Verordnung (EWG) Nr. 2409/92
VERORDNUNG (EWG) Nr. 2409/92 DES RATES
vom 23. Juli 1992
über Flugpreise und Luftfrachtraten
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN –
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 84 Absatz 2,
auf Vorschlag der Kommission(1) ,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(2) ,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3) ,
in Erwägung nachstehender Gründe:
Es ist von Bedeutung, gemäß Artikel 8a des Vertrages bis zum 31. Dezember 1992 eine Luftverkehrspolitik für den Binnenmarkt festzulegen.
Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.
Die Richtlinie 87/601/EWG des Rates vom 14. Dezember 1987 über Tarife im Fluglinienverkehr zwischen Mitgliedstaaten(4) und die Verordnung (EWG) Nr. 2342/90 des Rates vom 24. Juli 1990 über Tarife im Linienflugverkehr(5) bilden erste Schritte zur Verwirklichung des Binnenmarktes bezueglich der Flugpreise.
Normalerweise sollte das freie Spiel der Marktkräfte die Höhe der Flugpreise bestimmen.
Die freie Preisbildung sollte durch geeignete Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Interessen der Verbraucher und der Industrie ergänzt werden.
Alle Fragen der Preisbildung sollen in ein und derselben Verordnung behandelt werden.
Diese Verordnung ersetzt die Verordnung (EWG) Nr. 2342/90 und Teile der Verordnung (EWG) Nr. 294/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über den Betrieb von Luftfrachtdiensten zwischen Mitgliedstaaten(6) –
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
(1) Diese Verordnung regelt Kriterien und Verfahren für die Aufstellung von Flugpreisen und Luftfrachtraten für Beförderungen im Flugverkehr ausschließlich innerhalb der Gemeinschaft.
(2) Unbeschadet des Absatzes 3 findet diese Verordnung keine Anwendung auf
a) Flugpreise und Luftfrachtraten der Luftfahrtunternehmen, die keine Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sind;
b) Flugpreise und Luftfrachtraten, die im Einklang mit der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs(7) im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen festgesetzt werden.
(3) Nur Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft dürfen neuartige Leistungen oder Flugpreise, die niedriger als die für identische Leistungen sind, anbieten.
Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:
a) „Flugpreise“ die in Ecu oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die von Fluggästen für ihre Beförderung und die Beförderung ihres Gepäcks im Flugverkehr an Luftfahrtunternehmen oder deren Bevollmächtigte zu zahlen sind, sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden;
b) „Sitztarife“ die in Ecu oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die von Charterern für die eigene Beförderung oder die ihrer Kunden einschließlich des Gepäcks im Flugverkehr an Luftfahrtunternehmen zu zahlen sind, sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden;
c) „Charterpreise“ die in Ecu oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die von Fluggästen für Dienstleistungen, die in ihrer Beförderung und der ihres Gepäcks im Flugverkehr bestehen oder diese einschließen, an Charterer zu zahlen sind, sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden;
d) „Frachtraten“ die in Ecu oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die für die Beförderung von Fracht zu zahlen sind, sowie die Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden;
e) „Standardfrachtraten“ die Tarife, die das Luftfahrtunternehmen im Regelfall anbieten würde, einschließlich normaler Rabatte;
f) „Flugdienst“ einen Flug oder eine Folge von Flügen zur gewerblichen Beförderung von Fluggästen, Fracht und/oder Post;
g) „Luftfahrtunternehmen“ ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung;
h) „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen, vor einem Mitgliedstaat gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen(8) ausgestellten Betriebsgenehmigung;
i) „betroffener Mitgliedstaat/betroffene Mitgliedstaaten“ den oder die Mitgliedstaaten, zwischen denen bzw. in dem oder in denen ein Flugpreis oder eine Luftfrachtrate gilt;
j) „beteiligter Mitgliedstaat/beteiligte Mitgliedstaaten“ den oder die betroffenen Mitgliedstaaten und den oder die Mitgliedstaaten, in dem bzw. in denen den jeweiligen Luftfahrtunternehmen, die den Flugdienst durchführen, eine Betriebsgenehmigung erteilt wurde;
k) „Grundpreis“ den niedrigsten voll flexiblen Flugpreis, der für einfache Flüge und für Hin- und Rückfluege mindestens im gleichen Umfang zum Verkauf angeboten wird wie jeder andere voll flexible Flugpreis für denselben Flugdienst.
Die von den Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft in Rechnung gestellten Charterpreise, Sitztarife und Frachtraten werden von den Parteien des Beförderungsvertrags frei vereinbart.
