Verspätung wegen defekter Benzinpumpe

AG Frankfurt: Verspätung wegen defekter Benzinpumpe

Im vorliegenden Fall buchte der Kläger bei der Beklagten einen Flug, welcher mehr als 5 Stunden Verspätung hatte. Die Beklagte, als ausführendes Luftfahrtunternehmen begründete diese Verspätung mit einem technischen Defekt. Der Kläger verlangt nun von ihr eine Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung bzw. wegen Flugannullierung.

Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger einen solchen Anspruch zugesprochen, da ein technischer Defekt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der VO ist und eine Inanspruchnahme der Beklagten somit nicht ausschließt.

AG Frankfurt 29 C 1352/10 (46) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 07.10.2010
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 07.10.2010, Az: 29 C 1352/10 (46)
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 07. Okober 2010

Aktenzeichen 29 C 1352/10 (46)

Leitsätze:

2. Die Fluggäste verspäteter Flüge sind im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden.

Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsleistung wegen Annullierung eines Fluges befreien können.

Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat.

Zusammenfassung:

3. Vorliegend buchte der Kläger bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt am Main nach Philadelphia (USA), wodurch die Parteien einen Luftbeförderungsvertrag schlossen. Dieser Flug hatte eine Verspätung von insgesamt 5 Stunden aufgrund eines technischen Defekts. Der Kläger verlangt nun von der Beklagten eine Ausgleichszahlung wegen Flugannullierung bzw. Flugverspätung nach der Fluggastverordnung.

Das Amtsgericht Frankfurt sprach dem Kläger einen Anspruch auf Ausgleichzahlung nach der Fluggastverordnung zu. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine Flugverspätung oder Flugannullierung vorlag. Wenn der Flug mehr als 3 Stunden Verspätung hatte, steht den Fluggästen ebenso ein Ausgleichsanspruch zu, wie bei einer Flugannullierung. Hier erlitten die Fluggäste einen Zeitverlust von 5 Stunden durch den verspäteten Flug.

Mithin begründet der hier vorliegende technische Defekt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der VO, die das Luftfahrtunternehmen von einer Inanspruchnahme befreien könnten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.07.2010 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 15% und die Beklagte 85 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht von vier weiteren Flugreisenden Ausgleichsleistungen in Höhe von EUR 600,00 pro Fluggast gemäß § 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/01, ABl. Nr. L 46. S. 1 (fortan: „EG-Verordnung„) sowie weitergehenden Schadensersatz.

6. Der Kläger sowie vier weitere Fluggäste, nämlich die Zeugen Wa…, O…, We… und S…, schlossen mit der Beklagten Luftbeförderungsverträge, wonach die Beklagte als ausführendes Luftbeförderungsunternehmen verpflichtet war, den Kläger sowie die vier Zeugen am 31.05.2008 von Frankfurt am Main nach Philadelphia (USA) zu befördern. Planmäßige Abflugzeit des Fluges von Frankfurt am Main nach Philadelphia, Flugnummer US 703, war – Ortszeit Frankfurt am Main – 12:50 Uhr am 31.05.2008. Planmäßige Ankunftszeit in Philadelphia war – Ortszeit – 15:50 Uhr am 31.05.2008. Wegen der weiteren Einzelheiten des gebuchten Fluges wird verwiesen auf die Ablichtungen der Reisebestätigung (Bl. 6 dA).

7. Von Philadelphia aus sollten der Kläger sowie die vier weiteren Fluggäste weiterbefördert werden nach Fort Lauderdale, und zwar mit Flugnummer US 731, geplanter Abflug (Ortszeit) in Philadelphia am 31.5.2008 um 18:50 Uhr, geplante Ankunft in Ford Lauderdale am 31.05.2008 um Ortszeit 21:39 Uhr.

8. Der gebuchte Flug von Frankfurt am Main nach Philadelphia (USA) wurde nicht wie geplant durchgeführt. Am Abflugtag wurden die Reisenden bereits in Frankfurt am Main auf einen anderweitigen Weiterflug von Philadelphia nach Fort Lauderdale am 01.06.2010 umgebucht, da sich bereits beim Check-In abzeichnete, dass der gebuchte Anschlussflug wegen einer voraussichtlichen Abflugverspätung von 3 Stunden nicht erreicht werden konnte. Tatsächlich verließ der Flug US 731 Frankfurt am Main mit einer erheblichen Abflugverzögerung. Das Boarding begann erst um 18:50 Uhr Ortszeit in Frankfurt am Main. Das (Zwischen-) Ziel in Philadelphia wurde erst gegen 21:00 Uhr Ortszeit und somit mit einer Ankunftsverzögerung von über 5 Stunden erreicht.

