Ausgleichsanspruch bei Verspätung
AG Frankfurt: Ausgleichsanspruch bei Verspätung
Ein Fluggast verlangt wegen einer mehrstündigen Flugverspätung eine Ausgleichszahlung von seiner Airline. Diese verweigert die Zahlung, weil sich die Verspätung auf einem Flug mit einem außereuropäischen Reiseziel ereignete.
Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugeprochen. Die Verspätung sei auf europäischem Gebiet entstanden, weshalb ihm eine Ausgleichszahlung zustehe.
AG Frankfurt | 30 C 1565/06 (Aktenzeichen) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 21.09.2006 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 21.09.2006, Az: 30 C 1565/06 |
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Leitsatz:
2. Airline muss Ausgleichszahlung auch bei außereuropäischen Flügen leisten.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, einen Flug von einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union zu einem Ziel außerhalb der Europäischen Union. Dieser Flug gliederte sich in zwei Teilflüge, sodass der Kläger während der Flugreise einmal umsteigen musste. Der erste Flug wurde später durchgeführt, sodass der Kläger seinen Anschlussflug verpasste und am Zielort erst mit einer erheblichen Verspätung eintraf. Daraufhin begehrte der Kläger von der Beklagten eine Ausgleichszahlung im Sinne der EU-VO 261/2004. Die Beklagte weigerte sich zu zahlen und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Zielflughafen außerhalb der Europäischen Union lag und somit auch außerhalb des anspruchsbegründenden Geltungsbereiches der EU-VO 261/2004.
Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger jedoch die begehrte Ausgleichzahlung zugesprochen. Bei einer Ankunftsverzögerung von mehr als 3 Stunden stehe dem Fluggast eine entprechende Entschädigungsleistung nach Art. 7 der Europäischen Fluggastrechteverordnung zu. Diese beinhalten einen Ausgleich für die Wartezeit am Flughafen sowie die Erstattung von notwendigen Ausgaben zur Überbrückung der Dauer der Verspätung.
Da die Flugverspätung, die der Grund für die verzögerte Ankunft der Kläger am Zielflughafen war, ich noch auf dem Gebiet der Europäischen Union ereignete, sei es nicht von Belang, dass das Endziel außerhalb des Geltungsbereichs der anspruchsbegründenen Norm lag.
Die Entschädigung, in Form einer Ausgleichszahlung, stehe dem Kläger folglich zu.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600,– Euro zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 20%, die Beklagte 80% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
5. Am 26.2.2006 flogen der Kläger und seine Ehefrau mit einem bei der Beklagten gebuchten und von ihr durchgeführten Flug von … über … nach …. Der Rückflug war gebucht für den 12.3.2006 um 23.55 Uhr mit dem Flug … in umgekehrter Richtung.
6. Die Beklagte hat ihren Hauptsitz in ….
7. Aufgrund technischer Probleme wurde der Start der Maschine zum Rückflug mehrfach verschoben und schließlich um 2.00 Uhr nachts endgültig abgesagt. Die Fluggäste wurden in ein Hotel verbracht.
8. Während des darauf folgenden Tages, dem 13.3.2006, erhielten die Fluggäste keine konkreten Informationen über den Rückflug. Am Nachmittag des 13.3.2006 versuchten der Kläger, seine Ehefrau und weitere Fluggäste vergeblich, auf eigene Faust auf dem Flughafen von … eine Umbuchung zu erreichen.
9. Am 13.3.2006 gegen 23.00 Uhr – im Laufe des Tages war es im Hotel zu erheblicher Unruhe und tumultartigen Szenen unter den Fluggästen gekommen – teilte die Beklagte über eine Mitarbeiterin mit, der Abflug solle nunmehr am 14.3.2006 um 8.00 Uhr erfolgen. Der Kläger und seine Ehefrau hatten sich zuvor mit den Mitarbeitern der Beklagten in … dahingehend verständigt, dass die Teilstrecke von … nach … auf … nach … umgebucht wurde, um einen Anschlussflug nach Deutschland noch am selben Tag zu ermöglichen.
10. Tatsächlich startete die Maschine zum Rückflug in … nicht am 14.3.2006 um 8.00 Uhr, sondern aufgrund chaotischer Abfertigungsverhältnisse erst um 11.30 Uhr. Dies führte dazu, dass in Dubai aufgrund der verspäteten Ankunft der Anschlussflug nach … nicht mehr erreicht werden konnte. Dem Kläger und seiner Ehefrau gelang es in … im letzten Augenblick, auf einen Flug nach … mit einem Anschlussflug nach … umzubuchen.
