Keine Berechtigung der Airline ihren Flug durch andere Airline durchzuführen
LG Köln: Keine Berechtigung der Airline ihren Flug durch andere Airline durchzuführen
Eine Reisende buchte bei einer Fluggesellschaft einen Flug. Aufgrund verschiedener Umstände konnte die Airline den Flug jedoch nicht durchführen und beauftragte eine andere Airline mit der Durchführung des Fluges.
Die Reisende hatte sich jedoch bewusst für diese Fluggesellschaft entschieden und verlangte nun Schadensersatz dafür, dass der Flug von einer anderen Airline durchgeführt wurde.
Das Landgericht (kurz: LG) Köln schlug beiden Parteien einen Vergleich vor.
LG Köln | 3 C 579/12 (Aktenzeichen) |
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LG Köln: | LG Köln, Urt. vom 15.03.2016 |
Rechtsweg: | LG Köln, Urt. v. 15.03.2016, Az: 9 S 59/16 |
AG Köln, Az: 138 C 375/15 | |
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Leitsätze:
2. Eine Airline ist im Normalfall nicht dazu berechtigt ihren Flug durch eine andere Airline durchführen zu lassen.
Eine Airline kann, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, einen Flug durch eine andere Airline durchführen lassen, wenn sie die Umstände, die dazu führen können, dem Kunden gegenüber festgelegt hat.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin buchte bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug. Am Tag des Abflugs befanden sich jedoch 2 Flugzeuge der Beklagten zur Instandhaltung in der Werft und 3 weitere fielen durch Blitzeinschläge aus. Daher konnte die Beklagte den Flug nicht durchführen und beauftragte eine andere Airline mit der Durchführung des Fluges.
In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält sich die Beklagte vor unter außergewöhnlichen Umständen Flüge durch andere Fluggesellschaften durchführen zu lassen.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten ihren Reisepreis zurück, da sie nicht wie vereinbart von der Beklagten befördert wurde, sondern von einer anderen Fluggesellschaft. Die Airline lehnte die Zahlung ab und wurde daher von der Klägerin verklagt.
Das LG Köln aüßerte bezüglich der Wirksamkeit der Klausel in der AGB, die der Beklagten das Recht einräumt Flüge von einer anderen Fluggesellschaft übernehmen zu lassen, Bedenken. Nach § 308 Nr. 4 BGB könnte die Klausel unwirksam sein, da man beurteilen müsste, ob eine Änderung der Leistung durch die Beklagte für die Klägerin zumutbar war. Das LG Köln vertrat die Auffassung, der Klägerin stünde die Rückzahlung des Ticketpreises in Höhe von 323,98 € abzüglich der bereits zurückgezahlten 28,38 €, zu.
Das LG Köln schlug beiden Parteien einen Vergleich in Höhe von 295,60 € vor.
Tenor:
4. Das Gericht schlägt den Parteien folgenden Vergleich vor:
Die Beklagte zahlt an die Klägerin zum Ausgleich der Klageforderung einen Betrag in Höhe von 295,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2015.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen und des Vergleichs tragen die Klägerin zu 80 % und die Beklagte zu 20 %.
Gründe:
I.
5. Dieser Vorschlag beruht auf folgenden Erwägungen:
6. Nach Auffassung der Kammer dürfte die Beklagte im Streitfall nicht berechtigt gewesen sein, den von der Klägerin gebuchten Flug durch eine andere Fluggesellschaft durchführen zu lassen.
7. Zwar statuiert Art. 9.2.1. der dem Vertrag zugrunde liegenden allgemeinen Beförderungsbedingungen eine entsprechende Berechtigung der Beklagten im Falle „von außergewöhnlichen Umständen“. Es ist indes schon fraglich, ob solche außergewöhnlichen Umstände vorlagen. Der Begriff wird in den allgemeinen Beförderungsbedingungen nicht definiert. Nach dem Sprachgebrauch dürften Umstände dann außergewöhnlich sein, wenn sie nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass sich zwei ihrer Flugzeuge vom Typ Airbus A-319 seit dem 31.03.2015 aufgrund geplanter technischer Instandsetzungen und Wartungen in der Werft befunden hätten und insgesamt drei weitere Flugzeuge ebenfalls vom Typ Airbus A-319 von einem Blitz getroffen worden seien. Der Ausfall von zwei Flugzeugen aufgrund „geplanter“ technischer Instandsetzungen und Wartungen ist indes gerade nicht unvorhersehbar. Auch ein Blitzeinschlag dürfte kein außergewöhnliches Ereignis sein. Die Beklagte selbst trägt vor, dass jedes Verkehrsflugzeug während seines Lebenszyklus „mehrere Male“ von Blitzen getroffen wird (S. 6 der Klageerwiderung = Bl. 47 GA). Die Kammer verkennt nicht, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 24.09.2013 – X ZR 160/12 – (bei juris Rn. 16) ausgeführt hat, dass die Einordnung eines Ereignisses als außergewöhnlich nicht von der Häufigkeit seines Auftretens in der täglichen Praxis des Flugverkehrs abhängt. Allerdings erfolgten diese Ausführungen des Bundesgerichthofs im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO, in der die dort in Bezug genommenen außergewöhnlichen Umstände – anders als in den streitgegenständlichen Beförderungsbedingungen – in den korrespondierenden Erwägungsgründen 14 und 15 näher erläutert werden. Da es vorliegend an einer solchen Erläuterung fehlt, können die diesbezüglichen Erwägungen nach Ansicht der Kammer nicht eins zu eins auf den Streitfall übertragen werden. Vor diesem Hintergrund wäre allenfalls zu überlegen, ob die Kumulation der Blitzeinschläge, die zu einem fast zeitgleichen Ausfall von drei Flugzeugen geführt hat, als außergewöhnlich anzusehen ist.
8. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn die Kammer hat Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel. Nach § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit ist festzuhalten, dass auf das Interesse eines Fluggasts, der sich aus bestimmten Gründen für eine bestimmte Fluggesellschaft entschieden hat, Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1983 – VII ZR 105/81, Rn. 30; OLG Köln, Urteil vom 12.09.2003 – 6 U 29/03, Rn. 24; jeweils zit. nach juris). Zwar weist das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht darauf hin, dass sich die Beklagte anders als in dem der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall das Recht zum Sub-Charter nur vorbehalten hat, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen. Diese außergewöhnlichen Umstände hätten indes nach Auffassung der Kammer – etwa anhand eines Beispielkatalogs oder zumindest durch Verweis auf Erwägungsgrund 14 der FluggastrechteVO – konkretisiert werden müssen. Denn nur durch eine solche Veranschaulichung hat der Fluggast vor Vertragsschluss die Möglichkeit, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wann er mit einer Änderung rechnen muss (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1440; MünchKommBGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 308 Nr. 4 Rn. 8). Da Art. 9.2.1. der allgemeinen Beförderungsbedingungen nicht erkennen lässt, welches konkret die Gründe sind, unter denen der Änderungsvorbehalt eingreift, sondern zu unbestimmt auf „außergewöhnliche Umstände“ abstellt, dürfte die Regelung unwirksam sein.
9. Die Durchführung des Flugs durch eine andere Fluggesellschaft war demnach nicht vertragsgemäß im Sinne des § 323 Abs. 1 BGB, so dass die Klägerin von dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag zurücktreten konnte. Bei einem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich regelmäßig nicht um ein absolutes Fixgeschäft (BGH, Urteil vom 28.05.2009 – Xa ZR 113/08, Rn. 12, zit. nach juris), aber um ein relatives Fixgeschäft (vgl. etwa LG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2013 – 2/24 S 91/12, Rn. 19; AG Frankfurt, Urteil vom 02.08.2012 – 29 C 1297/12 (46), Rn. 44; AG Rüsselsheim, Urteil vom 07.11.2006 – 3 C 988/06 (32) – 3 C 988/06, Rn. 14; jeweils zit. nach juris), so dass eine Nachfristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich war. Daher kann offen bleiben, ob die Klägerin der Beklagten eine solche gesetzt hat.
10. Nach allem dürfte die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung des von ihr gezahlten Reisepreises von 323,98 € abzüglich der bereits gezahlten 28,38 € verlangen können.
11. Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB dürfte ihr demgegenüber nicht zustehen, weil es jedenfalls an einem Verschulden der Beklagten fehlt. Den nahezu zeitgleichen Ausfall von insgesamt fünf Flugzeugen hatte die Beklagte nicht zu vertreten. Nach Auffassung der Kammer war eine Reserve von 2,5 Flugzeugen jedenfalls ausreichend. Man kann – aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten – von den Luftverkehrsunternehmen nicht verlangen, für jede denkbare Störung des Luftverkehrs in einer Weise gerüstet zu sein, die es erlaubt, durch den Einsatz zusätzlicher Flugzeuge und gegebenenfalls auch zusätzlichen Personals dafür zu sorgen, dass die vertraglichen Verpflichtungen in jedem Fall eingehalten werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die FluggastrechteVO die Ansicht vertritt, dass vom Einzelfall losgelöste Vorsorgemaßnahmen – wie etwa die Vorhaltung von Flugzeugen – für den eventuellen Eintritt außergewöhnlicher Umstände grundsätzlich nicht ergriffen werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13, Rn. 24 f., zit. nach juris).
II.
12. Die Parteien werden um Stellungnahme binnen zwei Wochen gebeten, ob Einverständnis mit dem Vergleich besteht und dieser dergestalt protokolliert werden kann.
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