9. Die Flugreisenden besorgten sich in Philadelphia für die Nacht vom 31.05.2008 auf den 01.06.2008 selbst eine Unterkunft im Hotel, wofür sie entsprechend der Rechnungen des Hotels Philadelphia Airport Gateway Hotel vom 01.06.2008 (Bl. 7 ff dA) pro Person USD 96,12 aufwandten. Des weiteren nahmen die Flugreisenden in Philadelphia in einem Restaurant Verpflegungen in der Nacht sowie am Morgen zu sich, wofür Kosten in Höhe von USD 55,52 (Bl. 12 dA) bzw. USD 72,02 (Bl. 12 dA) anfielen. Die für Unterkunft und Verpflegung in Philadelphia angefallenen Kosten beziffert der Kläger auf insgesamt umgerechnet in EUR 436,51.

10. Ein bereits vor Reiseantritt für den Zeitraum vom 31.05.2008 bis 11.06.2008 zum Preis von insgesamt EUR 466,38 angemieteter Leihwagen konnte erst am 01.06.2008 in Fort Lauderdale in Anspruch genommen werden.

11. Außergerichtliche Vergleichsversuche, die unter anderem eine Entschädigung in Form von Fluggutscheinen beinhalteten, scheiterten, da die Flugreisenden Barzahlung begehrten.

12. Die mitreisenden Zeugen … traten ihre Ansprüche gegen die Beklagten an den Kläger ab entsprechend der schriftlich dokumentierten Abtretungen vom 26.01.2010/29.01.2010 (Bl. 13 und Bl. 14 dA) bzw. vom 18.01.2010/29.01.2010 (Bl. 14 und Bl. 15 dA).

13. Der Kläger bestreitet, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen technischen Defekt um einen Defekt der Benzinpumpe gehandelt habe.

14. Der Kläger behauptet,

15. ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EG-Verordnung habe nicht vorgelegen, da er nicht auf unbeherrschbaren Einflüssen von außen, wie beispielsweise Vogelschlag, Hagel oder Blitzschlag, beruhe.

16. Der Kläger ist der Ansicht,

17. bei dem streitgegenständlichen technischen Defekt handele es sich nicht um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-Verordnung, sondern um ein Vorkommnis, das aufgrund seiner Natur oder Ursache Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und von ihm somit beherrschbar gewesen wäre. Mängel der sog. „Lufttüchtigkeit“ des betroffenen Flugzeuges würden nicht entlasten.

18. Eine Anrechnung von Schadensersatzansprüchen aufgrund unterlassener Betreuungsleistungen gem. Art. 9 der EG-Verordnung auf die pauschale Ausgleichszahlung gem. Artt. 5, 7 der EG-Verordnung erfolge nicht.

19. Der Kläger beantragt,

20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 3464,39 nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

21. Die Beklagte beantragt,

22. die Klage abzuweisen.

23. Die Beklagte behauptet,

24. die streitgegenständliche Verspätung habe auf einem technischen Defekt des Flugzeuges beruht entsprechend der im Termin am 23.09.2010 übergebenen Dokumente.

25. Die streitgegenständliche Maschine habe alle notwendigen und periodischen Überprüfungen durchlaufen, so dass der technische Defekt nicht auf mangelhafte Wartung, Nachlässigkeit oder ähnliches Fehlverhalten zurückzuführen sei.

26. Der technische Fehler sei für die Beklage weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen.

27. Da die Beklagte kein europäisches Unternehmen sei, sei es ihr auch weder möglich noch zumutbar, für derartige Konstellationen Ausweichfluggeräte vorzuhalten.

28. Die Beklagte ist der Ansicht,

29. hinsichtlich der Verspätung sei die Beklagte gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung exkulpiert, da die Annullierung bzw. Verspätung auf einen außergewöhnlichen Umstand, einem technischen Defekt, zurückgehe, der sich nicht vermeiden lasse. Da die notwendigen und periodischen Überprüfungen des Flugzeuges durchgeführt worden seien, sei die Beklagte nicht zur Leistung von Ausgleichsansprüchen nach der EG-Verordnung verpflichtet.

30. Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze, insbesondere des Klägers vom 07.06.2010 (Bl. 1 dA), 18.08.2010 (Bl. 36 dA) und 02.09.2010 (Bl. 45 dA) sowie der Beklagten vom 28.07.2010 (Bl. 29 dA), einschließlich der jeweiligen Anlagen.

31. Im übrigen wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2010 samt Anlage.

32. Die Klage ist der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 24 dA) am 15.07.2010 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe:

33. Die Klage ist zulässig und überwiegend, und zwar in dem tenorierten Umfang, auch begründet.

34. Die Kläger hat aus eigenem und abgetretenem Recht der vier Mitreisenden gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen in Höhe von EUR 600,00 pro Person aus Artt. 5 Abs. 1 c), 7 Abs. 1 c) der EG-Verordnung in Verbindung mit dem zugrunde liegenden Luftbeförderungsvertrag, insgesamt also in Höhe von EUR 3000,00 (5 x EUR 600,00).

35. Der Kläger ist als persönlich betroffener Fluggast anspruchsberechtigt. Hinsichtlich der Mitreisenden … ergibt sich die Anspruchsberechtigung des Klägers aus den schriftlich dokumentierten Abtretungen vom 26.01.2010/29.01.2010 (Bl. 13 und Bl. 14 dA) bzw. vom 18.01.2010/29.01.2010 (Bl. 14 und Bl. 15 dA). Die Anspruchsberechtigung des Klägers ist zwischen den Parteien im übrigen auch unstreitig. Die Beklagte ist als ausführendes Luftfahrtunternehmen passiv legitimiert.

36. Dem Kläger steht der geltend gemachte Ausgleichsanspruch in Höhe von insgesamt EUR 600,00 pro Person/Fluggast zu, denn der gebuchte Flug US 703 am 31.05.2008 wurde nicht planmäßig durchgeführt. Vielmehr verließ der Flug Frankfurt am Main mit einer Abflugverzögerung von (mindestens) 5 Stunden und erreichte das Ziel Philadelphia mit einer Ankunftsverzögerung von 5 Stunden. Bei dieser (im wesentlichen unstreitigen) Sachlage steht dem Kläger ein Anspruch auf Entschädigung nach der EG-Verordnung zu.

37. Bei der Abgrenzung zwischen einer Verspätung und einer Annullierung ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Dabei sind bestimmte Indizien heranzuziehen, wie zum Beispiel die Beförderung mit einer anderen Fluggesellschaft, die Beförderung auf einem anderen Flugzeug, die Vergabe einer neuen Flugnummer, die Wiederaushändigung des Gepäcks, ein erneutes Einchecken, das heißt das erneute Zuteilen von Sitzplätzen und/oder einer neuen Bordkarte.

38. Gemessen an diesen Kriterien stellt sich aus der Perspektive des Klägers die verfahrensgegenständliche Abweichung von der Buchung wohl noch nicht als Annullierung des gebuchten Fluges, wohl aber als erhebliche Verzögerung dar, die Ansprüche nach der EG-Verordnung begründet. Der Flug ist von der Beklagten mit der ursprünglich vorgesehenen Maschine unter der ursprünglich gebuchten Flugnummer an demselben Kalendertag ausgeführt worden, ohne dass neue Boardkarten ausgehändigt werden mussten und/oder das Gepäck ausgehändigt worden ist. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der gebuchte Flug faktisch durchgeführt wurde.

39. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Verspätung immer dann in eine Nichtbeförderung umschlägt, wenn die bestimmte oder vertraglich vereinbarte Abflugzeit unangemessen überschritten wird. Wann das der Fall ist, ist im Einzelfall zu bestimmen. Einen Anhaltspunkt gibt insoweit die Regelung des Art. 6 I lit. c iii i.V. mit Art. 8 I der VO: Nach fünf Stunden hat der Fluggast das Recht, vom Luftbeförderungsvertrag zurückzutreten und eine vollständige Erstattung des Flugpreises zu verlangen. Eine fünf Stunden später oder gar am folgenden Tag erfolgte Beförderung kann also nicht mehr als verspätete Beförderung des vereinbarten Flugs angesehen werden, sondern als Nichtbeförderung, was vorliegend – unter Umständen – doch zu der Annahme einer Annullierung fuhren könnte.

