Haftung des Reiseveranstalters für Körperschäden des Reiseteilnehmers

LG Frankfurt: Haftung des Reiseveranstalters für Körperschäden des Reiseteilnehmers

Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Ferienwohnung in Blanes, Spanien zu. Während ihres Aufenthalts in der Wohnung explodierte der Gasherd in der Küche und sie erlitt Verbrennungen ersten Grades am Bein. Daraufhin brach sie ihren Urlaub ab und reiste nach Hause. Sie forderte von der Beklagten Schmerzensgeld und Kostenersatz für die Restaurantbesuche.

In erster Instanz gab ihr das AG Frankfurt Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld, Ersatz für vertanen Urlaub und für Verpflegungskosten. Das LG Frankfurt änderte auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil ab und sprach der Klägerin lediglich Ersatz für Verpflegungskosten zu.

LG Frankfurt 2-24 S 84/84 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 15.10.1984
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 15.10.1984, Az: 2-24 S 84/84
AG Frankfurt, Urt. v. 10.1.1984, Az: 30 C 6003/83
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom15.10.1984

Aktenzeichen 2-24 S 84/84

Leitsätze:

2. Verhält sich der örtliche Hoteliert oder der Betreiber einer Ferienwohnanlage, dann haftet der Reiseverantalter dafür nicht gem. § 831 BGB

Für verkehrsgefährdende Einrichtungen in der Ferienwohnung haftet der Reiseveranstalter nur dann nach § 823 BGB, wenn er eine eigene Überprüfungspflicht verletzt hat oder trotz Kenntnis der Reiseleitung von der Verkehrsgefährdung ein Einschreiten unterblieb.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei der Beklagten für den Zeitraum vom 31.7. bis 14.8.1982 eine Ferienwohnung in Blanes, Spanien zu einem Preis von 1.197 DM. Während ihres Aufenthalts in Wohnung explodierte der Gasherd in der Küche am 07.08.1982 und sie erlitt Verbrennungen ersten Grades am rechten Bein vom Knie bis zu den Zehen. Daraufhin brach sie ihren Urlaub am 12.08.1982 ab und reiste nach Hause. Sie forderte von der Beklagten Schmerzensgeld und Kostenersatz für die Restaurantbesuche, die aufgrund der unbrauchbaren Küche notwendig waren.

In erster Instanz gab ihr das AG Frankfurt Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 4.000 DM, Ersatz für vertanen Urlaub i.H.v. 750 DM und für Verpflegungskosten i.H.v. 199,50 DM. Das LG Frankfurt änderte auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil ab und sprach der Klägerin lediglich Ersatz für Verpflegungskosten i.H.v. 199,50 DM zu.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10.1.1984 – 30 C 6003/83 – wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 199,50 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12.8.1982 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz hat die Klägerin 95 % und die Beklagte 5 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin ganz zur Last.

 

Tatbestand:

5. Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Ferienwohnung in Blanes, Spanien, vom 31.7. bis 14.8.1982 für 1.197,– DM. Am Vormittag des 7.8.1982, dem vierten Urlaubstag, kam es zur Explosion des in der Küche der Ferienwohnung befindlichen Gasherds. Dabei erlitt die Klägerin Verbrennungen ersten Grades am rechten Bein vom Knie bis zu den Zehen. Wegen der Verletzungen brach die Klägerin ihren Urlaub ab und reiste am 12.8.1982 wieder nach Hause. Dort befand sie sich bis zum 26.10.1982 in ärztlicher Behandlung. Ihre mit Schreiben vom 18.8.1982 geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeld und Ersatz derjenigen Kosten, die ihr dadurch entstanden sind, dass sie wegen der Reparatur des Gasherds auswärts essen musste, wies die Beklagte zurück. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für den Unfall verantwortlich ist, weil sie – was die Klägerin auch bestreitet – die Funktionsfähigkeit des Gasherds lediglich vor Beginn der Sommersaison hat prüfen lassen, und ob die Angaben der Klägerin im Prozess zum Unfallhergang im Vergleich mit der vom mitreisenden Zeugen … gegenüber dem Reiseleiter … wenige Tage nach dem Unfall abgegebenen Schilderung zutrifft.

6. Das Amtsgericht hat nach der Beweisaufnahme über den Unfallhergang durch Vernehmung der beiden Mitreisenden, des Kfz.-​Mechanikers … und der Fremdsprachenkorrespondentin …, sowie des Reiseleiters … der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,– DM und von den weiterhin in Höhe von 750,– DM geltend gemachten Ersatzansprüchen für vertanen Urlaub und für Verpflegungskosten einen Betrag von 199,50 DM zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Unfall auf einem Defekt des Herdes und nicht auf unsachgemäßem Verhalten der Klägerin beruhe.

7. Gegen das am 1.2.1984 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1.3.1984 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 2.4.1984, begründet.

