Einwand des technischen Defekts am Generator der Hilfsturbine als „außergewöhnlicher Umstand“
LG Frankfurt: Einwand des technischen Defekts am Generator der Hilfsturbine als „außergewöhnlicher Umstand“
Als ein Fluggast pünktlich für seinen gebuchten Flug am Flughafen erschien, wurde er informiert, dass der Flug aufgrund eines technischen Defektes auf den nächsten Morgen verschoben worden war. Der Mann klagte auf Ersatzleistungen und bekam vor Gericht recht, da sein Zeitverlust mehr als drei Stunden betragen habe. Es sei irrelevant, dass der Reisende den verschobenen Flug letzten Endes nicht angetreten, sondern einen Ersatzflug gebucht habe.
die Aussage der Fluggesellschaft, der technische Defekt sei ein „außergewöhnlicher Umstand“ wurde vom Gericht zurückgewiesen.
LG Frankfurt | 2-24 S 213/12 (Aktenzeichen) |
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LG Frankfurt: | LG Frankfurt, Urt. vom 25.04.2013 |
Rechtsweg: | LG Frankfurt, Urt. v. 25.04.2013, Az: 2-24 S 213/12 |
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Leitsatz:
2. Ein technischer Defekt begründet in diesem Fall (am Generator der Hilfsturbine) keinen „außergewöhnlichen Umstand“.
Zusammenfassung:
3. Der Fluggast erschien pünktlich zum Abflug, wurde jedoch informiert, dass der von ihm gebuchte Flug wegen eines technischen Defektes nicht würde starten können. Der Start wurde auf den Morgen des nächsten Tages verschoben.
Obwohl der Reisende den Flug am nächsten Morgen nicht wahrnahm, sondern einen anderen Flug buchte, befand das Gericht, dass die Verspätung für ihn einen Zeitverlust von über drei Stunden bewirkt habe und ihm somit eine Aufwandsentschädigung zustehe.
Der von der Fluggesellschaft als „außergewöhnlicher Umstand“ bezeichnete Defekt an der Maschine, wurde vom Gericht nicht als solcher anerkannt, weshalb die Fluggesellschaft nicht von der Zahlungspflicht befreit wurde.
Tenor:
4. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.9.12 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a/M – Az. 29 C 1576/12 (46) – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600.– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18.3.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
5. Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).
6. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache Erfolg.
7. Dem Kläger steht ein Ausgleichsanspruch wegen Flugverspätung in der geltend gemachten Höhe zu. Er verfügte über eine bestätigte Buchung für den Flug der Beklagten von Frankfurt a/M nach Varadero am 20.10.11 15:05 und war pünktlich zum Abflug erschienen. Der Start wurde wegen eines Defekts am Generator der Hilfsturbine auf die frühen Morgenstunden des 21.10.11 verschoben.
8. Nach dem Wortlaut Art 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 stehen ihm für diesen Fall Betreuungsleistungen zu, die er erhalten hat. Nach der bindenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur großen Verspätung
steht ihm darüber hinaus ein Zahlungsanspruch zu, da er bereits am 20.10. vor dem Abflug einen Zeitverlust von mehr als 3 Stunden erlitten hat, der am folgenden Tag bis zur Ankunft nicht mehr eingeholt werden konnte. Entgegen der Ansicht des Amtsgericht hat der Kläger dabei nicht nur einen fiktiven, sondern einen tatsächlichen Zeitverlust erlitten.
9. Die Tatsache, dass der Kläger am folgenden Tag nicht an dem gebuchten Flug teilnahm, sondern einen Ersatzflug buchte, ändert an der zuvor bereits eingetretenen Einbuße und dem damit bereits entstandenen Anspruch nichts mehr. Dadurch wurde der Zeitverlust beim Abflug bis zur Ankunft nicht mehr eingeholt.
10. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger am Flug der Beklagten nicht teilgenommen hatte, weil er vom Vertrag zurückgetreten war oder weil er verschlafen hatte. In dem Zeitraum, in dem die für den Zahlungsanspruch relevante Verzögerung eingetreten ist, lagen die gem. Art. 3 erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung in jedem Fall vor: der Kläger verfügte über ein bestätigte Buchung, war pünktlich erschienen und blieb zur Abfertigung anwesend. Die Teilnahme am ursprünglich gebuchten Flug ist keine Anspruchsvoraussetzung. Der Defekt an einem Generator ist kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des 14. Erwägungsgrundes, der gem. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zur Leistungsfreiheit der Beklagten führen würde.
11. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Große Kammer) vom 26.2.13 (C-11/11) kommt es darauf an, ob der Fluggast sein Endziel mit einer relevanten Verspätung erreicht unabhängig davon, ob der gebuchte (Anschluss)flug verspätet eingetroffen ist, den er nicht erreicht hatte.
12. Die unterliegende Partei hat die Kosten gem. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
13. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des § 522 ZPO vom 21.10.11 nicht erreicht wird.
14. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. II ZPO).
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