11. Die Ankunft in … erfolgte sodann am 14.3.2006 gegen 22.30 Uhr.
12. Der Kläger meint, er habe aufgrund des Flugablaufs gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch nach Artikel 7 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (nachfolgend VO genannt) in Höhe von 600,– Euro.
13. Nachdem der Kläger zunächst weitere 200,– Euro Schadensersatz für den vollständigen Ausfall des Praxisbetriebs seiner Arztpraxis an zwei Werktagen geltend gemacht hatte, hat er in der mündlichen Verhandlung am 10.8.2006 die Klage insoweit zurückgenommen.
15. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 600,– Euro zu zahlen.
18. Sie meint, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Ausgleichsleistung gemäß Artikel 7 Abs. 1 c VO bestehe nicht. Der Anwendungsbereich der Verordnung sei nicht über Artikel 3 Abs. 1 a eröffnet, da der Rückflug auf einem Flughafen außerhalb des Gebietes der Europäischen Gemeinschaft angetreten wurde. Unter Berufung auf ein Urteil des AGs Berlin-Mitte vom 14.12.2005 ist die Beklagte der Ansicht, Artikel 3 Abs. 1 a VO könne nicht umfassend dahingehend ausgelegt werden, dass Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug anzusehen seien.
19. Der Anwendungsbereich der Verordnung sei mit Rücksicht auf den Hauptsitz der Beklagten in … schließlich auch nicht über Artikel 3 Abs. 1 b eröffnet.
20. Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
22. Der Kläger macht zu Recht gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch gemäß Artikel 5 Abs. 1 c in Verbindung mit Artikel 7 Abs. 1 c VO geltend.
23. Gemäß Artikel 5 Abs. 1 c VO wird bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 eingeräumt. Die Ausnahmetatbestände gemäß Artikel 5 Abs. 1 i sind ersichtlich nicht gegeben. Unzweifelhaft ist jedenfalls der Rückflug annulliert worden. Denn gemäß der in Artikel 2 1 geregelten Begriffsbestimmung ist unter „Annullierung“ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges zu verstehen, für den zumindest ein Platz reserviert war. Der für den 12.3.2006 mit Abflugzeit 23.55 Uhr mit der Flugnummer … ab … geplante Flug, für den für den Kläger zumindest ein Platz reserviert war, wurde nicht durchgeführt; stattdessen erfolgte der geplante Rückflug zu einem späteren Zeitpunkt unter einer anderen Flugnummer.
24. Gemäß Artikel 7 c erhalten Fluggäste, die unter Bezugnahme auf diesen Artikel einen Ausgleichsanspruch wegen der Flugannullierung geltend machen, bei Entfernungen über 3500 Kilometern eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,– Euro. Bei der Ermittlung der Entfernung ist hierbei, wie Artikel 7 Abs. 1 c des Weiteren bestimmt, „der letzte Zielort“ zugrunde zu legen, „an dem der Fluggast infolge der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt“. Letzter planmäßiger Zielort war im vorliegenden Fall …. Die Entfernung von … nach … beträgt mehr als 3500 Kilometer.
25. Damit sind grundsätzlich die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,– Euro gegeben.
26. Fraglich ist jedoch – worüber die Parteien allein streiten –, ob die Annullierung des Rückflugs überhaupt in den in Artikel 3 VO geregelten Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Dies ist im Ergebnis zu bejahen.
27. Zunächst ist nicht der Anwendungsbereich gemäß Artikel 3 Abs. 1 b VO eröffnet, wonach die Verordnung für Fluggäste gilt, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, „sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist. Gemäß der Legaldefinition in Artikel 2 c VO ist ein „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einem Mitgliedsstaat gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen erteilt wurde.
28. Gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 wird einem Luftfahrtunternehmen eine Betriebsgenehmigung nur erteilt, wenn die Hauptniederlassung und, soweit vorhanden, der eingetragene Sitz des Unternehmens sich in diesem Mitgliedsstaat befinden. Die Beklagte hat ihren Hauptsitz in …, eine Betriebsgenehmigung eines Mitgliedsstaats der EU liegt, mit Rücksicht auf Artikel 4 Abs. 1 der vorerwähnten Verordnung folgerichtig, nicht vor. Damit ist jedenfalls der Anwendungsbereich des Artikels 3 Abs. 1 b VO nicht gegeben.