40. Im Ergebnis kommt es mit Blick auf die Erheblichkeit der Abweichung von der bestätigten Buchung von unstreitig 5 Stunden auf diese Abgrenzung vorliegend aber nicht mehr entscheidungserheblich an, da die EG-Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass dem Fluggast auch bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EG-Verordnung wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 zusteht, sofern der Fluggast sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die große Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (im Anschluss an EuGH, 19. November 2009, C-402/07, RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43 – Sturgeon/Condor).

41. Der BGH hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zwei Fragen zur Auslegung der Verordnung betreffend Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung bzw. der Annullierung oder großen Verspätung von Flügen vorgelegt. Der Gerichtshof hat das Verfahren mit einem anderen Verfahren verbunden und mit Urteil vom 19. November 2009 (C-402/07 und C-432/07, RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43) wie folgt entschieden:

42. Art. 2 Buchst. 1 sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der – auch erheblichen – Dauer der Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.

43. Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

44. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung oder Verspätung eines Fluges führt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

45. Im Lichte dieser Vorlageentscheidung kommt es darauf, ob der verfahrensgegenständliche Flug verspätet durchgeführt wurde oder ob der von dem Kläger gebuchte Flug annulliert wurde, nicht entscheidungserheblich an, da den Klägern auch bei Annahme einer (erheblichen bzw. großen) Verspätung wegen des wesentlich, um ungefähr 5 Stunden verspäteten Abfluges ein Anspruch auf die in Art. 7 der EG-Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung zusteht.

46. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Verordnung für die Annahme einer von der Verordnung erfassten (großen) Verspätung lagen vor. Der Kläger und die vier Mitreisenden kamen – unstreitig – mit 5-stündiger Verspätung in Philadelphia an.

47. In einem solchen Fall steht dem Kläger der in Art. 7 der EG-Verordnung vorgesehene Ausgleichsanspruch zu, denn im vorliegenden Streitfall liegen die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 19. November 2009 (C-402/07 und C-432/07, RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43) aufgestellten Anforderungen für einen Ausgleichsanspruch wegen einer wie eine Annullierung zu behandelnden großen Verspätung vor (im Anschluss daran: BGH, 10a. Zivilsenat, Urteil vom 18.02.2010, Aktenzeichen Xa ZR 95/06, veröffentlicht bei JURIS).

48. Der Ausgleichsanspruch ist vorliegend auch nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ausgeschlossen. Die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Vorschrift zurück.

49. Gemäß Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung entfällt die Ausgleichszahlung in Fällen, in denen das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung trotz zumutbarer Maßnahmen auf außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände zurückzuführen ist. Soweit hier ein technischer Defekt zu der Annullierung des gebuchten Fluges führte, kann dies die Beklagte nicht entlasten, da es sich dabei nicht um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-Verordnung handelt, ohne dass es näherer Feststellungen dazu bedarf, ob der von der Beklagten behauptete Defekt der Benzinpumpe tatsächlich vorlag. Selbst wenn man unterstellt, dass der von der Beklagten behauptete Defekt der Benzinpumpe vorlag, ist dies kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EG-Verordnung.

50. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung eng auszulegen. Unerwartete Flugsicherheitsmängel, wie sie nach dem Beklagtenvorbringen unter Berücksichtigung des behaupteten Defekts der Benzinpumpe im Streitfall vorgelegen haben könnten und in Erwägungsgrund 14 der Verordnung erwähnt werden, können nur dann als außergewöhnlich i.S. von Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und auf Grund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH, NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 347 = RRa 2009, 35 Rdnr. 23 – Wallentin-Hermann/Alitalia). Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens.

51. Der EuGH rechnet zur normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sowohl die Behebung eines technischen Problems, das auf die fehlerhafte Wartung einer Maschine zurückzuführen ist (NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 347 = RRa 2009, 35 Rdnr. 24a. E.), als auch das Auftreten technischer Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen (NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 347 = RRa 2009, 35 Rdnr. 25). Die Einhaltung der Wartungsintervalle ändert mithin nichts daran, dass ein technischer Defekt zu denjenigen Ereignissen gehört, die beim Betrieb eines Luftfahrtunternehmens typischerweise auftreten können und deshalb Teil des betrieblichen Alltags sind.

52. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 347 = RRa 2009, 35 Rdnr. 26). Um ein solches technisches Problem handelt es sich vorliegend aber nicht, jedenfalls hat die Beklagte, der insoweit die Darlegungslast obliegt, dazu nichts vorgetragen. Der Defekt einer Benzinpumpe ist eine Panne, wie sie für den allgemeinen Flugbetrieb üblich ist.

53. Der EuGH (4. Kammer), hat mit Urteil vom 22.12.2008 – C-549/07 (Wallentin-Herman/Alitalia-Linee Aeree Italiana SpA), die ihm vorgelegten Fragen dazu, wann bei einer Flugannullierung ein technischer Defekt als „außergewöhnlicher Umstand“ angesehen werden kann, wie folgt beantwortet (hier zitiert nach Beck-Online):

54. „Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste und die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 Absatz III der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Flugs führt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Das Übereinkommen von Montreal ist für die Auslegung der Befreiungsgründe nach Art. EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 Absatz III der Verordnung Nr. 261/2004 nicht ausschlaggebend. (…)

55. Angesichts dessen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Häufigkeit der bei einem Luftfahrtunternehmen festgestellten technischen Probleme als solche kein Umstand ist, anhand dessen sich auf das Vorliegen oder Fehlen „außergewöhnlicher Umstände“ i.S. von Art. EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 Absatz III der Verordnung Nr. 261/2004 schließen ließe. (…)

56. Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ i.S. von Art. EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 Absatz III der Verordnung Nr. 261/2004 ergriffen hat, und somit für seine Befreiung von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung gem. Art. EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 5 Absatz I lit. c und Art. EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 7 EWG § VO § 261 § 2004 Artikel 7 Absatz I dieser Verordnung ausreicht.“

57. Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsleistung wegen Annullierung eines Fluges befreien können (BGH, Urt. v. 12.11.2009 – X ZR 76/07, RIW 2010, 63). Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat.

58. Der BGH fuhrt dazu aus was folgt:

59. „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung eng auszulegen. Unerwartete Flugsicherheitsmängel, wie sie im Streitfall vorgelegen haben und in Erwägungsgrund 14 der Verordnung erwähnt werden, können nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH, Urt. v. 22.12,2008 – C-549/07, RRa 2009, 35 = NJW 2009, 347 – Wallentin-Hermann/Alitalia Tz. 23). Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens.

60. Der Gerichtshof rechnet zur normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sowohl die Behebung eines technischen Problems, das auf die fehlerhafte Wartung einer Maschine zurückzuführen ist (aaO Tz. 24 a.E), als auch das Auftreten technischer Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen (Tz. 25). Die Einhaltung der Wartungsintervalle ändert mithin nichts daran, dass ein technischer Defekt zu denjenigen Ereignissen gehört, die beim Betrieb eines Luftfahrtunternehmens typischerweise auftreten können und deshalb Teil des betrieblichen Alltags sind. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (Tz. 26). Die Häufigkeit der bei einem Luftfahrtunternehmen festgestellten technischen Probleme ist hingegen als solche kein Umstand, anhand dessen sich auf das Vorliegen oder Fehlen außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung schließen ließe (Tz. 37).

61. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der technische Defekt, der im Streitfall zur Annullierung des Fluges geführt hat, auf einem außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruht. Damit greift der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung hier nicht, unabhängig davon, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung zu vermeiden.“

62. Das Gericht sieht keine Veranlassung, von dieser sowohl in der Herleitung als auch im Ergebnis überzeugenden Rechtsprechung des BGH abzuweichen.

63. Selbst wenn es sich bei dem streitgegenständlichen Defekt um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-Verordnung gehandelt haben sollte, reicht dies allerdings für eine Entlastung des Luftbeförderungsunternehmens nicht aus, da auch wenn ein solcher außergewöhnlicher Umstand vorgelegen hat, das Luftfahrtunternehmen substantiiert darlegen und nachweisen muss, dass der außergewöhnliche Umstand für den annullierten Flug überhaupt relevant geworden ist. Insofern bedarf es insbesondere auch einer Darlegung, dass die Annullierung nicht beispielsweise durch die Vorhaltung einer Ersatzmaschine, durch Anmietung einer Chartermaschine und/oder durch Kooperationsabkommen mit Konkurrenten, die dieselbe Strecke bedienen, hätte abgewendet werden können.

64. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte jedoch nicht zu.

65. Entsprechend des gerichtlichen Hinweises vom 20.08.2010 (Bl. 39 dA) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständlichen Ausgleichszahlungen ihrer Natur nach als Schadensersatz angesehen werden können. Der Anspruch aus Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 stellt seinem Zweck nach einen pauschalierten Schadensersatzanspruch dar (LG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.10.2006 – 3-2 O 51/06).

66. Dementsprechend ist eine kumulierte Geltendmachung der pauschalierten Ansprüche neben den belegten Unterkunfts- und Verpflegungskosten nicht möglich im Hinblick darauf, dass die belegten Schadenspositionen die geltend gemachte und zugesprochene Pauschale bei weitem nicht ausschöpfen.

67. Daran ändert auch die von der Klägerseite angeführte Rechtsprechung nichts, wonach Unterstützungsleistungen gem. Art. 9 der EG-Verordnung nicht als Schadenersatzleistungen zu werten sind und neben der Ausgleichszahlung aus Art. 7 der EG-Verordnung bestehen können, weil es sich bei den hier verfahrensgegenständlichen Positionen Unterkunftskosten in Philadelphia für die Nacht vom 31.05.2010 auf den 01.06.2010 und Verpflegungskosten in Philadelphia nicht um Unterstützungsleistungen im Sinne von Art. 9 der EG-Verordnung handelte, sondern um einen aufgrund der erheblichen Verzögerung entstandenen Schaden des Klägers sowie der Mitreisenden.

68. Art. 9 der EG-Verordnung lautet wie folgt:

69. „Artikel 9 Anspruch auf Betreuungsleistungen

70. Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:

71. Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,

72. Hotelunterbringung, falls

73. ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder

74. ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist,

75. Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).

76. Außerdem wird den Fluggästen angeboten, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telexe oder Telefaxe oder E-Mails zu versenden.

77. Bei der Anwendung dieses Artikels hat das ausführende Luftfahrtunternehmen besonders auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen sowie auf die Bedürfnisse von Kindern ohne Begleitung zu achten.“

78. Betreuungsleistungen in diesem Sinne sind diejenigen Leistungen, darunter Essen, Getränke, Hotelunterbringung, Transport zum Hotel und Telefongespräche, die von der Fluggesellschaft am Abflugort zu erbringen sind in der Wartezeit bis zu einer Ersatzbeförderung (für den Fall einer Annullierung) bzw. bis zum verspäteten Abflug. Art. 9 der EG-Verordnung dienst dem Schutz der der Gesundheit und des Wohlbefindens der Fluggäste des Luftbeförderungsunternehmens und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Fluggäste bei einem Flug, der sukzessive verschoben wird, nicht vom Gatebereich fortbewegen können, ohne zu riskieren, den Flug zu verpassen.

79. Der von Art. 9 der EG-Verordnung verfolgte Schutzzweck ist im übrigen ein anderer als ihn Art. 7 EG-Verordnung und weitergehende Schadensersatzvorschriften voraussetzen. Die von Art. 9 EG-Verordnung gewährten Leistungen – wie z. B. auch Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit – dienen in erster Linie der schnellen und unmittelbaren Abhilfe vor Ort. Sie schaffen damit zwar auch einen allgemeinen Nachteilsausgleich für den Fluggast, wenn er von einer nicht vertragsgemäßen Leistung des Luftfahrtunternehmens betroffen ist. Diese müsste er ansonsten auch als Schadensposition geltend machen (Führich, MDR 7/2007 Sonderbeilage, 1, 9; Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1900). Art. 7 der EG-Verordnung verfolgt jedoch demgegenüber einen weitergehenden Zweck. Der Norm kommt eine besondere Genugtuungsfunktion als Ausgleich für „Ärgernis“ und „große „Unannehmlichkeiten“ zu (vgl. Führich, MDR 7/2007 Sonderbeilage, 1, 8). Dabei erspart die Norm dem Fluggast, in einer schwierigen Situation beispielsweise Belege zu sammeln und erleichtert so die Geltendmachung seiner Rechte, sofern nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen einen Ausschlussgrund nachweisen kann, vgl. Art. 5 Abs. 4 der EG-Verordnung. Die Geltendmachung der Ausgleichszahlung ist oftmals günstiger, da insoweit kein konkreter Schaden nachgewiesen werden muss (Führich, MDR 7/2007 Sonderbeilage, 1,11).

