Darlegungslast der Airline bei außergewöhnlichen Umständen

AG Frankfurt: Darlegungslast der Airline bei außergewöhnlichen Umständen

Ein Fluggast forderte von einer Airline Entschädigung für die Annullierung eines Teilfluges, für deren Höhe er die Entfernung der gesamten Flugreise als maßgeblich erachtete.

Das Amtsgericht Frankfurt gestand ihm den Anspruch auf Ausgleichszahlung zu, berechnete diesen jedoch nur nach der Strecke des betroffenen Fluges.

AG Frankfurt 30 C 1701/06 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 16.02.2007
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 16.02.2007, Az: 30 C 1701/06
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 16. Februar 2007

Aktenzeichen 30 C 1701/06

Leitsatz:
2. Im Falle der Annullierung eines Teilfluges ist die Höhe der Ausgleichszahlung für den Flugreisenden nach der Strecke des betroffenen Fluges zu berechnen und nicht nach der Summe eventuell vorhandener Teilstrecken.

Zusammenfassung:

3. Ein Flugreisender klagte wegen der Annullierung des Zubringerfluges von Frankfurt nach Amsterdam, aufgrund derer er das endgültige Reiseziel Kilimandscharo erst mit eintägiger Verspätung erreichte. Für die Berechnung der Höhe seines Ausgleichsanspruchs erachtete der Kläger die gesamte Reisenentfernung als maßgeblich.

Das Amtsgericht Frankfurt gab der Klage teilweise statt. In der Tat bestand für den Kläger Anspruch auf Schadensersatz wegen der Annullierung, welche durch die Beklagte nicht rechtzeitig angezeigt worden war. Die Beklagtenseite konnte das Vorliegen eines technischen Defekts nicht als außergewöhnlichen Umstand geltend machen.

Jedoch zog das Gericht für die Berechnung der Höhe nur die Teilstrecke des betroffenen Fluges heran und begründete dies damit, dass beide Flüge eigenständige Reiseleistungen seien und für Luftfahrtunternehmen das Risiko einer Annullierung kalkulierbar bleiben müsse.

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Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 3.5.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 7/12, die Beklagte 5/12 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger hatte für sich und die Zeugin … die Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten hat, bei der Beklagten Flüge von Frankfurt nach Amsterdam und sodann mit Anschlussflug am gleichen Tag von Amsterdam nach Kilimandscharo gebucht. Der Hinflug von Frankfurt nach Amsterdam am 14.2.2006 wurde zunächst von 7.05 Uhr auf 12.00 Uhr verlegt, sodann von der Beklagten annulliert. Nach Umbuchung auf einen anderen Flug erfolgte der Abflug von Frankfurt um 15.40 Uhr, mit der Folge, dass der Kläger und die Zeugin in Amsterdam ihren Anschlussflug nach Kilimandscharo nicht mehr erreichten. Der Abflug von Amsterdam nach Kilimandscharo erfolgte dann erst am nächsten Tag.

6. Wegen der Annullierung des Fluges von Frankfurt nach Amsterdam macht der Kläger für sich und die Zeugin Ausgleichsleistungen nach der EG-​Verordnung Nr. 261/04 geltend, wobei er die Auffassung vertritt, für die Höhe des Ausgleichsanspruchs sei nicht lediglich die Entfernung zwischen Frankfurt und Amsterdam in Betracht zu ziehen, vielmehr die Entfernung zwischen Frankfurt und Kilimandscharo, mit der Folge, dass ein Anspruch von 2 x 600,00 Euro bestehe. Daneben verlangt der Kläger 7,10 Euro als Fahrtkosten, die angefallen sind, weil der Kläger vor dem Abflug von Frankfurt noch einmal mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause gefahren ist, um die Zeit nicht am Flughafen verbringen zu müssen.

7. Wegen des weiteren klägerischen Vorbringens wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 6.6.06 (Bl. 1 – 5 d. A.) sowie vom 27.12.06 (Bl. 61 – 64 d. A.).

8. Der Kläger beantragt,

9. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.207,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 2.5.2006 zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

11. die Klage abzuweisen.

12. Sie macht geltend, die Ursache für die Annullierung des Fluges sei ein teilweiser Zusammenbruch der Stromversorgung an Bord gewesen, der als solcher ungewöhnlich und selten, mithin nicht vorhersehbar und abwendbar gewesen sei, mit der weiteren Folge, dass die Beklagte wegen höherer Gewalt bereits dem Grunde nach nicht zu Ausgleichsleistungen verpflichtet sei.