Die in der Gemeinschaft tätigen Luftfahrtunternehmen teilen der Öffentlichkeit auf Anfrage alle Flugpreise und Standardluftfrachtraten mit.
(1) Die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft legen ihre Flugpreise unbeschadet dieser Verordnung frei fest.
(2) Der oder die betroffenen Mitgliedstaaten können verlangen, daß die Flugpreise bei ihnen in einer von ihnen vorgeschriebenen Form hinterlegt werden; dabei darf keine Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder der Identität des Luftfahrtunternehmens stattfinden. Es darf nicht verlangt werden, daß die Flugpreise mehr als 24 Stunden (einschließlich eines Arbeitstages) vor ihrem Inkrafttreten zu hinterlegen sind, es sei denn, es handelt sich um eine Angleichung an einen bestehenden Flugpreis, wofür lediglich eine vorherige Mitteilung erforderlich ist.
(3) Ein Mitgliedstaat kann vor dem 1. April 1997 verlangen, daß die Flugpreise für Inlandstrecken, die von nicht mehr als einem Luftfahrtunternehmen, dem er eine Betriebsgenehmigung erteilt hat, oder von zwei Luftfahrtunternehmen, denen er eine Genehmigung zum gemeinsamen Betrieb erteilt hat, bedient werden, länger als einen Arbeitstag, aber nicht länger als einen Monat vor ihrem Inkrafttreten zu hinterlegen ist.
(4) Ein Flugpreis kann in bezug auf den Verkauf und die Beförderung Anwendung finden, solange er nicht gemäß Artikel 6 oder Artikel 7 ausser Kraft gesetzt wird.
(1) Vorbehaltlich der Verfahren dieses Artikels können die betroffenen Mitgliedstaaten jederzeit entscheiden,
a) einen Grundpreis ausser Kraft zu setzen, der unter Berücksichtigung der gesamten Preisstruktur für die betreffende Strecke sowie anderer einschlägiger Faktoren, einschließlich der Wettbewerbslage, im Verhältnis zu den langfristig voll zugewiesenen einschlägigen Kosten des Luftfahrtunternehmens einschließlich einer angemessenen Kapitalverzinsung zum Nachteil der Benutzer übermässig hoch ist;
b) unter Beachtung des Diskriminierungsverbots weitere Preissenkungen auf einem Markt (sowohl für eine Strecke als auch für ein Streckenbündel) zu untersagen, wenn die Marktkräfte zu einem anhaltenden Verfall der Flugpreise, der sich deutlich von gewöhnlichen jahreszeitlichen Schwankungen abhebt, und damit für alle betroffenen Luftfahrtunternehmen bei den betreffenden Flugdiensten zu umfangreichen Verlusten geführt haben, wobei die langfristig voll zugewiesenen einschlägigen Kosten der Luftfahrtunternehmen zu berücksichtigen sind.
(2) Eine Entscheidung gemäß Absatz 1 ist zu begründen und der Kommission und allen anderen beteiligten Mitgliedstaaten sowie dem oder den betroffenen Luftfahrtunternehmen mitzuteilen.
(3) Teilen innerhalb von vierzehn Tagen nach Eingang der Mitteilung weder ein anderer betroffener Mitgliedstaat noch die Kommission unter Angabe von Gründen ihre Ablehnung aufgrund von Absatz 1 mit, so kann der Mitgliedstaat, der eine Entscheidung gemäß Absatz 1 getroffen hat, das oder die betreffende(n) Luftfahrtunternehmen anweisen, den Grundpreis ausser Kraft zu setzen bzw. auf weitere Preissenkungen zu verzichten.
(4) Bei Meinungsverschiedenheiten kann jeder beteiligte Mitgliedstaat Konsultationen zur Überprüfung der Lage beantragen. Sofern nichts anderes vereinbart worden ist, finden die Konsultationen innerhalb von vierzehn Tagen nach ihrer Beantragung statt.
(1) Auf Ersuchen eines beteiligten Mitgliedstaates prüft die Kommission, ob eine Entscheidung über ein etwaiges Tätigwerden gemäß Artikel 6 mit den Kriterien des Artikels 6 Absatz 1 vereinbar ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet gleichzeitig den oder die übrigen Mitgliedstaaten und das oder die betreffenden Luftfahrtunternehmen. Die Kommission veröffentlicht unverzueglich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften eine Mitteilung darüber, daß der oder die Flugpreise zur Überprüfung vorgelegt wurden.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann die Kommission auf der Grundlage einer Beschwerde einer Partei, die ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, prüfen, ob die Flugpreise mit den Kriterien des Artikels 6 Absatz 1 vereinbar sind. Die Kommission teilt unverzueglich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften mit, daß der oder die Flugpreise zur Überprüfung vorgelegt worden sind.