29. Jedoch ist der Anwendungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 a VO eröffnet. Denn die Verordnung gilt gemäß Art. 3 Abs. 1 a „für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten“. Der Weg für einen Ausgleichsanspruch des Klägers ist mithin dann eröffnet, wenn es sich bei dem Kläger um einen Fluggast handelt, der auf dem Gebiet eines EU-Mitgliedsstaats „den Flug angetreten“ hat. Allerdings ist nicht der Hinflug annulliert worden, der unzweifelhaft in … als einem Mitgliedsstaat der EU angetreten wurde, sondern der Rückflug, der am 14.3.2006 von … aus startete, mithin nicht vom Gebiet eines Mitgliedsstaats der EU.
30. Fraglich ist daher, was unter dem Begriff „Flug“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 a VO zu verstehen ist. Ist der Rückflug separat zu betrachten, hat dies zur Folge, dass der Kläger seinen Flug in …, also außerhalb der EU angetreten hat, so dass der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 a VO nicht eröffnet wäre. Ist aber unter „Flug“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 a VO Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug im Sinne der Verordnung zu verstehen, hätte dies zur Folge, dass der Kläger seinen Flug in … angetreten hätte, mithin im Gebiet eines Mitgliedsstaats der EU; die VO wäre dann anwendbar.
31. Das hier erkennende Gericht ist der Auffassung, dass (anders als das AG Berlin-Mitte in seinem Urteil vom 14.12.2005) jedenfalls bei einer gleichzeitig erfolgten Buchung von Hin- und Rückflug der Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug zu verstehen ist, so dass der Kläger (ungeachtet des lediglich annullierten Rückflugs von nach …) den „Flug“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 a VO in … angetreten hat. Dies ergibt sich – wiederum entgegen der anderen Auffassung des AGs Berlin-Mitte – schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach unter „Flug“ in der Regel „Hin- und Rückflug“ verstanden werden („Ich fliege nach …). Hinzu kommt, dass Hin- und Rückflug zusammen meist billiger sind als ein one-way-Flug. In der Regel werden daher Hin- und Rückflug gleichzeitig gekauft. Dem Fluggast wird für den Hin- und Rückflug – unabhängig von der Zahl etwaiger Zwischenstopps – ein einheitliches Ticket ausgestellt. Auf diesem sind alle Flugdaten für Hin- und Rückflug und ein einheitlicher Preis vermerkt, der sich nicht in Hin- und Rückflug aufspaltet. Schon das Flugunternehmen selbst bietet Hin- und Rückflug folglich als einheitliche Beförderungsleistung an. All diese Umstände sprechen dafür, Hin- und Rückflug als Einheit anzusehen.
32. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht etwa der englische Text der Verordnung, wo es anstatt „einen Flug antreten“ heißt: „passengers departing from an airport“. Zum einen lässt sich auch der englischen Version nicht eindeutig entnehmen, welcher Flughafen als maßgeblich für die Beurteilung des Flugantritts gemeint ist. Zum anderen ist deutsch ebenso Amts- und Arbeitssprache der EU wie englisch. Daher sind sämtliche Verordnungstexte auch in der Sprache deutsch rechtsverbindlich. Es bleibt daher Aufgabe des hier erkennenden Gerichts, die deutsche Fassung der Verordnungsbestimmung auszulegen.
33. Entgegen der Auffassung des AGs Berlin-Mitte in dem zitierten Urteil kann auch nicht etwa der Erwägungsgrund Nummer 23 der Verordnung auslegungshindernd in dem Sinne herangezogen werden, Erwägungsgrund 23 verbiete „eine erweiternde Auslegung“, sondern regele allenfalls die Prüfung einer gegebenenfalls für wünschenswert gehaltenen Erweiterung des Anwendungsbereichs der VO. Denn Erwägungsgrund 23 bestimmt lediglich, dass die Kommission die Anwendung der Verordnung „analysieren und insbesondere beurteilen soll, ob ihr Anwendungsbereich auf alle Fluggäste ausgeweitet werden sollte, die mit einem Reiseunternehmen oder einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft in einer Vertragsbeziehung stehen und von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedsstaat antreten“. Dieser Erwägungsgrund stellt der Kommission lediglich anheim, zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls den Anwendungsbereich der Verordnung etwa hinsichtlich eines zu gewährenden Ausgleichsanspruchs auch auf solche Fluggäste zu erstrecken, die etwa mit einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft einen Flug von dem Gebiet eines Drittstaats zu einem Flughafen in einem Mitgliedsstaat der EU antreten, obwohl sie dort Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten haben, die nach jetziger Verordnungslage gemäß Art. 3 Abs. 1 b VO einen Ausgleichsanspruch ausschließen.
