Ausgleich wegen Nichtbeförderung

OLG Köln: Ausgleich wegen Nichtbeförderung

Ein Fluggast buchte bei einer Airline einen Linienflug in der ersten Klasse. Weil er von dem Luftfahrtunternehmen auf einen Flug in der zweiten Klasse umgebucht wurde, verlangt er nun eine Ausgleichszahlung.

Das Oberlandesgericht Köln hat dem Kläger Recht zugesprochen. In der Beförderung innerhalb einer niederigeren Komfort-Klasse sei ein Schadensersatzanspruch zu sehen, der den Kläger zur Forderung einer Ausgleichszahlung berechtige.

OLG Köln 17 U 69/15 (Aktenzeichen)
OLG Köln: OLG Köln, Urt. vom 26.07.2017
Rechtsweg: OLG Köln, Urt. v. 26.07.2017, Az: 17 U 69/15
LG Köln, Urt. v. 09.11.2016, Az: 8 O 58/15
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Oberlandesgericht Köln

1. Urteil vom 26.07.2017

Aktenzeichen: 17 U 69/15

Leitsatz:

2. Die Herabstufung in eine niederige Komfort-Klasse begründet einen Schadensersatzanspruch des Fluggastes.

Zusammenfassung:

3. Ein Fluggast buchte bei einer Fluggesellschaft einen Linienflug erster Klasse. Weil das Luftfahrtunternehmen das benötigte Kontingent nicht aufbringen konnte, buchte es den Kläger in die zweite Klasse um. Im Anschluss an die Beförderung verlangt dieser deshalb eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 10 der Verordnung 261/2004.

Das Beklagte Unternehmen weigert sich der Zahlung. Ein Ausgleichsanspruch stehe dem Fluggast bereits aus dem Grunde nicht zu, dass er seinen Flug zu einem Großteil mit Bonusmeilen geleistet habe.

Das Oberlandesgericht Köln hat dem Kläger Recht zugesprochen. Nach Art. 10 der Fluggastrechte Verordnung führe die Verlegung eines Fluggastes in eine niedrigere Klasse als die, für die der Flugschein erworben wurde, zu einer Preiserstattung nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten.

Da der Kläger ursprünglich eine hörere Komfortklasse gebucht hatte, als die, in der er tatsächlich befördert wurde, stehe ihm aus diesem Grund eine Ausgleichszahlung zu. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass er einen Großteil des Preises mit Hilfe von Bonusmeilen beglichen hatte. Aus diesem Angebot der Airline dürfe dem Fluggast kein Nachteil entstehen.

Tenor:

4. Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Auslegung von Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABI. EG L 46 vom 17. Februar 2004 S. 1 ff.) folgende Fragen vorgelegt:

Ist unter „Preis des Flugscheins“ im Sinne von Art. 10 der Verordnung bei solchen Flügen, die mit sogenannten „Bonusmeilen“ im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms bezahlt werden, für die Berechnung der Erstattung auf die Zahl der aufgewandten Bonusmeilen abzustellen?

Hat das Luftfahrtunternehmen in einem derartigen Fall nach Art. 10 Abs. 2 lit. c) 75% der aufgewendeten Bonusmeilen zu erstatten, also gutzuschreiben, oder kann der Fluggast im Hinblick auf Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Zahlung eines Geldbetrages verlangen?

Für den Fall, dass die Frage gemäß der ersten Alternative (Gutschrift von Bonusmeilen) zu bejahen ist: Muss sich der Fluggast an das Unternehmen wenden, dessen Bonusmeilen er zur Bezahlung eingesetzt hat, oder an das Unternehmen, welches den Flug tatsächlich durchgeführt hat? Welches Luftfahrtunternehmen ist zur Erstattung verpflichtet?

Für den Fall, dass die zweite Alternative (Zahlung eines Geldbetrages) zu bejahen ist: Bemisst sich der zu erstattende Geldbetrag in Höhe des Gegenwertes der Bonusmeilen zum Zeitpunkt der Buchung oder nach den Kosten, die für einen entsprechenden Flug hätten aufgewandt werden müssen?