13. Wegen des weiteren Beklagtenvorbringens im einzelnen wird Bezug genommen auf die Klageerwiderung vom 14.9.06 (Bl. 37 – 45 d. A.).

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist nur teilweise begründet.

15. Dem Kläger steht aus eigenem sowie abgetretenem Recht der Zeugin … ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 500,00 Euro gegenüber der Beklagten zu (Artikel 5 Abs. 1 i. V. m. Artikel 7 Abs. 1 a) der EG-​Verordnung Nr. 261/2004). Unstreitig ist der Flug … von Frankfurt nach Amsterdam am 14.2.2006 von der Beklagten annulliert worden. Damit besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 vorgenannter Verordnung, da die Annullierung seitens der Beklagten nicht rechtzeitig angezeigt worden ist (Artikel 5 Abs. 1 EG-​Verordnung 261/04). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Anspruch im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen. Gemäß Artikel 5 Abs. 3 vorgenannter Verordnung ist das ausführende Luftfahrtunternehmen zu besagten Ausgleichsleistungen dann nicht verpflichtet, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Zur Ausfüllung dieses Exkulpationstatbestandes reichen die Darlegungen der Beklagtenseite bei Weitem nicht aus. Der Sache nach soll ein technischer Defekt vorgelegen haben, der im Ergebnis zum Ausfall der Stromversorgung an Bord geführt hat. Zwar mögen grundsätzlich auch technische Probleme am Flugzeug geeignet sein, außergewöhnliche Umstände darzustellen, die zu einem Ausschluss der Haftung führen können. In diesem Fall ist es indes Sache des Luftfrachtführers substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen besagter technischer Defekt unvorhersehbar gewesen sein soll, es ist also konkret darzulegen, wie er entstehen konnte und welche Maßnahmen grundsätzlich getroffen werden, um das Eintreten eines solchen Defektes zu verhindern. Derartige konkrete Darlegungen fehlen in der Klageerwiderung völlig. Ob der Vortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.1.07 genügen würde, vorgenannten Substantiierungsanforderungen zu genügen, mag dahinstehen, da der entsprechende Sachvortrag ohnehin nicht mehr zu berücksichtigen war (§ 296 a ZPO). Der Ausgleichsanspruch des Klägers und der Zeugin besteht damit dem Grunde nach.

16. Gemäß Artikel 7 Abs. 1 der EG-​Verordnung 261/04 beträgt die Ausgleichszahlung pro Fluggast 250,00 Euro bei allen Flügen über eine Entfernung von bis zu 1500 Kilometern, sie beträgt 400,00 Euro über eine Entfernung zwischen 1500 Kilometern und 3500 Kilometern, sie beträgt 600,00 Euro bei Flügen über 3500 Kilometern. Vorliegend ist lediglich der Flug von Frankfurt nach Amsterdam annulliert worden, mit der Folge, dass die pro Person zu leistende Ausgleichszahlung lediglich 250,00 Euro beträgt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist in die Flugentfernung der Anschlussflug von Amsterdam nach Kilimandscharo nicht mit einzubeziehen. Es handelt sich um 2 selbständige Flüge, die theoretisch auch bei 2 verschiedenen Luftfahrtunternehmen hätten gebucht werden können. Darüber hinaus muss für das Luftfahrtunternehmen das Risiko einer Flugannullierung kalkulierbar bleiben, was nicht der Fall ist, wenn alle potentiellen Anschlussflüge mit einbezogen werden würden. Dementsprechend war der Klage auf Ausgleichsleistungen lediglich in Höhe von 500,00 Euro stattzugeben, der Klage in Höhe von weiteren 700,00 Euro dagegen der Erfolg zu versagen.

17. Der Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten besteht nicht, da die Ausgleichszahlungen nach der EG-​Verordnung Nr. 261/04 … eine Schadenspauschalierung darstellen, mit der Folge, dass bis zur Höhe der Ausgleichszahlung konkrete Schadenspositionen nicht separat daneben geltend gemacht werden können.

18. Der Zinsanspruch in zuerkanntem Umfang ist begründet gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

19. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 + 2 ZPO.

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