34. Es bleibt mithin durchaus Raum für einen eigenständigen Regelungsgehalt des Erwägungsgrundes 23.
35. Auch Art. 1 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens (MÜ) stehen der getroffenen Auslegung nicht entgegen. Es ist schon fraglich, ob das WA oder das MÜ als völkerrechtliche Regelungswerke zur Auslegung einer EU-Verordnung herangezogen werden können. Denn beide Normwerke haben verschiedene Legitimationsgrundlagen für die Normsetzung. Dem Montrealer Übereinkommen können zudem beliebig viele Staaten beitreten.
36. Die VO wiederum gilt unmittelbar für – und nur für – die Mitgliedsstaaten der EU. Letztendlich können diese Überlegungen jedoch dahingestellt bleiben, da weder das Warschauer Abkommen noch das Montrealer Übereinkommen bei der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 a VO behelflich sind. Art. 1 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens lässt immerhin eine solche Auslegung zu, da nach den dortigen Regelungen auch Flüge mit Unterbrechungen zum Zwecke des Umsteigens oder auch Sukzessivflüge als „internationale Beförderung“ anzusehen sein sollen. Dies steht einer Auslegung des Art. 3 Abs. 1 a VO, Hin- und Rückflug als einheitlichen Flug anzusehen, nicht entgegen, sondern lässt nach der Argumentationsregel a minore ad maius, eher einen noch weiteren Auslegungsspielraum offen.
37. Im Übrigen würde eine andere Auslegung des Art. 3 Abs. 1 a VO dazu führen, dass ein Fluggast mit einer gespaltenen Rechtslage bezüglich seiner Rechte als Fluggast konfrontiert wäre. Bezüglich des Hinflugs im vorliegenden Fall hätte sich der Kläger auf die Verordnung berufen können. Betreffend seine Rechte hinsichtlich des annullierten Rückflugs wäre er nunmehr gehalten, seine Rechte nach den Gesetzen des Drittstaates zu verfolgen. Diese Spaltung des Rechts hinsichtlich einer einheitlich gebuchten Beförderungsleistung (Hin- und Rückflug) ist von dem Verordnungsgeber nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht gewollt.
38. Der Ausgleichsanspruch des Klägers ist mithin begründet, da auch die weiteren Ausnahmetatbestände des Art. 7 Abs. 2 c (Möglichkeit der Kürzung des Ausgleichsanspruchs um 50% bei Angebot eines Alternativflugs mit einer planmäßigen Ankunftszeit nicht später als 4 Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Flugs) sowie des Artikel 5 Abs. 3 VO (keine Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen bei Nachweis, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurück geht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären) nicht vorliegen.
39. Das Gericht sah auch keinen Anlass, dem Antrag der Beklagtenseite zu folgen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV die Frage vorzulegen, ob die streitgegenständliche Rückbeförderung aus einem Drittstaat in das Territorium der EU dem Anwendungsbereich der Verordnung unterliegt, obgleich die Beklagte unstreitig kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne der Verordnung ist. Bei Auslegungsfragen zu europarechtlichen Rechtsquellen sind zwar die Gerichte der Mitgliedsstaaten der EU berechtigt, den Europäischen Gerichtshof zu einem Vorabentscheidungsverfahren anzurufen, nicht jedoch verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Vorlage besteht nur, wenn das erkennende Gericht im konkreten Rechtsstreit letztinstanzlich entscheidet. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 511 Abs. 4 Ziffer 1 ZPO die Berufung gegen das Urteil zugelassen ist.
40. Die Beklagte hat, da sie in dem Rechtsstreit unterlegen ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der teilweisen Klagerücknahme, die der Kläger zu tragen hat, §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 1, 92 Abs. 1 ZPO.
41. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
42. Die Berufung gegen dieses Urteil wird ausdrücklich zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 511 Abs. 4 Ziffer 1 ZPO.
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