80. Dem Kläger ist vor diesem Hintergrund darin zuzustimmen, dass die Betreuungsleistungen nach Art. 9 EG-Verordnung nicht als Schadensersatz zu qualifizieren sind, die auf den Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 EG-Verordnung anzurechnen wäre. Die hier streitgegenständlichen, in Philadelphia angefallenen Kosten für Übernachtung und Verpflegung stellen aber keine Betreuungsleistungen im Sinne von Art. 9 EG-Verordnung dar.

81. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Positionen allein deshalb angefallen sind, weil die vertraglich geschuldete Weiterbeförderung von Philadelphia nach Fort Lauderdale am 31.05.2008 nicht stattfand, denn dabei handelt es sich nicht um eine Nichtbeförderung im Sinne der EG-Verordnung, die mit einem Anspruch auf Betreuungsleistungen verbunden wäre. Ein verspäteter Zubringerflug als Ursache für verpassten Anschlussflug ist keine nach EU-Recht ausgleichspflichtige „Nichtbeförderung“ (BGH, Urteil vom 28. 5. 2009, Az.: Xa ZR 113/08). Eine Nichtbeförderung im Sinne der EG-Verordnung liegt nur vor bei kumulativem Vorhandensein von insgesamt drei Voraussetzungen: Der Fluggast muss erstens entweder über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen oder von einem anderen Flug, für den er eine solche Buchung besaß, auf den betreffenden Flug umgebucht worden sein. Zweitens muss der Fluggast sich, wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme verweigert worden sei, zur angegebenen Zeit zur Abfertigung („Check-in“) eingefunden haben. Drittens muss dem am Flugsteig anwesenden Fluggast der Einstieg („Boarding“) gegen seinen Willen verweigert worden sein. Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des BGH nicht erfüllt, wenn der Fluggast wegen der Verspätung des Zubringerflugs nicht rechtzeitig zur Abfertigung (und infolgedessen auch nicht am Flugsteig) erscheinen kann und den Anschlussflug verpasst.

82. Soweit die geltend gemachten Positionen Übernachtungs- und Verpflegungskosten als Schadenersatzansprüche des Fluggasts wegen verspäteter Leistung wegen Verzugs geltend gemacht werden können und die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen (Verschulden der Verspätung durch das das Luftverkehrsunternehmen, Entstehen eines kausalen Schadens), hat vorliegend allerdings unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine Anrechnung auf die Schadenspauschale gem. Artt. 5, 7 der EG-Verordnung zu erfolgen, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die normativ vorgegebenen Pauschalbeträge von EUR 600,00 pro Fluggast die für die Beförderung geschuldete Vergütung in Höhe von EUR 421,64 pro Fluggast deutlich übersteigt.

83. Soweit der Kläger und seine Mitreisenden vergebliche Aufwendungen für den Mietwagen in Höhe von EUR 38,86 für einen Tag gemacht haben, steht dem Kläger wegen der auch insoweit vorzunehmenden Anrechnung auf die Pauschalbeträge kein weitergehender Anspruch zu, so dass es keiner näheren Aufklärung bedarf, ob die vergeblichen Aufwendungen für den Mietwagen überhaupt mit der Klage geltend gemacht werden sollen.

84. Mit Blick darauf, dass insgesamt EUR 464,39 als Schadensersatz geltend gemacht werden, sich die Unterkunfts- und Verpflegungskosten aber nur auf umgerechnet EUR 436,51 belaufen, ist davon auszugehen, dass die bezifferten vergeblichen Aufwendungen für den Mietwagen ebenfalls begehrt werden.

85. Bei dieser Sachlage war der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, ohne dass dem Schriftsatznachlass zu dem Beklagtenvorbringen gewählt werden musste, da es Vorbringen nicht in entscheidungserheblicher Weise angekommen ist.

86. Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 288,291 BGB.

87. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Kosten waren entsprechend des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu teilen.

88. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,711, 709 ZPO.

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