Kann die Regelung in Art. 5 Abs. 1 lit. c) i) oder zumindest der Rechtsgedanke, dass der Fluggast seinen Anspruch verliert, wenn er zwei oder (deutlich) mehr Wochen vor Abflug über die Annullierung des Fluges unterrichtet worden ist, auf einen Anspruch aus Art. 10 Abs. 2 der Verordnung entsprechend angewandt werden?

Gründe:

5. Der Zeuge R. Glanzmann, ein schweizerischer Staatsbürger, buchte Anfang September 2011 für sich, seine Ehefrau G. Glanzmann (Klägerin zu 1.) sowie seine beiden minderjährigen Kinder S. (Klägerin zu 2.) und L. Glanzmann (Kläger zu 3.) mehrere Flüge für einen Familienurlaub im Sommer 2012 auf Aruba (Karibik). Ausweislich der Buchungsbestätigung sollten die Flüge folgendermaßen durchgeführt werden:

Datum Abflug Flughafen Ankunft Flughafen Fluggesellschaft Tarif
30.06.12 14.30 Basel 15.30 Frankfurt Lufthansa CL business
30.06.12 18.15 Frankfurt 20.30 Boston Lufthansa first
01.07.12 5.30 Boston 7.05 Philadelphia US Airways first
01.07. 7.50 Philadelphia 12.15 Aruba US Airways first
23.07. 22.30 Chicago 13.40 Frankfurt Lufthansa first
24.07. 16.20 Frankfurt 17.05 Basel Lufthansa CL business

6. Der Zeuge hatte die Flüge mittels Gutschriften aus einem Kundenbindungsprogramm („Bonusmeilen“) bei der Fluggesellschaft US Airways, einer Partnergesellschaft der Beklagten innerhalb der „Star Alliance“, bezahlt (USDividend Miles Konto), und zwar mit insgesamt 190.000 „US Dividend Miles“ zuzüglich Steuern und Gebühren in Geld. Bei dem Flug von Frankfurt nach Boston, um den es im vorliegenden Fall geht und den die Beklagte, ein in Deutschland geschäftsansässiges Luftfahrtunternehmen, durchführen sollte, ist ausdrücklich die 1. Klasse bestätigt worden.

7. Bereits im November 2011 wurde der Zeuge Glanzmann von US Airways darüber informiert, dass für den Flug am 30. Juni 2012 von Frankfurt nach Boston – nach derzeitigem Stand – eine 1. Klasse nicht zur Verfügung stehe. Auch eine Rückfrage des Zeugen bei der Beklagten ergab, dass man mit dem eingesetzten Flugzeug eine 1. Klasse nicht anbieten könne; der Zeuge könne ggfs. abwarten, ob nicht noch ein Wechsel des Flugzeugs erfolge, so dass man die 1. Klasse zur Verfügung stellen könne.

8. Der Zeuge Glanzmann wandte sich mit Schreiben vom 16. Mai 2012 (139 GA) erneut an die Beklagte und wies auf die Herabstufung und die Regelung in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 hin. Er schlug vor, dass die Beklagte ihn und die Kläger auf einen früheren Flug der Beklagten nach Boston umbuchen solle, bei dem aktuell noch 8 freie Plätze in der 1. Klasse vorhanden seien. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 14. Juni 2012 (141 GA) ab, weil die Tickets von dem Partner US Airways ausgestellt worden seien. Der Zeuge möge sich mit dieser in Verbindung setzen und nach einer Lösung suchen.

9. Die Kläger und der Zeuge nahmen den herabgestuften Flug LH 420 von Frankfurt nach Boston in der Business-Klasse am 30. Juni 2012 in Anspruch und machen nunmehr Ansprüche gemäß Art. 10 Abs. 2 lit. c) der VO Nr. 261/2014 geltend. Der Zeuge Glanzmann hat seine Ansprüche schriftlich am 26. November 2014 an die Klägerin zu 1.) abgetreten (24/ AB). Entsprechend einem vorgerichtlichen Rechtsanwaltsschreiben vom 28. August 2012 (15 f./ AB) berechnen sie ihren Erstattungsanspruch mit 75% des Preises, den die Beklagte für einen Flug 1. Klasse von Frankfurt nach Boston verlange, also 75% von 6.369 € = 4.779 6 pro Fluggast, insgesamt für 4 Flugpassagiere also 19.104 €. Gegen einen – allein – von dem Zeugen Glanzmann über diesen Betrag nebst Nebenforderungen am 9. Dezember 2014 beantragten und – nach Beanstandung durch das Amtsgericht (6 GA) – am 6. Januar 2015 erlassenen Mahnbescheid, der der Beklagten am 9. Januar 2015 zugestellt worden ist, hat diese am 19. Januar 2015 Widerspruch eingelegt. Mit der Anspruchsbegründung vom 27. Februar 2015 (10 – 18 GA) ist die Klage auf die 3 (jetzigen) Kläger abgeändert worden,

