Ansprüche nach Zugverspätung beim Rail&Fly Ticket der TUI Deutschland

AG Hannover: Ansprüche nach Zugverspätung beim Rail&Fly Ticket der TUI Deutschland

Ein Reisegast nimmt einen Reiseveranstalter, die TUI Deutschland auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch. Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Reise inklusive Rail & Fly Ticket. Der Zug zum Flughafen hatte Verspätung, wodurch der Kläger seinen Flug nicht rechtzeitig erreichen konnte.

Der Kläger musste einen anderen Flug buchen und kam mit einer 7 stündigen Verspätung am Urlaubsziel an. Die Beklagte ist der Meinung, dass sie für das zu spät kommen des Zubringerzuges nicht haftet, da es sich um eine Fremdleistung handelt.

Das Gericht entschied, dass die TUI Deutschland für die Mehrkosten aufkommen muss. Die Beklagte verkaufe dieses Ticket ohne extra Gebühr und wirbt auch damit, daher sei sie dafür auch haftbar.

AG Hannover 436 C 1486/16 (Aktenzeichen)
AG Hannover: AG Hannover, Urt. vom 03.08.2016
Rechtsweg: AG Hannover, Urt. v. 03.08.2016, Az: 436 C 1486/16
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Niedersachsen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Hannover

1. Urteil vom 03.08.2016

Aktenzeichen: 436 C 1486/16

Leitsatz:

2. Versendet ein Reiseveranstalter Tickets in denen das Rail & Fly mitgebucht wurde, so ist er auch für eine Verspätung und deren Folgen haftbar.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger eine Flugreise für 6 Personen nach Mauritius. Im dem Flugpreis inbegriffen war auch ein Bahnticket 2. Klasse für die Hin – und Rückfahrt zum Flughafen Frankfurt. Dieses Ticket umfasste ebenfalls 6 Personen.

Auf dem Ticket selber, wird der Reisende darauf hingewiesen, dass er seine Zugverbindung so wählen soll, dass er sich spätestens 2 Stunden vor Abflug am Flughafen einfinden soll. Der Zug hatte allerdings 86 Minuten Verspätung, so dass der Kläger und seine Familie nicht mehr rechtzeitig zum Boarding erschienen.

Der Kläger musste für sich und seine Familie neue Tickets für den Ersatzflug mit Condor von Frankfurt am Main nach Viktoria auf den Seychellen, und von dort mit einer lokalen Fluggesellschaft nach Mauritius erwerben.

Er traf mit einer Verspätung von 7 Stunden an seinem Urlaubsort ein.  Der Kläger erhebt nun Anspruch auf Preisminderung und Schadensersatzleistungen von der Beklagten. Die Beklagte ist der Meinung, dass sie für die Verspätung des Zuges nicht verantwortlich sei, da es sich bei dem Zubringerzug um eine Drittleistung handele.

Das Gericht entschied, dass der Klage in den vollen Umfang stattgegeben wird. Der Reiseveranstalter TUI Deutschland, muss für die entstandenen Kosten für den Kläger und seine Familie aufkommen. Der Reiseveranstalter wirbt mit der Möglichkeit per Zug zum Flug zu kommen und verlangt dafür keine extra Gebühr. Des Weiteren werden auch die Reiseunterlagen und das Ticket von TUI Deutschland verschickt.

Tenor:

4. Die Beklagte TUI Deutschland wird verurteilt, an den Kläger 4.925,26 Euro sowie 492,54 Euro außergerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.9.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten TUI Deutschland für 6 Personen eine Flugpauschalreise nach Mauritius zum Gesamtreisepreis von 17.128,– Euro. Der Abflug sollte in Frankfurt/Main am 17.7.2015 um 15.20 Uhr erfolgen, geplante Ankunftszeit in Mauritius war um 4.50 Uhr Ortszeit am 18.7.2015.

6. ln der Reisebestätigung ist für 6 Personen ein kostenloses Zug zum Flug 2. Klasse return Bahnticket aufgeführt. Das Bahnticket ist Bestandteil der Reiseunterlagen. Es enthält den Hinweis, dass der Reisegast die Verbindung so wählen soll, dass er den Abflughafen spätestens 2 Stunden vor dem Start des Flugzeugs erreicht. Jeder Reisende sei für seine rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich.