(3) Ein Flugpreis, der zum Zeitpunkt seiner Unterbreitung gemäß Absatz 1 in Kraft war, bleibt während der Überprüfung gültig. Haben jedoch die Kommission oder der Rat in den vorangegangenen sechs Monaten gemäß Absatz 8 entschieden, daß ein ähnlicher oder niedrigerer Grundpreis auf der Strecke zwischen den beiden betreffenden Städten nicht mit den Kriterien des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe a) vereinbar ist, so bleibt der Flugpreis während der Überprüfung nicht gültig.
Ausserdem kann das betreffende Luftfahrtunternehmen im Falle der Anwendung von Absatz 6 während der Überprüfung durch die Kommission keinen Grundpreis festsetzen, der höher ist als derjenige, der unmittelbar vor dem nunmehr zu überprüfenden Grundpreis gültig war.
(4) Nach Konsultationen mit den betroffenen Mitgliedstaaten trifft die Kommission ihre Entscheidung so bald wie möglich, spätestens jedoch 20 Arbeitstage, nachdem sie von dem oder den betreffenden Luftfahrtunternehmen ausreichende Informationen erhalten hat. Die Kommission berücksichtigt alle Informationen, die sie von interessierter Seite erhält.
(5) Legt ein Luftfahrtunternehmen die verlangten Informationen nicht innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist vor oder sind die Informationen unvollständig, so fordert die Kommission die vorzulegenden Informationen durch Entscheidung an; in dieser Entscheidung wird die Art der verlangten Informationen präzisiert und eine für ihre Vorlage angemessene Frist festgesetzt.
(6) Die Kommission kann entscheiden, daß ein gültiger Flugpreis bis zur endgültigen Festlegung ausser Kraft gesetzt wird, wenn ein Luftfahrtunternehmen unzutreffende oder unvollständige Informationen erteilt oder die durch Entscheidung gemäß Absatz 5 festgesetzte Frist für die Vorlage der Informationen nicht einhält.
(7) Die mit Gründen versehene Entscheidung gemäß den Absätzen 4 und 6 wird von der Kommission unverzueglich dem oder den betroffenen Mitgliedstaaten und dem bzw. den betroffenen Luftfahrtunternehmen mitgeteilt.
(8) Die betroffenen Mitgliedstaaten können die Entscheidung der Kommission gemäß Absatz 4 binnen eines Monats dem Rat vorlegen. Der Rat kann binnen eines Monats mit qualifizierter Mehrheit anders entscheiden.
(9) Die betroffenen Mitgliedstaaten stellen sicher, daß die Kommissionsentscheidung ausgeführt wird, es sei denn, sie wird noch vom Rat geprüft oder der Rat hat gemäß Absatz 8 anders entschieden.
Die Kommission berät mindestens einmal jährlich mit Vertretern der Luftverkehrsnutzerverbände in der Gemeinschaft über die Flugpreise und damit zusammenhängende Angelegenheiten; hierfür lässt sie den Teilnehmern zuvor entsprechende Informationen zukommen.
Die Kommission veröffentlicht zum 1. April 1994 und anschließend in regelmässigen Abständen einen Bericht über die Durchführung dieser Verordnung.
(1) Die Mitgliedstaaten und die Kommission arbeiten bei der Durchführung dieser Verordnung zusammen, insbesondere beim Sammeln von Informationen für den Bericht gemäß Artikel 9.
(2) Die zur Durchführung dieser Verordnung erteilten vertraulichen Auskünfte fallen unter die Geheimhaltungspflicht.
Die Verordnung (EWG) Nr. 2342/90 wird aufgehoben.
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1993 in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Brüssel am 23. Juli 1992.
Im Namen des Rates Der Präsident J. COPE
(1) ABl. Nr. C 258 vom 4. 10. 1991, S. 15.
(2) ABl. Nr. C 125 vom 18. 5. 1992, S. 150.
(3) ABl. Nr. C 169 vom 6. 7. 1992, S. 15.
(4) ABl. Nr. L 374 vom 31. 12. 1987, S. 12.
(5) ABl. Nr. L 217 vom 11. 8. 1990, S. 1.
(6) ABl. Nr. L 36 vom 8. 2. 1991, S. 1.
(7) Siehe Seite 8 dieses Amtsblatts.
(8) Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts.
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