10. Die Kläger beantragen die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 19.104 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2012 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Dezember 2014 zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

12. Das Landgericht Köln hat die Klage mit Urteil vom 4. August 2015 (55 – 61 GA) mit der Begründung abgewiesen, dass die Kläger bereits nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hätten, dass die Beklagte die Verlegung in die niedrigere Klasse vorgenommen habe, Außerdem hätten sie einen kausalen Schaden nicht dargelegt. weil sie keine tatsächlichen Aufwendungen gehabt hätten; für die Bezahlung eines Fluges mit Bonusmeilen sei Art. 10 der VO Nr. 261/2014 nicht geschaffen worden.

13. Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung die vom Landgericht abgewiesenen Ansprüche weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Berufung beantragt.

14. Der Senat hält die Voraussetzungen eines Anspruchs gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 261/2004 dem Grunde nach für gegeben.

15. Die Kläger und der Zeuge Glanzmann haben als „Fluggäste“ einen Anspruch gegen die Beklagte als dasjenige Luftfahrtunternehmen, welches den Flug am 30. Juni 2012 von Frankfurt nach Boston (LH 420) „ausgeführt“ hat. Die Fluggäste sind auch nicht „kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der VO gereist. Vielmehr regelt Satz 2 dieser Bestimmung ausdrücklich, dass die Verordnung für Fluggäste mit solchen Flugscheinen gilt, „die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden“. Die Fluggäste haben den hier zu beurteilenden Flug in Frankfurt/Main, also im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und damit einem Mitgliedsstaat der EU angetreten. Dass sie zuvor von Basel nach Frankfurt geflogen waren, schließt nach Auffassung des Senats den Anspruch nicht aus. Schließlich verfügten sie auch jeweils über eine bestätigte Buchung, die einen Flug in der 1. Klasse auswies.

16. Statt der gebuchten 1. Klasse hat die Beklagte die Kläger und den Zeugen Glanzmann in der Business-Klasse befördert, also einer niedrigeren Klasse als die, für die der Flugschein erworben worden war. „Verlegt“ im Sinne von Art, 10 Abs. 1 der VO hat die Beklagte als das „ausführende Luftfahrtunternehmen“. Die Entfernung zwischen Frankfurt/Main und Boston beträgt nahezu 5.900 km und jedenfalls mehr als 3,500 km. Damit liegen die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 lit. c) der VO vor, wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 24. Mai 2017 (218 – 222 GA) im Einzelnen ausgeführt hat.

17. Rechtsfolge des Verhaltens der Beklagten ist deren Verpflichtung, „binnen sieben Tagen nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten“ „75% des Preises des Flugscheins“ zu „erstatten“. Damit gewinnt eine Reihe von Fragen entscheidungserhebliche Bedeutung, die sich aus dem Wortlaut und Sinn der Verordnung Nr. 261/2014 auch unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe und der vorliegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht beantworten lassen und die der Senat nicht eindeutig zu beantworten vermag.

18. Unproblematisch erscheint dem Senat die Feststellung der Berechnungsgrundlage. Auch wenn der Zeuge Glanzmann die Flüge von Basel nach Aruba und zurück von Chicago nach Basel in einem Vorgang gebucht und bezahlt hat, kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH allein auf den Teilabschnitt Frankfurt/Main – Boston an.

