Ende der Boardingzeit

AG Köln: Ende der Boardingzeit

Weil ein Fluggast erst 20 Minuten nach Abschluss der Boardingzeit am Gate ankam, verweigerten die Angestellten der befördernden Airline ihm den Zugang zum Flugzeug. Die Kosten für den Ersatzflug verlangt der Kläger nun vom Luftfahrtunternehmen zu ersetzt.

Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Die Airline habe das Zeitfenster, das Flugzeug betreten werden müsse in seinen Allgemeinen Beförderungsbedingungen festgelegt. An diesen verbindlich festzuhalten sei das Recht der Beklagten.

AG Köln 123 C 174/09 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 09.09.2009
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 09.09.2009, Az: 123 C 174/09
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 09. September 2009

Aktenzeichen: 123 C 174/09

Leitsatz:

2. Wird einem Fluggast der Zutritt zum Flugzeug wegen Ablaufs der Boardingzeit verwehrt, so hat er keinen Anspruch auf Entschädigung.

Zusammenfassung:

3. Ein Fluggast buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug von Dubai nach München. Weil er erst nach Ablauf der Boardingzeit am Gate eintraf, verweigerte ihm das Personal den Zutritt zum Flugzeug, obwohl ein Einstieg zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre.
Der Kläger verlangt von der Airline nun ihm die Kosten des von ihm erworbenen Ersatztickets zu erstatten. Zum einen sei die Weigerung willkürlich gewesen, zum anderen seien ihm die Boardingzeiten nicht mitgeteilt worden.

Die Beklagte weigert sich der Zahlung. Das Zeitfenster, in dem sich die Fluggäste am Gate einfinden müssen um das Flugzeug zu betreten, sei in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Airline festgehalten. Den verpassten Flug habe sie aus diesem Grund nicht zu vertreten.

Das Amtsgericht Köln hat der Beklagten Recht zugesprochen. Aus den Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Luftfahrtunternehmens gehe eindeutig hervor, dass die Boardingzeit eine Stunde vor dem geplanten Abflug ende. Festsetzungen, nach denen es sich die Airline vorbehalte verspätete Fluggäste abzuweisen, würden nicht gegen die Vorschriften zu Art und Umfang von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB verstoßen.
Das Festhalten an dem genauen Zeitrahmen gewährleiste einen reibungslosen Ablauf des Flugverkehrs und sei vor diesem Hintergrund nicht als unverhältnismäßig anzusehen.

Die Beklagte sei auch nicht dazu verpflichtet gewesen den Kläger über die genauen Boardingzeiten zu informieren. Es sei vielmehr seine Aufgabe gewesen sie in den Beförderungsbedingungen des Unternehmens einzusehen oder gegebenenfalls zu erfragen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte am 8.2.2009 über das Internet bei der Beklagten für sich und seine Familie drei Flugtickets für einen Flug von Dubai nach München. Abflugzeit war der 16.2.2009 um 8.35 Uhr. Die Meldeschlusszeit für den Flug, die – entgegen der Übung der Beklagten – nicht auf den Flugtickets stand, jedoch auf der Homepage der Beklagten abgefragt werden kann, endete 60 Minuten vor dem Abflug. Die Boardingzeit war auf 7.50 Uhr festgelegt. Am 16.2.2009 erschienen der Kläger und seine Familie wegen hohen Verkehrsaufkommen erst nach Ablauf der Meldeschlusszeit und der Boardingzeit am Check-In-Schalter der Beklagten. Die Beklagte verweigerte unter Hinweis auf die abgelaufene Meldeschlusszeit die Beförderung. Der Kläger musste daher für sich und seine Familie drei Ersatztickets zu einem Gesamtpreis von 1.662 € kaufen. Diesen Schaden verlangt er von der Beklagten ersetzt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck (im Folgenden ABB) der Beklagten zugrunde. Darin heißt es u.a.:

6. Der Begriff der Meldeschlusszeit ist definiert als der Zeitpunkt, an dem der Fluggast seine Check-In-Formalitäten abgeschlossen haben und im Besitz seiner Bordkarte sein muss.

7. Die Meldeschlusszeiten sind an den verschiedenen Flughäfen unterschiedlich und wir empfehlen Ihnen, sich über diese Meldeschlusszeiten zu informieren und sie einzuhalten. (…) Sofern Sie diese Zeiten nicht einhalten, sind wir zur Streichung Ihrer Buchung berechtigt. (…) Die Meldeschlusszeiten für unsere Flüge sind in unseren jeweils gültigen Flugplänen und dem Flugschein ausstellenden Reisebüro zu erfahren. Sie betragen, wenn nichts anderes angegeben ist, mindestens 30 Minuten vor dem planmäßigen Abflug. (…)

8. Für Schäden und Aufwendungen, die Ihnen aus der alleine von Ihnen zu vertretenden Verletzung dieser Bestimmungen entstehen, haften wir nicht.

9. Der Kläger behauptet, mit seiner Familie um 7.55 Uhr am Check-In-Schalter eingetroffen zu sein. Dort habe er den Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen, dass sein Flug bereits in 40 Minuten gehe. Der Mitarbeiter habe sie jedoch zunächst ignoriert und sodann um 8.15 Uhr mitgeteilt, dass der Schalter geschlossen sei und eine Beförderung nicht mehr in Betracht komme. Die Beförderung sei der Beklagten jedoch auch nach Ablauf der Meldeschlusszeit noch möglich gewesen.