8. Die Beklagte wendet sich nur gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld. Sie trägt vor, das Urteil lasse nicht das deliktische Verhalten erkennen, das allein zur Haftung auf Schmerzensgeld führe.

9. Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 DM fordert.

10. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe:

12. Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, somit zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

13. Der Klägerin steht gegen die Beklagte für die Verletzungen, die diese bei der Explosion des Gasherds in ihrer Ferienwohnung in Spanien am 7.8.1982 erlitten hat, kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu.

14. Die unter den Parteien streitige Frage, ob der Unfall auf eine unsachgemäße Bedienung oder auf einen Defekt des Gasherds zurückzuführen ist, kann dahinstehen. Es bedarf auch keiner Entscheidung von Fragen des Anscheinsbeweises und der Beweisvereitelung, wie sie die Kammer bereits in dem Fall getroffen hat, in dem die Kammer die Haftung des Reiseveranstalters für Körperschäden eines Reisenden infolge der Explosion eines Gasherds bejaht hat (NJW 1983, 2264). Während es in jenem Fall um den Ersatz materieller Schäden, wie Arztkosten und Medikamente sowie den nutzlos aufgewendeten Reisepreis, aufgrund der vertraglichen Garantiehaftung des Reiseveranstalters unter entsprechender Anwendung von § 538 BGB in Verbindung mit § 651 f Abs. 2 BGB ging, sind hier Ansprüche auf Ersatz von immateriellen Schäden Gegenstand der Entscheidung. Insoweit besteht für die Beklagte bereits aus Rechtsgründen keine Ersatzpflicht.

15. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden (§ 253 BGB). Das ist – abgesehen von wenigen, hier nicht in Betracht kommenden Gefährdungshaftungstatbeständen (§ 833 Satz 1 BGB – Tierhalterhaftung; § 53 Abs. 3 LuftVG – Haftung für militärische Luftfahrzeuge) – nur für verschuldensabhängige unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff, 847 Abs. 1 Satz 1 BGB) der Fall. Demgegenüber besteht – wovon das Amtsgericht auszugehen scheint – keine Verpflichtung zur Leistung von Schmerzensgeld aufgrund vertraglicher Haftung.

16. Die aus dem Bereich der unerlaubten Handlungen in Betracht kommenden beiden Haftungstatbestände (§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB – Haftung für den Verrichtungsgehilfen; § 823 Abs. 1 BGB – Haftung aus Organisationsverschulden wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht) sind nicht erfüllt.

17. Die Haftung der Beklagten wegen rechtswidrigen Verhaltens des örtlichen Hoteliers nach § 831 BGB scheidet nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aus. Danach kommt eine Haftung des Reiseveranstalters für verkehrsgefährdende Anlagen im Hotel nach § 823 Abs. 1 BGB nur bei Verletzung einer eigenen Überprüfungspflicht oder bei mangelndem Einschreiten trotz Kenntnis des örtlichen Reiseleiters oder der Zentrale von der Verkehrsgefährdung in Frage (Tempel, Materielles Recht im Zivilprozeß, 1983, S. 273). Diese Haftungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

18. Den Reiseveranstalter trifft grundsätzlich keine eigenständige Verkehrssicherungspflicht für die von ihm vermittelten Ferienwohnungen. Vielmehr ist es der örtliche Betreiber der Ferienanlage, der für die Verkehrssicherheit der Wohnungen und der darin befindlichen oder dazugehörenden technischen Anlagen zu sorgen hat. Dessen Verkehrssicherungspflicht beruht nach anzuwendendem deutschen Recht gegenüber dem Reiseveranstalter im allgemeinen auf dem entsprechenden Überlassungsvertrag und gegenüber den Reisenden und anderen Benutzern auf dem gesetzlichen Prinzip der Betreiberhaftung. Der Reiseveranstalter tritt allein aufgrund der Vermittlung der Ferienwohnung an den Reisenden nicht ohne weiteres neben dem örtlichen Betreiber in die Rolle des Verkehrssicherungspflichtigen. Ihm fehlt im allgemeinen die für die Haftpflicht des Betreibers erforderliche Möglichkeit, die Ferienanlage in der Weise zu führen, dass von ihr keine für den Reisenden oder dritte Benutzer ausgehende Gefahren bestehen. Eine entsprechende umfassende Verkehrssicherung kann auch durch den vom Reiseveranstalter vor Ort eingesetzten Reiseleiter nicht gewährleistet werden. Der Reiseleiter ist lediglich in der Lage, punktuell für die Verkehrssicherheit zu sorgen. Das ist dann der Fall, wenn ein verkehrsunsicherer Zustand offensichtlich vorliegt oder ihm von Reisenden gemeldet wird. In einem derartigen Fall wäre der Reiseveranstalter neben dem Betreiber selbst ebenso verkehrssicherungspflichtig wie in dem Fall, in dem die Zentrale von der Verkehrsgefährdung, etwa bei Häufung von Unfallmeldungen, Kenntnis hat. In allen übrigen Fällen ist eine eigene deliktsrechtliche Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters zu verneinen.