19. Dieser Quotient beträgt nach den von den Klägern nicht mit Substanz bestrittenen Ausführungen der Beklagten 34,7/100. Die Strecke von Frankfurt nach Boston beträgt 3.660 Meilen, während die Gesamtstrecke für Hin- und Rückflug 10.545 Meilen ausmacht (175 GA). Demnach entfallen auf die Teilstrecke 34,7% des Gesamtflugpreises; davon wiederum hat die Beklagte nach Art. 10 Abs. 2 lit. c) der VO 75% zu erstatten.

20. Auf dem Flugschein selbst ist nach den vorgelegten Unterlagen kein Preis genannt, Die Kläger, genau genommen der Zeuge Glanzmann und der minderjährige Sohn L. haben für den Erwerb der Flugscheine insgesamt 190.000 Bonusmeilen der Fluggesellschaft US Airways aufgewandt. Sieht man die eingesetzten Bonusmeilen als „Preis der Flugscheine“ an, stünde den Klägern und dem Zeugen Glanzmann insgesamt ein Erstattungsanspruch von 190.000 x 34,7 % [= 65.930] x 75% = 49.447,5 Bonusmeilen zu, also jedem einzelnen Fluggast 12,362 Bonusmeilen.

21. Einer Erstattung von Bonusmeilen kann aber sowohl der Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 lit. c) der VO als auch der Verweis auf Art. 7 Abs. 3 entgegenstehen. Ob man unter „Preis des Flugscheins“ jede Gegenleistung verstehen kann, die der einzelne Fluggast für den Erwerb des Flugscheins erbracht hat, oder nur den Wert der Gegenleistung als Geldbetrag, kann zweifelhaft sein. Die Beantwortung dieser Frage bedarf der Auslegung der Verordnung, die der Kompetenz des Europäischen Gerichtshofs unterfällt. Allein vom Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 bzw. der darin verwandten Formulierung „Preis des Flugscheins“ her gesehen lassen sich auch Bonusmeilen als erstattungsfähige Gegenleistung ansehen (vgl. auch Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung, 2016, Aıt. 10 Rn 19 [S. 176], wonach auf den tatsächlich von dem Fluggast für den Flug aufgewandten Gegenwert in Meilen abzustellen sein soll).

22. Dabei bliebe aber unberücksichtigt, dass in Art. 10 Abs. 2 der VO selbst hinsichtlich der „Modalitäten“ der Erstattung auf Art. 7 Abs. 3 der VO verwiesen wird. Diese Bestimmung regelt wörtlich, dass die „Ausgleichszahlungen“ „durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen“ zu erfolgen haben. Da im hier zu entscheidenden Fall ein schriftliches Einverständnis der Fluggäste nicht vorliegt, die Kläger vielmehr einen Geldbetrag verlangen, würde ein Urteil, mit dem den Klägern Bonusmeilen zugesprochen würden, den Modalitäten von Art. 7 Abs. 3 der VO widersprechen.

23. Hinzu kommt, dass die Kläger für den Erwerb ihrer Flugscheine nicht Bonusmeilen bei der Beklagten als „ausführendem Luftfahrtunternehmen“ eingesetzt haben, sondern solche aus dem Kundenbindungsprogramm der US Airways. Dabei handelt es sich allerdings um ein -jedenfalls damals – mit der Beklagten kooperieren – des Luftfahrtunternehmen im Rahmen der „Star Alliance“. Eine etwaige Umrechnung der Bonusmeilen von US Airways in einen entsprechenden Geldbetrag kann für die Beklagte mit Schwierigkeiten verbunden sein, weil es sich um ein anderes Luftfahrtunternehmen handelt, welches rechtlich selbständig ist und seinen Sitz in einem nicht der Europäischen Union angehörenden Land hat. Auch begegnet es Zweifeln, ob man der Beklagten im Fall der Erstattung von Bonusmeilen abverlangen kann, solche des anderen Unternehmens zu erstatten. In Betracht käme hier dann, dass die Beklagte den Klägern eigene Bonusmeilen gutschreibt (erstattet). Inwieweit diese aber denjenigen der US Airways wertmäßig entsprechen, kann fraglich sein. Ob sich die Fluggäste mit „fremden“ Bonusmeilen zufrieden geben oder zumindest irgendeine Art von „Wahl“ haben können müssen, wird durch den Europäischen Gerichtshof zu klären sein.