10. Der Kläger beantragt,

11. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.662 € sowie eine Nebenforderung in Höhe von 272,87 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (22.6.2009), zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

13. Sie behauptet, die Familie des Klägers sei erst um 8.15 Uhr am Schalter erschienen. Eine Beförderung sei ihr nach Ablauf der Meldeschlusszeit nicht mehr möglich gewesen, da ein nachträgliches Einchecken des Klägers und seiner Familie zu einer Verspätung des Abflugs geführt hätte.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist unbegründet.

16. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.662 € gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.

17. Die Beklagte hat keine Pflichten aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Werkvertrag verletzt, indem sie eine Beförderung des Klägers und seiner Familie nach Ablauf der Meldeschlusszeit ablehnte. Hierzu war sie vielmehr gemäß Artikel 6.1 der ABB berechtigt. Danach darf die Beklagte die Buchung eines Fluggastes streichen, wenn dieser erst nach Ablauf der Meldeschlusszeit am Check-In-Schalter eintrifft. Die Meldeschlusszeit endete bei dem streitgegenständlichen Flug unstreitig 60 Minuten vor Abflug, mithin um 7.35 Uhr. Darauf, ob der Kläger und seine Familie um 7.55 Uhr – so der Kläger – oder – so die Beklagte – erst um 8.15 Uhr am Schalter der Beklagten vorsprachen, kommt es nicht an, denn selbst nach dem eigenen Vortrag des Klägers war die Meldeschlusszeit beim Eintreffen am Schalter bereits seit 20 Minuten abgelaufen.

18. Die ABB der Beklagten sind gemäß § 305 Abs. 2 BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Bei einem Vertragsschluss über das Internet ist den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB Genüge getan, wenn die AGB des Verwenders über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können (vgl. BGH NJW 2006, 2976). So lag der Fall hier. Der Kläger konnte die ABB während des Buchungsvorgangs auf der Internetseite der Beklagten einsehen, herunterladen oder ausdrucken. Der Kläger hat der Einbeziehung der ABB auch zugestimmt. Die Buchung konnte er nur abschließen, nachdem er zuvor ein Häkchen in dem Feld „ich akzeptiere die zur Zeit gültigen Tarifkonditionen und Beförderungsbedingungen“ gesetzt hatte.

19. Der Beklagten kann auch keine Pflichtverletzung dadurch angelastet werden, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf die Meldeschlusszeit des Fluges unterblieben ist. Ein solcher Hinweis war nicht erforderlich. Vielmehr wäre es Aufgabe des Klägers, der die Flugtickets über das Internet gebucht hat, gewesen, sich hierüber zu informieren. Dies war ihm auch ohne weiteres möglich, da die entsprechenden Meldeschlusszeiten auf der Internetseite der Beklagten einzusehen sind.

20. Ein Verschulden der Beklagten ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass sie die Beförderung des Kläger und seiner Familie abgelehnt hätte, obwohl diese ihr auch nach dem Ablauf der Meldeschlusszeit noch möglich gewesen wäre. Für die Voraussetzungen einer derartigen Pflichtverletzung ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Eine Beweislastumkehr findet nicht statt. Vielmehr trifft die Beklagte lediglich eine erweiterte Darlegungslast, der sie jedoch genügt hat. Der Vortrag des Klägers ist hingegen unsubstantiiert und daher nicht zu berücksichtigen.

21. Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen, dass eine Wiedereröffnung des Check-In für den Kläger und seine Familie zu einer erheblichen Verzögerung des Abflugs geführt hätte. Die Boardingzeit war bei Eintreffen des Klägers bereits abgelaufen. Bei einer Mitnahme des Klägers und seiner Familie hätte eine neue Starterlaubnis eingeholt werden müssen. Der neue Antrag darf allerdings erst gestellt werden, wenn die Türen des Flugzeugs geschlossen sind, das Flugzeug wird dann als letztes in der Reihenfolge berücksichtigt. Der Kläger und seine Familie hätten jedoch zunächst noch einchecken und danach die Sicherheitskontrollen passieren müssen. Das legt eine erhebliche Verzögerung im Betriebsablauf der Beklagten nahe. In diesem Fall trifft die Beklagte keine Pflicht zur Beförderung verspäteter Passagiere. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich insoweit im bloßen Bestreiten dieser Angaben. Das reicht für einen substantiierten Vortrag ersichtlich nicht aus.

22. Soweit der Kläger weiter behauptet hat, es gälten kürzere Meldeschlusszeiten für Business-, First-Class- und Last-Minute-Passagiere, kann das als richtig unterstellt werden. Jedoch ist schon nicht ersichtlich, ob und wenn ja wie lang die abweichenden Meldeschlusszeiten bei Eintreffen des Klägers am Check-In-Schalter noch liefen.

23. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu. Voraussetzung wäre auch hier, dass der Kläger und seine Familie zur angegebenen Zeit zum Check-In eingefunden hätten. Das war hier nach den obigen Ausführungen aber gerade nicht der Fall.

24. Der Schriftsatz des Klägers vom 28.8.2009 ist zwar nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen, ohne dass ein Schriftsatznachlass gewährt worden wäre, wurde jedoch gleichwohl bei der Entscheidung berücksichtigt. Ein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand danach nicht.

25. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26. Streitwert: 1.662 €.

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