19. Diese Rechtsauffassung wird durch folgende drei Argumente gestützt. Erstens würde die Annahme einer eigenständigen Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters voraussetzen, dass er zur Ausübung der ihm insoweit obliegenden Überwachungspflichten jederzeit freien Zugang zu sämtlichen Einrichtungen der Ferienanlage hat. Es erscheint jedoch fraglich, ob sich ein derartiges Zutrittsrecht des Reiseveranstalters aus den vertraglichen Beziehungen mit dem örtlichen Betreiber der Anlage herleiten lässt. Der Betreiber dürfte etwaigen Veränderungen, die der Reiseveranstalter zur Erfüllung einer angenommenen Verkehrssicherungspflicht in die Wege leiten wollte, mit Recht entgegentreten. Zweitens müsste der Reiseveranstalter zur ordnungsgemäßen Erfüllung einer eigenständigen Verkehrssicherungspflicht Fachleute der verschiedensten Branchen beschäftigen, um die Gefahrlosigkeit sämtlicher technischer und sonstiger Einrichtungen der Ferienanlagen sicherzustellen, wie zum Beispiel die Prüfung von Personenaufzügen, Sport- und Spielgeräten oder sonstiger baulicher Einrichtungen. Denn zur fachkundigen Prüfung wird der allgemeine Sachverstand des örtlichen Reiseleiters in den meisten Fällen nicht ausreichen. Ein derartiger Aufwand ist dem Reiseveranstalter aber billigerweise nicht zuzumuten. Drittens entspricht die vertretene Auffassung auch den im allgemeinen Werkvertragsrecht bestehenden Gegebenheiten. Dort trifft den Bauherrn und den Architekten gegenüber dem Bauunternehmer nur eine subsidiäre Verkehrssicherungspflicht, denn er ist nur zu eigenem Eingreifen verpflichtet, wenn er Gefahren sieht oder sehen müsste, wenn er Anlass zu Zweifeln hat, ob der von ihm Beauftragte den Gefahren und Sicherungsbedürfnissen in der gebührenden Weise Rechnung trägt oder wenn dessen Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, die auch von ihm, dem Auftraggeber, erkannt oder durch eigene Anweisungen hätten abgestellt werden können (BGH Betr. 1976, 2300).

20. Nach den dargelegten Grundsätzen bestand im vorliegenden Fall kein konkreter Anlass für die Beklagte, an der Verkehrssicherheit der vermittelten Ferienwohnung und ihrer Einrichtungen zu zweifeln. Da deshalb bereits die Annahme einer eigenständigen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten ausscheidet, kommt es auf die Frage, ob die Beklagte ein Organisationsverschulden im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB trifft, nicht mehr an.

21. Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu der im eingangs genannten Fall, in dem die Kammer eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Reiseveranstalters für gegeben angesehen hat (NJW 1983, 2264). Die Annahme der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung des Reiseveranstalters in jenem Fall beruhte auf dem Gedanken, dem Reisenden die vertraglichen Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter auch für den Fall zu erhalten, in dem – wie im vorliegenden Fall – die Vorschriften über den Reisevertrag (§§ 651a ff. BGB) keine unmittelbare Anwendung finden, weil die Vermittlung von Ferienwohnungen nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist * . Hier geht es jedoch nicht um vertragliche, sondern um deliktsrechtliche Ansprüche. Diese Unterscheidung ist keine gesetzestechnische Förmelei. Sie beruht vielmehr auf der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers, der die Anspruchsgrundlage für ein Schmerzensgeld abschließend in den deliktsrechtlichen und sonstigen Spezialnormen geregelt hat.

22. Soweit die 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt von der Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters ausgegangen ist, die Einhaltung von gesetzlichen Sicherheitsvorschriften für gastechnische Anlagen zu überprüfen, betrifft diese Entscheidung einen mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt. Während es dort gerade darum ging, dass bestehende Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden waren und keine öffentliche Abnahme der gastechnischen Einrichtung vorlag, ist dies hier unstreitig. Auch in Bezug darauf eine eigenständige Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters anzunehmen, hält die Kammer aus den dargelegten Gründen für zu weit gehend.

23. Aus diesen Gründen war die auf Schmerzensgeld gerichtete Klage abzuweisen. Da die Beklagte die Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf die Frage des Schmerzensgeldes beschränkt hat, verblieb es bei der Verurteilung der Beklagten auf Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs in der vom Amtsgericht zugesprochenen Höhe.

24. Da die Klägerin im wesentlichen unterlegen ist und nur zum Teil obsiegt hat, waren die Kosten des Rechtsstreits in dem entsprechenden Verhältnis zu teilen (§ 92 Abs. 1 ZPO).

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