24. Zwar spricht nach den Umständen des vorliegenden Falles vieles dafür, dass die Kläger sich mit der entsprechenden Anzahl von Bonusmeilen der Beklagten zufrieden geben müssen. Denn sie haben bei der Buchung nicht nur Flüge der US Airways in Anspruch genommen, sondern mit den dort gesammelten Bonusmeilen auch Flüge des kooperierenden Unternehmens, nämlich der Beklagten gebucht. Ihnen kam es somit nicht unbedingt darauf an, ob die Flüge von der US Airways selbst oder der Beklagten durchgeführt wurden. Dann sollten sie auch, gerade wenn der herabgestufte Flug von der Beklagten ausgeführt worden ist, einen Anspruch nur auf Bonusmeilen dieses Unternehmens haben. An einer Entscheidung in diesem Sinne sieht sich der Senat aber nicht nur wegen der allein dem EuGH vorbehaltenen Auslegung von Art. 7 Abs. 3 der VO Nr. 261/2004 gemäß den Ausführungen oben unter III. 2. lit. a) gehindert, sondern auch wegen der im Zusammenhang mit der Bestimmung der Höhe des Gegenwertes der Bonusmeilen gemäß Vorlagefrage 2. b) sich ergebenden Problematik.

25. Für den Senat ist nicht ohne Weiteres einsichtig, warum ein Fluggast, dessen Flug vollständig annulliert worden ist, gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) i) der VO keinen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 hat, wenn er mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung unterrichtet worden ist, während es bei einer bloßen Herabstufung offenbar völlig unberücksichtigt bleibt, wie lange vor dem geplanten Abflug der Fluggast die Herabstufung kennt – und dennoch den herabgestuften Flug in Anspruch nimmt, obwohl ihm durchaus andere Möglichkeiten (Rückerstattung des vollen Flugpreises, Umbuchung) angeboten worden sind. Deshalb soll der Europäische Gerichtshof danach gefragt werden, ob und inwieweit eine entsprechende Anwendung von Art. 5 Abs. 1 lit. c) bei der Herabstufung eines Fluges nach Art. 10 Abs. 2 der VO oder die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (treuwidriges Verhalten des Fluggastes) bzw. eine Art von „Mitverschulden“ entsprechend den Regelungen in §§ 242, 254 BGB in Betracht kommen können.

26. Dabei ist dem vorlegenden Gericht zwar bewusst, dass es sich bei einem Erstattungsanspruch gemäß Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 der VO ausdrücklich nicht um einen Anspruch auf „Schadensersatz“ handelt. Auch ist in Art. 10 der VO vom Verordnungsgeber gerade keine Einschränkung wie in Art. 5 der VO vorgenommen worden. Eine planwidrige Regelungslücke, die durch die entsprechende Anwendung vergleichbarer Vorschriften ausgefüllt werden könnte, dürfte also nicht vorliegen. Indessen begegnet das Ergebnis durchaus Bedenken:

27. lm vorliegenden Fall haben sowohl die Beklagte als auch die US Airways den Zeugen Glanzmann deutlich mehr als 7 Monate vor dem planmäßigen Abflug darüber informiert, dass für den Teilflug von Frankfurt nach Boston wahrscheinlich nicht die 1. Klasse zur Verfügung gestellt werden kann. Zwar wurden ihm von US Airways Flugalternativen und eine volle Rückerstattung der Tickets angeboten. Allerdings hatte sich die Beklagte geweigert, die Kläger und den Zeugen auf einen diesen passenden Flug in der 1. Klasse umzubuchen. Dabei ist zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, dass sie wegen der Anschlussflüge und der Einhaltung der Schulferien und Urlaubsplanung der Eltern ein starkes Interesse an der Durchführung der Flüge gerade zu der gebuchten Zeit hatten.

28. Der Senat geht aber davon aus, dass bereits grundsätzlich weder eine entsprechende Anwendung von Art. 5 Abs. 1 lit. c) i) noch von Vorschriften des allgemeinen deutschen Schuldrechts im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 261/2004 in Betracht kommt

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