erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragene frühestmögliche Flug um 06:40 Uhr des Folgetages mit Ankunftszeit 08:05 Uhr in Basel war bereits ausgebucht – und eine Hotelübernachtung, kam für die Klägerin aber aus Termingründen nicht in Betracht. Insofern kommt es, wie das AG zutreffend ausgeführt hat, nicht darauf an, ob die Beklagte der Klägerin derartige Leistungen überhaupt angeboten hat.
20. Entgegen der Berufungsbegründung hat das AG in seiner Begründung der Klageabweisung auch nicht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Klägerin kein Schaden aus der Verletzung des Art. 9 der Fluggastverordnung entstanden sei und hierzu im Vorfeld Hinweise unterlassen. Einen Ersatzanspruch gemäß Art. 9 der VO (EG) 261/2004 (Anspruch auf Betreuungsleistungen) hat die Klägerin zudem nur ganz pauschal vorgetragen und diesen auch in der Berufungsinstanz nicht näher untersetzt; erstinstanzlich hatte die Klägerin ihre Ansprüche auch nicht ausdrücklich auf Art. 8 oder 9 der VO gestützt. Erstmals im Termin vom 17. Mai 2010 hat sie vorgetragen, die Beklagte habe ihr Leistungen nach „Art. 5 ff.“ nicht angeboten, so dass ihr zumindest die Taxikosten sowie die Kosten für einen Bettplatz, insgesamt 89,00 €, zu erstatten seien. Diesen Vortrag hat das AG in seinen Entscheidungsgründen aber zutreffend gewürdigt. Im Übrigen besteht nach Art. 9 der VO, der in erster Linie auf den Fall einer Verspätung ausgerichtet ist, von vornherein nur die Verpflichtung des Luftfahrtunternehmens, die am Abflugort wartenden Fluggäste zu verpflegen.
21. Soweit die Klägerin ihre Ansprüche als Schadenersatzansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4, 633 Abs. 1, 631 BGB wegen entstandener Taxikosten in Höhe von 29,00 €, Kosten der Zugfahrt in Höhe von 141,00 € zuzüglich Zugbettplatz 60,00 €, insgesamt 230,00 €; geltend macht, stehen ihr diese Forderungen neben der gewährten Ausgleichszahlung nicht zu.
22. Die Klägerin hat unberücksichtigt gelassen, dass ihr die Beförderung von Berlin nach Basel nicht völlig kostenlos zustand. Der geltend gemachte Betrag stellt vielmehr ganz überwiegend Sowieso-Kosten der Klägerin dar. Der Flug war für den 03. Juli 2009 gebucht; ihren Termin hatte die Klägerin am 04. Juli 2009, 09:00 Uhr. Mithin hatte sie eine Übernachtung in Basel einkalkuliert. Mindestens diese Hotelübernachtung in Basel, den Flugpreis sowie den Transfer vom Flughafen Basel zum Hotel hätte sie auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Luftbeförderungsvertrages ohnehin entrichten müssen.
23. Für den Flug Berlin-Basel-Berlin hat die Klägerin 205,48 € gezahlt. Wie sie von Basel nach Berlin zurückgekehrt ist, ist nicht dargelegt. Geht man von der Hälfte des vorstehenden Preises aus, ergibt sich ein Betrag von 102,74 € zuzüglich (geschätzter) 5,00 € Kosten einer Bahnfahrt vom Flughafen zum Hotel sowie im Mittelwert 85,00 € Hotelzimmerkosten incl Einzelzimmerzuschlag und Frühstück. Dies ergäbe einen Betrag von 192,74 €, den die Klägerin sowie hätte aufbringen müssen. Storno-Kosten für das Hotel in Basel oder gar eine private Unterkunft hat die Klägerin nicht behauptet. Die reinen Flugkosten des annullierten Hinfluges (halber Gesamtticketpreis = 102,74 €) sind zwar von der Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 7 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 261/2004 nicht erfasst und von der Beklagten ohnehin gemäß Art. 8 Abs. 1 lit a) der VO zurück zu erstatten. Ob dies bereits tatsächlich geschehen ist, ist nicht dargelegt. Dies kann aber dahinstehen, da die hälftige Flugkostenrückerstattung vorliegend nicht im Streit steht.
24. Insofern ist der Klägerin einzuräumen, dass je nach Reisepräferenzen Flug und Hotelübernachtung möglicherweise komfortabler gewesen wären, als eine Fahrt im Nachtabteil eines Zuges. Ein materieller Schaden der Klägerin ist daraus aber weder ableitbar noch erkennbar. Denn der unter Berücksichtigung der Sowiesokosten tatsächlich nur bestehende materielle Schaden von rechnerisch 37,26 € war, wie das AG zutreffend ausgeführt hat, gemäß Art. 7, 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 auf die geleistete Ausgleichszahlung anzurechnen.
25. Die Berufung war deshalb im Ergebnis mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
26. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Schutzanordnungen haben nach §§ 711, 713 ZPO zu unterbleiben.
27. Die Revision wird nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung nach § 133 GVG fehlt.
28. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 230,00 € festgesetzt.
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