Flugannullierung bei Code-Share-Flug

OLG Frankfurt: Flugannullierung bei Code-Share-Flug

Vorliegend buchte der Kläger für sich und seine Frau einen Flug bei einem Luftfahrtunternehmen, welcher mehrere Teilstrecken beinhaltete. Die Beklagte, hier das Luftfahrtunternehmen bediente sich teilweise anderer Fluglinien für die Ausführung des Fluges. Der Kläger und seine Frau kamen erst 22 Stunden später am geplanten Zielort an, sodass er nun gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch geltend macht.

Das OLG hat im Berufungsverfahren der vorherigen Entscheidung des Amtsgerichts zugestimmt. Die Beklagte muss an den Kläger Ausgleichszahlungen leisten, da sie ausführendes Luftfahrtunternehmen ist.

OLG Frankfurt 16 U 216/06 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 14.02.2007
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 14.02.2007, Az: 16 U 216/06
AG Frankfurt, Urt. v. 12.10.2006, Az: 30 C 1726/06
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Hessen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 14.02.2007

Aktenzeichen 16 U 216/06

Leitsatz:

2. Auch wenn sich ein Luftfahrtunternehmen anderer Fluglinien bedient, ist es „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der VO.

Zusammenfasssung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger bei der Beklagten für sich und seine Frau einen Flug, welcher mehrere Teilstrecken beinhaltete. Die Beklagte, als Luftfahrtunternehmen, bediente sich anderer Fluglinien auf einigen Teilstrecken. Als der Kläger und seine Frau 22 Stunden später am Zielort ankamen, verlangten sie nun Ausgleichszahlungen von der Beklagten nach der VO.

Das Amtsgericht Frankfurt sprach ihm einen solchen zu. Die Beklagte ging in Berufung, aber auch das OLG Frankfurt bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Auch wenn die Beklagte sich anderer Fluglinien bediente, ist sie „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der VO. Es könnte sich allerdings um Code-Share-Flüge handeln, bei denen die streitgegenständliche Strecke von Partnerunternehmen bedient werden soll. Dabei müsste der Passagier dies aber auch erkennen können, damit er bei der Annullierung des Fluges auch weiß, wen er in Anspruch nehmen kann.

Hier war das für die Passagiere jedoch nicht zu erkennen, sodass die Beklagte als ausführenden Luftfahrtunternehmen in Anspruch genommen werden und sich somit nicht der Haftung entziehen kann. Die Berufung der Beklagten wurde folglich abgewiesen.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AGs Frankfurt am Main vom 12. Oktober 2006 (30 C 1726/06 – 75) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe:

5. Die Berufung der Beklagten war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und 3 ZPO aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 15. Januar 2007 zurückzuweisen.

6. Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 2. Februar 2007 rechtfertigt keine andere Entscheidung.

7. Die im Warschauer Abkommen enthaltenen Definitionen über den Luftfrachtführer sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da die hier maßgebende Verordnung (EG) 261/2004 nicht den Begriff des „Luftfrachtführers“ oder „ausführenden Luftfrachtführers“ verwendet, sondern den Begriff des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“, welcher in Art. 2b der Verordnung ausdrücklich definiert ist.

8. Nach dieser Definition liegt ein „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ vor, wenn ein vertragliches Luftfahrtunternehmen einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Dass die Beklagte ein vertragliches Luftfahrtunternehmen ist, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Da bei einer Annullierung des Flugs der vereinbarte Flug gerade nicht durchgeführt wird, kommt es auf die Durchführungsabsicht an. Insoweit wird in der Regel davon ausgegangen, dass das vertragliche Luftfahrtunternehmen den Flug auch selbst ausführt, denn hierzu hat es sich selbst verpflichtet.

9. Ein Fluggast, der mit einem bestimmten Luftfahrtunternehmen einen Vertrag schließt, muss sich in der Regel nicht die Beförderung durch einen anderes Luftfahrtunternehmen gefallen lassen (zur ähnlichen Problematik Schmid in Giemulla/Schmid Warschauer Abkommen Art. 19, Rndz. 45).

10. Beim Code-Share-Flug kann es sein, dass diese Absicht nicht gegeben ist, wenn zum Beispiel die streitgegenständliche Strecke von einem Partnerunternehmen bedient werden soll. In diesem Fall muss aber dem Passagier klar sein, dass er einen Code-Share-Flug gebucht hat und beabsichtigt ist, eine bestimmte Strecke durch einen anderen Carrier bedienen zu lassen. Falls ihm dies nicht klar ist, weiß er bei Annullierung des Fluges auch nicht, wen er in Anspruch nehmen soll. Der vertragliche Luftfahrtunternehmer kann deshalb im Prozess sich der Haftung nicht dadurch entziehen, dass er den Einwand erhebt, er habe eigentlich gar nicht die Absicht gehabt, den Transport selbst durchzuführen.

11. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 15. Januar 2007 dargelegt, konnten der Kläger und seine Ehefrau nicht erkennen, dass es sich um einen Code-Share-Flug handelte und dass der Rückflug von O1 nach O2 am 10. September 2005 durch B abgewickelt werden sollte.

12. Letzteres hat der Kläger auch bestritten und die Beklagte hat keinen Beweis dafür angetreten, dass es sich bei dem Flug vom 10. September 2005 von O1 nach O2 um einen Code-Share-Flug gehandelt hat, diese Strecke an diesem Tag von B bedient werden sollte und der Kläger und seine Frau bei der Buchung die fehlende Absicht, den Flug selbst durchzuführen, erkennen konnten.

13. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger sehr wohl bestritten, dass der Flug vom 10. September 2005 am 11. September 2005 nachgeholt wurde. Einen Beweis dafür, dass am 11. September 2005 zwei Flüge mit der Flugnummer … stattgefunden haben, hat die Beklagte nicht angeboten.

14. Auf die Frage, ob eine Verspätung von etwa 22 Stunden eine Annullierung des Fluges darstellt, kommt es somit nicht an.

15. Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt Art. 5 Abs. 1c i. V. m. Art. 7 VO (EG) Nr. 261 /2004 nicht gegen Art. 29 MÜ, da das weder die Annullierung eines Fluges noch die Nichtbeförderung regelt.

16. Damit bestehen keine Überschneidungen (Staudinger/Schmidt-Bendun Versicherungsrecht 2004,972). Annullierungen und Nichtbeförderungen stellen keine Fälle der Verspätung dar (BGH NJW 1979,495; Staudinger/Schmidt-Bendun a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

18. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 522 Abs. 3 ZPO).

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: OLG Frankfurt: Flugannullierung bei Code-Share-Flug

Verwandte Entscheidungen

BGH, Urt. v. 26.11.2009, Az: Xa ZR 132/08
AG Frankfurt, Urt. v. 15.06.2007, Az: 31 C 739/07

Berichte und Besprechungen

Spiegel: Gebuchte Fluggesellschaft muss bei Verspätung zahlen
Finanztip: So viel Entschädigung können Sie bei einem Flugausfall bekommen
Süddeutsche Zeitung: Die Rechte Reisender bei Flugausfall und Verspätung
Forum Fluggastrechte: Anspruchsgegner Code-Sharing
Passagierrechte.org: Richtiger Anspruchsgegner- ausführendes Luftfahrtunternehmen

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.