7. Der Kläger und seine Familie wählten für die Anreise einen Direktzug IC 2252 von Leipzig nach Frankfurt, Abfahrt Leipzig um 9.33 Uhr, Ankunft Frankfurt Flughafen um 12.55 Uhr. Dieser Zug verspätete sich um 86 Minuten und erreichte den Bahnhof in Frankfurt erst um 14.21 Uhr, so dass der Kläger und seine Familie nicht mehr rechtzeitig zum Boarding erscheinen konnten. Der Kläger wandte sich daraufhin an die Flughafenstation der Beklagten TUI Deutschland, die ihm mitteilte, dass er nur noch einen Ersatzflug mit Condor nehmen könne nach Viktoria auf den Seychellen ,und von dort mit einer lokalen Fluggesellschaft nach Mauritius. –

8. Der Kläger musste für 6 Personen neue Flugtickets für insgesamt 4.587,96 Euro kaufen. Diesen Betrag verlangt der Kläger erstattet.

9. Er verlangt außerdem die für den ursprünglichen Flug entstandenen Kosten für Sitzplatzreservierung und Entertainment in Höhe von 173,91 Euro ersetzt.

10. Da der Kläger und seine Familie ihr Reiseziel erst mit einer Gesamtverspätung von 7 Stunden und 15 Minuten erreichten, macht der Kläger des Weiteren eine Reisepreisminderung in Höhe von 163,39 Euro geltend.

11. Außerdem verlangt er außergerichtlichen Anwaltskosten erstattet.

12. Der Kläger trägt vor, aus den Reiseunterlagen ergebe sich, dass die Beklagte TUI Deutschland die Zugfahrt als eigene Leistung, und nicht als Fremdleistung anbiete. Sie hafte, daher für die Folgen der Zugverspätung.

13. Der Kläger beantragt, wie erkannt.

14. Die Beklagte TUI Deutschland beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Sie trägt vor, der „Zug zum Flug“ sei keine vertragliche Leistung der Beklagten selbst, sondern eine vermittelte Fremdleistung der Deutschen Bahn AG, was sich aus den Reiseunterlagen ergebe.

17. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

18. Die Klage ist begründet.

19. Die Beklagte ist gem. §§ 651 f Abs. 1, 651 c, 651 d BGB zur Zahlung von 4.925,26 Euro verpflichtet.

20. Die Beklagte hat für die Folgen der Zugverspätung nach § 278 Satz 1 BGB einzustehen.

21. Bei der Zug zum Flug – Leistung handelt es sich um eine Leistung des Reiseveranstalters, wenn dieser aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Reisenden mit seinem Gesamtverhalten den Eindruck vermittelte, er biete den Bahntransfer eigene Leistung an und wolle für den Erfolg einstehen. Diesen Eindruck hat die Beklagte TUI Deutschland hier erweckt, denn die Beklagte wirbt in ihrem Prospekt als Vorteil mit der Zug zum Flug – Leistung und führt diese in der Reisebestätigung als – kostenlosen – Reisebestandteil auf. „Die Zug zum Flug – Tickets werden als Beitrag der TUI zum Klimaschutz bezeichnet und sind Bestandteil der Reiseunterlagen. Die Zug zum Flug Fahrkarte weist das Logo der TUI mit der Vorgangsnummer der Reisebestätigung aus und in der Rubrik Beförderer befindet sich die-Bezeichnung TUI 0702772 rail and fly. Die Beklagte TUI Deutschland selbst hat im vorprozessualen Schreiben vom 11.8.2015 darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Zug zum Flug – Ticket um eine kostenlose Zusatzleistung handelt, welche im Gesamtpaket enthalten ist. Das Gesamtpaket bezieht sich auf die Leistungserbringung der Beklagten TUI Deutschland. Im Reiseverlauf sind Zug zum Flug Hin- und Rückreise aufgeführt.

22. Aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Reisenden eine bestimmten Zug und eine bestimmte Abfahrtszeit nicht vorschreibt, ergibt sich nicht, dass die Beklagte TUI Deutschland lediglich Vermittlerin des Bahntickets ist. Auch aus dem Hinweis „Da bei Öffentlichen Verkehrsmitteln Verspätungen nie ganz ausgeschlossen werden können, sollten Sie Ihre Verbindung so wählen, dass Sie ihren Abflughafen spätestens 2 Stunden vor dem Start Ihres Flugzeugs erreichen. Jeder Reisende ist für seine rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich.“ Lässt sich nicht herleiten, dass die Zugfahrt nicht Gegenstand der Reiseleistung ist. Der Reisende ist insoweit verantwortlich, dass er einen Zug wählen muss, der spätestens 2 Stunden vor dem Abflug am Flughafen ankommt. Dieser Vorgabe hat der Kläger Genüge getan. Der von ihm gewählte Zug wäre fahrplanmäßig bereits um 12.55 Uhr, mithin rund 2,5 Stunden vor Abflug am Flughafen eingetroffen.

23. Aus Ziffer 13.6 der Reisebedingungen, wonach die Beförderung auf der Grundlage der Bedingungen des jeweiligen Beförderungsunternehmens erfolgt, lässt sich nicht herleiten, dass es sich bei der Beförderung um eine Fremdleistung handelt. Gleiches gilt für die Sätze: „Die Rechte und Pflichten des Veranstalters und der Reisenden nach dem Reisevertragsrecht und diesen ausführlichen Reisebedingungen werden durch die Bedingungen des jeweiligen Beförderungsunternehmens nicht eingeschränkt… Der Reisende ist für seine rechtzeitige Anreise zum Abflughafen selbst verantwortlich, es sei denn, eine Verspätung beruht auf einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Pflichtverletzung des Veranstalters.“

24. Wenn die Beklagte TUI Deutschland die Bahnfahrt als Fremdleistung lediglich vermitteln wollte, hätte sie dies in Prospekt, Reisebestätigung und/oder sonstigen Reiseunterlagen deutlich angeben müssen. Die Bezeichnung als Fremdleistung fehlt jedoch bezüglich des Zug zum Flug -Tickets völlig.

25. Die Beklagte TUI Deutschland kann sich auch nicht auf den Haftungsausschluss in Ziff. 13.4 der Reisebedingungen berufen, wonach sie nicht für Leistungsstörungen haftet, die als Fremdleistungen lediglich vermittelt werden, denn dies gilt nur dann, wenn diese Leistungen in der Reiseausschreibung und der Buchungsbestätigung ausdrücklich und unter Angabe des vermittelnden Vertragspartners als Fremdleistung so eindeutig gekennzeichnet werden, dass sie für den Reisenden erkennbar nicht Bestandteil der Reiseleistung des Veranstalters sind. Diese Voraussetzung liegt hier aber gerade nicht vor, denn eine solche eindeutige Kennzeichnung fehlt.

26. Die Beklagte TUI Deutschland hattet somit für die Zugverspätung. Es handelt sich um einen Reisemangel, den die Beklagte TUI Deutschland zu vertreten hat, denn Entlastendes ist nicht dargelegt.

27. Der Kläger kann daher gemäß § 651 f Abs. 1 BGB als Nichterfüllungsschaden Erstattung der für die Ersatzflüge entstandenen Kosten in Höhe von 4.537,86 Euro und der nutzlosen Aufwendungen in Höhe von 173,91 Euro verlangen.

28. lm Hinblick auf die verspätete Ankunft am Zielort ist eine Reisepreisminderung gem. §§ 651 d, 638 Abs. 3, Abs. 4 BGB i. H. v. 163.39 Euro gerechtfertigt.

29. Der Kläger kann außerdem gem.

Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert in Höhe von 4.925,26 Euro In Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Postpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 492,54 Euro verlangen.

30. Die Zinsforderung ist gem. §§ 286, 288 BGB begründet.

31. Die Nebenentscheidung folgt aus §§ 91, 709 ZPO.

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